JudikaturJustiz3R125/23s

3R125/23s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2023

Kopf

B eschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch Mag. Patrick Gaulin, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* Holding GmbH , FN **, **, ** Straße **, vertreten durch Dr. Andreas Fink Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in 6460 Imst, wegen EUR 445.872,28 s.Ng., über den Rekurs der beklagten Partei (ON 18) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 28.11.2023, 10 Cg 73/23k 17/2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben. Die bekämpfte Entscheidung wird dahin abgeändert , dass sie lautet:

„Der Antrag der klagenden Partei auf Erstreckung der Frist zur Erstattung weiteren Vorbringens bis zum 8.1.2024 wird z u r ü c k g e w i e s e n .“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreter die mit EUR 3.027,48 (darin enthalten EUR 504,58 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Text

Begründung:

Mit der am 30.6.2023 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten EUR 445.872,28 s.Ng. mit der Behauptung, sie habe im Auftrag der Beklagten einen fassadenfertigen Edelrohbau erstellt und diesen mit der Rechnung vom 22.6.2023 und der Endabrechnung Nr 2023/003 abgerechnet. Die Beklagte habe diese Rechnungen nicht bezahlt. Zur ersten Teilrechnung in Höhe von EUR 64.680,-- behänge bereits das Verfahren 15 Cg 116/20s LG Innsbruck.

Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete mangelnde Aktivlegitimation, die mangelnde Fälligkeit des Klagsanspruchs mangels Prüfbarkeit, die Verjährung und die mangelnde Berechtigung der Klagsforderung wegen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG) und die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG ein.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9.10.2023 erörterte das Erstgericht das von beiden Seiten vorgetragene Sach- und Rechtsvorbringen und erteilte der Klägerin den Auftrag, binnen vier Wochen konkret darzustellen, wer wann welchen Auftrag an die Klägerin erteilt habe und nachvollziehbar darzulegen, welche Arbeiten von Seiten der Klägerin (ab der Schnittstelle bzw Fertigstellung des Rohbaus) und für welche Einheiten (G01 bis G06 in EZ ** GB **) konkret durchgeführt worden seien (ON 14.1 S 2 f). Darüber hinaus solle die Klägerin darlegen, mit welchen Rechnungen welche ihrer Arbeiten für die Beklagte abgerechnet wurden, insbesondere damit erhoben und geklärt werden könne, ob die erste Teilrechnung in Höhe von EUR 64.680,--, die dem Verfahren 15 Cg 116/20s LG Innsbruck zugrunde liege, bereits aus den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten offenen Rechnungsbeträgen abgezogen wurde oder das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit vorliege. Schließlich müsse der Klagsvertreter darlegen, wann die Arbeiten der Klägerin fertig gestellt wurden und die Abrechnung erst am 22.6.2023 erfolgte, um den Verjährungseinwand der Beklagten überprüfen zu können (ON 14.1 S 2 f).

Am 3.11.2023 langte beim Erstgericht ein Antrag der Klägerin ein, die in der Tagsatzung vom 9.10.2023 aufgetragene vierwöchige Äußerungsfrist (zur Erstattung des dort substanziiert verlangten Vorbringens) um vier Wochen zu erstrecken, weil sie für die Aufbereitung der gesamten Unterlagen einen Privatgutachter beauftragt habe, der aufgrund des „immensen Umfangs“ der Unterlagen noch Zeit benötige. Als Bescheinigungsmittel legte sie ein E Mail des Privatgutachters vom 2.11.2023 vor. Mit Beschluss vom 3.11.2023 bewilligte das Erstgericht die Fristverlängerung antragsgemäß (ON 16 S 2).

Am 28.11.2023 langte beim Erstgericht ein weiterer Fristerstreckungsantrag der Klägerin ein, in dem die Klägerin die Erstreckung bis zum 8.1.2024, also um weitere fünf Wochen begehrt, weil „[D]er Sachverständige […] zuletzt krankheitsbedingt eingeschränkt [war] .

Mit dem nunmehr bekämpften Beschluss bewilligte das Erstgericht die beantragte Fristerstreckung antragsgemäß (ohne der Beklagten eine Stellungnahmemöglichkeit einzuräumen).

Gegen diese (zweite) Fristerstreckung wendet sich nunmehr der (rechtzeitige) Rekurs der Beklagten aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass der Fristerstreckungsantrag zur Erstattung weiteren Vorbringens abgewiesen und die Klägerin in den Ersatz der Kosten des Rekursverfahrens verfällt werde (ON 16 S 5 f).

In ihrer (fristgerechten) Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 20 S 3).

Der Rekurs erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt, die Rekursbeantwortung als unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

1.: Abgesehen von dem Ausnahmefall, in dem in der fortgesetzten Verhandlung bereits eine Endentscheidung gefällt wurde (und daher die Abweisung der Fristverlängerung gemeinsam mit der Endentscheidung zu bekämpfen ist [2 Ob 366 ZBl 1935/231; Buchegger in Fasching/Konecny ZPO³ II/3 {2015} § 141 Rz 16]) erfolgt die Anfechtung von Fristverlängerungen (ebenso wie Tagsatzungserstreckungen) mit abgesondertem Rekurs ( Buchegger § 141 Rz 16; Gitschthaler in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 141 Rz 4aE). Der Rekurs der Beklagten ist daher zulässig und – wie gleich zu zeigen sein wird – berechtigt:

2.: Richtigerweise wird im Rekurs die Tatsache aufgegriffen, dass das Erstgericht trotz der insgesamt zweiten Fristverlängerung die Beklagte als Antragsgegnerin nicht gehört hat: Richtig ist wohl, dass diese Anhörung nach herrschender Auffassung nicht (unbedingt) einer mündlichen Verhandlung bedarf (2 Ob 161/11g ErwGr II.; Buchegger § 128 Rz 23; Melzer in Kodek/Oberhammer ZPO-ON [2023] § 128 Rz 6 f). Die Nichtanhörung bewirkt jedoch jedenfalls eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ( Buchegger § 128 Rz 23). Im Rahmen des - auch im Rekursverfahren zulässigen ( Sloboda in Fasching/Konecny ZPO³ IV/1 [2019] § 514 Rz 76) - Rechtsmittelgrunds der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist Neuvorbringen zur Dartuung oder Widerlegung dieses Rechtsmittelgrunds zulässig (4 Ob 5/10d; RIS Justiz RS0041812; Kodek in Kodek/Oberhammer ZPO ON § 482 Rz 22). Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten, wonach in Wahrheit der geltend gemachte Erstreckungsgrund, nämlich die krankheitsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des von der Klägerin bestellten Privatgutachters und seine Unfähigkeit, innerhalb der ersten beiden eröffneten bzw gesetzten Fristen eine nachvollziehbare und einer sachlich befriedigenden Kontrolle zugängliche Abrechnung zu erstellen und ihre Ansprüche schlüssig zu behaupten, gar nicht gegeben ist (ON 18 S 3 f), ist zu berücksichtigen. Diese Umstände - würde sie das Gericht nach dem notwendigen Bescheinigungsverfahren als erwiesen annehmen - führten zu einer Zurückweisung (2 Ob 161/11g ErwGr II.; Buchegger § 128 Rz 22) des zweiten Fristerstreckungsantrags und legen somit die erforderliche abstrakte Erheblichkeit des Verfahrensmangels in ausreichendem Umfang dar.

3.: Darüber hinaus hat das Erstgericht nicht berücksichtigt, dass Bewilligungen von Fristverlängerungen immer datumsmäßig (Tag, an dem die verlängerte Frist endet) zu bestimmen sind (§ 128 Abs 5 iVm § 125 Abs 3 ZPO; Buchegger § 128 Rz 25 und § 141 Rz 4; Melzer § 128 Rz 11). Dies lässt sich der Entscheidung mit der Formulierung „antragsgemäß“ nicht klar entnehmen, weil im Antrag sowohl eine Frist als auch ein Datum erwähnt sind.

4.: Letztlich sind diese formellen Mängel der bekämpften Entscheidung aber - wie im Rekurs zutreffend aufgezeigt wird - unerheblich, weil der weitere Fristerstreckungsantrag ohnedies abzuweisen war:

4.1.: Der Fristerstreckungsantrag verweist einerseits auf die schon früher behauptete Bestellung eines Privatgutachters und andererseits auf die Tatsache, dass der „Sachverständige […] zuletzt krankheitsbedingt eingeschränkt [war] , weshalb höflichst“ die Erstreckung der verlängerten Frist begehrt wird (ON 17 S 2).

4.2.: Für die erfolgreiche Fristverlängerung bedarf es eines Verlängerungsgrunds und eines andernfalls drohenden Schadens: Als Verlängerungsgrund kommt nur die Unmöglichkeit (arg.: „aus unabwendbaren […] Gründen“ ) die Frist einzuhalten, oder eine der Unmöglichkeit nahekommende Konstellation (arg.: „sehr erhebliche Gründe“ ) in Frage (2 Ob 161/11g ErwGr II.). Unter dem im § 128 Abs 2 ZPO erwähnten „Schaden“ ist sowohl ein bloß verfahrensrechtlicher als auch ein materiell-rechtlicher Nachteil zu verstehen ( Melzer § 128 Rz 4). Allerdings ist ein nicht wiedergutzumachender Schaden infolge der Fristversäumnis bei bloß verfahrensleitenden Fristen (wie der hier anzunehmenden, die eine über die bereits eingeräumte Frist von 8 Wochen hinausgehende weitere fünfwöchige Möglichkeit zur Erstattung schlüssigen Vorbringens betrifft) hier wie in aller Regel ausgeschlossen ( Buchegger § 128 Rz 16). Mangels konkreter Behauptungen, warum trotzdem ein unwiederbringlicher Schaden drohen würde, war daher der Antrag schon mangels der dafür notwendigen zweiten Voraussetzung eines andernfalls drohenden wie dargestellt qualifizierten Schadens nicht bewilligungsfähig, sondern zurückzuweisen (2 Ob 161/11g ErwGr II.).

4.3.: Dazu kommt noch, dass die nicht konkretisierte Behauptung der Unpässlichkeit eines Parteienvertreters bereits als nicht hinreichend für die Bewilligung einer Fristverlängerung angesehen wurde (RIS Justiz RS0036617; Buchegger § 128 Rz 22 FN 36; Melzer § 128 Rz 8 FN 5). Dass es zur Schlüssigstellung der Beiziehung eines Privatgutachtens bedurfte, der Sachverständige überhaupt im relevantem Zeitraum an der Bearbeitung gerade des Auftrags der Klägerin gehindert war, und er auch über den 28.11.2023 (Antragsdatum) hinaus bis zum ursprünglichen Fristende 4.12.2023 krankheitsbedingt eingeschränkt gewesen wäre und wie sich dies auf seine Arbeitstätigkeit im konkreten Fall auswirkt, stellt der am 28.11.2023 beim Erstgericht eingebrachte Antrag nicht dar. Es fehlt daher auch an der schlüssigen Behauptung der Unmöglichkeit der Fristeinhaltung, was für die Antragsverwerfung genügt (vgl 2 Ob 161/11g ErwGr II.).

4.4.: Wohl enthält der Fristerstreckungsantrag der Klägerin keine Bescheinigungsmittel (§ 75 ZPO), was nach überwiegender Auffassung einen verbesserungsfähigen Mangel darstellt (1 Ob 253/68, SZ 41/125; RIS Justiz RS0036607; Buchegger § 128 Rz 21; Melzer § 128 Rz 8). Da es im vorliegenden Fall aber bereits in zweifacher Hinsicht an der konkreten Behauptung der beiden Voraussetzungen für die Fristverlängerung (Verlängerungsgrund einerseits und andernfalls drohender Schaden andererseits) gebricht, also ein inhaltlicher Mangel gegeben ist, bedarf es nicht der Verbesserung des Antrags durch Aufforderung zur Vorlage der nötigen Bescheinigungsmittel.

4.5.: Der Fristsetzungsantrag erweist sich daher bei näherer Betrachtung als nicht bewilligungsfähig.

5.: Dem Rechtsmittel war daher Erfolg zu bescheinigen. Die bekämpfte Entscheidung war im Sinn der Zurückweisung (2 Ob 161/11g ErwGr II.; RIS Justiz RS0127421) abzuändern.

6.: Die Entscheidung über den hier an das Rekursgericht herangetragenen Streitpunkt der zweiten Fristverlängerung ist für den Inhalt der späteren Sachentscheidung unbeachtlich. Da ein solcher Zwischenstreit auch erst im Rechtsmittelverfahren entstehen kann, wenn das Verfahren über die betreffende Nebenfrage in erster Instanz einseitig gestaltet wurde (sog „sukzessiver Zwischenstreit“ : 7 Ob 161/03g; LG Salzburg 21 R 578/07g, EFSlg 120.912), kommt wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Kostenseparationsvorschrift des § 48 ZPO eine vom Ausgang der Hauptsache unabhängige Kostenersatzpflicht in Betracht, wenn der Zwischenstreit auf Seite der obsiegenden Partei tatsächlich zu zusätzlichen Kosten geführt hat ( M. Bydlinski ZPO³ II/1 [2015] § 48 Rz 12). Die Klägerin muss der Beklagten daher die tarifgemäß verzeichneten Kosten ihres Rechtsmittels ersetzen (§§ 50, 41 ZPO). Die Kosten ihrer Rekursbeantwortung muss die Klägerin schon deshalb selbst bestreiten, weil sie erfolglos blieb (§§ 50, 40 ZPO).

7.: Das Rekursgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - auf eine einheitliche Rechtslage berufen, von der es nicht abgewichen ist. In diesem Rekursverfahren war daher eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 528 Abs 1 (§ 502 Abs 1) ZPO geforderten Qualität nicht zu beurteilen. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 526

Abs 3, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen war.