JudikaturJustiz22R109/23v

22R109/23v – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Klebermaß-Janisch und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH , vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A***** A***** AG , vertreten durch MMag. Christoph Krones, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 250,-- s.A. , infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 14.03.2023, 18 C 199/22h-14, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben, und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen

[1] EUR 250,-- zu zahlen;

[2] die mit EUR 648,70 (darin EUR 48,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens z u Handen der Klagevertreter zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 190,90 (darin EUR 44,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreter zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Flugpassagierin A***** W***** verfügte unter der Buchungsnummer R9DRLE über eine einheitliche bestätigte Buchung für die von der Beklagten auszuführenden Flüge am 01.08.2021

– OS 532 von Florenz nach Wien mit einem geplanten Abflug um 13:15 Uhr UTC und einer geplanten Ankunft um 14:40 Uhr sowie

– OS 631 von Wien nach Warschau mit einem geplanten Abflug um 16:05 Uhr UTC und einer geplanten Ankunft um 17:20 Uhr UTC.

Der Flug OS 532 wurde von der Beklagten am 01.08.2021 annulliert.

Die Klägerin begehrte, gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (EU-FluggastVO), den Zuspruch von EUR 250,-- und brachte zusammengefasst vor, dass die von der Beklagten angeführten Wetterbedingungen am Flughafen Florenz nicht geeignet gewesen seien, einen außergewöhnlichen Umstand zu begründen; diese hätten die Landung des unmittelbaren Vorfluges OS 531 am Flughafen Florenz jedenfalls zugelassen. Weiters habe sie auch nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Annullierung des Fluges OS 532 zu verhindern sowie um den Fluggast schnellstmöglich an das Endziel zu befördern.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, die Annullierung des klagsgegenständlichen Fluges sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Vorflug OS 531 aufgrund der Wettersituation in Florenz nicht wie geplant habe landen können. Starker Wind zum geplanten Landezeitpunkt habe dazu geführt, dass der Flug OS 531 nach Bologna habe ausweichen müssen. Nach einem Zuwarten und Auftanken am Flughafen Bologna habe die Beklagte versucht, das Flugzeug unter der Flugnummer OS 1401 nach Florenz zu überstellen, um den Flug OS 532, allenfalls auch verspätet, durchführen zu können. Trotz mehrerer neuerlicher Anflugversuche habe auch der Flug OS 1401 auf Grund der Windverhältnisse nicht in Florenz landen können und erneut nach Bologna ausweichen müssen. Ein Bustransport der Passagiere von Florenz nach Bologna sei keine zumutbare Maßnahme gewesen, zumal sie versucht habe, das Flugzeug mit dem Flug OS 1401 von Bologna nach Florenz zu überstellen. Hätte die Überstellung und dann die Durchführung des Fluges OS 532 mit Verspätung funktioniert, wäre es nur zu einer geringfügigen Ankunftsverspätung in Wien gekommen. Die Passagierin sei umgehend auf die schnellstmögliche Flugverbindung nach Warschau, und zwar OS 532 von Florenz nach Wien und OS 631 von Wien nach Warschau am 02.08.2021 umgebucht worden. Freie Plätze auf anderen Flügen, wie beispielsweise bei den Flügen der Fluglinien P***** oder F*****, mit welchen die Passagierin ihr Endziel sodann schneller erreicht hätte, allenfalls auch mit Umsteigen, seien nicht zur Verfügung gestanden. Mit den Fluglinien W*****, L*****, E*****, V***** und R***** gebe es kein Abkommen über die Akzeptanz und die Abrechnung von Tickets; es sei ihr daher nicht möglich, Tickets der genannten Fluglinien zu kaufen. Selbst wenn die Umbuchung auf die Flüge VY 6004 und LO 8712 möglich gewesen wäre, hätte es sich dabei nicht um eine einheitliche Buchung im Sinne der EU-FluggastVO gehandelt. Eine derartige Umbuchung wäre mit der ursprünglichen Buchung nicht vergleichbar und somit auch nicht zumutbar gewesen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz. Es traf über den unstrittigen Sachverhalt hinaus folgende Feststellungen (Hervorhebungen durch das Berufungsgericht):

Die Vorrotation OS 531 des klagsgegenständlichen Fluges startete wie geplant um 11:05 Uhr UTC in Wien, die Landung hätte planmäßig um 12:20 Uhr UTC in Florenz erfolgen sollen. Rund um die geplante Ankunft um 12:20 Uhr UTC herrschten am Flughafen Florenz allerdings Windstärken von ca. 15 (bis 20) Knoten aus einer Windrichtung von 270 Grad, was aufgrund der Ausrichtung der einzigen Piste zu insbesondere für eine Landung gefährlichem Rückenwind führte. Der eingesetzte und aufgrund der Größe des Flughafens Florenz einzig zugelassene Flugzeugtyp der Beklagten, ein Embraer E-195, hat vom Flugzeughersteller vorgegebene Seitenwindlimits von maximal 15 Knoten, bis zu deren Erreichen ein gefahrloses Landen und Starten möglich ist.

Der diensthabende Kapitän unternahm einen Landeversuch, musste diesen jedoch aufgrund der Windverhältnisse aus Sicherheitsgründen abbrechen und entschied sich zu einer Ausweichlandung am Flughafen Bologna, wo die Landung schließlich um 12:29 Uhr UTC erfolgte. Um 12:33 Uhr UTC war die Maschine auf ihrer finalen Parkposition.

Auch in weiterer Folge, und zwar zwischen 12:50 Uhr UTC und 15:50 Uhr UTC betrug die Windstärke zwischen 14 und 15 Knoten, um 14:20 Uhr UTC mit Böen bis zu 21 Knoten, und lag damit genau in dem Bereich, bis zu dem Landungen aufgrund der Herstellerangaben grundsätzlich möglich sind. Die Beklagte hielt es aufgrunddessen für realistisch, dass eine Landung zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein könnte und entschloss sich deswegen dazu, die Passagiere der OS 531 in Bologna aussteigen zu lassen und anschließend die Maschine mit einem Überstellungsflug unter der Flugnummer OS 1401 nach Florenz zu überstellen, um den klagsgegenständlichen Flug OS 532 verspätet durchführen zu können. Dieser startete um 13:40 Uhr UTC in Bologna und flog Richtung Florenz. Auch diesmal musste der Landeversuch, nachdem der Pilot noch eine Schleife geflogen ist, aus Sicherheitserwägungen abgebrochen werden und die Maschine wieder nach Bologna ausweichen, wo sie um 14:43 Uhr UTC landete.

Da im internationalen Flugverkehr nach zwei gescheiterten Landeversuchen aus psychologischen Erwägungen kein dritter Versuch mehr unternommen wird, annullierte die Beklagte den Flug OS 532 um 15:20 Uhr UTC und entschied sich, die Maschine mit einem Überstellungsflug unter der Flugnummer OS 1402 leer nach Wien zurück zu überstellen. Dieser startete um 16:58 Uhr UTC aus Bologna und erreichte Wien um 18:03 Uhr UTC.

Die Beklagte organisierte keinen Bodentransport der Passagiere des Fluges OS 532 nach Bologna, um sie von dort nach Wien zu transportieren, weil die Organisation frühestens mit der Annullierungsentscheidung um 15:20 Uhr UTC beginnen hätte können, zumal sie davor versuchte, durch die Überstellung der Maschine den Flug OS 532 doch noch (wenn auch verspätet) durchzuführen. Die Organisation eines Bodentransfers hätte (inklusive dem rund eine Stunde dauernden Transfer zwischen den Flughäfen Florenz und Bologna) bis zu fünf Stunden in Anspruch genommen, bis man die erforderliche Anzahl an Bussen organisiert, sämtliche Passagiere davon verständig, deren Gepäck ausgecheckt, in den Bus verladen und in Bologna wieder eingecheckt hätte, und wäre sich nicht bis zum Start des Überstellungsfluges OS 1402 um 16:58 Uhr UTC ausgegangen.

Eine Ersatzmaschine hätte keine Abhilfe gebracht, da auch ein Ersatzfluggerät, bei welchem es sich am Flughafen in Florenz ebenfalls um einen Embraer E-195 handeln hätte müssen, von den ungünstigen Wetterverhältnissen betroffen gewesen wäre.

Die Beklagte prüft grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Annullierung Umbuchungsalternativen über ihr automatisches Umbuchungssystem, das sämtliche IATA-Mitglieder abbildet, wobei als erstes Parameter die kürzeste Flugzeit herangezogen wird. Insbesondere werden auch Flüge der Luftfahrtunternehmen P***** und F***** angezeigt, auf die auch Umbuchungen erfolgen, falls darauf freie Plätze zur Verfügung stehen.

Eine Umbuchung auf die Flüge AF 1267 von FLR nach CDG mit den Flugzeiten 06:50 bis 08:40 Uhr Ortszeit am 02.08.2021, anschließend entweder Flug AF 1146 von CDG nach WAW mit den Flugzeiten 09:30 bis 11:45 Uhr Ortszeit am 02.08.2021 oder Flug LO 332 von CDG nach WAW mit den Flugzeiten 11:00 bis 13:20 Uhr Ortszeit am 02.08.2021 war mangels eines freien Platzes auf zumindest einer der Verbindungen nicht möglich.

Flüge der V***** werden zwar im System der Beklagten angezeigt, können von der Beklagten aber nicht über ihr Buchungssystem gebucht werden, weil mit dieser Fluglinie kein Abkommen über die gegenseitige Verrechnung von Flugtickets besteht. Die Beklagte müsste diese Flüge also über die Homepage der Fluglinie manuell buchen, was sie jedoch nicht macht. Aus diesem Grund war eine Umbuchung auf die Flüge der V***** unter der Flugnummer VY 6004 von FLR nach BCN mit den Flugzeiten von 08:55 bis 10:40 Uhr Ortszeit am 02.08.2021 und anschließend Flug LO 8712 von BCN nach WAW mit den Flugzeiten von 13:10 bis 16:15 Uhr Ortszeit am 02.08.2021 nicht möglich. Falls die Beklagte Flüge der V***** und der P***** kombinieren könnte bzw. würde, würde es sich dabei nicht um eine einheitliche Buchung handeln, bei der der Passagier bei Antritt der ersten Teilstrecke bzw. beim Check-In am ersten Abflugort bereits sein Gepäck bis zum Endziel durchchecken könnte und gleich auch die Flugtickets für den Anschlussflug erhalten würde, sondern würde es sich dabei um separate Flüge handeln. Flüge der R***** werden im System der Beklagten generell nicht angezeigt, sodass die Beklagte von Flügen der R***** keine Kenntnis hat und nach diesen auf der Homepage der Beklagten eigens suchen müsste. Aus diesem Grund war eine Umbuchung auf die Flüge FR 4798 von BLQ nach PMO mit den Flugzeiten von 06:10 Uhr bis 07:35 Uhr und anschließend Flug LOT 8552 von PMO nach WAW mit den Flugzeiten 11:15 Uhr bis 14:00 Uhr am 02.08.2021 oder FR 9367 von BLQ nach BCN mit den Flugzeiten von 06:05 Uhr bis 07:50 Uhr und anschließend Flug LOT 8712 von BCN nach WAW mit den Flugzeiten 13:10 Uhr bis 16:15 Uhr am 02.08.2021 nicht möglich. Wenn die Beklagte die Flüge einzeln buchen würde, würde es sich wiederum nicht um eine einheitliche Buchung handeln. Im Rahmen der Prüfung von Alternativflügen, nimmt die Beklagte auch Rücksicht auf Bus- oder Bahnverbindungen. Im konkreten Fall wies der Mitarbeiter der Beklagten, P***** F***** die Kollegen vor Ort am Flughafen Florenz aufgrund der ungünstigen Ausgangslage – Flüge ex Italien sind in der Hochsaison oft ausgebucht – auch darauf hin, Alternativen ab Bologna zu suchen. Hätte es ab Bologna eine zur ursprünglichen (einheitlichen) Buchung vergleichbare Verbindung mit freien Plätzen gegeben, die die Passagierin schneller an ihr Endziel gebracht hätte, wäre sie auf diese Verbindung umgebucht worden.

Die Passagierin wurde von der Beklagten um 15:29 Uhr UTC daher auf die Flüge OS 532 von Florenz nach Wien, planmäßige Abflugzeit 13:15 Uhr UTC, planmäßige Ankunftszeit um 14:40 Uhr UTC, und OS 631 von Wien nach Warschau, planmäßige Abflugzeit um 16:05 Uhr UTC und planmäßige Ankunftszeit um 17:20 Uhr UTC am 02.08.2021 umgebucht. Dabei handelte es sich um die schnellstmögliche Ersatzbeförderung unter den gleichen Bedingungen wie die ursprüngliche Flugbuchung.

In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst aus, die nautische Entscheidungsgewalt der Piloten umfasse nicht nur die Entscheidung, nicht in Florenz zu landen, sondern andererseits auch, als Ersatzflughafen Bologna anzufliegen. Ein grober Ermessensfehler sei von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO sei dahin auszulegen, dass sich das Luftfahrtunternehmen zur Befreiung auf einen außergewöhnlichen Umstand, der einen vorangegangenen Flug betroffen habe, berufen könne, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der Annullierung des späteren Fluges bestehe. Im konkreten Fall bestehe dieser darin, dass die gefährlichen Windverhältnisse nicht nur Grund für die Ausweichlandung des Vorfluges, sondern auch dafür ausschlaggebend gewesen seien, dass die Überstellung zu einem späteren Zeitpunkt nicht erfolgreich habe durchgeführt werden können und letztlich eine Annullierung des klagsgegenständlichen Fluges zur Folge gehabt habe. Die Beklagte habe auch sämtliche ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Die Berufungswerberin moniert zusammengefasst, entgegen der rechtlichen Ausfüh-rungen des Erstgerichts sei kein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen, und die Beklagte habe auch nicht sämtliche zumutbaren Maßnahmen ergriffen. Einerseits würden widrige Wetterbedingungen nach der Rechtsprechung des Berufungssenats nur dann einen „außergewöhnlichen Umstand“ darstellen, wenn sie aus den üblichen und zu erwartenden Abläufen des Luftverkehrs herausragten und geeignet seien, die Betriebstätigkeit eines oder mehrerer Luftfahrtunternehmen zum Erliegen zu bringen. Andererseits müsse das ausführende Luftfahrtunternehmen auch bei mangelnder Direktverrechnungsmöglichkeit und mangels eines Abkommens mit anderen Fluglinien diesen die Prüfung der Ersatzverbindungen mit einbeziehen.

Es kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob aus den Feststellungen des Erstgerichts tatsächlich ein außergewöhnlicher Umstand abzuleiten ist. Denn unabhängig von der Frage, ob im hier vorliegenden Fall außergewöhnliche Umstände vorgelegen sind, und diese für die Verspätung des Zubringerfluges ursächlich geworden sind, ist es der Beklagten aus nachstehenden Erwägungen nicht gelungen, sich von der Verpflichtung der Zahlung einer Ausgleichsleistung iSd Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO zu befreien:

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gehört zu den zumutbaren Maßnahmen iSd Entscheidung des EuGH zu C-74/19 nicht nur die Umbuchung auf einen anderen Flug auf Basis desselben Flugscheins, sondern nötigenfalls auch der Erwerb eines neuen Flugscheins bei einem anderen Luftfahrtunternehmen, auch wenn mit diesem keine Vereinbarung über eine wechselseitige Anerkennung von Flugscheinen bzw einer Direktverrechnung besteht, sofern damit keine untragbaren Opfer für das ausführende Luftfahrtunternehmen verbunden sind (RKO0000032).

Darüber hinaus ist das ausführende Luftfahrtunternehmen für das Vorliegen aller für eine Befreiung nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO erforderlicher Tatbestandselemente behauptungs- und beweispflichtig (LG Korneuburg 22 R 68/22p, 22 R 155/22g mwN). Vom Fluggast wird in diesem Zusammenhang keine substanzierte Bestreitung verlangt; konkret bestritt die Klägerin jedoch die Voraussetzungen nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO sogar substanziert, indem sie konkrete frühere Verbindungen nannte.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass Flüge der V***** zwar im System der Beklagten angezeigt werden, jedoch eine Umbuchung über ihr Buchungssystem nicht erfolgen kann, weil mit dieser Fluglinie kein Abkommen über die gegenseitige Verrechnung von Flugtickets besteht. Die Flüge können nicht als einheitliche Buchung erworben werden. Davon ausgehend hat das Erstgericht den Schluss gezogen, dass die Berufungsgegnerin alle zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, was jedoch nicht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht – wie auch von der Berufungswerberin zutreffend aufgezeigt wird. Das Luftfahrtunternehmen hat auch bei mangelnder Direktverrechnungsmöglichkeit oder mangels Abkommen mit anderen Fluglinien diese in ihre Prüfung miteinzubeziehen und somit sämtliche (früheren) Flüge auf freie Plätze zu überprüfen.

Unter Einbeziehung von Bologna als möglicher Abflughafen hat das Erstgericht sogar mehrere Möglichkeiten festgestellt, die eine schnellere Ersatzbeförderung nach Warschau ermöglicht hätten, ist aber aufgrund der eigenen (unzutreffenden) Rechtsansicht, dass nur die tatsächlich von der Beklagten vorgenommene Ersatz- beförderung die gleichen Bedingungen wie die ursprüngliche Flugbuchung aufweise und daher als schnellstmögliche Ersatzbeförderung zu beurteilen sei, zu einem falschen Ergebnis gelangt. Die Frage, ob berechtigte Interessen des Fluggastes der Ersatzbeförderung mit einer bestimmten Fluggesellschaft entgegenstehen, kann nur der Fluggast selbst beantworten. Das ausführende Luftfahrtunternehmen hat dem Fluggast als zumutbare Maßnahme zunächst jene Ersatzverbindung anzubieten, mit der er sein Ziel am frühesten erreichen kann, mag diese auch mit (weiteren) Unbilden für ihn verbunden sein. Ob der Fluggast diese Nachteile in Kauf nimmt, muss ihm selbst überlassen bleiben. Das Luftfahrtunternehmen kann sich also nicht darauf berufen, dass es dem Fluggast nicht die schnellstmögliche Verbindung anbieten habe müssen, weil dies für ihn mit Unannehmlichkeiten verbunden gewesen wäre (LG Korneuburg 22 R 176/22w; 22 R 4/23b ua; RKO0000043).

Mit der Flugverbindung VY 6004 und anschließend Flug LOT 8712 hätte die Passagierin ihr Reiseziel bereits am 02.08.2021 um 16:15 Uhr erreicht (unter Einbeziehung von Bologna als Abflughafen sogar bereits um 14:00 Uhr). Bei einem Fluggast, der bereits ursprünglich eine Umsteigeverbindung mit einem Zwischenstopp gebucht hatte, ist nicht davon auszugehen, dass ein Alternativflug mit einem Zwischenstopp nicht in seinem Interesse wäre (vgl LG Korneuburg 22 R 155/22g ua). Da die Beklagte nicht die schnellste Ersatzverbindung angeboten hat, hat sie auch nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die unerwünschten Folgen des außergewöhnlichen Umstandes für den einzelnen Fluggast zu vermeiden (vgl RKO0000014 mwN).

Der Berufung war daher Folge zu geben und in Abänderung des Ersturteils dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht dem Grunde nach auf § 41 Abs 1 ZPO. Der Höhe nach gründet der Kostenzuspruch auf dem Kostenverzeichnis der Beklagten, das keine offenkundigen Unrichtigkeiten aufweist und gegen das keine Einwendungen (§ 54 Abs 1a ZPO) erhoben wurden.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 2, 502 Abs 2 ZPO.