JudikaturJustizBsw27021/08

Bsw27021/08 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
07. Juli 2011

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache Al-Jedda gg. das Vereinigte Königreich, Urteil vom 7.7.2011, Bsw. 27021/08.

Spruch

Art. 1 EMRK, Art. 5 EMRK, Art. 103 SVN - Internierung mutmaßlicher Terroristen im Irak.

Verbindung der Frage der Hoheitsgewalt mit der Entscheidung in der Sache (einstimmig).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 EMRK (einstimmig).

Zurechenbarkeit der Internierung zum belangten Staat und Ausübung von Hoheitsgewalt durch diesen (einstimmig).

Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK (16:1 Stimmen).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: € 25.000,– für immateriellen Schaden, € 40.000,– für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Zur Festnahme und Internierung des Bf.

Der 1957 im Irak geborene Bf. kam 1992 in das Vereinigte Königreich, wo ihm Asyl gewährt wurde. 2000 erhielt er die britische Staatsbürgerschaft.

Im September 2004 reiste er mit seinen Kindern nach Bagdad, wo er am 10.10.2004 von britischen Soldaten aufgrund von Geheimdienstinformationen festgenommen wurde. Er wurde in eine Internierungsanstalt der britischen Armee in Basra gebracht, wo er bis 30.12.2007 festgehalten wurde. Seine Internierung wurde aus zwingenden Sicherheitsgründen für notwendig erachtet. Er wurde verdächtigt, Anschläge auf die Koalitionstruppen im Irak geplant und dafür Terroristen rekrutiert zu haben. Strafrechtliche Anklage wurde nicht erhoben.

Die Internierung wurde zunächst vom befehlshabenden Offizier der Internierungsanstalt angeordnet. Nach sieben bzw. 28 Tagen erfolgte eine Überprüfung durch einen Ausschuss, der aus Armeepersonal bestand (Divisional Internment Review Committee). Nur zwei Mitglieder des Ausschusses hatten Zugang zu den Geheimdienstinformationen, auf denen die Internierung beruhte. Ihre Empfehlungen ergingen an den Befehlshaber der Division der Multinationalen Streitkräfte, der über die Fortsetzung der Internierung entschied. Zwischen Jänner und Juni 2005 erfolgte eine monatliche Überprüfung durch den Befehlshaber aufgrund der Empfehlungen des Ausschusses. Zwischen Juli und Dezember 2005 entschied der Ausschuss selbst über die Fortsetzung der Internierung. Dem Bf. wurde weder Zugang zu den Beweisen gewährt, noch fanden mündliche Verhandlungen statt.

Nachdem die Dauer der Internierung 18 Monate überschritten hatte, wurde sie vom sogenannten gemeinsamen Anhaltungsausschuss (Joint Detention Committee) überprüft. Diesem gehörten neben Vertretern der Multinationalen Streitkräfte und dem britischen Botschafter auch Vertreter der Irakischen Übergangsregierung an.

Zum innerstaatlichen Verfahren

Der Bf. beantragte am 8.6.2005 in Großbritannien die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit seiner Anhaltung. Sowohl der Divisional Court als auch der Court of Appeal stellten fest, dass die Resolution 1546 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die Multinationalen Streitkräfte ausdrücklich dazu ermächtigte, alle zur Aufrechterhaltung der Sicherheit im Irak notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Das Vereinigte Königreich sei nach Art. 25 der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) zur Durchführung der Resolution verpflichtet gewesen und diese Verpflichtung hätte nach Art. 103 SVN Vorrang vor den Verpflichtungen aus der EMRK gehabt. Das House of Lords bestätigte diese Ansicht.

Zum politischen und rechtlichen Hintergrund

Das Vereinigte Königreich beteiligte sich mit einem Truppenkontingent an der Invasion des Irak, die am 20.3.2003 unter der Führung der USA begann. Nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen im Mai 2003 errichteten die Besatzungsmächte eine zivile Übergangsbehörde (Coalition Provisional Authority – CPA), die vorläufig die Regierungsgewalt im Irak innehatte. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nahm die Befugnisse, Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen der Besatzungsmächte in Resolution 1483 vom 22.5.2003 zur Kenntnis.

Resolution 1546 vom 8.6.2004 ermächtigte die Multinationalen Streitkräfte »alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität im Irak beizutragen.«

Am 18.6.2004 wurde die Regierungsgewalt an die neue irakische Interimsregierung übertragen. Die Multinationalen Streitkräfte blieben auf deren Ersuchen und mit Zustimmung des Sicherheitsrats weiter im Land.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf persönliche Freiheit) durch seine Internierung.

Die Regierung wendet ein, die Internierung sei den Vereinten Nationen zuzurechnen. Der Bf. hätte sich daher nicht iSv. Art. 1 EMRK in der Hoheitsgewalt des Vereinigten Königreichs befunden. Für den Fall der Bejahung der Hoheitsgewalt bringt die Regierung vor, die Internierung sei in Durchführung der Resolution 1546 erfolgt. Die aus dieser resultierende Verpflichtung habe nach Art. 103 SVN Vorrang vor den Verpflichtungen aus der EMRK gehabt.

Zulässigkeit

Die Frage der Hoheitsgewalt steht in engem Zusammenhang mit der Entscheidung in der Sache und wird daher mit dieser verbunden (einstimmig).

Da die Beschwerde weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig ist, muss sie für zulässig erklärt werden (einstimmig).

In der Sache

Hoheitsgewalt

Die Ausübung von Hoheitsgewalt ist Voraussetzung dafür, einen Konventionsstaat für ihm zurechenbare Handlungen oder Unterlassungen zur Verantwortung zu ziehen, von denen behauptet wird, dass sie gegen die EMRK verstoßen.

Die Prüfung der Frage, ob die Anhaltung des Bf. dem Vereinigten Königreich zuzurechnen war oder den Vereinten Nationen, muss sich auf die besonderen Umständen des Falles beziehen. Dazu zählen auch die Formulierungen der Resolutionen des Sicherheitsrats, die den Rahmen für die Sicherheitsarchitektur im Irak bildeten.

Als die Invasion des Irak am 20.3.2003 begann, gab es keine Resolution des Sicherheitsrats, die eine Zuteilung der Aufgaben für den Fall des Sturzes des Regimes vorgesehen hätte. Nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen wurden die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich Besatzungsmächte. Eine der Aufgaben der neu gebildeten CPA war es, für Sicherheit zu sorgen.

Mit Resolution 1483 vom 22.5.2003 forderte der Sicherheitsrat, der nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen tätig wurde, die Besatzungsmächte auf, »das Wohl des irakischen Volkes durch die wirksame Verwaltung des Hoheitsgebiets zu fördern, indem sie insbesondere auf die Wiederherstellung von Bedingungen der Sicherheit und Stabilität hinarbeiten«. Mit dieser Resolution übernahmen die Vereinten Nationen keine Aufgaben hinsichtlich der Sicherheit im Irak. Die Regierung behauptet auch nicht, dass die Handlungen ihrer Streitkräfte in diesem Stadium der Okkupation in irgendeiner Weise den Vereinten Nationen zurechenbar gewesen wären.

In Resolution 1511 vom 16.10.2003 ermächtigte der Sicherheitsrat die Multinationale Truppe dazu, alle zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität im Irak erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und rief alle Mitgliedstaaten auf, Unterstützung einschließlich militärischer Kräfte zu stellen. Nach Ansicht des GH führte diese Ermächtigung nicht dazu, dass die Handlungen der Soldaten der Multinationalen Streitkräfte den Vereinten Nationen zurechenbar wurden oder – was für den vorliegenden Fall wichtiger ist – nicht länger den entsendenden Staaten zurechenbar gewesen wären. Auch wenn die Vereinigten Staaten aufgefordert wurden, regelmäßig an den Sicherheitsrat Bericht zu erstatten, übten die Vereinten Nationen in keiner Weise Kontrolle aus über die Multinationalen Streitkräfte oder über irgendeine andere der Regierungsgewalten der CPA.

Die bereits in Resolution 1511 erteilte Ermächtigung der Multinationalen Streitkräfte wurde mit Resolution 1546 vom 8.6.2004 bekräftigt. Diese enthält keinen Hinweis, dass der Sicherheitsrat beabsichtigt hätte, in höherem Grad Kontrolle über die Multinationalen Streitkräfte auszuüben, als dies bis dahin der Fall war.

Wie der GH feststellt, protestierten der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für den Irak sowie die UN-Mission im Irak (UNAMI) wiederholt gegen das Ausmaß, in dem die Koalitionstruppen von Internierungen aus Sicherheitsgründen Gebrauch machten. Es ist schwer vorstellbar, dass die Anhaltung des Bf. den Vereinten Nationen zurechenbar war, wenn deren Organe die Praxis der unbefristeten Internierung ohne Anklage nicht billigten.

Angesichts dieser Tatsachen unterschied sich die Rolle der Vereinten Nationen hinsichtlich der Sicherheit im Irak im Jahr 2004 stark von ihrer Rolle im Kosovo 1999. Diese Unterscheidung ist relevant, weil der GH in seiner Entscheidung Behrami und Saramati der Ansicht war, die Anhaltung eines der Bf. wäre den Vereinten Nationen zurechenbar. Vor dem House of Lords herrschte Einigkeit darüber, dass das Verhalten eines staatlichen Organs, das einer internationalen Organisation zur Verfügung gestellt wurde, völkerrechtlich dieser Organisation zuzurechnen ist, wenn sie effektive Kontrolle über das Verhalten ausübt. Aus den oben dargelegten Gründen ist der GH der Ansicht, dass der Sicherheitsrat weder effektive Kontrolle noch die letzte Autorität und Kontrolle über die Handlungen und Unterlassungen der Soldaten der Multinationalen Streitkräfte hatte und die Anhaltung des Bf. daher nicht den Vereinten Nationen zurechenbar war.

Die Internierung erfolgte in einer Internierungsanstalt in Basra, die alleine von britischen Truppen kontrolliert wurde. Der Bf. befand sich daher die ganze Zeit in der Gewalt und unter der Kontrolle des Vereinigten Königreichs. Die Entscheidung, ihn zu internieren, wurde vom britischen Kommandanten der Einrichtung getroffen. Auch wenn die Entscheidungen über die Fortsetzung seiner Internierung wiederholt von Ausschüssen getroffen wurden, denen auch Beamte des Irak und Vertreter anderer in den Multinationalen Streitkräften vertretener Nationen angehörten, ändern diese Überprüfungen nichts daran, dass die Internierung dem Vereinigten Königreich zuzurechnen ist.

Der GH kommt daher zu dem Schluss, dass die Internierung des Bf. dem Vereinigten Königreich zurechenbar ist und er daher während seiner Anhaltung in die Hoheitsgewalt des Vereinigten Königreichs iSv. Art. 1 EMRK fiel (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK

Internierung oder Präventivhaft ohne Absicht, in angemessener Frist strafrechtliche Anklage zu erheben, fällt nicht unter die nach Art. 5 Abs. 1 EMRK zulässigen Gründe für eine Freiheitsentziehung. Die Regierung behauptet nicht, dass die Anhaltung nach Art. 5 Abs. 1 EMRK zulässig war und beruft sich auch nicht auf eine Derogation nach Art. 15 EMRK. Sie bringt vielmehr vor, dass keine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK vorliege, weil die daraus erwachsenden Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs durch seine Pflichten aus Resolution 1546 verdrängt worden seien.

Bevor er über die Anwendung von Art. 103 SVN entscheiden kann, muss der GH prüfen, ob ein Konflikt zwischen den Verpflichtungen nach Resolution 1546 und jenen nach Art. 5 Abs. 1 EMRK bestand. Die Kernfrage ist mit anderen Worten, ob Resolution 1546 das Vereinigte Königreich dazu verpflichtete, den Bf. zu internieren.

Bei der Auslegung der Resolutionen muss angesichts des Zwecks und der Aufgaben der Vereinten Nationen die Vermutung gelten, dass der Sicherheitsrat nicht beabsichtigt, den Mitgliedstaaten die Verpflichtung aufzuerlegen, fundamentale menschenrechtliche Grundsätze zu verletzen. Im Fall der Mehrdeutigkeit einer Formulierung einer Resolution muss der GH daher jene Auslegung wählen, die am ehesten im Einklang mit den Anforderungen der EMRK steht und jeden Konflikt zwischen den Verpflichtungen vermeidet. Angesichts der wichtigen Rolle der Vereinten Nationen bei der Förderung und Stärkung der Menschenrechte ist zu erwarten, dass der Sicherheitsrat klare und deutliche Worte verwendet, wenn er von Staaten besondere Maßnahmen erwartet, die in Konflikt zu deren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen stehen.

Die Sprache der Resolution 1546 zeigt nach Ansicht des GH nicht eindeutig, dass der Sicherheitsrat beabsichtigt hätte, den an den Multinationalen Streitkräften beteiligten Mitgliedstaaten die Verpflichtung aufzuerlegen, Maßnahmen der unbefristeten Internierung ohne Anklage und ohne gerichtliche Garantien zu ergreifen und damit gegen internationale Menschenrechtsinstrumente einschließlich der EMRK zu verstoßen. Internierung wird in der Resolution nicht ausdrücklich genannt. Ihre Formulierung überlässt die Wahl der Mittel zur Erreichung des Ziels – der Aufrechterhaltung der Sicherheit – den in den Multinationalen Streitkräften vertretenen Staaten. Angesichts des Fehlens einer klaren gegenteiligen Anordnung ist zu vermuten, dass der Sicherheitsrat von den Staaten erwartete, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit im Irak beizutragen, ohne gegen ihre internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen zu verstoßen. Das Argument, Resolution 1546 habe die Mitgliedstaaten zur Anwendung der Internierung verpflichtet, ist auch schwer vereinbar mit den wiederholten Protesten, die dagegen vom Generalsekretär und der UN-Mission im Irak erhoben wurden.

Der GH hält es auch nicht für erwiesen, dass das humanitäre Völkerrecht eine Besatzungsmacht dazu verpflichtet, unbefristete Internierung ohne Anklage anzuwenden, um die Bewohner des besetzten Gebiets vor Gewalttaten zu schützen. Die Bestimmungen der IV. Genfer Konvention deuten vielmehr darauf hin, dass Internierung nicht als Verpflichtung der Besatzungsmacht anzusehen ist, sondern als letzter Ausweg.

Zusammenfassend stellt der GH fest, dass die Resolution 1546 das Vereinigte Königreich ermächtigte, Maßnahmen zu treffen, um zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität im Irak beizutragen. Weder diese noch irgendeine andere Resolution des Sicherheitsrats verpflichteten jedoch das Vereinigte Königreich dazu, eine als Sicherheitsrisiko angesehene Person unbefristet und ohne Anklage anzuhalten. Daher bestand kein Konflikt zwischen den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs nach der Satzung der Vereinten Nationen und jenen nach Art. 5 Abs. 1 EMRK.

Da die Vorschriften des Art. 5 Abs. 1 EMRK somit nicht verdrängt wurden und keiner der in lit. a bis lit. f genannten Gründe für eine Freiheitsentziehung anwendbar ist, begründete die Anhaltung des Bf. eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK (16:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Poalelungi).

Entschädigung nach Art.?41 EMRK

€ 25.000,– für immateriellen Schaden, € 40.000,– für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Poalelungi).

Vom GH zitierte Judikatur:

Bankovic u.a./B u.a. v. 12.12.2001 (ZE der GK) = NL 2002, 48 = EuGRZ 2002, 133

Ilascu u.a./MD und RUS v. 8.7.2004 = NL 2004, 174

Behrami und Saramati/F, D und N v. 31.5.2007 (ZE der GK) = NL 2007, 115 = EuGRZ 2007, 522

Al-Saadoon und Mufdhi/GB v. 30.6.2009 (ZE) = NL 2009, 196

A. u.a./GB v. 19.2.2009 (GK) = NL 2009, 46

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 7.7.2011, Bsw. 27021/08 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2011, 223) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/11_4/Al-Jedda.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rechtssätze
4
  • RS0129552AUSL EGMR Rechtssatz

    21. Juni 2016·3 Entscheidungen

    Bei der Auslegung von Resolutionen des Sicherheitsrates muss der GH die Ziele der Vereinten Nationen berücksichtigen. Neben dem Ziel in Art. 1 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten, sieht Art. 1 Abs. 3 vor, dass die Vereinten Nationen geschaffen wurden, internationale Zusammenarbeit zu erzielen bei der Förderung und Festigung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Art. 24 Abs. 2 der Charta verpflichtet den Sicherheitsrat, im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zu handeln, wenn er seine Pflichten im Hinblick auf seine Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung von internationalem Frieden und internationaler Sicherheit erfüllt. Vor diesem Hintergrund muss bei der Auslegung der Resolutionen die Vermutung gelten, dass der Sicherheitsrat nicht beabsichtigt, den Mitgliedstaaten die Verpflichtung aufzuerlegen, fundamentale menschenrechtliche Grundsätze zu verletzen. Im Fall der Mehrdeutigkeit einer Formulierung einer Resolution muss der GH daher jene Auslegung wählen, die am ehesten im Einklang mit den Anforderungen der EMRK steht und jeden Konflikt zwischen den Verpflichtungen vermeidet. Angesichts der wichtigen Rolle der Vereinten Nationen bei der Förderung und Stärkung der Menschenrechte ist zu erwarten, dass der Sicherheitsrat klare und deutliche Worte verwendet, wenn er von Staaten besondere Maßnahmen erwartet, die in Konflikt zu deren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen stehen. (Bem: Al-Jedda gg. das Vereinigte Königreich)

  • RS0126421AUSL EGMR Rechtssatz

    26. November 2013·3 Entscheidungen

    Zum Verhältnis zwischen Konvention und den nach Kapitel VII ihrer Satzung tätigen Vereinten Nationen: Alle Konventionsstaaten sind auch Mitglied der Vereinten Nationen und eines der Ziele der EMRK ist die Durchsetzung der in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte niedergelegten Rechte. Von noch größerer Bedeutung ist die zwingende Natur des grundsätzlichen Zieles der Vereinten Nationen und der dem Sicherheitsrat in Kapitel VII SVN zur Erfüllung dieses Zieles eingeräumten Befugnisse. Das primäre Ziel der Vereinten Nationen ist die Wahrung des Weltfriedens und die internationale Sicherheit. Während es ebenso klar ist, dass die Sicherung der Achtung der Menschenrechte einen wichtigen Beitrag zur Wahrung des internationalen Friedens leistet, bleibt es eine Tatsache, dass der Sicherheitsrat in erster Linie dafür verantwortlich ist, dieses Ziel durch den Einsatz von Zwangsmaßnahmen zu erreichen. Da durch Resolutionen des Sicherheitsrats unter Kapitel VII SVN beschlossene Operationen von grundlegender Bedeutung für die Mission der Vereinten Nationen sind, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, und da ihre Effektivität von der Unterstützung der Mitgliedsstaaten abhängig ist, kann die Konvention nicht in einer Weise interpretiert werden, die Handlungen und Unterlassungen der Vertragsparteien, die von einer Resolution des Sicherheitsrats gedeckt sind und im Zuge solcher Missionen erfolgen, der Überprüfung durch den GH unterwirft. Dies würde in die Erfüllung der Kernaufgaben der Vereinten Nationen in diesem Gebiet und die effektive Durchführung ihrer Missionen eingreifen. Es würde auch der Einführung von Bedingungen für die Durchführung der Resolution gleichkommen, die im Text der Resolution selbst nicht vorgesehen sind. Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für freiwillige Akte der belangten Staaten.