JudikaturJustiz11Os129/17f

11Os129/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Michel und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Hubert R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 40 Hv 3/14w des Landesgerichts Feldkirch, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Hubert R***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 9. September 2014, GZ 40 Hv 3/14w-35, des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 22. Juli 2015, AZ 15 Os 46/15a, zurückgewiesen; der gegen den Strafausspruch erhobenen Berufung des Genannten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 21. Oktober 2015, AZ 6 Bs 240/15t, nicht Folge.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2016, AZ 37 Ns 8/16g, wies das Landesgericht Feldkirch einen Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ab. Seiner dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 16. Juni 2017, AZ 7 Bs 237/16k, nicht Folge.

Mit am 5. Oktober 2017 eingebrachtem Schriftsatz beantragt der Verurteilte die Erneuerung des die Wiederaufnahme betreffenden (Beschwerde-)Verfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Antragsvorbringen kommt es für die „Verpflichtung zur Erneuerung des Strafverfahrens“ keineswegs „nur darauf“ an, „dass eine strafgerichtliche Entscheidung vorliegt“. Vielmehr muss der Antragsteller durch eine solche Entscheidung (oder Verfügung) auch in einem Konventionsrecht verletzt worden sein. Die Zulässigkeit eines (wie hier) nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrags setzt dabei voraus, dass der Antragsteller deutlich und bestimmt darlegt, worin eine – vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Konventionsverletzung im Sinn des § 363a StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]).

Der Verurteilte bringt (zusammengefasst) vor, das Oberlandesgericht habe in rechtsfehlerhafter Anwendung von Bestimmungen der StPO „keinen einzigen Beweisantrag ernsthaft geprüft oder näher verfolgt“ und – auf Sachverhaltsebene – „schlechterdings unerträgliche Aussagen“ getroffen.

Inhaltlich wird damit – als einzige Konventionsnorm – Art 6 MRK angesprochen, der allerdings nach ständiger Judikatur sowohl des Obersten Gerichtshofs als auch (grundsätzlich) jener des EGMR keine Anwendung auf Verfahren findet, in denen über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens entschieden wird (RIS-Justiz RS0120762, RS0105689; jüngst 13 Os 106/17p; die vom Antragsteller zitierte Entscheidung EGMR 11. 7. 2017 [GK], 19867/12, Moreira Ferreira/Portugal [Nr 2], betrifft die Wiederaufnahme eines Verfahrens, bezüglich dessen – anders als hier – zuvor eine Konventionsverletzung festgestellt worden war).

Die Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 22 StPO; zu deren Rolle und Funktion Schroll , WK StPO § 22 Rz 1 ff) enthält die (begründungslose) Erklärung, dass sich der Antrag für eine Beschlussfassung gemäß § 363b Abs 2 StPO eigne. Mit der in seiner Äußerung hierzu (§ 24 StPO) erhobenen Kritik, diese Stellungnahme habe sich mit seinem Vorbringen nicht „fundiert auseinandergesetzt“ und widerspreche daher der „obersten Maxime des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ „Justive must not only be done, but must also be seen to be done“, ist er auf dessen Rechtsprechung zu verweisen, wonach bloß unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit (Art 6 Abs 1 MRK) erforderlich ist, dass der Angeklagte im Strafverfahren von Schriftsätzen der Staatsanwaltschaft Kenntnis erlangt. Auf deren Inhalt kommt es dabei nicht an; es ist Sache der Verteidigung, zu entscheiden, ob eine Reaktion nötig ist (EGMR 22. 2. 1996, 17358/90, Bulut/Österreich Rz 49; EGMR 25. 4. 2013, 58590/11, Zahirovic/Kroatien Rz 43; vgl RIS Justiz RS0108607). Auch § 24 StPO verpflichtet das Gericht nur dazu, eine Stellungnahme, die eine staatsanwaltschaftliche Behörde zu einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf erstattet hat, dem gegnerischen Beteiligten zur Äußerung binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zuzustellen (dazu im Einzelnen Schroll , WK StPO § 24 Rz 7 ff). Eine gesetzliche Handhabe, im Sinne des Antrags des Erneuerungswerbers „der Generalprokuratur aufzutragen, eine inhaltlich argumentierende Stellungnahme abzugeben“, besteht hingegen nicht (vgl schon 15 Os 18/99).

Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).