BundesrechtInternationale VerträgeEuropäische Kernenergieagentur

Europäische Kernenergieagentur

In Kraft seit 01. Februar 1958
Up-to-date

TEIL I

Artikel 1

Art. 1

a) Es wird hiemit im Rahmen der Organisation eine Europäische Kernenergieagentur (nachstehend „Agentur“ genannt) geschaffen.

b) Die Agentur hat den Zweck, die Entwicklung der Produktion und Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke durch die Teilnehmerstaaten im Wege der Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern und einer Harmonisierung der auf nationaler Ebene getroffenen Maßnahmen zu fördern.

Artikel 2

Art. 2

Die der Agentur übertragenen Aufgaben sind unter Wahrung der Zuständigkeit des Rates vom Direktionsausschuß für Kernenergie (nachstehend „Direktionsausschuß“ genannt), von den gemäß den nachstehend angegebenen Bestimmungen zur Unterstützung desselben und zur Wahrnehmung von im gemeinsamen Interesse einer Gruppe von Ländern gelegenen Aufgaben eingesetzten Organen sowie vom Sekretariat der Agentur durchzuführen.

Artikel 3

Art. 3

Der Direktionsausschuß ist für alle Fragen zuständig, die den Zweck der Agentur im Rahmen der sich aus den nachstehenden Bestimmungen und aus anderen in Betracht kommenden Ratsbeschlüssen ergebenden Bedingungen betreffen.

Artikel 4

Art. 4

a) Die Agentur hat eine vergleichende Gegenüberstellung und Abstimmung der Programme und Projekte der Teilnehmerstaaten für die Entwicklung von Forschung und Industrie auf dem Gebiete der Erzeugung und Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke unter Berücksichtigung der vom Energiebeirat erstellten Vorschau auf den Bedarf und die Versorgung mit Energie möglichst weitgehend zu fördern.

b) Zu diesem Zweck sind die Teilnehmerländer in den Fällen und unter den Bedingungen, die vom Direktionsausschuß festgelegt werden, einzuladen,

i) der Agentur in bestimmten Zeitabständen ihre nationalen oder gemeinsamen Programme für friedliche Zwecke beziehungsweise die Voranschläge hiefür nebst sämtlichen zweckdienlichen Angaben über deren Fortschritt bekanntzugeben;

ii) der Agentur Mitteilung über ihre von öffentlicher oder privater Seite geförderten Projekte zu machen.

c) Die Programme und Projekte werden vom Direktionsausschuß gemäß einem von ihm zu bestimmenden Verfahren überprüft. Der Direktionsausschuß kann den betreffenden Ländern seine Ratschläge insbesondere in Form von Empfehlungen erteilen.

Artikel 5

Art. 5

a) Die Agentur hat geeignetenfalls die Bildung gemeinsamer Unternehmungen zur Produktion und Verwendung von Atomenergie für friedliche Zwecke zu fördern und dabei zu trachten, eine möglichst große Anzahl von Ländern für eine Beteiligung daran zu gewinnen.

b) Erklärt eine Gruppe von Teilnehmer- oder assoziierten Staaten, daß sie ein gemeinsames Unternehmen zu errichten beabsichtigt, dann können die betreffenden Länder die Durchführung der für diesen Zweck notwendigen Arbeiten auf eigene Kosten im Rahmen der Organisation untereinander vereinbaren, gleichgültig, welche Stellung die anderen Teilnehmerstaaten dazu einnehmen. Die gemäß diesem Absatz eingesetzten Arbeits- oder Studiengruppen haben den Direktionsausschuß über ihre Fortschritte auf dem laufenden zu halten und ihm über ihre Schlußfolgerungen Bericht zu erstatten.

c) Sind auf Anregung oder mit Unterstützung der Agentur gemeinsame Unternehmungen gegründet worden, dann

i) übt der Direktionsausschuß — oder eine kleine Gruppe des Direktionsausschusses, die sich aus Vertretern der sich an der Unternehmung beteiligenden Länder zusammensetzt — die Funktion aus, die ihm auf Grund der für die Gründung der betreffenden Unternehmungen geschlossenen Abkommen übertragen werden;

ii) haben die gemeinsamen Unternehmungen alljährlich an den Direktionsausschuß über ihren Geschäftsstand und ihre Entwicklung zu berichten;

iii) hat der Direktionsausschuß über Fragen von allgemeinem Interesse, die sich beim Betrieb gemeinsamer Unternehmungen ergeben, zu dem Zwecke zu beraten, um den Regierungen etwaige notwendige Maßnahmen vorzuschlagen;

iv) sollten die für die Gründung gemeinsamer Unternehmungen abgeschlossenen Verträge Bestimmungen enthalten, wonach Teilnehmerstaaten oder Gruppen von Teilnehmerstaaten, die an den gemeinsamen Unternehmungen sich nicht beteiligen, diesen zu einem späteren Zeitpunkt beitreten oder sich die Ergebnisse von deren Tätigkeit zunutze machen können.

Artikel 6

Art. 6

a) Die Agentur hat nach besten Kräften dafür zu sorgen, daß die gemeinsamen Unternehmungen sowie die Teilnehmerstaaten regelmäßig mit den für die Durchführung ihrer Programme auf dem Gebiete der Kernenergie erforderlichen Rohstoffen versorgt werden.

b) Zu diesem Zweck hat die Agentur geeignetenfalls den Abschluß von Verträgen für Rohstofflieferungen eventuell auch aus Drittländern durch die Organisation gemäß Art. 13 Abs. b der Konvention vom 16. April 1948 oder durch die Teilnehmerstaaten zu fördern. Der Direktionsausschuß übt die der Organisation auf Grund dieser Verträge übertragenen Funktionen aus.

Artikel 7

Art. 7

a) Die Agentur ist angewiesen, gemeinsam mit dem Handelsausschuß über Maßnahmen zu einer möglichst freizügigen Gestaltung des internationalen Handelsverkehrs in Produkten, die für die Erzeugung und Verwendung von Atomenergie für friedliche Zwecke wichtig sind, zu beraten.

b) Der Direktionsausschuß hat insbesondere die ihm in dieser Beziehung vom Rat übertragenen Funktionen zu erfüllen.

Artikel 8

Art. 8

a) Um zu gewährleisten, dass durch den Betrieb gemeinsamer Unternehmungen und mit den von der Agentur oder unter ihrer Aufsicht zur Verfügung gestellten Rohstoffen, Einrichtungen und Dienstleistungen keinerlei militärische Zwecke gefördert werden, wird eine Sicherheitskontrolle eingerichtet.

b) Die Sicherheitskontrolle kann auf Ersuchen der Vertragspartner auf jedes bilaterale oder multilaterale Abkommen beziehungsweise auf Ersuchen eines Teilnehmerstaates auf jede Tätigkeit des betreffenden Landes auf dem Gebiete der Atomenergie angewandt werden.

c) Die Organisation dieser Kontrolle und die Kontrollfunktionen der Agentur bilden den Gegenstand einer eigenen Konvention über Sicherheitskontrolle.

Artikel 9

Art. 9

a) Die Agentur hat die Entwicklung der Forschungstätigkeit zur Erzeugung und Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke in den Teilnehmerstaaten zu begünstigen.

b) Zu diesem Zwecke hat sie geeignetenfalls den Abschluß von Abkommen für die gemeinsame Verwendung der von Teilnehmerstaaten errichteten Forschungsstätten und die Gründung gemeinsamer Forschungsinstitute unter den im vorstehenden Art. 5 angegebenen Bedingungen zu fördern.

c) Die Agentur hat den Austausch von mit ihrem Aufgabenkreis in Zusammenhang stehenden wissenschaftlichen und technischen Informationen zwischen den Teilnehmerstaaten und assoziierten Staaten zu begünstigen.

Artikel 10

Art. 10

a) Die Agentur hat die Entwicklung der Ausbildung auf den mit der Kernenergie in Zusammenhang stehenden Gebieten in den Teilnehmerstaaten zu fördern, um so zur Deckung des Bedarfes an wissenschaftlichen und technischen Fachkräften auf diesem Gebiete beizutragen.

b) Zu diesem Zwecke hat der Direktionsausschuß die Schritte zu unternehmen, die es im Wege der Zusammenarbeit zwischen Teilnehmer- und assoziierten Staaten gestatten,

i) die vorhandenen Schulungsmöglichkeiten in den betreffenden Institutionen der einzelnen Länder weitestgehend zu benützen und weiter auszubauen;

ii) eine zusätzliche Schulung von Lehrern, Studenten oder Ingenieuren auf internationaler Basis abzuhalten, sofern eine solche erforderlich ist.

Artikel 11

Art. 11

a) Die Agentur hat die Ausarbeitung und Abstimmung der gesetzlichen Vorschriften bezüglich der Kernenergie in den Teilnehmerstaaten insbesondere in folgender Hinsicht zu fördern:

i) Schutz der Volksgesundheit und Verhütung von Unfällen in der Atomindustrie;

ii) Haftpflicht und Versicherung gegen atomare Risken;

iii) Maßnahmen zur Gewährleistung einer möglichst wirksamen Ausnützung patentierter Erfindungen.

b) Zu diesem Zweck hat der Direktionsausschuß

i) möglichst umgehend allgemeine Richtlinien, die als Grundlage für die Gesetze und Verordnungen der einzelnen Länder dienen sollen, auszuarbeiten und den Teilnehmerstaaten zum Zwecke der Annahme durch dieselben zu unterbreiten;

ii) die Schaffung gemeinsamer Einrichtungen der Teilnehmerstaaten zu begünstigen, die insbesondere zum Schutz der Volksgesundheit und zur Verhütung von Unfällen in der Atomindustrie notwendig sind.

TEIL II

Artikel 12

Art. 12

a) Der Direktionsausschuß setzt sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten der Organisation, die bei der vorliegenden Beschlußfassung mitgewirkt haben, zusammen.

b) Die Regierungen Japans, Kanadas und der Vereinigten Staaten von Amerika werden eingeladen, sich an den Arbeiten der Agentur zu beteiligen.

Artikel 13

Art. 13

a) Der Direktionsausschuß bestellt alljährlich aus den Reihen seiner Mitglieder einen Vorsitzenden und stellvertretende Vorsitzende. Er gibt sich seine Verfahrensordnung selbst.

b) Der Direktionsausschuß kann den Teilnehmerstaaten Ratschläge, insbesondere in Form von Empfehlungen über alle in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Fragen, erteilen.

c) In allen Fällen, in denen Beschlüsse gefaßt werden müssen, die für die Regierungen bindend sind und über die dem Direktionsausschuß erteilten besonderen Befugnisse hinausgehen, hat letzterer zu diesem Zwecke dem Rat Vorschläge zu unterbreiten.

d) Der Direktionsausschuß hat dem Rat alljährlich über die Durchführung seiner Aufgaben und die Lage und Aussichten der Atomindustrie in den Teilnehmerstaaten Bericht zu erstatten.

Artikel 14

Art. 14

a) Aus den vom Direktionsausschuß ausgearbeiteten Berichten und Vorschlägen hat gegebenenfalls die von seinen Mitgliedern jeweils vertretene Ansicht hervorzugehen.

b) Die Beschlüsse, Gutachten oder Empfehlungen des Direktionsausschusses sind von den anwesenden und abstimmenden Mitgliedern einstimmig zu fassen beziehungsweise zu beschließen.

c) Dagegen sind Beschlüsse des Direktionsausschusses, die die Wahl der Tagesordnung, die Durchführung von Studien, die Einsetzung von Arbeitsgruppen und die Vorlage von Fragebögen an die Teilnehmerstaaten betreffen, mit Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder des Direktionsausschusses zu fassen.

d) Für die Regierungen bindende Beschlüsse, die vom Direktionsausschuß im Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse gefaßt werden, sind nur für jene Länder verbindlich, die sie akzeptiert haben.

Artikel 15

Art. 15

a) Der Direktionsausschuß kann Kommissionen und Arbeitsgruppen, die er für seine Unterstützung bei der Erfüllung seiner Aufgaben für notwendig halt, einsetzen und sie mit der Ausführung jeder Arbeit, die den Zweckbestimmungen der Agentur entspricht, betrauen.

b) Zum Studium von Fragen oder zur Ausübung von Funktionen, die für eine Gruppe von Teilnehmer- oder assoziierten Staaten von Interesse sind, können unter den in vorstehendem Art. 5 oder in einem Ratsbeschluß angegebenen Bedingungen zahlenmäßig beschränkt Ausschüsse eingesetzt werden.

Artikel 16

Art. 16

a) Der Direktionsausschuß hat seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den zuständigen Organen der Organisation zu erfüllen.

b) Der Direktionsausschuß hat sich mit diesen Organen über Angelegenheiten ins Einvernehmen zu setzen, die in deren Aufgabengebiet fallen. Diese Organe haben sich mit dem Direktionsausschuß in allen Angelegenheiten ins Einvernehmen zu setzen, die die Produktion und Verwendung von Kernenergie für friedliche Zwecke betreffen.

Artikel 17

Art. 17

a) Der Direktionsausschuß und dessen untergeordnete Organe werden vom Sekretariat der Agentur unterstützt, das einen Teil des Sekretariates der Organisation bildet.

b) Die Ausgaben für die Tätigkeit der Agentur werden aus dem Budget der Organisation getragen. Zu diesem Zweck arbeitet der Direktionsausschuß jährliche Ausgabenvoranschläge aus, die dem Rat zur Genehmigung vorzulegen sind.

c) Aufwendungen der Agentur, für die eine besondere finanzielle Regelung gilt, sind durch separate Budgetmittel zu dekken, und die Länder, die keine finanziellen Beiträge zu derartigen Aufwendungen leisten, haben sich bei der Abstimmung über den betreffenden Posten im Budget der Stimme zu enthalten.

Artikel 18

Art. 18

a) Der Direktionsausschuß hat in Durchführung seiner Aufgaben die von anderen gleichgerichteten internationalen Organisationen geleisteten Arbeiten zu berücksichtigen und diese Organisationen soweit wie möglich um ihre Mitarbeit zu ersuchen.

b) Der Direktionsausschuß hat im Einvernehmen mit dem Rat zu internationalen öffentlichen Organisationen, die mit Kernenergiefragen befaßt sind, Verbindung aufzunehmen.

c) Der Direktionsausschuß kann im Rahmen der vom Rat genehmigten Beschlüsse oder Regelungen mit den in Betracht kommenden internationalen nichtöffentlichen Organisationen in Verbindung treten.

Artikel 19

Art. 19

a) Die Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses berühren in keiner Weise die Rechte und Verbindlichkeiten, welche sich aus bereits früher von. den an der vorliegenden Beschlussfassung beteiligten Regierungen abgeschlossenen Verträgen ergeben.

b) Da der vorliegende Beschluß die Ausübung der der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) auf Grund des am 25. März 1957 in Rom abgeschlossenen Vertrages eingeräumten Befugnisse nicht beeinträchtigt, hat die Agentur eine enge Zusammenarbeit mit der genannten Gemeinschaft herzustellen, wofür die Einzelheiten im Wege eines gemeinsamen Abkommens festgelegt werden.

Artikel 20

Art. 20

a) Teilnehmerstaaten sind die Staaten, deren Regierungen an der vorliegenden Beschlussfassung mitgewirkt haben. Assoziierte Staaten sind Japan, Kanada und die Vereinigten Staaten von Amerika.

b) Jede Regierung, die an der vorliegenden Beschlussfassung mitgewirkt hat, kann die Anwendung des Beschlusses, soweit es sie selbst betrifft, durch eine entsprechende, an den Generalsekretär der Organisation gerichtete zwölfmonatige Kündigung beenden.

c) Der Ratsbeschluß vom 18. Juli 1956, auf den vorstehend Bezug genommen wird, wird aufgehoben.

Artikel 21

Art. 21

Die Bestimmungen des Zusatzprotokolls Nr. 1 zu dem Übereinkommen über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finden Anwendung auf die Vertretung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) in der Agentur und ihrem Direktionsausschuß sowie auf die Teilnahme der Kommission der genannten Gemeinschaft an den Arbeiten der Agentur und ihres Direktionsausschusses.

Artikel 22

Art. 22

Der vorliegende Beschluß tritt am 1. Februar 1958 in Kraft.