JudikaturJustizBsw34371/97

Bsw34371/97 – AUSL EKMR Entscheidung

Entscheidung
17. April 1997

Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Plenum, Beschwerdesache M. U. gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 17.4.1997, Bsw. 34371/97.

Spruch

Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK, Art. 5 Abs. 4 EMRK, Art. 13 EMRK, Art. 26 EMRK, § 54 FrG - Asyl und ausreichender innerstaatlicher Rechtsschutz.

Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf., ein türk. Staatsangehöriger, suchte 1991 in Österreich um Asyl an. Der Antrag wurde abgelehnt, ebenso ein 1995 gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens. Der Bf. weilte währenddessen immer in Österreich. 1996 wurde der Bf. in Untersuchungshaft genommen, nachdem er verdächtigt worden war, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein und Brandbomben in das Haus der nationalistischen türk. Organisation "Graue Wölfe" geworfen zu haben. Der Bf. stellte neuerlich einen Asylantrag und einen Antrag auf Unzulässigkeit der Abschiebung gem. § 54 FrG, da er befürchtete, die türk. Behörden könnten wegen des Strafverfahrens in Österreich erst recht auf seine Person aufmerksam werden. Beide Anträge blieben erfolglos. Es folgte seine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und versuchter Brandstiftung. Der Bf. wurde in Schubhaft genommen und ein Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängt. Alle Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Ein Verfahren betreffend den Asylantrag ist vor dem VwGH jedoch noch anhängig. Dieser hat der Bsw. aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der Bf. behauptet, seine Abschiebung in die Türkei würde für ihn eine reale Gefahr bedeuten, der Folter und Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Er behauptet daher eine Verletzung von Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) und Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Bsw. vor einer nationalen Instanz).

Die Reg. bringt vor, der Bf. habe sich bereits vor Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtszuges gemäß Art. 26 EMRK an die Kms. gewandt. Dies wäre dann der Fall, wenn die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Bsw. an den VwGH auch als ausreichend wirksam qualifiziert werden könnte, den Bf. vor der drohenden Abschiebung zu bewahren. Die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtszuges gem. Art. 26 EMRK setzt nämlich "Rechtsbehelfe" voraus, die wirksam, ausreichend und zugänglich (effective, sufficient and accessible) sind. Im Falle der Abschiebung eines Fremden, der behauptet, in einem Land unmenschliche Behandlung befürchten zu müssen, kann ein "Rechtsbehelf" ohne aufschiebende Wirkung nicht als wirksam angesehen werden.

Da der VwGH jedoch der Bsw. des Bf. aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, ist diese Voraussetzung erfüllt. Somit hat es der Bf. unterlassen, den innerstaatlichen Rechtszug auszuschöpfen. Es unterbleibt daher eine Überprüfung der behaupteten Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK, da die Bsw. gemäß Art. 26 EMRK unzulässig ist.

Es wird in diesem Zusammenhang weiters festgestellt, dass die Bsw. an den VwGH eine wirksame Bsw. vor einer nationalen Instanz iSd. Art. 13 EMRK darstellt.

Der Bf. behauptet ferner eine Verletzung von Art. 5 (1) (f) EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit), und Art. 5 (4) EMRK (Recht auf eine gerichtliche Haftkontrolle), da die Schubhaft rechtswidrig und er nicht berechtigt gewesen sei, diese vor einem Gericht zu bekämpfen. Der Bf. wurde in Schubhaft angehalten, weil er von einem schwebenden Ausweisungsverfahren iSd. Art 5 (1) (f) EMRK betroffen war. Art. 5 (1) (f) EMRK verlangt nur ein schwebendes Ausweisungsverfahren, unabhängig davon, ob die zugrundeliegende Entscheidung, jemanden auszuweisen, rechtmäßig ist oder nicht. Gegen den Bf. wurde jedoch nur wenige Tage nach der Festnahme ein Aufenthaltsverbot erlassen und einer Berufung dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Aufenthaltsverbot war demnach sofort durchsetzbar. Unter diesen Umständen war die Anhaltung des Bf. durch

Art. 5 (1) (f) EMRK gedeckt.

Im Fall einer Schubhaft verlangt Art. 5 (4) EMRK nicht, dass im Rahmen einer richterlichen Haftkontrolle zu beurteilen ist, ob das zugrundeliegende Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist oder nicht. Für eine solche Haftprüfung reicht es aus, wenn sie sich auf diejenigen Voraussetzungen erstreckt, die für die "Rechtmäßigkeit" iSv. Art. 5

(1) EMRK wesentlich sind (vgl. Urteil Chahal/GB, 15.11.1996 = NL 96/6/8). Es genügte, daß der Bf. die Möglichkeit hatte, sich an den UVS zu wenden, obwohl dieser nicht beurteilen konnte, ob eine Abschiebung des Bf. in die Türkei rechtmäßig sei.

Die Bsw. ist hinsichtlich aller Behauptungen unzulässig (einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 17.4.1997, Bsw. 34371/97, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 82) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/97_3/M.U..pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.