JudikaturJustiz8Ob141/22a

8Ob141/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H* M*, 2. C* M*, beide *, beide vertreten durch Mag. Agnes Lepschy, Rechtsanwältin in Altlengbach, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien Dr. M* P*, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei H* K*, vertreten durch Mag. Robert Baum M.B.L. HSG, Rechtsanwalt in Wien, wegen 45.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2022, GZ 16 R 149/22g 45, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Mai 2022, GZ 14 Cg 72/19i 41, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts für C* M*, geboren *, betreffend das Superädifikat mit der Bezeichnung Sommerhaus auf Platz 9 samt Anlagen (insbesondere Einfriedung, Geräteschuppen und Brunnen) auf der Liegenschaft mit der EZ *, GB *, Bezirksgericht *, Grundstücksnummer * und der Liegenschaftsadresse *, gemäß dem der Entscheidung angefügten Plan binnen 14 Tagen einzuwilligen.

Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen den klagenden Parteien 19.822,12 EUR (darin 3.036,20 EUR USt und 1.604,90 EUR Barauslagen) und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien 9.648,04 EUR (darin 1.608,01 EUR USt) an Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 11.707,59 EUR (darin 972,45 EUR USt und 5.872,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Erstklägerin ist bücherliche Eigentümerin eines Grundstücks im Wienerwald, das als Freizeitwohngebiet parzelliert und mit Superädifikaten bebaut ist, die jeweils im Eigentum von Bestandnehmern stehen. Der Zweitkläger ist der Sohn der Erstklägerin.

[2] Der Beklagte war Bestandnehmer (in der Folge kurz „Mieter“) einer Parzelle. Der befristete Bestandvertrag, in den er 1993 eintrat, sah einen wertgesicherten Jahreszins von 1.000 EUR vor und sollte vereinbarungsgemäß durch Zeitablauf mit 31. 5. 2011 enden. Der Beklagte löste das bestehende Superädifikat (ein Einfamilienhaus mit insgesamt rund 98 m² Wohnfläche auf zwei Ebenen und einem Gartenhaus) dem Vormieter ab und baute es in der Folge selbst aus, wofür er insgesamt über 1 Mio ATS (72.672,83 EUR) aufwandte.

[3] In der zwischen Erstklägerin und Beklagtem am 12. 6. 1995 abgeänderten Fassung des Bestandvertrags wurde vereinbart, dass der Beklagte das Superädifikat bei Vertragsende entweder einem Nachmieter zum Kauf anbieten könne, oder (falls der Nachmieter ablehnen oder keine Nachvermietung erfolgen sollte) es nach Wahl der Vermieterin zu entfernen oder in ihr Eigentum zu übertragen habe. Für den Fall, dass das Superädifikat aus einer „ behördlich genehmigten und kollaudierten Baulichkeit (Wochenendhaus) “ bestehen sollte, „ so hat der Vermieter nur für diese Baulichkeit, im Falle dieser Wahl, eine Ablöse in Höhe des halben Zeitwerts derselben zu leisten. Mangels Einigung über die Höhe des Zeitwerts bis zum Ablauf des Mietverhältnisses entscheidet endgültig das Schiedsgutachten eines vom Vermieter beauftragten gerichtlich beeideten Sachverständigen, welcher vom Präsidenten der für Niederösterreich zuständigen Ingenieurkammer über Ersuchen einer der beiden Parteien namhaft gemacht wurde (...).

[4] Im Laufe der Jahre verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Erstklägerin und Beklagtem erheblich.

[5] Am 30. 12. 2009 brachte die Erstklägerin eine Räumungsklage ein, in der sie die vorzeitige Vertragsauflösung wegen unleidlichen Verhaltens des Beklagten erklärte. Nachdem während dieses Verfahrens am 31. 5. 2011 auch die vereinbarte Befristung des Bestandvertrags abgelaufen war, zog der Beklagte nicht aus. Er bezahlte den jährlichen Zins weiter.

[6] Am 5. 9. 2011 nannte ein im Sinne der Vereinbarung vom 12. 6. 1995 beauftragter Gutachter der Erstklägerin den Wert des Superädifikats des Beklagten mit 49.490 EUR.

[7] Am 11. 5. 2012 fand im Räumungsverfahren eine Tagsatzung an Ort und Stelle statt. Die Erstklägerin war mit dem nunmehrigen Nebenintervenienten als ihrem Vertreter sowie dem als Zeuge geladenen Zweitkläger anwesend, ebenso der Beklagte mit seinem anwaltlichen Vertreter. Der Zweitkläger trat dem Räumungsverfahren nach Streitverkündung auf Seiten seiner Mutter als Nebenintervenient bei. Im Zuge dieser Tagsatzung schlossen die Streitteile folgenden Räumungsvergleich:

1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, binnen 3 Monaten nach seinem Tod, längstens bis zum 31. 5. 2017, unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub die Liegenschaft (...) geräumt von eigenen Fahrnissen, ausgenommen dem darauf befindlichen Superädifikat, zu übergeben.

2. Die Streitparteien [Anm.: Parteien dieses Revisionsverfahrens] bevollmächtigen [den Nebenintervenienten des Revisionsverfahrens] sämtliche für die sofortige Übertragung des Superädifikates, (...) erforderlichen Unterschriften in jeder dafür vorgesehenen Form, insbesondere auch Einverleibungserklärungen zu leisten, sowie Erklärungen abzugeben sowie überhaupt alles vorzunehmen, was für die Übertragung dieses Superädifikates in das Eigentum des [Zweitkläger im Revisionsverfahren] , notwendig und nützlich ist (...)

[8] Im Zuge des Vergleichs trafen die Parteien noch folgende handschriftliche Vereinbarung:

1. Das Superädifikat (...) geht unentgeltlich in das Eigentum von Herrn [Zweitkläger] über.

2. Frau [Erstklägerin] und Herr [Zweitkläger] erklären, auf einen Mietzins oder ein Benützungsentgelt, aus welchem Titel auch immer, bis zum 31. 5. 2017 zu verzichten (...).

[9] Die Erstklägerin ging davon aus, dass der Zweitkläger damit einen Anspruch auf Übertragung des Superädifikats erworben habe und dass dieses sofort grundbücherlich eingetragen werde. Der Nebenintervenient sollte dafür alle notwendigen Veranlassungen treffen. Der Beklagte sollte dafür, dass er bis zum 31. 5. 2017 im Superädifikat bleiben darf, nach dem Verständnis der Erstklägerin keine Miete zahlen, sondern, ausgehend vom geschätzten Wert des Superädifikats den halben Zeitwert abwohnen. Die von der Erstklägerin auf diese Weise errechnete monatliche Miete von 800 EUR war mit dem Beklagten nicht vereinbart. Einen Verzicht auf einen Mietzins oder ein Benützungsentgelt wollte die Beklagte entgegen der Formulierung der Vereinbarung vom 12. 5. 2012 nicht abgegeben haben. Der Beklagte war bei der Verhandlung unter Druck und überfordert. Er wollte das Haus im Grünen retten, um seine kranke (im Jahre 2015 dann verstorbene) Ehefrau dort pflegen zu können.

[10] Am 21. 8. 2012 ließ die Erstklägerin nochmals von Sachverständigen eine Bewertung des Superädifikats im Sachwertverfahren durchführen, die einen Sachwert „der Liegenschaft“ (gemeint: des Superädifikats samt Terrasse und Außenanlagen, ohne Inhalt, Beilage ./C) von 56.000 EUR ergab.

[11] Am 24. 10. 2014 brachte die Erstklägerin gegen den Beklagten eine neuerliche Räumungsklage ein. In diesem Verfahren wurde er mit rechtskräftigem Urteil vom 12. 5. 2016 zur Räumung der Liegenschaft verpflichtet.

[12] Am 26. 2. 2016 klagte der (hier:) Beklagte die Erstklägerin auf Feststellung seines Eigentums am Superädifikat. Dieser Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 12. 9. 2018 stattgegeben.

[13] Mit Anträgen vom 7. 6. 2016 und 10. 1. 2017 versuchte der Nebenintervenient, die Urkundenhinterlegung aufgrund des Vergleichs vom 11. 5. 2012 mit einer von ihm in Vollmacht für alle damaligen Vergleichsparteien unterfertigten Aufsandungserklärung zu erreichen. Beide Anträge wurden rechtskräftig abgewiesen. Sie scheiterten am Fehlen einer den Voraussetzungen der §§ 432 f ABGB entsprechenden Titelurkunde und an Bedenken am noch aufrechten Bestand der Bevollmächtigung des Nebenintervenienten (5 Ob 180/17g).

[14] Die aufgrund des Urteils vom 12. 5. 2016 bewilligte Räumung der Bestandsliegenschaft wurde am 10. 1. 2017 durch gerichtliche Exekution vollzogen.

[15] Am 24. 9. 2019 brachte der Beklagte gegen die Erstklägerin eine mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung verbundene Klage ein, mit der ihr jegliche widerrechtliche Verwendung der bei der Räumungsexekution ausgefolgten Schlüssel, unter anderem zur Vermietung des Superädifikats an Dritte, untersagt werden sollte.

[16] Die Kläger begehrten zuletzt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechts am Superädifikat zugunsten des Zweitklägers einzuwilligen, in eventu das Superädifikat in das Eigentum der Erstklägerin zu übertragen und in die Einverleibung der grundbücherlichen Löschung der Ersichtlichmachung des Superädifikats auf der Liegenschaft einzuwilligen.

[17] Sie brachten vor, der Beklagte habe sich im gerichtlichen Vergleich vom 11. 5. 2012 zur sofortigen Übertragung des Superädifikats an den Zweitkläger und Leistung aller dazu erforderlichen Unterschriften verpflichtet. Im Gegenzug sei ihm jeglicher Zins für Grundstück und Haus für die fünfjährige Räumungsfrist erlassen worden. Eine wirkliche Übergabe des Superädifikats sei jedenfalls durch die gerichtliche Räumung mit Übergabe der Schlüssel erfolgt. Sollte die Vereinbarung vom 11. 5. 2012 als Grundlage für dieses Begehren nicht ausreichen, stütze die Erstklägerin ihr Eventualbegehren auf die im Bestandvertrag vereinbarte Option, das Superädifikat in ihr Eigentum zu übernehmen. Eine Zug-um-Zug-Leistung des Ablösepreises sei nicht vereinbart worden.

[18] Der Beklagte wandte – soweit für das Rechtsmittelverfahren relevant – ein, es gebe keinen wirksamen Rechtstitel für eine Eigentumsübertragung an den Zweitkläger. Mangels Entgeltlichkeit wäre die Vereinbarung allenfalls als formungültige Schenkung anzusehen. Eine Kaufabrede wäre wegen laesio enormis nichtig. Das Eventualbegehren der Erstklägerin lasse sich aus dem Bestandvertrag ebenfalls nicht ableiten, weil eine Übertragung des Eigentums am Superädifikat jedenfalls nur Zug um Zug gegen eine Ablöse zu erfolgen habe.

[19] Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

[20] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[21] Die Vereinbarung vom 11. 5. 2012 sei mangels eines zwischen den Parteien strittigen Rechtsverhältnisses kein Vergleich, sondern als gemischte Schenkung zu betrachten. Eine Gegenleistung für die Verpflichtung, das Superädifikat zu übertragen, könne nur im Verzicht auf die Grundstücksmiete gesehen werden, weil der Vorbehalt der Nutzung des eigenen Gebäudes, den sich der Beklagte über den Übergabszeitpunkt hinaus bedungen habe, keine Gegenleistung darstelle. Bei einem Bestandzins für den Grund von nur 1.000 EUR pro Jahr überwiege im Verhältnis zum festgestellten Wert des Superädifikats bei der Vereinbarung das Schenkungselement, sodass die Formvorschriften des § 943 ABGB zu beachten wären. Diese seien nicht eingehalten worden. Es sei auch keine Heilung durch wirkliche Übergabe des Superädifikats erfolgt, weil dazu die Erfüllung der Räumungsverpflichtung im Exekutionsverfahren nicht ausreiche.

[22] Das Eventualbegehren sei abzuweisen, weil die Erstklägerin stets einen Ausgleichsanspruch des Beklagten bestritten habe und daher die Zug um Zug fällige Gegenleistung verweigere.

[23] Die gemäß § 508a Abs 2 ZPO zugelassene Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verfahrensmangels strebt die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn, hilfsweise deren Aufhebung zur Verfahrensergänzung an.

[24] In der Revisionsbeantwortung des Beklagten wird beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, jedenfalls aber ihm keine Folge zu geben.

[25] Der Nebenintervenient hat sich am gesamten Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[26] Die Revision ist zulässig , weil die Beurteilung der Vorinstanzen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO einer Korrektur bedarf. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

[27] 1. Die Mängelrüge der Revisionswerber betrifft lediglich die Abweisung des Eventualbegehrens. Da sich, wie im Folgenden dargelegt, bereits das Hauptbegehren als berechtigt erweist, erübrigt sich eine Behandlung dieses Revisionsgrundes.

[28] 2. In Ansehung des Hauptbegehrens wird die Entscheidung des Berufungsgerichts in der Revision nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft.

[29] Die Kläger wenden sich gegen die Auffassung, dass die Vereinbarung vom 11. 5. 2012 als gemischte Schenkung zu beurteilen sei. Tatsächlich handle es sich um ein zur Gänze entgeltliches Geschäft, mit dem das Eigentum am Superädifikat gegen eine angemessene Gegenleistung übertragen werden sollte. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Vereinbarung wegen Ablaufs des Bestandvertrags nicht mehr zur Benützung des Superädifikats berechtigt gewesen. Das nicht bestehende Nutzungsrecht habe er sich somit nicht zurückbehalten können. Für die wirtschaftliche Bewertung des vereinbarten fünfjährigen Räumungsaufschubs sei daher auch die Nutzung des Gebäudes und nicht nur der Bestandzins für das Grundstück zu berücksichtigen. Damit sei die Höhe der im Bestandvertrag vereinbarten Ablöse, nämlich der halbe Sachwert des Superädifikats, jedenfalls erreicht worden.

[30] 3. Festzuhalten ist, dass die Begründung des Berufungsgerichts, weshalb es sich bei der in der Verhandlungstagsatzung vom 11. 5. 2012 geschlossenen Vereinbarung nicht um einen Vergleich handeln könne, nicht geteilt wird.

[31] Ein Vergleich ist die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte (RIS Justiz RS0032681). Die Rechtsprechung billigt dem Vergleich Novationswirkung zu, wenn er die ursprüngliche Obligation – als Ergebnis einer Auslegung des Parteiwillens – durch eine Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands des Anspruchs ersetzen sollte, sodass ein Rückgriff auf das seinerzeitige Schuldverhältnis nicht mehr möglich ist (5 Ob 37/04h = RdW 2005, 18 mwN; RS0108086 [T1], RS0032310).

[32] Die Streitteile haben im Vorverfahren, in dem die sofortige Räumung der Liegenschaft begehrt wurde, eine Einigung über die strittige Räumungsverpflichtung, über (den sowohl vom Klagebegehren als auch von der vereinbarten Befristung abweichenden) Räumungstermin, sowie über das weitere rechtliche Schicksal des Superädifikats erzielt.

[33] Dazu wurde einerseits von der Bestandgeberin dem Beklagten entgegengekommen, weil er dringendes Interesse daran hatte, das Haus aus familiären Gründen über das Vertragsende hinaus weiter zu nutzen. Im Gegenzug akzeptierte der Beklagte die strittige Beendigung des Bestandvertrags und die Übertragung des Superädifikats gegen Ausgleich mit dem für die Dauer der Räumungsfrist erlassenen Benützungsentgelt.

[34] Die Einigung, dass die Übertragung nicht – wie es der im Bestandvertrag eingeräumten Option entsprochen hätte – an die Erstklägerin selbst, sondern mit deren Willen an ihren Sohn erfolgen sollte, ersetzt die im Bestandvertrag enthaltene Grundsatzvereinbarung.

[35] Bei objektiver Betrachtung ist daher nach dem übereinstimmenden Parteiwillen von einem Vergleich auszugehen, mit dem ein neuer Rechtsgrund geschaffen wurde (RS0108086). Das Ergebnis der Neufestlegung der strittigen Ansprüche bei beiderseitigem Nachgeben sowie Hinzutritt einer weiteren Vertragspartei begründete den typischen Fall einer Novation (vgl 4 Ob 116/08z; vgl auch 8 Ob 108/17s). Darauf, inwieweit die Bedingungen des ursprünglichen Bestandvertrags wirksam waren, kommt es bei diesem Ergebnis nicht mehr an. Es entspricht der Judikatur, dass bei einem Vergleich ein gültiges Grundverhältnis jedenfalls dann fehlen kann, wenn gerade Zweifel über dessen Bestehen bzw Wirksamkeit die Grundlage für den Vergleich bilden (6 Ob 256/10f; 8 Ob 108/17s).

[36] 4. Der Umstand, dass das Superädifikat nicht an die Erstklägerin, sondern an ihren Sohn übertragen werden soll, hätte bei der gebotenen objektiven wirtschaftlichen Betrachtung allenfalls eine Schenkung (des Rechts aus der Option) der Erstklägerin an den Zweitkläger, aber nicht eine Schenkung des Beklagten an den Zweitkläger begründen können. Ein Schenkungswille des Beklagten wurde zudem weder behauptet noch festgestellt.

[37] Entgegen der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Ansicht der Vorinstanzen liegen nach dem Sachverhalt auch keine objektiven Anhaltspunkte für eine (gemischte) Schenkung vor.

[38] I m Übrigen ist die Begründung, dass bei der Bewertung eines Übergabeobjekts der Vorbehalt von Nutzungen und sonstigen Befugnissen eines Eigentümers, die dem Übergeber kraft seines Eigentums zustanden und die er sich zum Teil über den Übergabszeitpunkt hinaus vorbehält, nicht als Gegenleistung anzusehen sind (vgl RS0012978), hier nicht einschlägig.

[39] Dem Beklagten war nach dem Ablauf des Bestandvertrags zwar das Eigentum an seinem Superädifikat verblieben, er war aber nicht mehr berechtigt, es auf dem Grundstück der Erstklägerin zu nutzen. Ohne anderweitige Vereinbarung wäre er vielmehr verpflichtet gewesen, es auf Verlangen der Erstklägerin bei Vertragsende abzubauen und zu entfernen (RS0009887 [T4]). Das Eigentum an einem Superädifikat allein verschafft kein dingliches oder obligatorisches Recht zur Benützung der Liegenschaft (7 Ob 224/13m). Die Einräumung der weiteren Nutzung des Superädifikats an den Beklagten im Wege der fünfjährigen Räumungsfrist ist daher nicht mit einem Nutzungsvorbehalt eines Liegenschaftsübergebers vergleichbar, der sein Eigentum ohne Übergabe uneingeschränkt nutzen hätte können.

[40] Der vom Berufungsgericht eingenommene Rechtsstandpunkt berücksichtigt darüber hinaus nicht, dass eine vom Übergeber vorbehaltene weitere Nutzungsbefugnis, wenn sie nicht als Gegenleistung zu gelten hat, dafür spiegelbildlich den Wert des Übergabeobjekts mindert.

[41] Hinzu kommt, dass der Bestandvertrag im Vergleichszeitpunkt bereits abgelaufen war. Für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung – auch schon vor Abschluss des Vergleichs vom 11. 5. 2012 – schuldete der Beklagte nicht mehr den ursprünglich vereinbarten Zins, sondern ein angemessenes Benützungsentgelt gemäß § 1041 ABGB. Für dessen Höhe ist auf den Entgang der Nutzungschance des Eigentümers abzustellen. Der früher zu entrichtende Bestandzins liefert für die angemessene Höhe des Benutzungsentgelts nur Anhaltspunkte (RS0019883 [T1, T2]).

[42] Für die Prämisse der Vorinstanzen, dass die entgangene anderweitige Nutzungschance der Erstklägerin hier nur mit der Höhe des vor mehr als 20 Jahren vereinbarten und entgegen der Vereinbarung nicht aufgewerteten jährlichen Bestandzinses von 1.000 EUR noch angemessen abgegolten gewesen wäre, bietet der Sachverhalt keine Grundlage. Der im ursprünglichen Bestandvertrag vereinbarte Übernahmepreis in der Hälfte des Verkehrswerts von (maximal) 28.000 EUR wäre bereits bei einem – notorisch nicht unrealistischen – hypothetischen monatlichen Benützungsentgelt von 467 EUR in fünf Jahren amortisiert.

[43] 6. Weitere Anfechtungsgründe wurden vom Beklagten nicht mehr geltend gemacht.

[44] Zusammenfassend erweist sich daher bereits das Hauptbegehren als berechtigt. Auf die zum Eventualbegehren erstatteten Revisionsausführungen ist bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen.

[45] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

[46] Auch die Erstklägerin ist im Verfahren als obsiegend anzusehen, weil sie mit der Klage nicht nur das Eventualbegehren verfolgt, sondern inhaltlich die Wiederherstellung der uneingeschränkten Verfügung über ihr Liegenschaftseigentum angestrebt hat. Dieses Ergebnis wird mit dem Urteil hergestellt.

Rechtssätze
7
  • RS0009887OGH Rechtssatz

    23. Februar 2023·3 Entscheidungen

    a) Vom Grundsatz "superficies solo cedit" trifft das Gesetz gewichtige Ausnahmen, an die es entweder selbst davon abweichende Rechtsfolgen knüpft (zB § 418 dritter Satz ABGB) oder doch durch Parteienvereinbarung abweichende Rechtsfolgen knüpfen lässt (zB Keller oder Superädifikat). Ob eine solche Ausnahme vorliegt, hat jene Partei, die sich darauf beruft, zu behaupten und zu beweisen; verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten. b) Eine während des Zweiten Weltkriegs geschaffene Luftschutzstollenanlage kann ihre Beschaffenheit nach ein sonderrechtsfähiges Rechtsobjekt sein. Errichtet jemand aufgrund eines auf eine Bauführung abzielenden Grundbenützungsrechts ein Bauwerk auf oder in dem Grundstück, so ist entweder an Kellereigentum oder an Superädifikate zu denken, die auch unterirdisch angelegt sein können. c) Nur wenn das Eigentum an dem Keller oder der diesen gleichzuhaltenden unterirdischen Anlage (in casu: Luftschutzstollen) durch Eröffnung einer besonderen Grundbuchseinlage verbüchert wird, wird die Kelleranlage zur unbeweglichen Sache. d) Erbaut jemand im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer auf oder in einem Grundstück ein Bauwerk. ist es bei Mangel der Belassungsabsicht als Superädifikat zu beurteile (sofern nicht infolge Verbücherung Kellereigentum gegeben ist). Gleiches muss aber auch dann gelten, wenn das zeitlich begrenzte Benützungsrecht nicht auf privatrechtlichem Vertrag (zB Bestandvertrag) beruht, sondern aus einem hoheitlichen Eingriffsakt abgeleitet wird. e) Das Eigentum am Superädifikat bleibt von der Beendigung oder dem Wegfall des Grundbenützungsverhältnisses an sich unberührt: Das Bauwerk steht auch weiterhin im Eigentum seines bisherigen Eigentümers, der es allerdings auf Verlangen des Grundeigentümers beseitigen müsste, sofern er es nicht aufgrund einer besonderen Abrede auf den Grundeigentümer zu übertragen hat.