JudikaturJustiz32R119/19d

32R119/19d – LG Linz Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2021

Kopf

Das Landesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Richter Dr. Franz Pilgerstorfer als Vorsitzenden und Berichterstatter sowie die Richterinnen MMag. Michaela Schweighofer und Mag. Fabia Geres in der Rechtssache der klagenden Partei R***** , vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich , Landhausplatz 1, 4021 Linz, vertreten durch Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH, in 4020 Linz, wegen zuletzt EUR 4.096,94 s.A. , über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 02. Juli 2019, 9 C 1997/18z-15, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das gemäß § 90a GOG ausgesetzte Berufungsverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es wie folgt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger den Betrag von EUR 4.096,94 samt 4% Zinsen p.a. seit 3. Dezember 2018 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 922,80 (darin EUR 153,80 Ust.) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.301,97 (darin EUR 121,83 Ust. und EUR 571,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der 1981 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit 1997 in Österreich. Er verfügt über den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" und ist somit "langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger" im Sinne von Art 2 lit b der Richtlinie 2003/109/EG. Der Kläger wohnt gemeinsam mit seiner Frau und drei Kindern seit 30.10.2009 in der Stadt W***** (Oberösterreich). Er bezog bis Ende 2017 Wohnbeihilfe nach dem Oö. Wohnbauförderungsgesetz 1993 (Oö. WFG).

Seit 1.1.2018 setzt die Gewährung von Wohnbeihilfe für Drittstaatsangehörige gemäß § 6 Abs 9 Z 3 und Abs 11 Oö. WFG voraus, dass diese bestimmte grundlegende Deutschkenntnisse auf näher definierte Weise nachweisen.

Der Kläger suchte mit Schreiben vom 04.01.2018 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung wiederum um Gewährung von Wohnbeihilfe für seine Wohnung mit der Adresse in Wels an. Daraufhin wurde er aufgefordert, die Aufenthaltstitel aller im Haushalt lebenden Personen sowie einen Nachweis über seine Deutschkenntnisse nachzureichen. Da der Kläger zwar die Aufenthaltstitel aller im Haushalt lebenden Personen übermittelte, jedoch keinen Nachweis über seine Sprachkenntnisse erbrachte, forderte ihn das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung erneut zur Vervollständigung seines Antrags auf. Mit Schreiben vom 24.05.2018 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung von Wohnbeihilfe abgelehnt, weil er keinen Nachweis über seine Deutschkenntnisse erbracht hatte.

Der Kläger hat Deutschkenntnisse, die jedenfalls dem geforderten Niveau A2 entsprechen. Er verfügt aber über keinen der vorgesehenen formellen Nachweise und müsste daher eine Deutschprüfung ablegen. Er erfüllt alle sonstigen Voraussetzungen und würde Wohnbeihilfe erhalten, wäre er EWR-Bürger.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger vom beklagten Land Oberösterreich die Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von (zuletzt) EUR 4.096,94, und zwar einen Vermögensschaden von EUR 3.096,94 (nicht gewährte Wohnbeihilfe von monatlich EUR 281,54 für die Monate Jänner bis November 2018) sowie einen immateriellen Schadenersatz von EUR 1.000,--. Der Kläger stützte dieses Begehren auf § 8 des oberösterreichischen Antidiskriminierungsgesetzes (in der Folge: Oö. ADG) und brachte dazu vor, dass die Nichtgewährung der Wohnbeihilfe wegen der nicht deutschen Muttersprache des Klägers und der vom Kläger zu erfüllenden zusätzlichen Voraussetzungen (Nachweis von Deutschkenntnissen auf die in § 6 Abs 11 Oö. WFG normierte Weise) eine Diskriminierung des Klägers aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit iSd Oö. ADG darstelle. Aufgrund der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes habe der Kläger gegenüber der beklagten Partei einen Anspruch auf angemessen Schadenersatz gemäß § 8 Oö. ADG für den entstandenen Vermögensschaden (entgangene Wohnbeihilfe) sowie für den durch die Beeinträchtigung seiner Würde erlittenen materiellen Nachteil. Die nach § 6 Abs 9 Z 3 und Abs 11 Oö. WFG zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen (Nachweis von Deutschkenntnissen) würden den Kläger aufgrund seiner türkischen Staatsangehörigkeit und seiner nicht deutschen Muttersprache, somit aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit benachteiligen, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung im Sinne der Bestimmung des § 3 Oö. ADG gebe. Der Kläger habe nämlich den Status eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen iSd Richtlinie 2003/109/EG und müsse daher entsprechend Art 11 dieser Richtlinie beim Bezug der Wohnbeihilfe wie ein österreichischer Staatsangehöriger behandelt werden. Die Diskriminierung des Klägers sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem Recht der EU.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst im Wesentlichen ein, dass weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung des Klägers aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Oö. ADG und/oder im Sinne des Art 2 der sogenannten Antirassimus-Richtlinie 2000/43/EG vorliege, zumal die gesetzliche Regelung des § 6 Abs 9 Oö. WFG ausschließlich anhand der Staatsangehörigkeit differenziere und alle Drittstaatsangehörigen gleich behandelt würden. Die türkische Staatsbürgerschaft des Klägers alleine begründe noch keine Zugehörigkeit zu einer Ethnie.

Abgesehen davon liege die vom Kläger behauptete Diskriminierung auch deswegen nicht vor, weil die Abweisung des Wohnbeihilfeansuchens aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung (§ 6 Abs 9 Z 3 Oö. WFG) erfolgt sei, die sachlich gerechtfertigt sei und nicht dem EU-Recht widerspreche, sodass der Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs 1 Oö. ADG erfüllt wäre. Die Ungleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen gegenüber österreichischen Staatsangehörigen sowie EWR/EU-Bürgern in Bezug auf die Voraussetzung des Nachweises elementarer Deutschkenntnisse sei deswegen sachlich, weil diese Bestimmung das Ziel verfolge, Drittstaatsangehörigen die Integration im Bereich des Wohnens zu erleichtern, wobei es sich bei dem Nachweis der geforderten Sprachkenntnisse um das gelindeste Mittel handle, da das Niveau A2 binnen weniger Wochen erworben werden könne und diese Regelung nur Personen mit geringfügigen Deutschkenntnissen betreffe, zumal § 6 Abs 9 Z 1 Oö. WFG als Voraussetzung für die Gewährung der Wohnbeihilfe ohnehin vorsehe, dass Drittstaatsangehörige ununterbrochen und rechtmäßig mehr als 5 Jahre ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben müssen. Das öffentliche Interesse an dieser Regelung sei durch die notwendige Integration gegeben.

Die gegenständliche gesetzliche Regelung und die daraus resultierende Ungleichbehandlung sei auch gegenüber daueraufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – wie dem Kläger – unionsrechtskonform, da es sich bei der Wohnbeihilfe nach dem Oö. WFG nicht um eine Kernleistung im Sinne des Art 11 Abs 4 der Daueraufenthalts-RL 2003/109 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH handle. Der Oberösterreichische Landesgesetzgeber habe sich in den Erläuterungen zum Oö. WFG 1993 (AB 887 BlgLT 27. GP 5) ausdrücklich auf die Kernleistungsausnahme berufen.

Den Kläger treffe zudem eine Schadensminderungspflicht im Sinne des § 1304 ABGB, da es ihm aufgrund des langen Aufenthalts in Österreich möglich und zumutbar sei, einen Nachweis seiner Deutschkenntnisse des Sprachniveaus A2 einzuholen.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es traf über den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende Tatsachenfeststellungen:

„Seit dem letzten Bezugszeitraum von Jänner 2017 bis Dezember 2017 änderten sich die Wohnverhältnisse des Klägers nicht …, jedoch wurde ihm für den Zeitraum Jänner 2018 bis November 2018 die Wohnbeihilfe verwehrt (...). Vom 22.12.2017 bis zum 1.3.2018 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und arbeitete ab dem 2.3.2018 als Estrichleger bei der Firma … und verdiente monatlich EUR 1.613,54/netto (...). Hauptsächlich ist der Kläger auf auswärtigen Baustellen eingesetzt und muss dadurch einen großen Fahraufwand auf sich nehmen. Er hat keine fixen Arbeitszeiten und weiß daher nicht genau, wann er berufsbedingt eingesetzt wird (...).

Bei österreichischen Staatsangehörigen und Angehörigen eines EWR-Staates ist die Gewährung der Wohnbeihilfe von der Anzahl der Personen abhängig, die in der gemeinsamen Wohnung leben, der Höhe des Nettoeinkommens (Monatseinkommen x 14 / 2 = Jahreszwölftel) aller in der Wohnung lebenden Personen, der angemessenen Wohnnutzfläche (maximal 45m 2 für die erste Person, maximal 15 m² für jede weitere Person) und dem anrechenbaren Wohnungsaufwand (Höchstgrenze EUR 3,50 pro m² Wohnungsnutzfläche, wobei im Falle einer nicht geförderten Mietwohnung die Obergrenze der Wohnbeihilfe mit EUR 200,00 pro Monat begrenzt ist). Diese Voraussetzungen werden vom Kläger erfüllt. Jedoch gelten für Personen, die nicht österreichische Staatsangehörige und nicht Staatsbürger eines EWR-Staates sind, gemäß § 6 Abs. 9 OÖ. WFG zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen, die der Kläger, als türkischer Staatsangehöriger, nicht erfüllt. Es handelt sich dabei um die Voraussetzung des Nachweises der Deutschsprachkenntnisse auf dem Niveau A2 in Form eines Prüfzeugnis des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder einer vom ÖIF zertifizierten Prüfungseinrichtung, eines allgemein anerkanntes Sprachdiplom oder Prüfungszeugnis von einer zertifizierten Prüfungseinrichtung im Sinn der Integrationsvereinbarungsverordnung (BGBl. II Nr. 242/2017), eines Nachweises eines mindestens fünfjährigen Besuchs einer Pflichtschule in Österreich, wobei das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen wurde oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen wurde, oder eines Nachweises über eine abgeschlossene Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz (BGBl. Nr. 142/1969). Darauf stützt sich die Abweisung der beklagten Partei vom 24.5.2018, denn der Kläger konnte einen solchen formellen Nachweis über seine Deutschkenntnisse nicht erbringen.

Wäre der Kläger österreichischer Staatsbürger oder Staatsbürger eines EWR-Staates, so hätte er in dem klagsgegenständlichen Zeitraum Jänner 2018 bis November 2018 Wohnbeihilfe im Gesamtbetrag von EUR 3.096,94 bezogen.“

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass das gesetzlich normierte Erfordernis eines Nachweises von Deutschkenntnissen für die Gewährung der Wohnbeihilfe den Kläger aus Gründen seiner „ethnischen Zugehörigkeit“ iSd § 1 Abs 1 Oö. ADG diskriminiere. Der Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ sei weit auszulegen. Adressaten seien Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie aufgrund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Die ethnische Zugehörigkeit knüpfte überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von „Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen“ als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Da der Kläger die türkische Staatsangehörigkeit besitze und Türkisch seine Muttersprache sei, könne zweifelsfrei von einer „ethnischen Zugehörigkeit“ in seinem Zusammenhang gesprochen werden.

Die Ausnahmebestimmung nach § 3 Abs 1 Oö. ADG komme nach Ansicht des Erstgerichtes nicht zur Anwendung. Denn eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Regelung des § 6 Abs 9 Z 3 Oö. WFG liege jedenfalls insoweit nicht vor, als sie auch für langfristig daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige den Nachweis von Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Gewährung von Wohnbeihilfe verlange. Zudem verstoße diese gesetzliche Regelung gegen Art 11 Abs 1 lit d der Daueraufenthalts-RL (2003/109/EG), wonach langfristig Aufenthaltsberechtigte auf dem Gebiet der Sozialhilfe wie eigene Staatsangehörige zu behandeln seien. Die Mitgliedstaaten könnten zwar – wie auch von der beklagten Partei vorgebracht – gemäß Artikel 11 Abs 4 dieser Richtlinie die Gleichbehandlung in diesem Bereich auf Kernleistungen beschränken. In Orientierung an die vom EuGH in seinem Urteil vom 24. April 2012, C-571/10 Kamberaj , aufgestellten Grundsätzen gelangte das Erstgericht zur Auffassung, dass die Wohnbeihilfe nach dem Oö. WFG eine Kernleistung iSd Art 11 Abs 4 der RL 2003/109/EG darstelle. Die durch § 6 Abs 9 Z 3 Oö. WFG bewirkte Ungleichbehandlung von daueraufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen widerspreche daher den Vorschriften der Europäischen Union. Daraus folge, dass die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 1 Oö. ADG im vorliegenden Fall nicht greife.

Das Erstgericht kam daher zum Schluss, dass die auf § 8 Oö. ADG gestützten Schadenersatzforderungen des Klägers berechtigt seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als Berufungsgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Der Kläger beantragte in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt .

1.1. Die beklagte Partei wendet sich in ihrer Berufung zunächst gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, wonach hier eine Diskriminierung des Klägers aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit vorliege. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 06.04.2017, C-668/15, Jyske FinansA/S, den Begriff der mittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft in Art 2 Abs 2 lit b AntirassismusRL 2000/43, in dessen Umsetzung ja auch der Begriff der mittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit im Oö. ADG verankert worden sei, definiert. All die "Indizien", die der EuGH bei der Prüfung, ob eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit vorliegt, heranziehe, seien bei einer Prüfung des § 6 Abs 9 Oö. WFG 1993 jedoch gerade nicht feststellbar. § 6 Abs 9 Oö. WFG 1993 differenziere nämlich ausschließlich anhand der Staatsangehörigkeit, da sämtliche Drittstaatsanqehörige von dieser Bestimmung erfasst seien. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung in § 6 Abs 9 Oö.WFG 1993 eine "ethnische Gruppe" "in besonderer Weise" treffen würde, indem sie "insbesondere Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft“ benachteiligen würde.

Ausschlaggebend für die Abweisung des Ansuchens des Klägers um Wohnbeihilfe sei nicht seine ethnische Zugehörigkeit, sondern seine Staatsangehörigkeit. Damit sei aber der behauptete Diskriminierungstatbestand des § 1 Oö. ADG nicht erfüllt. Da Schadenersatz aufgrund des § 8 Abs 1 Oö. ADG aber nur bei Verletzungen des Verbots der Diskriminierung des § 1 Oö. ADG gebühre, hätte die Klage bei richtiger rechtlicher Beurteilung abgewiesen werden müssen.

Sollte das angerufene Berufungsgericht Zweifel an der Auslegung des Begriffs der ethnischen Diskriminierung hegen, werde darauf hingewiesen, dass dieser Begriff dem Unionsrecht entstamme (insbesondere AntirassismusRL 2000/43). Folglich sei das Berufungsgericht verpflichtet, bei Zweifeln über die Auslegung dieses Begriffs den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art 267 AEUV anzurufen.

1.2. Selbst wenn man das in § 6 Abs 9 Z 3 Oö. WFG normierte Erfordernis eines Deutschnachweises für die Gewährung von Wohnbeihilfe an Drittstaatsangehörige als Diskriminierung aus ethnischen Gründen qualifizieren würde, wäre nach Auffassung der Berufungswerberin die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 1 Oö. ADG erfüllt. Danach seien unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit zulässig, sofern diese gesetzlich vorgegeben (oder sachlich gerechtfertigt) und nicht unionsrechtswidrig sind. Die Bestimmung des § 6 Abs 9 Z 3 Oö. WFG sei nicht unionsrechtswidrig. Insbesondere liege – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – kein Verstoß gegen die DaueraufenthaltsRL vor, zumal es sich bei der Wohnbeihilfe nach dem Oö. WFG 1993 um keine Kernleistung iSd DaueraufenthaltsRL handle. In Oberösterreich werde ein menschenwürdiges Dasein für Personen, die von einer sozialen Notlage betroffen sind, durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung nach dem Oö. BMSG gesichert. Im Rahmen dieser Mindestsicherung werde gemäß § 12 Abs 2 Z 1 Oö. BMSG auch "Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs" gewährt. Bei der Wohnbeihilfe nach dem Oö. WFG 1993 handle es sich um eine über diese Grundsicherung (teilweise) hinausgehende Leistung.

Sollte das angerufene Berufungsgericht dennoch Zweifel an der Auslegung des Begriffs der Kernleistung hegen, werde darauf hingewiesen, dass dieser Begriff dem Unionsrecht entstamme (insbesondere DaueraufenthaltsRL 2003/109). Folglich sei das Berufungsgericht verpflichtet, bei Zweifeln über die Auslegung dieses Begriffs den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art 267 AEUV anzurufen.

Rechtliche Beurteilung

2.1. Die Wohnbeihilfe ist eine vom Land Oberösterreich gewährte Sozialleistung. Die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Oö. WFG waren zum maßgeblichen Zeitpunkt – soweit entscheidungserheblich – wie folgt geregelt:

§ 6 Grundsätze der Förderung

[…]

(9) Förderungen nach diesem Landesgesetz sind österreichischen Staatsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Unionsbürgern sowie deren Familienangehörigen im Sinn der RL 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom 30.4.2004, S 77, zu gewähren. Sonstigen Personen, sofern ihnen nicht auf Grund eines Staatsvertrags eine Förderung wie Inländern zu gewähren ist, darf eine Förderung nur gewährt werden, wenn diese

1. ununterbrochen und rechtmäßig mehr als fünf Jahre in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben,

2. Einkünfte beziehen, die der Einkommensteuer in Österreich unterliegen, oder auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit Beiträge an die gesetzliche Sozialversicherung in Österreich entrichtet haben und nunmehr Leistungen aus dieser erhalten, sowie innerhalb der letzten fünf Jahre 54 Monate lang oben genannte Einkünfte oder Leistungen bezogen haben und

3. Deutschkenntnisse gemäß Abs. 11 nachweisen.

[...]

(11) Die Voraussetzung des Abs. 9 Z 3 gilt als erfüllt, wenn

1. ein Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder einer vom ÖIF zertifizierten Prüfungseinrichtung über die erfolgreiche Absolvierung einer Integrationsprüfung vorgelegt wird oder

2. ein allgemein anerkanntes Sprachdiplom oder Prüfungszeugnis über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 von einer zertifizierten Prüfungseinrichtung im Sinn der Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 242/2017, vorgelegt wird oder

3. der Nachweis eines mindestens fünfjährigen Besuchs einer Pflichtschule in Österreich vorgelegt wird und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen wurde oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen wurde oder

4. der Förderwerber über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, verfügt.

[...]

§ 23 Förderungswerber

(1) Dem Hauptmieter, Wohnungseigentumsbewerber oder Eigentümer einer geförderten Wohnung kann eine Wohnbeihilfe gewährt werden, wenn der Förderungswerber

1. durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet wird,

2. die geförderte Wohnung zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dauernd bewohnt,

3. sonstige Zuschüsse zur Minderung des Wohnungsaufwandes (§ 24 Abs. 1), auf die er einen Rechtsanspruch besitzt, beantragt hat und

4. die Rückzahlung des Förderungsdarlehens (§ 9) oder eines bezuschussten Hypothekardarlehens (§ 10) bereits eingesetzt hat.

(2) Dem Hauptmieter einer nicht geförderten Wohnung kann eine Wohnbeihilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 gewährt werden, wenn das Mietverhältnis nicht mit einer nahestehenden Person abgeschlossen wurde.

[...]

§ 24 Höhe, Dauer und Auszahlung der Wohnbeihilfe

(1) Die Wohnbeihilfe kann unter Berücksichtigung der Anzahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, deren Einkommen sowie des angemessenen Ausmaßes der Nutzfläche in der Höhe gewährt werden, die sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem anrechenbaren und dem zumutbaren Wohnungsaufwand ergibt. Der anrechenbare Wohnungsaufwand in diesem Sinne ist der um sonstige Zuschüsse (wie zB der Wohnkostenbeihilfe gemäß § 23 Heeresgebührengesetz) verminderte Wohnungsaufwand des Förderungswerbers.

(2) Der zumutbare Wohnungsaufwand ist unter Bedachtnahme auf das Haushaltseinkommen festzulegen; dabei können die Rechtsform der Wohnung, die Förderungsart sowie soziale Gegebenheiten berücksichtigt werden.

[…]

Die genaue Berechnung der Wohnbeihilfe ist in der oberösterreichischen Wohnbeihilfen-Verordnung näher geregelt und basiert auf den in § 24 Abs 1 und 2 oöWFG genannten Kriterien.

2.2. Der Kläger stützt die mit seiner Klage geltend gemachten Schadenersatzforderungen auf § 8 des oberösterreichischen Antidiskriminierungsgesetzes (Oö. ADG) . Mit dem Oö. ADG (LGBl. Nr. 50/2005) wurde – soweit für den vorliegenden Fall relevant – die Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft („Antirassismus-RL“) umgesetzt (vgl den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Verwaltung des oberösterreichischen Landtags, Beilage 453/2005, 26. GP). Die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des Oö. ADG (in der hier anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 51/2017) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1 Diskriminierungsverbot

(1) Im Geltungsbereich (§ 2) dieses Gesetzes ist jede

1. unmittelbare Diskriminierung (§ 4 Z 1),

2. mittelbare Diskriminierung (§ 4 Z 2) [...]

von natürlichen Personen aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit [...] verboten.

[...]

§ 2 Geltungsbereich

(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für Angelegenheiten des Landes und der Gemeinde, sofern diese Angelegenheiten in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fallen, insbesondere:

[...]

2. Soziales;

[…]

(2) In den Angelegenheiten des Abs. 1 unterliegen dem Geltungsbereich dieses Gesetzes:

1. die hoheitliche Vollziehung des Landes und der Gemeinde;

2. die Privatwirtschaftsverwaltung des Landes und der Gemeinde;

[…]

§ 3 Ausnahmebestimmungen

(1) § 1 gilt nicht für eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sofern diese gesetzlich vorgegeben oder sachlich gerechtfertigt ist und dem nicht Vorschriften der Europäischen Union oder Staatsverträge im Rahmen der europäischen Integration über die Gleichstellung von Personen entgegenstehen.

[…]

§ 4 Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Gesetzes bedeutet:

1. unmittelbare Diskriminierung: wenn eine Person aus einem der im § 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

2. mittelbare Diskriminierung: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen aus einem der im § 1 genannten Gründe gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn,

a) die betreffenden Regelungen, Beurteilungskriterien oder tatsächlichen Vorgangsweisen durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sind,

[…]

§ 8 Anspruch und Verfahren

(1) Bei Verletzungen des Verbotes der Diskriminierung aus den Gründen des § 1 hat die benachteiligte Person gegen folgende Personen einen Anspruch auf angemessenen Schadenersatz:

1. im Fall des § 2 Abs. 2 Z 1, Z 2 und Z 3 gegen den jeweils zuständigen Rechtsträger;

2. [...]

Neben dem Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens besteht auch ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Ersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung beträgt mindestens 1.000 Euro.

(2) Für das gerichtliche Verfahren gilt, dass eine Klägerin oder ein Kläger, die oder der eine ihr oder ihm zugefügte Diskriminierung nach § 1 behauptet, diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen hat. Die oder der Beklagte hat in diesem Fall zu beweisen, dass keiner der Gründe nach § 1 für die unterschiedliche Behandlung maßgebend war.

[...]

2.3. § 1 Abs 1 Oö. ADG verwendete in seiner ursprünglichen Fassung (LGBl Nr. 50/2005) den Ausdruck der Diskriminierung „aus Gründen der ‚Rasse‘ oder ethnischen Herkunft“ wortgleich mit den Formulierungen in den Artikeln 1 und 2 der Richtlinie 2000/43/EG, weil sich der Gesetzgeber (Oö. Landtag) bei der Formulierung der Begriffsbestimmungen an die Begrifflichkeiten der umgesetzten Richtlinie halten wollte (Bericht des Ausschusses für Verfassung und Verwaltung des oberösterreichischen Landtags, Beilage 453/2005, 26. GP, zu § 1). Mit der Oö. Antidiskriminierungsgesetz-Novelle 2012 (LGBl Nr. 68/2012) wurde der Begriff „Rasse oder ethnische Herkunft“ durch den Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ ersetzt. Der Gesetzgeber wollte damit den im deutschen Sprachgebrauch verpönten Begriff der „Rasse“ gänzlich vermeiden, wodurch sich allerdings keine inhaltliche Änderung gegenüber dem bisherigen Tatbestand ergeben sollte (Bericht des Ausschusses für Verfassung und Verwaltung des oberösterreichischen Landtags, Beilage 655/2012, 26. GP 3).

Das Berufungsgericht ist daher der Auffassung, dass das in § 1 Abs 1 Oö. ADG normierte Diskriminierungsverbot „aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit“ primär im Einklang mit der Richtlinie 2000/43/EG auszulegen ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft lauten wie folgt:

Artikel 1

Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2

Der Begriff „Diskriminierung“

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“, daß es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.

(2) Im Sinne von Absatz 1

a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

[…]

Artikel 3

Geltungsbereich

[…]

(2) Diese Richtlinie betrifft nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.

Artikel 7

Rechtsschutz

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

[…]

Artikel 15

Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. […]

2.4. Zudem verbietet auch Art 21 der Europäischen Grundrechtecharta (in der Folge: EU-GRC) Diskriminierungen (unter anderem) wegen „der ethnischen Herkunft“ . Nach Auffassung des Berufungsgerichtes könnte daher dieser Grundrechtsnorm ebenfalls Bedeutung bei der Auslegung und Bestimmung der Reichweite des Diskriminierungsverbotes nach § 1 Abs 1 Oö. ADG zukommen, sodass die Regelung des § 6 Abs 9 Z 3 und Abs 11 Oö. WFG, wonach die Gewährung von Wohnbeihilfe an Drittstaatsangehörige an den Nachweis von Deutschkenntnissen geknüpft wird, möglicherweise auch am Diskriminierungsverbot des Art 21 EU-GRC zu messen wäre.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der EU-GRC lauten wie folgt:

Artikel 21

Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Artikel 51

Anwendungsbereich

(1) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in den Verträgen übertragen werden.

[...]

Artikel 52

Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze

(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

[...]

2.5. Die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen sieht unter anderem Folgendes vor:

Artikel 11

Gleichbehandlung

(1) Langfristig Aufenthaltsberechtigte werden auf folgenden Gebieten wie eigene Staatsangehörige behandelt:

[...]

d) soziale Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz im Sinn des nationalen Rechts;

[...]

(4) Die Mitgliedstaaten können die Gleichbehandlung bei Sozialhilfe und Sozialschutz auf die Kernleistungen beschränken.

[...]

3.1. Mit Beschluss vom 6. Februar 2020, 32 R 119/19d, legte das Berufungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV vor:

„1. Ist Artikel 11 der Richtlinie 2003/109/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs 9 und Abs 11 oberösterreichisches Wohnbauförderungsgesetz (oöWFG) entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38/EG die Sozialleistung der Wohnbeihilfe ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen im Sinn der Richtlinie 2003/109/EG auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt, wenn diese Wohnbeihilfe unzumutbare Belastungen durch Wohnkosten abfedern soll, eine Sicherung des Existenzminimums (einschließlich Wohnbedarf) aber auch durch eine weitere Sozialleistung (bedarfsorientierte Mindestsicherung nach dem oberösterreichischen Mindestsicherungsgesetz) für Personen in sozialer Notlage gewährleistet werden soll?

2. Ist das Verbot der „unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung“ aus Gründen der „Rasse oder ethnischen Herkunft“ nach Artikel 2 der Richtlinie 2000/43/EG dahingehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs 9 und Abs 11 oöWFG entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38/EG eine Sozialleistung (Wohnbeihilfe nach oöWFG) ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei Drittstaatsangehörigen (einschließlich langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger im Sinn der Richtlinie 2003/109/EG) auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt?

3. Falls Frage 2 verneint wird:

Ist das Verbot der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft nach Artikel 21 der Europäischen Grundrechtecharta dahingehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der des § 6 Abs 9 und Abs 11 oöWFG entgegensteht, die Unionsbürgern, Staatsangehörigen eines EWR-Staates und Familienangehörigen im Sinn der Richtlinie 2004/38/EG eine Sozialleistung (Wohnbeihilfe nach oöWFG) ohne Nachweis von Sprachkenntnissen zukommen lässt, hingegen bei Drittstaatsangehörigen (einschließlich langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger im Sinn der Richtlinie 2003/109/EG) auf eine bestimmte Weise nachzuweisende, grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt?“.

3.2. Mit Urteil vom 10. Juni 2021, C-94/20 , hat der EuGH die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

„1. Art. 11 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er selbst dann, wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht worden ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, entgegensteht, sofern diese Wohnbeihilfe eine „Kernleistung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellt, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.

2. Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

3. Wenn von der Ausnahme nach Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 Gebrauch gemacht worden ist, ist Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf eine Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Gewährung einer Wohnbeihilfe an langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige daran geknüpft ist, dass diese auf eine durch diese Regelung bestimmte Weise den Nachweis erbringen, dass sie über grundlegende Kenntnisse der Sprache dieses Mitgliedstaats verfügen, nicht anwendbar, sofern diese Wohnbeihilfe keine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellt. Sollte diese Wohnbeihilfe eine solche Kernleistung darstellen, stünde Art. 21 der Charta der Grundrechte, insoweit als er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, einer solchen Regelung nicht entgegen.“

3.3. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Entscheidung des EuGH ist das gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzte Berufungsverfahren fortzusetzen.

4.1. Mit der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage hat der EuGH klargestellt, dass die Regelung des § 6 Abs 9 Z 3 und 11 Oö. WFG, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörige die Gewährung der Wohnbeihilfe von einem in bestimmter Weise zu erbringenden Nachweis grundlegender Deutschkenntnisse abhängig macht, auch gegenüber langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art 2 der Richtlinie 2000/43/EG darstellt. Von den Erwägungen des EuGH zur zweiten Vorlagefrage (Rn. 50 bis 56 der Entscheidungsgründe) ist Folgendes hervorzuheben:

„56 § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG, der für alle Drittstaatsangehörigen unterschiedslos gilt, benachteiligt jedoch nicht Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft. Folglich kann diese Vorschrift keine „mittelbare Diskriminierung“ aufgrund der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 darstellen.“

Mit der Beantwortung der dritten Vorlagefrage hat der EuGH klargestellt, dass auch Art 21 der EU-GRC, insoweit er jede Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verbietet, der angesprochenen Regelung des § 6 Abs 9 und 11 Oö. WFG nicht entgegensteht, und zwar selbst dann nicht, wenn die Wohnbeihilfe nach dem Oö. WFG eine „Kernleistung“ im Sinne von Art 11 Abs 4 der Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG darstellen sollte. Von den Erwägungen des EuGH zur dritten Vorlagefrage (Rn. 58 bis 63 der Entscheidungsgründe) ist Folgendes hervorzuheben:

„62 Daraus folgt, dass in diesem Fall (erg: wenn die Wohnbeihilfe nicht als „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 einzustufen sein sollte) eine Bestimmung wie § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG nicht in den Anwendungsbereich der Charta fiele und daher nicht im Hinblick auf deren Bestimmungen, insbesondere nicht im Hinblick auf Art. 21 der Charta, beurteilt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C-609/17 und C 610/17, EU:C:2019:981, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63 Sollte die Wohnbeihilfe hingegen eine „Kernleistung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 darstellen, wäre – wie aus Rn. 39 des vorliegenden Urteils hervorgeht – die Charta anwendbar. Eine Bestimmung wie § 6 Abs. 9 und 11 oöWFG, die unterschiedslos für alle Drittstaatsangehörigen gilt und aus der nicht erkennbar ist, dass sie Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft benachteiligt, kann jedoch nicht als Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft im Sinne von Art. 21 der Charta angesehen werden, dessen konkreten Ausdruck die Richtlinie 2000/43 in den von ihr erfassten Bereichen bildet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C-83/14, EU:C:2015:480, Rn. 58).“

4.2. Wie bereits oben unter den Punkten 2.3. und 2.4. ausgeführt wurde, ist das in § 1 Abs 1 Oö. ADG normierte Diskriminierungsverbot „aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit“ primär im Einklang mit der durch dieses Gesetz umgesetzten Richtlinie 2000/43/EG und allenfalls auch mit Art 21 EU-GRC auszulegen. Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass die Vorschrift des § 6 Abs 9 und 11 Oö. WFG keine Diskriminierung „aufgrund der ethnischen Herkunft“ darstellt, und zwar weder im Sinne der Richtlinie 2000/43/EG noch im Sinne des Art 21 der EU-GRC, unabhängig davon, ob die Wohnbeihilfe als „Kernleistung“ im Sinne von Art 11 Abs 4 der Richtlinie 2003/109/EG einzustufen ist.

Somit erweist sich im Hinblick auf den Inhalt der Beantwortung der zweiten und (insbesondere) der dritten Vorlagefrage durch den EuGH die Beantwortung der ersten Vorlagefrage, welche auf die Vereinbarkeit des § 6 Abs 9 und 11 Oö. WFG mit Art 11 der Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG gerichtet war und die Frage der „Kernleistung“ betraf, für den vorliegenden Fall als nicht mehr entscheidungsrelevant.

Die vom Kläger ausdrücklich und ausschließlich auf § 8 Oö. ADG gestützten Schadenersatzansprüche setzen eine Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit nach § 1 Abs 1 Oö. ADG voraus. Eine solche Diskriminierung des Klägers liegt jedoch nicht vor. Ob die Regelung des § 6 Abs 9 und 11 Oö. WFG in Ansehung von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen möglicherweise gegen Art 11 der Daueraufenhalts-RL 2003/109/EG verstößt, muss hier nicht beurteilt werden, zumal das Oö. ADG für allenfalls daraus resultierende Schadenersatzansprüche keine Anspruchsgrundlagen bietet.

Insbesondere kann aus der „Ausnahmebestimmung“ des § 3 Abs 1 Oö. ADG nicht abgeleitet werden, dass damit der Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Oö. ADG auf alle möglichen Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die gegen Unionsrecht verstoßen, erweitert würde. Dagegen sprechen nicht nur der Wortlaut und die Systematik des § 3 (Titelüberschrift: „Ausnahmebestimmungen“ ; Abs 1: „§ 1 gilt nicht …“), sondern auch die Gesetzesmaterialien, wonach sich § 3 Abs 1 Oö. ADG auf Art 3 Abs 2 der umgesetzten Richtlinie 2000/43/EG stützt und klarstellen soll, dass „eine auf die Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung nicht untersagt ist, sofern eine solche aus sachlichen Gründen erfolgt und nicht, um beispielsweise eine rassistische Vorgangsweise zu verfolgen“ (Bericht des Ausschusses für Verfassung und Verwaltung des oberösterreichischen Landtags, Beilage 453/2005, 26. GP zu § 3). § 3 Abs 1 Oö. ADG stellt somit lediglich klar, dass eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bei Vorliegen der in dieser Norm umschriebenen Voraussetzungen („gesetzlich vorgegeben oder sachlich gerechtfertigt“ und kein Widerspruch zum Unionsrecht) jedenfalls keine Diskriminierung iSd § 1 Abs 1 Oö. ADG darstellt. Das bedeutet aber nicht, dass – wie der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung offenbar meint – alle unterschiedlichen Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die nicht den Kriterien des § 3 Abs 1 Oö. ADG entsprechen (zB weil ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt), zwangsläufig immer eine Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit nach § 1 Abs 1 Oö. ADG darstellen.

5. Da die Voraussetzungen nach § 8 Abs 1 Oö. ADG (Verletzung des Verbotes der Diskriminierung aus den Gründen des § 1) für die vom Kläger nach dieser Bestimmung geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht erfüllt sind, war der Berufung der beklagten Partei Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

6.1. Die Abänderung des angefochtenen Urteils hat eine neue Entscheidung über die Prozesskosten erster Instanz zur Folge, die sich auf § 41 ZPO stützt. Der Kläger hat gegen die Kostennote der beklagten Partei zu Recht eingewandt, dass der Streitwert und somit auch die Kostenbemessungsgrundlage bis zur Tagsatzung vom 28.5.2019 lediglich EUR 3.403,94 betrug und erst in dieser Tagsatzung eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf EUR 4.096,94 erfolgte. Dies war bei der Kostenbestimmung zu berücksichtigen.

6.2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die § 50, 41 ZPO.

6.3. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO aufgrund des Streitwertes jedenfalls unzulässig.