JudikaturJustiz2Ob768/54

2Ob768/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. November 1954

Kopf

SZ 27/293

Spruch

Die Wohnungsbeihilfe ist zwar nicht pfändbar, aber als Teil der Nettobezüge bei Berechnung der Höhe des Unterhaltsanspruches gemäß § 10a EO. in Anschlag zu bringen. Sie muß nur dem Verpflichteten ebenso wie die Hälfte der Notstandshilfe frei bleiben.

Entscheidung vom 17. November 1954, 2 Ob 768/54.

I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Über Anfrage teilte das Arbeitsamt St. P. am 2. August 1954 mit, daß der Verpflichtete bis 23. Juni 1954 im Bezuge der Notstandshilfe von wöchentlich 152 S plus 7 S Wohnungsbeihilfe gestanden sei. Er sei seit 24. Juni 1954 in Haft.

Mit Beschluß vom 4. August 1954 wies das Erstgericht hierauf den Antrag der betreibenden Partei auf Pfändung der dem Verpflichteten zustehenden Forderung auf Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von 127.20 S und der ab 11. Juli 1954 jeweils am 11. eines Monates fällig werdenden Unterhaltsbeträge von 10% des Nettoeinkommens ab.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß des Verpflichten dahin ab, daß es die beantragte Exekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von 97.76 S, das sind 10% des Nettoeinkommens des Verpflichteten in der Zeit vom 11. Mai 1954 bis 23. Juni 1954 und der Kosten von 64.94 S bewilligte. Im übrigen bestätigte es die abweisende Entscheidung des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten teilweise Folge und setzte in Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses den Betrag, der dem Verpflichteten freibleiben muß, mit 90 S wöchentlich fest.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Notstandshilfe hat ebenso wie die Arbeitslosenunterstützung zur Voraussetzung, daß ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Bezüge der Notstandshilfe treten an die Stelle der Bezüge aus dem Arbeitsverhältnisse und sind daher gleich einem Arbeitslohn zu behandeln. § 10a EO. findet also Anwendung (2 Ob 479/52). Wenn der Verpflichtete meint, die Exekution hätte nicht bewilligt werden dürfen, weil im Zeitpunkte der Exekutionsbewilligung ein Exekutionsobjekt nicht mehr vorhanden gewesen sei, irrt er. Bei Erledigung des Exekutionsantrages ist im allgemeinen nicht zu prüfen, ob die zu pfändende Forderung auch besteht. Die Möglichkeit, daß dies nicht der Fall ist und die Exekution daher ins Leere geht, kann vielmehr in der Regel die aufrechte Erledigung des Pfändungs- und Überweisungsantrages nicht hindern, es wäre denn, daß schon aus dem Exekutionsantrag hervorgehen würde, daß die Forderung nicht besteht (RZ. 1932, S. 218). Vor der Entscheidung über einen Exekutionsantrag dürfen nach den Bestimmungen der §§ 3 und 54 EO. abgesehen von der Einholung einer Auskunft nach § 10a EO. keine weiteren Erhebungen gepflogen werden. Entscheidungsgrundlage hat vielmehr neben dem Titel das Vorbringen der betreibenden Partei und allenfalls die Auskunft nach § 10a EO. zu bilden. Aus der Drittschuldnermitteilung ist jedoch keineswegs zu entnehmen, daß die Forderung des Verpflichteten bereits bezahlt sei. Aus den gleichen Erwägungen ist bei Festsetzung des freien Betrages ein Pfändungsschutz für Unterhaltsansprüche, die sich aus den obigen Unterlagen nicht ergeben, nicht vorzusehen. Es bleibt vielmehr dem Verpflichteten überlassen, falls ihm außer für die betreibende Partei weitere gesetzliche Unterhaltspflichten treffen, einen Antrag auf Änderung der "Unpfändbarkeitsvoraussetzungen" im Sinne des § 9 der Lohnpfändungsverordnung zu stellen (3 Ob 272/54).

Was nun die Festsetzung des Freibetrages betrifft, sind folgende Überlegungen anzustellen. Richtig ist, daß die Wohnungsbeihilfe nicht pfändbar ist (§ 11 Abs. 2 Wohnungsbeihilfengesetz vom 21. September 1951, RGBl. Nr. 229). Das besagt aber noch nicht, daß sie als Teil der Nettobezüge bei Berechnung der Höhe des Unterhaltsanspruches nicht in Anschlag gebracht werden dürfe. Sie muß nur dem Verpflichteten ebenso wie die Hälfte der Notstandshilfe freibleiben. Durch die Bestimmung des § 62 Arbeitslosenversicherungsgesetz wird nur eine Minimalgrenze des Freibetrages festgelegt, nicht aber die Bestimmung einer höheren Freigrenze verhindert (3 Ob 80/54). Diese ist also unter Bedachtnahme auf die angeführten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und Wohnungsbeihilfengesetzes nach § 6 der Lohnpfändungsverordnung zu ziehen. Die Mindestfreigrenze errechnet sich daher mit 76 S plus 7 S wöchentlich, das sind 83 S wöchentlich oder 359.70 S monatlich. Da das Rekursgericht bloß einen Betrag von 350 S festgesetzt hat, hat es damit gegen die oben genannten Gesetzesbestimmungen verstoßen. Nach § 6 der Lohnpfändungsverordnung ist überdies dem Verpflichteten soviel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt bedarf. Der Oberste Gerichtshof ist der Meinung, daß zu diesem Zwecke ein Betrag von 90 S wöchentlich ausreicht, mit dem daher die Freigrenze in Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes festzusetzen war.