JudikaturJustiz47R248/22a

47R248/22a – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2022

Kopf

Das Landesgericht für ZRS Wien fasst als Rekursgericht durch den Richter Mag. Eder als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Löschl und Mag. Ofner in der Exekutionssache der betreibenden Partei e *****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei K***** S *****, wegen € 150,-- s.A., über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 29.7.2022, 10 E 5170/21b-4, den

B e s c h l u s s :

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass dieser zu lauten hat:

„Über Antrag der betreibenden Partei vom 27.7.2022 wird die Ausdehnung der mit Beschluss vom 30.11.2021 bewilligten Forderungsexekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin E*****, angeblich zustehenden Forderungen aus dem Guthaben zu Konto IBAN AT***** oder weiterer erliegender Bankguthaben bewilligt.

Mit Zustellung des Beschlusses an die Drittschuldnerin erwirbt die betreibende Partei an der oben genannten Forderungen ein Pfandrecht. Früher erworbene Rechte Dritter werden jedoch nicht berührt.

Der verpflichteten Partei wird jede Verfügung über diese Forderungen, insbesondere ihre gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt.

Der Drittschuldnerin wird verboten, diese Forderungen an die verpflichtete Partei auszuzahlen.“

Die Rekurskosten der betreibenden Partei werden mit € 156,12 (darin enthalten € 26,02 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Exekutionsantrag vom 26.11.2021 beantragte die Betreibende wider den Verpflichteten auf Grund des vollstreckbaren Zahlungsbefehls des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 9.12.2019, 80 C 679/19t, zur Hereinbringung der (restlichen) Kapitalforderung von € 150,-- s. A. und aufgrund von sieben näher bezeichneten Kostentiteln des Erstgerichtes zur Hereinbringung der Kosten von insgesamt € 620,77 die Forderungsexekution gegen die Drittschuldnerin E***** durch Pfändung des Guthabens auf dem Konto IBAN AT***** und weiterer erliegender Bankguthaben. Auf die Abgabe einer Drittschuldnererklärung wurde verzichtet (ON 1).

Mit Beschluss vom 30.11.2021 bewilligte das Erstgericht die Forderungsexekution antragsgemäß (ON 2).

Mit Schriftsatz vom 27.7.2022 beantragte die Betreibende die „Forderungsexekution gem. § 54f EO durch Pfändung des erliegenden Guthabens bei der E*****, auf dem Konto IBAN: AT***** bzw. weitere erliegende Bankguthaben“; Kosten wurden nicht verzeichnet (ON 3).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Betreibenden auf Ausdehnung der Exekutionsbewilligung gemäß § 54f EO durch Pfändung des näher beschriebenen Kontos bei der Drittschuldnerin ab.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der berechtigte Rekurs der Betreibenden.

Die Rekurswerberin rügt, dass nach den Intentionen des Gesetzgebers der GREx der Zugriff auf Vermögensobjekte auch ohne neuerlichen Exekutionsantrag möglich sein müsse. Auch bei einer Kanalisierung der Gehaltsexekution könne diese auch ohne neuen Exekutionsantrags fortgesetzt werden. Die Forderungsexekution sei erst durch vollständige Befriedigung des Gläubigers beendet.

Hierzu wird erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die mit dem GREx neu geschaffene Bestimmung des § 54f EO lautet wie folgt:

„Auf Antrag des betreibenden Gläubigers ist während eines anhängigen Exekutionsverfahrens zur Hereinbringung einer Geldforderung die Exekution auf weitere Exekutionsmittel auf bewegliches Vermögen auszudehnen. Soweit die Exekution schon bewilligt wurde, ist der Antrag als Antrag auf neuerlichen Vollzug zu verstehen.“

Ist ein Exekutionsverfahren zur Durchsetzung einer Geldforderung anhängig, so bedarf es keiner neuerlichen Exekutionsbewilligung, um auf weitere Exekutionsmittel des beweglichen Vermögens zu greifen; das Exekutionsverfahren ist nach § 54f EO auszudehnen. Der neuerlichen Vorlage des Exekutionstitels bedarf es nicht. Kraft Größenschlusses ist § 54f EO auch anzuwenden, wenn der betreibende Gläubiger die Ausdehnung auf weitere Vermögensobjekte eines bereits bewilligten Exekutionsmittels beantragte, sei es, dass er vorerst nur Exekution auf einzelne Exekutionsbobjekte beantragte oder auf die Exekution auf im Antrag genannte Exekutionsobjekte verzichtete. Die Ausdehnung ist nur zulässig, solange die Exekution nicht beendet oder eingestellt ist. Der Gläubiger kann stattdessen aber auch einen Exekutionsantrag stellen ( Mohr/Eriksson/Michlits/Pesendorfer/Reichel , Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx (2021) Rz 49).

Der Rekurssenat schloss sich in der Entscheidung 47 R 77/22d dieser Lehrmeinung an und bejahte die Wahlmöglichkeit des Betreibenden zwischen Ausdehnungsantrag und Exekutionsantrag.

Anhängig ist eine Exekution, sobald die Exekution bewilligt ist, bis zur (rechtskräftigen) Einstellung nach §§ 39 ff EO oder Beendigung nach § 41a EO (LGZ Wien 47 R 169/21g).

Nach herrschenden Rechtsprechung ist eine Exekution erst durch volle Befriedigung des Gläubigers oder durch Einstellung beendet (RS0001245) und nicht auch dann, wenn sie ins Leere geht (RS0012385). Die Exekution auf eine Geldforderung ist noch nicht durch Zustellung des Überweisungsbeschlusses und des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner, sondern erst durch Zahlung des Drittschuldners beendet (RS0001034, RS0001717). Bei der Forderungsexekution ist die Prämisse des vollen Erfolgs erfüllt, sobald der betreibende Gläubiger nach der Überweisung zur Einziehung durch eine Zahlung des Drittschuldners befriedigt wurde (3 Ob 233/00m, 3 Ob 111/03z).

Zu 3 Ob 233/00m sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass eine Exekution nur dann beendet ist, wenn sie durch Vollzugsmaßnahmen „zum vollen Erfolg“ geführt hat. Eine solche Tilgung mit Beendigungswirkung könnte sich nur dann auch auf einen Teil der betriebenen Forderung beziehen, wenn gewiss wäre, dass die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung ist und sich daher jedenfalls nicht zur vollständigen Befriedigung des Betreibenden eignet. Eine solche, nach den Denkgesetzen bestehende Gewissheit, kann sich aber nicht schon aus den Angaben in der Drittschuldnererklärung ergeben.

Der Entscheidung 3 Ob 96/13h lag eine Forderungsexekution zugrunde, die infolge Realisierung des gepfändeten Sparbuchs und Überweisung an den Betreibenden beendet wurde. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Abweisung der Exszindierungsklage, weil die Exekution vor Schluss der Verhandlung nicht mehr anhängig war. Er führte – unter Wiederholung der herrschenden Rechtsprechung – aus, dass eine Tilgung mit Beendigungswirkung auch dann vorliegt, wenn die zur Einziehung überwiesene Forderung geringer als die betriebene Forderung ist und sich nicht zur vollständigen Befriedigung des Betreibenden eignet. Durch die Ausfolgung des Realisats des Sparbuchs war die Forderungsexekution beendet, weil alle in Betracht kommenden Exekutionsschritte gesetzt waren.

Zu 3 Ob 206/15p entschied der Oberste Gerichtshof über eine Oppositionsklage und wies diese ab, weil die Exekution beendet war. Für die betriebene Forderung wurde eine Forderungsexekution und zwangsweise Pfandrechtsbegründung bewilligt. Die Forderungsexekution wurde wegen Tilgung des vollstreckbaren Anspruchs nach § 39 Abs 1 Z 6 EO eingestellt, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung blieb insoweit aufrecht, als das Pfandrecht nach wie vor intabuliert war. Der Oberste Gerichtshof verwies auf die herrschende Rechtsprechung zur Beendigung und führte unter Zitierung der Entscheidung 3 Ob 96/13h aus, dass eine Forderungsexekution auch mit der gänzlichen Ausfolgung des Erlöses aus dem Exekutionsobjekt beendet ist, selbst wenn damit keine (volle) Befriedigung des betriebenen Anspruchs erzielt werden kann. Mit der parallel geführten Forderungsexekution wurde die Befriedung des Betreibenden, weil nur dann eine Beendigung ohne Einstellung in Betracht kommt, erwirkt, weshalb das Ziel der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung im Vollzugsweg erreicht wurde und weitere Exekutionsverfahren zur Nutzung des erworbenen bücherlichen Rangs ausgeschlossen sind. Durch die Tilgung des betriebenen Anspruchs im Wege des Vollzugs der Forderungsexekution war daher auch eine Beendigung der Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung trotz einverleibtem Pfandrecht im Grundbuch eingetreten.

Die Entscheidungen 3 Ob 233/00m, 3 Ob 96/13h und 3 Ob 206/15p stehen nur scheinbar in Widerspruch zu § 41a EO und der herrschenden Rechtsprechung, wonach eine Forderungsexekution erst durch volle Befriedigung des Gläubigers beendet ist. Eine Forderungsexekution ist auch dann beendet, wenn die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung ist und die gepfändete Forderung durch Zahlung des Drittschuldner zur Gänze getilgt wird. Die gepfändete Forderung eignet sich jedenfalls nicht zur vollständigen Befriedigung des Betreibenden, wobei weitere Exekutionsschritte nicht mehr möglich sind. Nach § 41 Abs 1 EO kann die Exekution auch um das Exekutionsobjekt (hier gepfändete Forderung) eingeschränkt werden (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 41 Rz 1), was im Fall der Tilgung dieser Forderung im Ergebnis zur Einstellung der gesamten Forderungsexekution führt. Auch ohne Antragstellung ist die betreffende Exekution als beendet anzusehen, wenn der Einschränkungsgrund (Tilgung der gepfändeten Forderung) aktenkundig ist (vgl. Jakusch aaO § 65 Rz 14).

Es gibt in jedem Exekutionsverfahren nur einen einzigen Exekutionsbewilligungsbeschluss. Dieser Beschluss ist der Rechtskraft fähig. Während der Anhängigkeit einer bestimmten Exekution darf daher wegen der materiellen Rechtskraft der ersten Exekutionsbewilligung dieselbe Exekution (gleiche Parteien, gleicher Titel, gleicher betriebener Anspruch, gleiches Exekutionsmittel, gleiches Exekutionsobjekt) nicht noch einmal bewilligt werden („ne bis in idem“). Bei mehreren inhaltlich identen Exekutionstiteln steht einer neuerlichen Exekutionsbewilligung zwar nicht die Rechtskraft der ersten Exekutionsbewilligung entgegen, in der Regel wird aber in einem solchen Fall das Vollstreckungsinteresse des betreibenden Gläubigers an einer neuerlichen Exekutionsführung zu verneinen sein. Wie sich aus § 14 Abs 1 (nunmehr § 14 idF GREx) zweifelsfrei ergibt, steht aber eine bereits erteilte Exekutionsbewilligung der Bewilligung eines anderen Exekutionsmittels oder des gleichen Exekutionsmittels, aber auf ein anderes Vermögensobjekt, ja selbst auf das gleiche Vermögensobjekt, aber mit einem anderen Exekutionsmittel zur Hereinbringung derselben Forderung nicht entgegen. Dasselbe gilt für eine gleichartige Exekution (gleiches Exekutionsmittel, gleiches Exekutionsobjekt) zur Hereinbringung eines anderen (Teil-) Anspruchs aus demselben Exekutionstitel (Jakusch aaO § 3 Rz 39; RS0000116). Die Einstellung bildet den contrarius actus zur Exekutionsbewilligung (Jakusch aaO § 39 Rz 1 und 88). Unter "Einstellung" der Anlassexekution ist die rechtskräftig gewordene Einstellung der Exekution zu verstehen (RS0001807, RS0001074, RS0002159 {T3]). Die Rechtskraftwirkung des Einstellungsbeschlusses beschränkt sich auf das eingestellte Exekutionsverfahren. Dieser Beschluss steht daher einer neuerlichen gleichartigen Exekutionsführung nicht entgegen (Jakusch aaO § 39 Rz 90).

Nach der Aktenlage wurden weder die betriebenen Forderungen gezahlt noch wurde ein (allenfalls) gepfändeter Anspruch durch Zahlung der Drittschuldnerin getilgt. Die Betreibende könnte – wie schon nach bisheriger Rechtslage - einen neuen Exekutionsantrag stellen. Das Exekutionsobjekt des gegenständlichen Antrags ist die Forderung aus einem (allfälligen) Guthaben zum Zeitpunkt der Zustellung einer neuen Exekutionsbewilligung, welche weder dem Grunde noch der Höhe nach ident mit dem Exekutionsobjekt der Exekutionsbewilligung ON 2 (Guthaben des Verpflichteten zum Zeitpunkt der Pfändung am 9.12.2021) ist.

Ebenso ist eine Ausdehnung nach § 54f EO zulässig. Für die Exekutionstitel gibt es eine Exekutionsbewilligung und das Exekutionsverfahren ist noch anhängig. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Exekutionsobjekte handelt es sich um keinen Vollzug der bewilligten Exekution, sondern um eine Ausdehnung auf ein weiteres Exekutionsobjekt.

Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der GREx eine Konzentration des Exekutionsverfahrens und Erleichterungen für die Gläubiger. Dies ergibt sich einerseits aus den Zuständigkeitsvorschriften der §§ 4 ff EO und der Verbindungspflicht nach § 33 EO und andererseits aus den Bestimmungen über die Exekutionspakete nach § 19 f EO, den Verwalter nach § 79 EO und verschiedene Einzelbestimmungen, z.B. § 54f oder § 295 Abs 1 und 2 EO. Für die Anwendbarkeit des § 54f EO spricht daher auch die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzgebers. Es wäre ein Wertungswiderspruch, eine Ausdehnung nicht zuzulassen, wenn gleichzeitig – nach Wahl des Betreibenden – ein neuerlicher Exekutionsantrag zulässig wäre.

Soweit der Entscheidung 47 R 195/22g eine gegenteilige Ansicht zu entnehmen ist, wird diese nicht aufrecht erhalten.

Zusammengefasst gilt:

Eine Forderungsexekution ist auch beendet, wenn die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung ist und die gepfändete Forderung durch Zahlung des Drittschuldner zur Gänze getilgt wird. Solange dies nicht feststeht, ist eine Ausdehnung der Exekution zulässig. Der betreibende Gläubiger hat ein Wahlrecht zwischen Ausdehnungsantrag und Exekutionsantrag.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag bewilligt wird, wobei zur Klarstellung dem Antrag eine eindeutige Fassung gegeben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78 EO, 528 Abs 2 Z 1 ZPO.