A. ALLGEMEINES
(1) Nach Artikel IX oder X dieses Übereinkommens eingeleitete Untersuchungen wegen des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen oder von Mitteln zur Bekämpfung von Unruhen als Mittel der Kriegführung werden nach Maßgabe dieses Anhangs und der vom Generaldirektor festzulegenden ausführlichen Verfahren durchgeführt.
(2) Die folgenden zusätzlichen Bestimmungen beziehen sich auf besondere Verfahren, die im Fall des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen erforderlich sind.
B. TÄTIGKEITEN VOR DER INSPEKTION
Der dem Generaldirektor vorzulegende Antrag auf Untersuchung wegen eines behaupteten Einsatzes chemischer Waffen soll, soweit möglich, folgende Informationen enthalten:
a) den Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Einsatz chemischer Waffen stattgefunden haben soll;
b) den Punkt der Einreise oder andere empfohlene sichere Zugangswege;
c) Standort und Merkmale der Bereiche, in denen chemische Waffen eingesetzt worden sein sollen;
d) Zeitpunkt des angeblichen Einsatzes chemischer Waffen;
e) Art der chemischen Waffen, die eingesetzt worden sein sollen;
f) Umfang des behaupteten Einsatzes;
g) Merkmale der möglicherweise eingesetzten toxischen Chemikalien;
h) Wirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen;
i) gegebenenfalls Ersuchen um besondere Hilfe.
(4) Der Vertragsstaat, der die Untersuchung beantragt hat, kann jederzeit die von ihm als notwendig erachteten zusätzlichen Informationen beibringen.
(5) Der Generaldirektor bestätigt dem ersuchenden Vertragsstaat sofort den Eingang seines Ersuchens und setzt den Exekutivrat und alle Vertragsstaaten davon in Kenntnis.
(6) Der Generaldirektor unterrichtet gegebenenfalls den Vertragsstaat darüber, daß in seinem Hoheitsgebiet eine Untersuchung beantragt worden ist. Der Generaldirektor unterrichtet auch andere Vertragsstaaten, sofern der Zugang zu deren Hoheitsgebiet im Verlauf der Untersuchung erforderlich wird.
(7) Der Generaldirektor stellt eine Liste geeigneter Fachleute zusammen, deren Kenntnisse auf einem besonderen Fachgebiet für eine Untersuchung des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen erforderlich sein könnten, und schreibt diese Liste ständig fort. Die Liste wird jedem Vertragsstaat spätestens 30 Tage nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens und nach jeder ihrer Änderungen schriftlich übermittelt. Jeder in der Liste geführte geeignete Fachmann gilt als bestellt, sofern nicht ein Vertragsstaat spätestens 30 Tage nach Erhalt der Liste schriftlich seine Ablehnung erklärt.
(8) Der Generaldirektor wählt den Leiter und die Mitglieder eines Inspektionsteams aus den bereits für Verdachtsinspektionen bestellten Inspektoren und Inspektionsassistenten aus, wobei er die Umstände und die besondere Art des betreffenden Ersuchens in Betracht zieht. Außerdem können die Mitglieder des Inspektionsteams aus der Liste der geeigneten Fachleute ausgewählt werden, wenn nach Auffassung des Generaldirektors die für den ordnungsgemäßen Verlauf einer bestimmten Untersuchung erforderlichen Fachkenntnisse unter den bereits bestellten Inspektoren nicht vorhanden sind.
(9) Bei der Einweisung des Inspektionsteams teilt der Generaldirektor zusätzliche Informationen mit, die er von dem ersuchenden Vertragsstaat oder aus anderen Quellen erhalten hat, damit die Inspektion möglichst wirkungsvoll und zügig durchgeführt werden kann.
(10) Unmittelbar nach Eingang eines Ersuchens um Untersuchung des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen ersucht der Generaldirektor durch Verbindungen zu den betreffenden Vertragsstaaten um Vorkehrungen für die sichere Aufnahme des Teams und bestätigt diese Vorkehrungen.
(11) Der Generaldirektor entsendet das Team bei erster Gelegenheit unter Berücksichtigung seiner Sicherheit.
(12) Ist die Entsendung des Teams nicht innerhalb von 24 Stunden nach Eingang des Ersuchens erfolgt, so teilt der Generaldirektor dem Exekutivrat und den betreffenden Vertragsstaaten die Gründe für die Verzögerung mit.
(13) Das Inspektionsteam hat das Recht, bei seinem Eintreffen und jederzeit während der Inspektion von Vertretern des inspizierten Vertragsstaats eingewiesen zu werden.
(14) Vor Beginn der Inspektion stellt das Inspektionsteam einen Inspektionsplan auf, der unter anderem als Grundlage für Logistik- und Sicherheitsregelungen dient. Der Inspektionsplan wird nach Bedarf aktualisiert.
C. DURCHFÜHRUNG DER INSPEKTIONEN
(15) Das Inspektionsteam hat Zugang zu sämtlichen Bereichen, die durch den behaupteten Einsatz chemischer Waffen betroffen sein könnten. Es hat auch das Recht auf Zugang zu Krankenhäusern, Flüchtlingslagern und zu sonstigen Plätzen, die es für die wirksame Untersuchung des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen für zweckdienlich hält. Wegen dieses Zugangs konsultiert das Inspektionsteam den inspizierten Vertragsstaat.
(16) Das Inspektionsteam hat das Recht, Proben von der Art und in der Menge zu nehmen, die es für notwendig hält. Sofern das Inspektionsteam es als notwendig erachtet und den inspizierten Vertragsstaat darum ersucht, hilft dieser bei der Entnahme der Proben unter der Aufsicht von Inspektoren oder Inspektionsassistenten. Der inspizierte Vertragsstaat gestattet auch die Entnahme geeigneter Kontrollproben aus Nachbarbereichen der Orte, an denen der Einsatz erfolgt sein soll, sowie aus anderen Bereichen, soweit das Inspektionsteam dies verlangt, und arbeitet bei der Probenahme mit.
(17) Zu den für die Untersuchung des behaupteten Einsatzes wichtigen Proben gehören toxische Chemikalien, Munition und Geräte, Reste von Munition und Geräten, Proben aus der Umwelt (Luft, Boden, Pflanzenwelt, Wasser, Schnee usw.) und biomedizinische Proben von Mensch oder Tier (Blut, Urin, Exkremente, Gewebe usw.).
(18) Ist die Entnahme von Doppelproben nicht möglich und wird die Analyse in Laboratorien außerhalb des Betriebsgeländes vorgenommen, so werden nach Abschluß der Analyse übriggebliebene Proben auf Wunsch an den Vertragsstaat zurückgegeben.
(19) Hält es das Inspektionsteam während der Durchführung einer Inspektion für notwendig, die Untersuchung auf einen benachbarten Vertragsstaat auszudehnen, so teilt der Generaldirektor dem betreffenden Vertragsstaat mit, daß der Zugang zu seinem Hoheitsgebiet notwendig ist, und fordert ihn auf, Vorkehrungen für die sichere Aufnahme des Teams zu treffen, und bestätigt diese Vorkehrungen.
(20) Ist nach Auffassung des Inspektionsteams ein sicherer Zugang zu einem bestimmten für die Untersuchung zweckdienlichen Bereich nicht möglich, so wird der ersuchende Vertragsstaat sofort davon unterrichtet. Falls erforderlich, wird die Inspektionsdauer so lange verlängert, bis ein sicherer Zugang geschaffen ist und das Inspektionsteam seinen Auftrag erfüllt hat.
(21) Das Inspektionsteam hat das Recht, Personen zu befragen und zu untersuchen, die durch den behaupteten Einsatz chemischer Waffen betroffen sein können. Es hat auch das Recht, Augenzeugen des behaupteten Einsatzes chemischer Waffen sowie medizinisches Personal und andere Personen zu befragen, welche die durch den behaupteten Einsatz chemischer Waffen betroffenen Menschen behandelt haben oder mit ihnen in Berührung gekommen sind. Das Inspektionsteam hat Zugang zu etwa vorhandenen Krankenblättern, und ihm ist gestattet, gegebenenfalls bei der Autopsie von Personen zugegen zu sein die durch den behaupteten Einsatz chemischer Waffen hätten betroffen sein können.
D. BERICHTE
(22) Das Inspektionsteam richtet spätestens 24 Stunden nach seinem Eintreffen im Hoheitsgebiet des inspizierten Vertragsstaats einen Lagebericht an den Generaldirektor. Nach Bedarf schickt es ihm während der gesamten Untersuchung weitere Tätigkeitsberichte.
(23) Spätestens 72 Stunden nach der Rückkehr zu seinem Hauptarbeitsplatz legt das Inspektionsteam dem Generaldirektor einen vorläufigen Bericht vor. Der Schlußbericht wird dem Generaldirektor spätestens 30 Tage nach Rückkehr des Inspektionsteams zu seinem Hauptarbeitsplatz vorgelegt. Der Generaldirektor leitet den vorläufigen Bericht und den Schlußbericht umgehend an den Exekutivrat und alle Vertragsstaaten weiter.
(24) Der Lagebericht weist auf dringend erforderliche Hilfe hin und enthält andere sachdienliche Informationen. Die Tätigkeitsberichte weisen auf weitere erforderliche Hilfe hin, die sich im Verlauf der Untersuchung als notwendig herausstellen könnte.
(25) Der Schlußbericht faßt die durch die Inspektion festgestellten Tatsachen zusammen, insbesondere in bezug auf den in dem Ersuchen genannten behaupteten Einsatz. Außerdem enthält der Bericht über die Untersuchung eines behaupteten Einsatzes eine Beschreibung des Untersuchungsvorgangs unter Angabe der einzelnen Schritte mit besonderem Hinweis
a) auf die Orte und die Zeiten der Probenahmen und der vor Ort vorgenommenen Analysen sowie
b) auf die Beweismittel, wie etwa Aufzeichnungen über die Befragungen, Ergebnisse medizinischer Untersuchungen und wissenschaftlicher Analysen und der vom Inspektionsteam geprüften Unterlagen.
(26) Sammelt das Inspektionsteam unter anderem durch die Feststellung der Art etwaiger Verunreinigungen oder anderer Stoffe bei der Laboratoriumsanalyse der entnommenen Proben im Verlauf seiner Untersuchung Informationen, die dazu beitragen könnten, die Herkunft etwaiger eingesetzter chemischer Waffen festzustellen, so ist diese Information in dem Bericht enthalten.
E. STAATEN, DIE NICHT VERTRAGSPARTEIEN DIESES ÜBEREINKOMMENS SIND
(27) Bezieht sich der behauptete Einsatz chemischer Waffen auf einen Staat, der nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, oder auf ein Hoheitsgebiet, das nicht unter der Kontrolle eines Vertragsstaats steht, so arbeitet die Organisation eng mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zusammen. Wenn sie darum ersucht wird, stellt die Organisation dem Generalsekretär der Vereinten Nationen ihre Möglichkeiten zur Verfügung.
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