ThemenStrafrecht§170 Strafprozessordnung – einfach erklärt

§170 Strafprozessordnung – einfach erklärt

Wie ist die Festnahme im §170 StPO geregelt? 🤔

Sijin Sun

Legal & Marketing

Jus-Studium

Willkommen zu unserer einfachen Erklärung des §170 Strafprozessordnung (StPO), in dem es um die Festnahme geht.


Materielle Voraussetzungen

Man unterscheidet zwischen 4 Fällen der Festnahme im §170 Abs 1 StPO:

  • Ziffer 1 regelt die Festnahme bei Ertappen auf frischer Tat oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen. In dieser Fallkonstruktion müssen die Sicherheitsorgane die Tatbegehung unmittelbar wahrgenommen haben. “Unmittelbar danach” verlangt ein enges zeitliches Zusammenhängen aller Umstände und umfasst grundsätzlich unverzügliches Handeln von Sicherheitsorganen.

  • Ziffer 2 betrifft einen Verdächtigen der flüchtig ist oder sich verborgen hält. Nach Rechtsprechung des VwGH’s besteht jedenfalls keine Fluchtgefahr, “wenn der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen.”

  • Ziffer 3 wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen

  • Ziffer 4 wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB – lies auch mehr dazu in unserem Artikel “Gefährliche Drohung – einfach erklärt”) ausführen.

In allen Fällen muss die Festnahme gemäß §170 Abs 3 StPO in Verbindung mit §5 StPO verhältnismäßig sein. Sprich der konkrete Haftgrund muss verhältnismäßig zum Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit sein.

Formelle Voraussetzungen

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Formelle Voraussetzungen für Handlungen von Strafverfolgungsorganen die in der StPO geregelt sind, kann man sich in einem 3 Stufen System vorstellen, die sich an der Eingriffsintensität orientieren: 1. Die Kriminalpolizei darf die Aktion selber vornehmen. 2. Die Kriminalpolizei darf nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft agieren. 3. Die Kriminalpolizei darf nur aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft, die gerichtlich bewilligt wurde, tätig werden.

Die formellen Voraussetzungen variieren zwischen den Fällen des §170 Abs 1 StPO:

  • Für die restlichen Fälle ist grundsätzlich eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, die gerichtlich bewilligt wurde, nötig. Eine Ausnahme davon gilt, wenn Gefahr im Verzug vorliegt. Sprich wenn ohne sofortigem Handeln ein Schaden eintreten würde oder ein Beweismittel verloren gehen würde, darf ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft und gerichtlicher Bewilligung fortgefahren werden.

§170 Abs 2 StPO

Der Abs 2 regelt, dass bei einem Verbrechen, welches mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 10 Jahren behaftet ist, die Festnahme des Beschuldigten anzuordnen ist. Außer das Vorliegen der Ziffern 2 bis 4 ist aufgrund vorliegender Tatsachen auszuschließen.


Möchtest du mehr zum Thema Strafrecht erfahren? Besuche weitere Artikel auf GesetzeFinden.at, wie zum Beispiel die “Gefährliche Drohung – einfach erklärt” oder den “§57 Strafgesetzbuch – einfach erklärt”, für interessante Informationen zu diesem und anderen wichtigen Rechtsnormen!