JudikaturJustiz22R86/22k

22R86/22k – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2022

Kopf

Im Namen der Republik

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Straßl in der Rechtssache der klagenden Partei K***** R***** , vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** A***** Plc , vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 250,-- s.A. , infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 07.01.2022, 1 C 54/21h-21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen

[a] EUR 250,-- samt 4 % Zinsen ab 25.10.2018 zu zahlen und

[b] die mit EUR 1.255,75 bestimmten Verfahrenskosten (darin EUR 45,-- Barauslagen und EUR 201,79 USt) zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 220,28 (darin EUR 44,-- Barauslagen und EUR 29,38 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verfügte über eine bestätigte Buchung für den Flug BA 699 mit Abflug am 11.08.2018 in Wien (VIE) um 07:45 Uhr und Ankunft in London-Heathrow (LHR) um 09:15 Uhr. Der Flug wurde am 10.08.2018 um 16:33 Uhr annulliert. Sie wurde auf den Flug BA 701 umgebucht und damit nach LHR ersatzbefördert, wo sie am 11.08.2018 um 16:47 Uhr ankam. Die Flugstrecke von VIE nach LHR umfasst nicht mehr als 1.500 km.

Mit Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls beantragte die Klägerin den Zuspruch von EUR 250,-- samt Zinsen und brachte zusammengefasst vor, der Flugbetrieb in LHR sei nicht aufgrund starker Gewitter und Cumulonimbuswolken massiv gestört gewesen. Es habe am 10.08.2018 am Flughafen LHR keine „extrem starken“ Unwetter sondern lediglich leichten Regen zwischen 10:20 Uhr und 13:20 Uhr und Gewitter zwischen 13:20 Uhr und 14:20 Uhr (jeweils UTC) in der Nähe des Flughafens gegeben. Nach 14:20 Uhr habe es weder Gewitter noch Regen gegeben. Die Windgeschwindigkeit sei zwischen 4 und 17 Knoten gewesen; die Sichtbedingungen wären mit Sichtweiten von 10 km und mehr unproblematisch gewesen. Die Niederschlagsmengen der letzten 6 Stunden seien in London um 14:00 Uhr bei lediglich 0 bis 14 mm und um 20:00 Uhr überhaupt bei 0 mm gelegen. Auch über Europa habe es am 10.08.2018 um 20:00 Uhr (bezogen auf die Summe der letzten 6 Stunden) keine großen Niederschlagsmengen gegeben. Der Wolken-Bedeckungsgrad sei um 19:00 Uhr im Bereich London nur bei 25 % gelegen. Es habe geradezu typisches Wetter für Anfang August geherrscht. Ungünstige Wetterbedingungen würden zudem nur dann zu außergewöhnlichen Umständen führen, wenn sie geeignet seien, den Luftverkehr eines oder mehrerer Luftverkehrsunternehmen ganz oder teilweise zum Erliegen zu bringen. Die Reduzierung von Flugraten oder die Zuteilung eines Abflugslots durch die europäische Luftfahrtbehörde könne das Luftfahrtunternehmen nur dann entlasten, wenn sie durch außergewöhnliche Umstände bedingt seien, die sich auch durch zumutbare Maßnahmen nicht hätten vermeiden lassen können. Rund um den Zeitraum des planmäßigen Abflugs von BA 706, des Vorfluges zu BA 699, seien zahlreiche andere Flüge pünktlich oder mit lediglich geringer Verspätung aus LHR gestartet. Eine Kausalität für der von der Beklagten vorgetragenen Umstände für die Annullierung liege schon deswegen nicht vor, weil diese nicht vorgebracht habe, ob für den Flug BA 706 vom 10.08.2018 ein Slot erteilt worden sei, gegebenenfalls wann dieser erteilt worden sei, sowie, für welchen Abflugzeitpunkt. Die angeblichen mathematischen Berechnungen der Beklagten seien mangels Bekanntgabe der Parameter nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klagsabweisung und brachte zusammengefasst vor, der Flug BA 699 habe aufgrund der Annullierung des Vorfluges BA 706 am Vortag infolge widriger Wetterbedingungen bzw daraus resultierender Restriktionen der Flugsicherung nicht durchgeführt werden können. Am 10.08.2018 sei der Flughafen LHR mit massiven Störungen des Flugbetriebs konfrontiert gewesen. Diese hätten aus starken Gewittern und Cumulonimbuswolken in London und dem gesamten Luftraum rund um den Flughafen, welche ab Mittag heftiger geworden seien, resultiert. Auch der europäische Luftraum sei von starken Winden und Cumulonimbuswolken betroffen gewesen. Diese Wolkenart müsse von Flugzeugen umflogen werden, weil das Luftgemisch für die Luftfahrt extrem gefährlich sei und im schlimmsten Fall zu Abstürzen führen könne. Die Flugsicherheitsbehörden hätten daher dafür Sorge tragen müssen, den Flugverkehr so umzuleiten, dass kein Flugzeug durch eine entsprechende Gewitterbank fliegen müsse. Der Flugbetrieb in LHR sei den gesamten Tag gestört gewesen. Es sei aufgrund dieser Wetterbedingungen zu einer Slotreduktion am 10.08.2018 jeweils Lokalzeit London von 06:20 Uhr bis 09:00 Uhr auf 42, von 09:00 Uhr bis 11:00 Uhr auf 40, von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr auf 38, von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr auf 40, von 14:00 Uhr bis 14:15 Uhr auf 38 und von 14:15 Uhr bis Betriebsschluss auf 34 statt üblicherweise 46 Flüge pro Stunde gekommen. Zudem seien mehrere Abflugrouten aus LHR vorübergehend oder durchgehend geschlossen worden. So sei beispielsweise die Abflugroute über Brooklands Park sowie jene über Detling und Midhurst längere Zeit gesperrt gewesen, um die Wetterbedingungen zu umfliegen. Hinzugekommen sei auch noch ein Startverbot am 10.08.2018 von 14:15 Uhr bis 16:15 Uhr Lokalzeit London in Richtung Norden, weil das SID ( Standard Instrument Departure ) wetterbedingt beeinträchtigt gewesen sei und somit bei den Starts die Beacons – das seien Funkverbindungspunkte die den Abflug leiten – gestört gewesen seien. Dieses System gehöre ihr nicht. Die Sperre der Flugroute habe dazu geführt, dass sich 32 Flugzeuge entlang der Startbahn aufgereiht und nicht starten hätten können. Fünf andere Flugzeuge, welche bereits gelandet gewesen seien, hätten keine Terminalposition gehabt. An den Terminals, an denen diese Flugzeuge andocken hätten sollen, seien noch andere Flugzeuge gestanden. Aufgrund von flughafeninternen Verspätungen sei es zu weiteren Verzögerungen, sogenannten „ Start-Up-Delays “ gekommen. Zusätzlich sei die Information erfolgt, dass sich von 20:00 Uhr bis 20:13 Uhr Lokalzeit London eine hydraulische Flüssigkeit auf der Landebahn befunden habe, weshalb vier Flugzeuge durchstarten hätten müssen und nicht landen hätten können, wodurch es zu weiteren Verzögerungen gekommen sei. Die Reduktion der Flowrates und die sonstigen Einschränkungen des Flugbetriebes hätten zwangsläufig zu einer Ausdünnung des Flugverkehrs geführt, weil bis zum Beginn des Nachtflugverbots unmöglich alle Flüge nachgeholt hätten werden können. Dieses Nachtflugverbot beginne um 23:00 Uhr und ende um 06:00 Uhr Lokalzeit London. Die Flowrates würden von der Flugsicherung festgesetzt werden, sie könne sich hierüber nicht hinwegsetzen. Derart massive und vor allem stundenlang andauernde Einschränkungen der Flowrates sowie die hinzukommenden sonstigen Einschränkungen hätten insbesondere auf einem derart eng getakteten Flughafen wie LHR, der die meiste Zeit über auf Vollauslastung laufe, eine erhebliche Beeinträchtigung des Flugbetriebes und einen enormen Rückstau in der Abfertigung verursacht. Sämtliche Fluglinien seien gleichermaßen von Verspätungen und Annullierungen betroffen gewesen. Allein sie selbst habe am 10.08.2018 53 Flüge streichen müssen. Trotz zahlreicher Annullierungen hätten die Verspätungen bis zu 135 Minuten betragen. Aufgrund dieser widrigen Wetterbedingungen bzw Beeinträchtigungen des Flugverkehrs seien, jeweils Lokalzeit London, ab 13:10 Uhr zehn Rotationen, etwas später weitere zehn Rotationen und um 16:33 Uhr neun Rotationen gestrichen worden, wobei eine Rotation jeweils zwei Flüge seien. Von diesen Streichungen seien zwölf Night-Stops betroffen gewesen, unter anderem Flugverbindungen nach Berlin, Frankfurt, München, Paris, Kopenhagen, Zürich, Rom, Budapest und eben Wien. Nach Wien habe es fünf Flugverbindungen gegeben, wovon lediglich eine Rotation, und zwar die streitgegenständliche BA 706/BA 699, welche ein Night-Stop gewesen sei, gestrichen worden sei. Im Zeitpunkt der Annullierung hätten Berechnungen vorgelegen, wonach die Verspätung der Flüge so groß war, dass der Flug BA 706 vor Einsetzen des Nachtflugverbotes nicht hätte starten können. Die Annullierung von Rotationen erfolge nicht willkürlich. Vielmehr würden Rotationen hoch frequentierter Strecken oder solcher Strecken, welche auch von der Konkurrenz angeflogen werden, annulliert werden. Dadurch sei es möglich, Passagiere durch Umbuchungen möglichst schnell an ihr Ziel zu befördern.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und traf die auf Seiten 5 bis 7 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird und die auszugsweise wie folgt lauten:

„Am 10.08.2018 herrschte den ganzen Tag über dem Großraum London Gewitteraktivität, welche ab Mittag heftiger wurde. Es kam zu Cumulonimbuswolken, welche für den Flugverkehr gefährlich sind und nicht durchflogen werden sollen, diese wurden am Vorabend angekündigt. Aufgrund dieser Wetterbedingungen kam es zu einer Slotreduktion am 10.08.2018, jeweils Lokalzeit London, von 06:20 Uhr bis 09:00 Uhr auf 42, von 09:00 Uhr bis 11:00 Uhr auf 40, von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr auf 38, von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr auf 40, von 14:00 Uhr bis 14:15 Uhr auf 38, und von 14:15 Uhr bis Betriebsschluss auf 34 Flüge pro Stunde, statt üblicherweise 46 pro Stunde. Hinzu kamen auch noch Startverbote Richtung Norden am 10.08.2018 von 14:15 Uhr bis 16:15 Uhr, Lokalzeit London. Die Startverbote hatten ihre Ursache darin, dass das Standard Instrument Departure (SID) beeinträchtigt war, und somit bei den Starts die Beacons, das sind Funkverbindungspunkte, die den Abflug leiten, gestört waren. Dadurch konnten 32 Flugzeuge nicht starten und fünf Flugzeuge hatten keine Terminalposition, weil die Flugzeuge sich beim Abflug aufstauten. Es gab zusätzlich noch start-up-delays des Flughafens, wegen Störung der Abflugrouten und Verengung des Luftraums. Um 20:00 Uhr entdeckte man eine hydraulische Flüssigkeit, weshalb für eine viertel Stunde die Landebahn gesperrt war und Flugzeuge durchstarten mussten und nicht landen konnten, wodurch es zu weiteren Verzögerungen kam.

Aufgrund der widrigen Wetterbedingungen, den daraus resultierenden Flowratesenkungen und Beeinträchtigungen des Flugverkehrs waren die Terminals in London-Heathrow so überlastet, dass die Passagier[e] im Abflugbereich die Ankunft der ankommenden Passagiere blockierten und Chaos am Flughafen London-Heathrow herrschte. Behördliche Anordnungen zu Flugstreichungen erfolgten nicht. Es wurden zur Entlastung des Flugbetriebs, jeweils Lokalzeit London, ab 13:00 Uhr zehn Rotationen, etwas später weitere zehn Rotationen und um 16.33 Uhr weitere neun Rotationen, wo auch die streitgegenständliche Rotation dabei war, gestrichen. Eine Rotation sind jeweils zwei Flüge. Die Beklagte hatte am 10.08.2018 mehrere hundert Flüge von London-Heathrow zu führen. Die Annullierung von Rotationen erfolgt nicht willkürlich, sondern werden Rotationen hoch frequentierte[r] Strecken annulliert oder Strecken, welche auch von der Konkurrenz geflogen werden, weil so Umbuchungen auf nächstmögliche Verbindungen leichter möglich sind. Nach Wien gibt es täglich fünf Flugverbindungen, wovon lediglich eine Rotation, und zwar die streitgegenständliche BA706/BA699, welche ein Night-Stop war, gestrichen wurde. Die geplanten Flugzeiten des Vorfluges BA706 waren ab LHR: 10.08.2018, 19:15 Uhr, und an VIE: 10.08.2018, 22:30 Uhr. Die Annullierung erfolgte deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt die errechnete Verspätung der Flüge so groß war, dass der Flug BA706 vor Einsetzen des Nachtflugverbotes nicht hätte starten können. Für den Flug BA699 wären sowohl Flugzeug, als auch Crew bereit gestanden. In London-Heathrow herrscht ein Nachtflugverbot von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Lediglich eine bestimmte Anzahl an Langstreckenflügen dürfen pro Saison zwischen 04.40 Uhr und 06.00 Uhr in LHR landen. Die Beklagte hätte keine Ausnahmegenehmigung für einen Nachtflug erhalten. Der Flughafen London-Heathrow ist im Gegensatz zu vielen anderen Flughäfen slotgeregelt. Wäre ein Flugzeug einer anderen Fluglinie oder ein Charterflugzeug eingesetzt worden, hätte dieses keinen Slot bekommen. London-Heathrow ist die Homebase der beklagten Partei, Ersatzflugzeuge stehen sowohl in London-Heathrow als auch in London-Gatwick zur Verfügung. Auch ein Ersatzflug hätte keinen Slot für einen Flug nach VIE bekommen. Auch Flugzeuge anderer Flughäfen konnten nicht nach Wien-Schwechat verbracht werden, weil entsprechende Flugzeuge für planmäßig stattfindende Flugverbindungen einzusetzen waren und auf keinem anderen europäischen Flughafen außer London-Heathrow und London-Gatwick Ersatzflugzeuge zur Verfügung stehen. In London-Gatwick bestand die gleiche Wetterproblematik wie in London-Heathrow und gab es dort eine phasenweise Komplettsperre, weshalb auch kein Flugzeug aus London-Gatwick einsetzbar war.Die beklagte Partei hätte keinen Slot für einen Leerflug am 11.08.2018 in der Früh zur Überstellung des Flugzeuges nach Wien-Schwechat bekommen. Auch für ein Ersatzflugzeug hätte die beklagte Partei keine Slot-Zuteilung in der Früh des 11.08.2018 erhalten. Eine Genehmigung für einen Leerflug hätte man nicht bekommen. Das Leasen eines Ersatzflugzeuges, egal, ob in Großbritannien oder in Wien-Schwechat hätte nicht zu einer schnelleren Ersatzbeförderung der klagenden Partei geführt. “

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, die Annullierung des Vorfluges BA 706 sei deshalb erfolgt, weil es den ganzen Tag aufgrund von Gewittertätigkeiten über dem Luftraum London zu einer Reduzierung der Flowrate gekommen sei, zusätzlich Startverbote in Richtung Norden seitens der Flugsicherung verhängt worden wären und die Beklagte berechnet hätte, dass sie den Flug nicht vor Einsetzen des Nachtflugverbotes hätte durchführen können. Da sie weder auf das Wetter, die Flowrate , auf die Startverbote noch auf das Nachtflugverbot Einfluss nehmen könne, würden aufgrund des Zusammenspiels all dieser Umstände außergewöhnliche Umstände vorliegen. Da die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, sei das Klagebegehren abzuweisen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Die Berufungswerberin moniert im Wesentlichen, die festgestellten Wetterbedingungen und die damit verbundenen Slot-Reduktionen seien nicht kausal für die Annullierung der Flüge BA 706 und BA 699 gewesen, sodass es gar nicht auf die Frage ankomme, ob es sich dabei um außergewöhnliche Umstände iSd Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO handle. Es habe nicht festgestellt werden können, ob diese Umstände konkret einer Durchführung des Fluges BA 706 entgegen gestanden seien. Hingegen sei festgestellt worden, dass es keine behördliche Anordnung zu Flugstreichungen gegeben habe, und die Annullierung deshalb erfolgt sei, weil zu diesem Zeitpunkt die errechnete Verspätung so groß gewesen sei, dass der Flug BA 706 vor Einsetzen des Nachtflugverbotes nicht hätte starten können. Grund der Annullierung sei daher eine von der Beklagten angestellte Berechnung betreffend einer hypothetischen Verspätung des Fluges BA 706, somit eine unternehmerische Entscheidung, gewesen.

Dazu war zu erwägen, dass das Erstgericht feststellte, es gab am 10.08.2018 Gewitteraktivität und Cumulonimbuswolken, was zu einer Slotreduktion führte. Darüber hinaus gab es aufgrund der Beeinträchtigung des Standard Instrument Departures Startverbote, sowie Start-up-delays wegen Störung der Abflugrouten und Verengung des Luftraums. Schließlich kam es zu einer Sperre der Landebahn wegen einer dort vorhandenen hydraulischen Flüssigkeit. Aufgrund dieser Umstände seien die Terminals in LHR so überlastet gewesen, dass die Passagiere im Abflugbereich die Ankunft der ankommenden Passagiere blockierten und Chaos am Flughafen herrschte. Zur Entlastung des Flugbetriebs wurde unter anderem die gegenständliche Rotation gestrichen.

Sofern sich die Ausführungen in der Berufung gegen die Qualifikation der Wetter-bedingungen als außergewöhnlichen Umstand iSd Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO wendet, ist festzuhalten, dass widrige Wetterbedingungen, die aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen, einen außergewöhnlichen Umstand darstellen können, und zwar nicht nur, wenn die Durchführung eines Fluges aus technisch-physikalischen Gründen nicht möglich ist, sondern auch, wenn der Flug aus rechtlich-administrativen Gründen – insbesondere wegen Anordnungen der Flugsicherung – nicht durchgeführt werden kann (RKO0000020). Da Cumulonimbuswolken für den Flugverkehr gefährlich sind und nicht durchflogen werden sollen, anerkennt das Berufungsgericht die dadurch hervorgerufenen Wettersituationen regelmäßig als außergewöhnliche Umstände iSd Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO (jüngst 22 R 27/22h). Dass es sich bei den anderen festgestellten Ereignissen um außergewöhliche Umstände handelt, zieht die Berufung nicht in Zweifel.

Die gegenständliche Rotation wurde sodann in weiterer Folge zur Entlastung des Flugbetriebs gestrichen. Die Annullierung des Fluges BA 706 erfolgte deshalb, weil zum Annullierungszeitpunkt die errechnete Verspätung des Fluges so groß war, dass er vor Einsetzen des Nachtflugverbotes nicht hätte starten können.

Ein Ausgleichsanspruch steht nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO dann nicht zu, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung oder Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Die außergewöhnlichen Umstände müssen daher kausal für die Annullierung gewesen sein. Die Beklagte kann sich somit nur dann auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände berufen, wenn diese kausal für die Annullierungsentscheidung waren (vgl EuGH C-315/15 Pešková ua ). Gegenständlich ist in diesem Zusammenhang jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren lediglich allgemein vorbrachte, es hätten „Berechnungen“ vorgelegen, wonach die Verspätung der Flüge so groß gewesen sei, dass der Flug BA 706 vor Einsetzen des Nachtflugverbotes nicht hätte starten können. Aufgrund welcher konkreter Erwägungen bzw Faktoren (zB wann welcher Slot zugeteilt wurde bzw welche weiteren Faktoren zu welcher Verspätung führen) sie diese Berechnung angestellt hat, wie diese Berechnung aussah und was genau das Ergebnis dieser Berechnung war, trug sie jedoch nicht vor. Der erkennende Senat folgt daher den Ausführungen in der Berufung dahin, dass es aufgrund dieses pauschalen Vorbringens für das Gericht bzw die Kläger nicht möglich ist, die Richtigkeit bzw Nachvollziehbarkeit dieser Berechnung zu überprüfen. Würde ein derart unsubstantiiertes Vorbringen ausreichen, könnte das ausführende Luftfahrtunternehmen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände jeder Art – theoretisch – jeden beliebigen Flug unter Hinweis auf interne Berechnungen annullieren, ohne dass diese verifiziert oder zumindest auf Plausibilität überprüft werden könnten (vgl LG Korneuburg 22 R 373/21i, 22 R 266/20b, 22 R 198/20b). Dem steht auch die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 21 R 97/15k des Landesgerichts Korneuburg nicht entgegen, zumal sich diese mit dieser Thematik gar nicht näher auseinandersetzt.

Da somit die Beklagte nicht ausreichend nachgewiesen hat, dass die festgestellten Umstände kausal für die Annullierung waren, war der Berufung Folge zu geben und dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahrens beruht auf § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte erhob keine Einwendungen gegen die Kostennote des Klagevertreters gemäß § 54 Abs 1a ZPO. Offensichtliche Unrichtigkeiten der Kostennote liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.