JudikaturJustizBsw26609/95

Bsw26609/95 – AUSL EKMR Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 1995

Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Plenum, Beschwerdesache Felicia Onyegbule gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 16.10.1995, Bsw. 26609/95.

Spruch

Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK - Trennung der Mutter von ihrem Kind durch Ausweisung und Recht auf Familienleben.

Unzulässigkeit der Beschwerde (mehrheitlich).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die Bf., eine nigerianische Staatsangehörige aus dem Stamm der Ibos, reiste im September 1991 nach Österreich ein, um hier mit ihrem Gatten zusammenzuleben, den sie 1990 in Nigeria geheiratet hatte. Letzterer ist ebenfalls Nigerianer und hält sich seit 1989 rechtmäßig in Österreich auf. Im Januar 1992 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren, der sich seither in Österreich aufhält. Zwischen November 1992 und Februar 1994 wurde die Bf. zweimal wegen versuchten Diebstahls zu geringfügigen Geldstrafen verurteilt. Im März 1993 wurde die Bf. wegen Gebrauchs falscher Urkunden im Rechtsverkehr zu einer viermonatigen bedingten Haftstrafe verurteilt, weil sie bei der Einreise einen gefälschten Sichtvermerk benutzt hatte. Insb. wegen des zuletzt genannten Deliktes erließen die Fremdenpolizeibehörden im Mai 1994 gegen sie ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot. Im Dezember 1994 wurde die Bf. zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Anlässlich der Festnahme wurde ihr Sohn für mehrere Tage in ein Kinderheim überwiesen, bis er ihrem Gatten übergeben werden konnte. Sohn und Gatte halten sich weiterhin in Österreich auf und besitzen bis Oktober 1996 gültige Aufenthaltsbewilligungen.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behauptet, die durch das Aufenthaltsverbot verursachte Trennung von ihrer Familie verletze ihr Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK. Die drohende Abschiebung nach Nigeria verletze sie in ihrem Recht auf Schutz vor Folter und unmenschlicher Behandlung nach Art. 3 EMRK, da die moslemische Militärregierung die Angehörigen des christlichen Ibo Stammes in Nigeria verfolgen würde; ein Großteil ihrer Familie sei bereits getötet worden. Schließlich sei die durch die Schubhaft verursachte Trennung von ihrem Sohn sowie dessen mehrtägige Einweisung in ein Kinderheim unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSd. Art. 3 EMRK.

Zur Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Familienleben):

Die Kms. erinnert daran, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Art. 8 EMRK enthält keine allgemeine, sondern eine von den Umständen des Einzelfalles abhängige Verpflichtung der Staaten, den Ehegatten von bereits im Land niedergelassenen Ausländern im Rahmen der Familienzusammenführung eine Aufenthaltsberechtigung einzuräumen (vgl. Urteil Abdulaziz ua./GB, A/94 §§ 67-68).

Die Bf. konnte keine schwerwiegenden Umstände nachweisen, die sie an der Fortsetzung ihres Familienlebens in ihrem Heimatland hindern würden. Ihr ebenfalls nigerianischer Gatte lebt erst seit 1989 in Österreich und ihr Sohn ist noch im Vorschulalter. Beide besitzen lediglich befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Zudem musste die Bf. wissen, dass sie kein Recht auf Aufenthalt in Österreich hatte, da sie für die Einreise einen gefälschten Sichtvermerk benützt hatte. Unter diesen Umständen stellt das Aufenthaltsverbot keine Missachtung ihres Familienlebens dar, dieser Teil der Bsw. zurückzuweisen.

Zur Verletzung von Art. 3 EMRK (Verbot der Folter und unmenschlicher, erniedrigender Behandlung):

Die Bf. konnte nicht nachweisen, dass sie in ihrem Heimatland tatsächlich Gefahr liefe, Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt zu werden. Sie stellte auch keinen Asylantrag. Was die Trennung von ihrem Sohn und dessen mehrtägige Einweisung in ein Kinderheim betrifft, so erinnert die Kms., dass die Anwendbarkeit von Art. 3 EMRK ein Minimum an Härte voraussetzt. Ob irgendein Verhalten dieses Ausmaß aufweist, hängt von der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles ab, wie etwa Hintergrund und Anlass des Verhaltens sowie Art und Dauer. Im ggst. Fall erfolgte die Trennung von ihrem Sohn iZm. der beabsichtigten Ausweisung der Bf. und wurde mit der gebotenen Rücksichtnahme durchgeführt. Der Aufenthalt im Kinderheim dauerte nur wenige Tage. Das beschwerdegegenständliche Verhalten

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 16.10.1995, Bsw. 26609/95, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1996,24) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/96_1/Onyegbule.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.