(Zu Artikel 196.) |
Von der Erwägung geleitet, daß bei der Regelung der im Artikel 196 des Staatsvertrages von Saint Germain behandelten Fragen nicht nur materielle und finanzielle Interessen, sondern vor allem kulturelle und ethische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, haben die vertragschließenden Regierungen beschlossen, teilweise über die einschlägigen Bestimmungen des Staatsvertrages von Saint Germain hinauszugehen und haben zur Vorbereitung der nach Artikel 196, lit. a), vorgesehenen Verhandlungen über die gegenseitige Abgabe von Objekten, die zum Kulturbesitz eines der beiden Staaten gehören, folgende Vereinbarungen getroffen:
Die österreichische Regierung verpflichtet sich zu einer (vom Tage der Ratifikation dieses Übereinkommens laufenden) zwanzigjährigen Wartefrist bezüglich der in allen einstmals der Regierung oder der Krone der österreichisch-ungarischen Monarchie gehörigen Sammlungen (einschließlich der militärischen) von künstlerischem, archäologischem, wissenschaftlichem oder historischem Charakter vorhandenen Gegenstände, soweit sie unter nachstehende Kategorien fallen:
1. alle Werte aus dem Bereich der Kunst, des Kunstgewerbes, der Technik oder der Wissenschaft, deren Autor (ohne Unterschied der Nationalität) im Gebiete der Tschechoslowakischen Republik entweder geboren wurde oder durch so lange Zeit oder mit einem so wichtigen Teil seines Schaffens in diesem Gebiete tätig war, daß seine künstlerische Persönlichkeit als Teil des tschechoslowakischen Kulturbesitzes zu gelten hat; bei Künstlern, die sich in diesem Gebiete nur vorübergehend aufgehalten haben, nur jene Werke, die der Zeit dieses Aufenthaltes unmittelbar angehören;
2. alle nach dem Ursprung (Autor, Provenienz) einheimischen oder solche fremde Werte, die sich einst auf tschechoslowakischem Gebiete befunden und zu dessen Kulturbesitz gehört haben, sowie ferner mit der Kultur des tschechoslowakischen Gebietes eng zusammenhängen, indem sie entweder daselbst aus dem Erdinneren gewonnen worden sind (prähistorische Ausgrabungen und historische Funde), oder über Bestellung, beziehungsweise Anregung von tschechoslowakischer Seite entstanden sind, oder auf die kulturelle (technische, künstlerische oder wissenschaftliche) Entwicklung in den tschechoslowakischen Ländern tatsächlichen Einfluß geübt haben;
3. alle dem Ursprunge nach einheimischen oder solche fremde Gegenstände, die entweder Landschaften oder Baulichkeiten aus den tschechoslowakischen Ländern oder Persönlichkeiten und Szenen, die für die Geschichte oder Kulturentwicklung dieser Länder Bedeutung haben oder aber solche typische Gestalten darstellen, die vom Standpunkte der tschechoslowakischen Volkskunde Wichtigkeit besitzen.
Die österreichische Regierung stellt ausdrücklich fest, daß sie durch die von ihr eingegangene Verpflichtung, diese Wartefrist bezüglich der bezeichneten Gegenstände einzuhalten, irgendwelche andere daraus etwa abgeleitete Verpflichtungen nicht übernimmt und daß sie insbesondere eine über die Pflicht zur Einhaltung der Wartefrist hinausgehende Verbindlichkeit nur für jene Objekte anerkennt, die “wirtschaftliche Bohemica” sind, das heißt wenigstens unter zwei der Kategorien 1 bis 3 fallen und überdies nicht durch die Länge der Zeit oder durch ihr organisches Verwachsen mit österreichischem Kulturbesitz zu einem Teile dieses geworden sind, oder durch andere überwiegende Beziehungen Teile des Kulturbesitzes eines anderen Nationalstaates bilden.
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