JudikaturJustiz4R257/23b

4R257/23b – LG für ZRS Graz Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2024

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Senat 4, hat als Rekursgericht durch die Richter Mag. Schweiger (Vorsitz), Mag. M. Kraut und Mag. Graßler in der Exekutionssache der betreibenden Partei A* GmbH , FN **, B* C*, **straße D*, ** C*, vertreten durch BLS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei E* , geboren am **, Unternehmerin, **straße **, **, wegen EUR 2.996,93 samt Anhang , über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom 16.11.2023, 238 E 4418/22a - 18, in nicht-öffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert , dass er wie folgt zu lauten hat:

Die der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei mit Beschluss vom 21.2.2022 erteilte Exekutionsbewilligung wird gemäß § 54f EO auf die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der der verpflichteten Partei gegen die F* G* H* reg.Gen.m.b.H., **straße **, ** G* und die I* AG, **platz D*, **, angeblich zustehenden Forderungen aus Bankguthaben bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Partei ausgedehnt.

Mit der Zustellung dieses Beschlusses an die Drittschuldnerinnen hat die betreibende Partei an diesen Forderungen ein Pfandrecht erworben. Der verpflichteten Partei wird jede Verfügung über die gepfändeten Forderungen, insbesondere deren Einziehung, untersagt. Den Drittschuldnerinnen wird verboten, die gepfändeten Forderungen an die verpflichtete Partei auszuzahlen. Die Drittschuldnerinnen haben die von ihnen einbehaltenen Beträge erst nach vier Wochen ab Zustellung dieser Exekutionsbewilligung an die betreibende Partei auszuzahlen. Früher erworbene Rechte Dritter werden nicht berührt.

Die gepfändeten und überwiesenen Forderungen sind unbeschränkt pfändbar.

Den Drittschuldnerinnen wird aufgetragen, sich binnen vier Wochen gemäß § 301 EO zu äußern und die Drittschuldnererklärung an das Exekutionsgericht sowie eine Kopie derselben an die betreibende Partei zuhanden ihrer Vertreterin zu übermitteln. Unter ** steht das Formular für die Drittschuldnererklärung zur Verfügung.

Gemäß § 301 Abs 3 EO haften die Drittschuldnerinnen der betreibenden Partei für den Schaden, der dadurch entsteht, dass sie ihre Pflichten schuldhaft überhaupt nicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig erfüllen.

Die mit EUR 419,57 (darin EUR 69,93 USt) bestimmten Kosten des Rekurses werden als weitere Exekutionskosten der betreibenden Partei bestimmt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Beschluss vom 21.2.2022 bewilligte das Bezirksgericht Hall in Tirol der betreibenden Partei aufgrund seines vollstreckbaren Zahlungsbefehls vom 5.2.2021, 5 C 50/21d, wider die Verpflichtete antragsgemäß die Forderungsexekution nach §§ 294, 295 EO und die Fahrnisexekution zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kapitalforderung von EUR 3.474,27 (darin enthalten eine Nebenforderung von EUR 477,34) samt Zinsen und Kosten und verband das Verfahren mit dem bei ihm zu 5 E 3336/21w anhängigen Exekutionsverfahren gegen die Verpflichtete (§ 33 Abs 1 EO).

Die von der Betreibenden im Exekutionsantrag benannte Drittschuldnerin (eine Bank) gab am 22.2.2022 bekannt, dass der Verpflichteten keine Forderung gegen sie zustehe.

In der Forderungsexekution nach § 295 EO konnte eine weitere Drittschuldnerin ermittelt werden. Diese erstattete am 25.4.2022 eine Drittschuldnererklärung, in der sie die gepfändete Forderung anerkannte. Das Arbeitsverhältnis der Verpflichteten mit dieser Drittschuldnerin endete am 4.8.2022.

Die Fahrnisexekution blieb ergebnislos. Bei einem Vollzugsversuch am 4.10.2022 stellte das Vollzugsorgan fest, dass die Verpflichtete an ihre jetzige Wohnanschrift verzogen war.

Das Bezirksgericht Hall erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom 7.10.2022 für „sachlich und örtlich“ unzuständig und überwies das Exekutionsverfahren gemäß §§ 5a Abs 1, 78 EO iVm §§ 41 Abs 3 und 44 JN an das Erstgericht.

Mit Beschluss vom 13.10.2022 bewilligte das Erstgericht einen Antrag der Betreibenden auf neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution. Auch dieser Vollzugsversuch verlief ergebnislos.

Am 13.11.2023 beantragte die Betreibende die Ausdehnung der Exekutionsbewilligung gemäß § 54f EO auf Forderungen der Verpflichteten aus Kontoguthaben bei der bereits im Exekutionsantrag bekannt gegebenen Drittschuldnerin und einer weiteren Drittschuldnerin sowie den neuerlichen Vollzug der Fahrnis- und Lohnexekution.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht den neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution und der Forderungsexekution gemäß § 295 EO; es bestimmte weiters die Kosten des Antrags vom 13.11.2023 wie begehrt mit EUR 44,95. Den Antrag auf Ausdehnung der Exekution „auf weitere Kontopfändungen“ wies es hingegen ab, weil die Betreibende kein neues Exekutionsmittel beantragt habe und die Forderungsexekution nach § 294 EO mit Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner bereits beendet und nicht mehr fortsetzungsfähig sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Betreibenden wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Antragsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Eine Exekution sei erst durch die volle Befriedigung des Gläubigers beendet. Die Exekution auf eine Geldforderung sei erst durch die Zahlung des Drittschuldners beendet (§ 41a EO). Dies entspreche dem Grundgedanken der Bestimmung des § 54f EO, wonach, soweit die Exekution bereits bewilligt worden sei, der Antrag des Betreibenden als solcher auf neuerlichen Vollzug zu verstehen sei. Der Gesetzgeber habe beabsichtigt, das Exekutionsverfahren für Gläubiger zu erleichtern und entbehrliche Schritte, wie etwa die Stellung eines neuen Exekutionsantrags, zu vermeiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist – im Ergebnis – zielführend .

1. Der auf nach dem 30.6.2021 anhängig gemachte Exekutionsverfahren (§ 502 Abs 1 EO) anzuwendende § 54f EO in der Fassung der Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx (BGBl I Nr 86/2021) trägt die Überschrift „Ausdehnung der Exekutionsbewilligung “ und lautet:

Auf Antrag des betreibenden Gläubigers ist während eines anhängigen Exekutionsverfahrens zur Hereinbringung einer Geldforderung die Exekution auf weitere Exekutionsmittel auf bewegliches Vermögen auszudehnen. Soweit die Exekution schon bewilligt wurde, ist der Antrag als Antrag auf neuerlichen Vollzug zu verstehen.

§ 54f EO gestattet also einerseits die Ausdehnung eines anhängigen Exekutionsverfahrens auf „weitere Exekutionsmittel“ (Satz 1) und ordnet andererseits die Umdeutung eines Ausdehnungsantrags in einen Neuvollzugsantrag an, wenn die Exekution in Ansehung des beantragten weiteren Exekutionsmittels bereits bewilligt ist (Satz 2).

Solange also ein Exekutionsverfahren gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung einer Geldforderung auf das bewegliche Vermögen anhängig ist, soll eine Ausdehnung auf ein weiteres Exekutionsmittel (oder eine Umdeutung in einen Neuvollzugsantrag) möglich sein.

2. Als „ anhängig “ wird nach herrschender Meinung eine bewilligte und noch nicht eingestellte oder beendete Exekution verstanden ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 35 Rz 66 und § 39 Rz 6 mwN; Deixler-Hübner/Schauer in Deixler-Hübner , EO § 35 Rz 58 bis 61 mwN [34. Lieferung März 2022]).

Hier sind sowohl die Fahrnisexekution als auch die Forderungsexekution nach § 295 EO anhängig (siehe dazu unten), sodass eine Ausdehnung der Exekutionsbewilligung auf ein „weiteres Exekutionsmittel“ möglich ist.

3. Das Rekursgericht vertritt zu § 54f EO in nunmehr ständiger, eingehend begründeter Rechtsprechung (RGZ0000098), auf die verwiesen wird, die Ansicht, dass ein „weiteres Exekutionsmittel“ iSd § 54f EO auch dann vorliegt, wenn dasselbe Exekutionsmittel zwar schon einmal bewilligt wurde, diese Exekution aber im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 54f EO bereits beendet oder eingestellt und daher nicht mehr anhängig ist. Als „weiteres Exekutionsmittel“ ist daher nicht nur ein bisher nicht bewilligtes neues, sondern auch ein nicht mehr anhängiges Exekutionsmittel anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung ist eine Forderungsexekution auf unbeschränkt pfändbare einmalige Forderungen wie Bankguthaben grundsätzlich mit der Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner, spätestens aber mit der Ausfolgung des Erlöses an den Betreibenden beendet, aber auch dann, wenn ein weiterer Erfolg der Forderungsexekution auszuschließen ist, etwa wenn gewiss ist, dass die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung war und sich daher nicht zur vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers eignet.

4. Hier hat die im Exekutionsantrag von der Betreibenden im Rahmen der Forderungsexekution nach § 294 EO benannte Drittschuldnerin am 22.2.2022 erklärt, dass bei Zustellung der Exekutionsbewilligung keine pfändbaren Forderungen der Verpflichteten gegen sie bestanden haben. Damit ist ein weiterer Erfolg dieses Exekutionsmittels ausgeschlossen. Die am 21.2.2022 (mit-)bewilligte Forderungsexekution nach § 294 EO ist demgemäß beendet; sie war schon bei Einlangen des Ausdehnungsantrags gemäß § 54f EO nicht mehr anhängig.

5. Dies bedeutet, dass der Antrag der Betreibenden auf Ausdehnung der Exekutionsbewilligung auf ein nicht (mehr) anhängiges Exekutionsmittel und somit auf ein „weiteres Exekutionsmittel“ iSd § 54f EO gerichtet war.

6. Der Rekurs erweist sich somit – im Ergebnis – als berechtigt.

7. Die bisher zu § 54f EO ergangenen Entscheidungen des Rekurssenats hatten, wie auch die vom Erstgericht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung herangezogene Entscheidung 4 R 246/21g, ausschließlich bereits beendete Forderungsexekutionen nach § 294 EO – ohne Kombination mit anderen Exekutionsmitteln – zum Gegenstand, sodass überhaupt kein Exekutionsverfahren mehr anhängig war, das hätte ausgedehnt werden können (so auch 4 R 148/22x, 4 R 156/22y, 4 R 170/22g, 4 R 268/22v, 4 R 269/22s).

8. Die Rekurskostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO.

9. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
1
  • RGZ0000098LG für ZRS Graz Rechtssatz

    14. Februar 2024·3 Entscheidungen

    1. Solange ein Exekutionsverfahren gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung einer Geldforderung auf das bewegliche Vermögen anhängig ist, ist eine Ausdehnung der bereits erteilten Exekutionsbewilligung auf ein weiteres Exekutionsmittel möglich. 2. Als „anhängig“ wird nach herrschender Meinung eine bewilligte und noch nicht eingestellte oder beendete Exekution verstanden. 3. Eine Forderungsexekution auf unbeschränkt pfändbare einmalige Forderungen wie Bankguthaben ist grundsätzlich mit der Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner, spätestens aber mit der Ausfolgung des Erlöses an den Betreibenden beendet; beendet ist sie auch dann, wenn ein weiterer Erfolg der Forderungsexekution auszuschließen ist, etwa wenn gewiss ist, dass die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung war und sich daher nicht zur vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers eignet. 4. Ein „weiteres Exekutionsmittel“ iSd § 54f EO liegt auch dann vor, wenn dasselbe Exekutionsmittel zwar bewilligt wurde, diese Exekution aber im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 54f EO bereits beendet oder eingestellt und daher nicht mehr anhängig ist. Als „weiteres Exekutionsmittel“ ist daher nicht nur ein bisher nicht bewilligtes neues, sondern auch ein nicht mehr anhängiges Exekutionsmittel anzusehen.