JudikaturJustiz4Ob236/13d

4Ob236/13d – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Dr. H***** G***** K*****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse 1. der erbantrittserklärten Erbin I***** W*****, 2. ihres Sohnes J***** W*****, beide vertreten durch Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 25. Oktober 2013, GZ 5 R 137/13y 640, GZ 5 R 138/13w 641, und GZ 5 R 139/13t 642, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Erblasser ist ohne letztwillige Anordnung und ohne Nachkommen verstorben. Auf das bereits zum Stichtag 31. 12. 2004 anhängige Verlassenschaftsverfahren findet das AußStrG idF vor der Novelle 2005 Anwendung (vgl § 205 AußStrG 2005). Eine Einantwortung des Nachlasses ist noch nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 21. 4. 1999 (ON 49) wurde ein Verlassenschaftskurator als Vertreter des ruhenden Nachlasses mit der Begründung bestellt, es bestehe eine große Anzahl präsumptiver Erben mit noch nicht feststehenden Erbanstrittserklärungen, und das vorhandene Vermögen bedürfe zur Vermeidung von Wertverlusten dringend einer Verwaltung. Mit der Umbestellung in der Person des Verlassenschaftskurators mit Beschluss vom 21. 2. 2012 (ON 573) war keine Änderung seines Wirkungskreises verbunden.

Die zum gesamten Nachlass erbserklärte I***** W*****, eine Cousine des Erblassers (in der Folge: Cousine) mit einem gesetzlichen Anspruch auf 1/12 des Nachlasses hat zur Finanzierung eines (von der Kreditnehmerin später verlorenen) Erbrechtsstreits einen Kredit aufgenommen und der Kreditgeberin ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft sicherungshalber abgetreten (ON 442). Ihr Sohn (in der Folge: Sohn) übernahm mit Bürgschaftsvertrag gegenüber der Kreditgeberin die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB (ON 549) und gab dem Erstgericht am 21. 3. 2011 bekannt, zufolge Zahlung sämtlicher Ansprüche und Forderungen der Kreditgeberin per 14. 12. 2010 gemäß § 1358 ABGB in deren Rechte eingetreten zu sein (ON 548); er leitet daraus seine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren ab.

Das Erstgericht hat mit drei vom Rekursgericht bestätigten Beschlüssen Anträgen des Verlassenschafts-kurators, Kaufverträge über verschiedene Liegenschaften des Erblassers verlassenschaftsgerichtlich zu genehmigen, stattgegeben. Es erachtete nach Einholung von Schätzungsgutachten die Kaufpreise jeweils als angemessen.

Das Rekursgericht wies die Rekurse des Sohnes mangels Rechtsmittellegitimation zurück. Der Gläubiger eines Erben sei nicht Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens und besitze keine Parteistellung; ihm komme daher auch kein Rekursrecht zu. Darüber hinaus werde er auch nicht in seinen ihm nur gegenüber seiner Mutter zustehenden Gläubigerrechten des § 822 ABGB verletzt. Als bloßer Vertragspfand- und Erbengläubiger könne er auf die Art der Verwertung des Nachlassvermögens keinen Einfluss nehmen.

Den Rekursen der Cousine gab das Rekursgericht nicht Folge. Der Verkauf von Liegenschaftsvermögen zähle zum genehmigungsbedürftigen Aufgabenbereich des Verlassenschaftskurators. Der Kurator habe bei seiner Tätigkeit die Meinungen und Intentionen der Erben grundsätzlich zu beachten. Der Anteil der Cousine am Nachlass betrage allerdings nur 1/12, während alle anderen erbserklärten Erben dem Verkauf zugestimmt hätten. Die Genehmigung des Erstgerichts sei daher nicht nachteilig. Auch legten beide Rekurswerber mit keinem Wort dar, aus welchen Gründen die vom Verlassenschaftskurator zur Genehmigung vorgelegten Grundstücksverkäufe für die Verlassenschaft oder für sie selbst von Nachteil sein könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentlichen Revisionsrekurse von Cousine und Sohn sind unzulässig. Die Entscheidungen des Rekursgerichts weichen von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren und zum Wirkungskreis eines Verlassenschaftskurators nach dem AußStrG idF vor der Novelle 2005 nicht ab.

I. Rekurslegitimation des Sohnes

1. Gläubiger eines Erben sind nicht Beteiligte eines Verlassenschaftsverfahrens und haben daher auch kein Rekursrecht (RIS Justiz RS0006661). Selbst der Erbengläubiger, dem die Exekution auf die Gesamtrechte des Erben gemäß § 331 EO bewilligt wurde, hat im Verlassenschaftsverfahren kein Rekursrecht gegen den Beschluss des Abhandlungsgerichts, mit dem der Verzicht des Erben auf die Erbschaft zur Kenntnis genommen wurde (2 Ob 156/00f = RIS Justiz RS0113646).

2. Verlassenschaftsgläubiger haben im Verlassenschaftsverfahren nur dann Beteiligtenstellung und ein Rekursrecht, wenn durch die angefochtene Verfügung in ihre rechtliche Position eingegriffen wurde. Ein solcher Eingriff ist grundsätzlich nur in Ansehung der Gläubigerrechte nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB und etwa dann anzunehmen, wenn in Gläubigerrechte unmittelbar eingegriffen wurde, etwa wenn der Nachlass einem anderen Gläubiger an Zahlungs statt überlassen wurde (RIS Justiz RS0006611 [T18], RS0006604; Bittner , AußStrG², § 174 Rz 5). Nachlassgläubiger haben im Verlassenschaftsverfahren weiterhin nur insoweit Parteistellung, soweit sie von ihren Rechten nach den §§ 811 ff ABGB bzw §§ 174 f AußStrG Gebrauch machen (RIS Justiz RS0121672). Andere Nachlassgläubiger sind in ihrer Rechtsstellung lediglich mittelbar beeinflusst und genießen daher keine Parteistellung (vgl Rechberger , AußStrG², § 2 Rz 11).

3. Im Verlassenschaftsverfahren kommt Dritten grundsätzlich keine Beschwerdeberechtigung zu (RIS Justiz RS0006390, RS0006249). Anderes gilt für den durch einen Beschluss des Abhandlungsgerichts in seinen Rechten verletzten, am Abhandlungsverfahren nicht beteiligten Dritten; er hat ein Rekursrecht (RIS Justiz RS0006248). Ein derartiger Eingriff erfolgte jedoch hier mit den Genehmigungen der Kaufverträge nicht, greifen diese doch unmittelbar weder in Rechte des Sohnes noch der erbserklärten Cousine (dazu unten II.) ein. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen, dass einem Dritten selbst dann kein Rekursrecht gegen einen dem Verlassenschaftskurator erteilten Auftrag zusteht, wenn seine Interessen durch den Auftrag berührt werden (vgl RIS Justiz RS0006288).

4. Auf den Sohn gingen hier nach § 1358 ABGB all jene Rechte über, die die Kreditgeberin als Sicherungszessionarin besaß; er erwarb damit vor allem Gläubigerrechte gegenüber seiner Mutter als Kreditschuldnerin. Eine Forderung seiner erbantrittserklärten Mutter gegenüber der Verlassenschaft besteht frühestens mit Einantwortung (vgl 2 Ob 156/00f), die hier noch nicht erfolgt ist. Da auch ein Erbengläubiger, dem die Exekution auf die Gesamtrechte des Erben nach § 331 EO bewilligt wurde, im Verlassenschaftsverfahren kein Rekursrecht gegen den Beschluss des Abhandlungsgerichts hat, mit dem der Verzicht des Erben auf die Erbschaft zur Kenntnis genommen wird (2 Ob 156/00f), kann auch dem bloßen Sicherungszessionar kein Rekursrecht zuerkannt werden.

II. Wirkungskreis des Verlassenschaftskurators

5.1. Der Geschäftskreis des nach § 78 AußStrG bestellten Verlassenschaftskurators umfasst nach § 129 AußStrG die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses, nicht aber die Wahrung der Interessen erbserklärter Erben. Der Kurator ist nur Vertreter des Nachlasses, nicht der Erben (RIS Justiz RS0007737). Wird der Wirkungskreis des Verlassenschaftskurators im Bestellungsbeschluss nicht eingeschränkt, hat dieser die im Abhandlungsverfahren vorgesehenen, insbesondere die in den §§ 129, 145 AußStrG umschriebenen, Rechte und Pflichten wahrzunehmen (RIS Justiz RS0007737 [T6]).

5.2. Die gerichtliche Genehmigung, Güter und Fahrnis zu veräußern, darf nur erteilt werden, wenn diese Rechtshandlungen weder dem Willen des Erblassers widersprechen noch die Interessen anderer am Nachlass beteiligter Personen verletzten (RIS Justiz RS0008210). Auch unbewegliches Gut kann vom Verlassenschaftskurator veräußert werden (RIS Justiz RS0008097).

5.3. Die Auffassung der Revisionsrekurswerberin, die Veräußerung von Liegenschaften falle nicht in den Wirkungskreis des Verlassenschaftskurators, ist daher nach der Rechtsprechung zur alten Rechtslage unzutreffend.

6.1. Soweit die Revisionsrekurswerberin geltend macht, Verfügungen über den Nachlass könnten nur durch die Gesamtheit der Miterben erfolgen, weshalb die Genehmigung des Gerichts bei Veräußerung von Nachlassstücken nur bei Zustimmung aller Erben zu erteilen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass hier ein Verlassenschaftskurator bestellt worden ist.

6.2. In einem solchen Fall vertritt ausschließlich der Kurator den Nachlass (vgl RIS Justiz RS0007737). Die Vertretungsbefugnis anderer Personen endet ipso iure mit Einsetzung eines Verlassenschaftskurators (vgl zum geltenden Recht: § 173 Abs 1 letzter Satz AußStrG idgF; Sailer in KBB³ § 810 Rz 4; Bittner in Rechberger , AußStrG² § 173 Rz 1). Die Vertretungsbefugnis der Miterbengemeinschaft ist damit erloschen, sodass §§ 550, 828 ABGB und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht einschlägig sind.

7.1. Die Funktion des Verlassenschaftskurators erlischt mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde und seiner Enthebung (RIS Justiz RS0008195, RS0117034; vgl RS0008075).

7.2. Keiner dieser Fälle liegt hier vor, weshalb auch durch die Umbestellung der Person des Verlassenschaftskurators entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin keine Änderung der zuvor aufgezeigten Rechtslage eingetreten ist.

Rechtssätze
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