JudikaturJustiz21R93/07w

21R93/07w – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
29. März 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr. Jungblut in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann H ***** St. L *****, 2. Helene H *****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Dr. Hubert Schweighofer, Rechtsanwälte in Melk, wider die beklagte Partei Gebrüder H ***** GmbH, ***** G *****, vertreten durch Dr. Hans Peter Keul, Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, wegen € 2.128,92 s.A., über die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 24.1.2007, 12 C 245/05s-33, gemäß § 492 Abs. 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t F o l g e gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten binnen

14 Tagen deren mit € 485,86 (darin € 80,98 USt) bestimmten Kosten des

Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechtsrüge argumentieren die Kläger damit, ihnen sei ein unmittelbarer Schaden durch die Beschädigung der Freileitung der E*****-AG entstanden, in diesem Fall sei es geboten, auch Endabnehmer des Stromversorgungsunternehmens in den Schutzbereich des Werkvertrags zwischen dem Auftraggeber und dem Bauunternehmer miteinzubeziehen.

Diese Meinung kann aber nicht geteilt werden.

Zur Frage der Abgrenzung des mittelbaren vom unmittelbaren Schaden ist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes zu verweisen. Mittelbar ist ein Schaden dann, wenn er nicht in der Richtung des Angriffs, sondern aufgrund einer Seitenwirkung in einer Interessenssphäre eintritt, die nicht durch das Verbot des Angriffs geschützt ist (RIS-Justiz RS0022584). Für mittelbare Schäden ist grundsätzlich - von ausdrücklich gesetzlich angeordneten Ausnahmen abgesehen - kein Schadenersatz zu leisten. Der Grund dafür ist, dass speziell in Fällen außervertraglicher, also deliktischer Schadenshaftung diese nicht uferlos werden soll, eine wirtschaftlich nicht tragbare Ausdehnung des Kreises der zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen Berechtigten soll nämlich vermieden werden (vgl. RIS-Justiz RS0022620). Aus dogmatischer Sicht dienen dieser Begrenzung die Rechtsinstitute der Adäquanz und des Schutzzwecks der Norm. Schäden, die nicht adäquat verursacht wurden, oder Schäden, die vom Schutzzweck der verletzten Norm nicht erfasst werden, stellen demnach mittelbare Schäden dar, die in der Regel nicht zu ersetzen sind (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/19 mwN). Dabei ist der Schutzzweck der Norm in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: 1. muss die Norm den Schutz des Geschädigten bezwecken (persönlicher Schutzbereich), der vom Schutzzweck der Norm erfasste Geschädigte kann als der unmittelbare Geschädigte bezeichnet werden, 2. muss auch die Art des Schadens vom Normzweck erfasst sein (gegenständlicher Schutzbereich), 3. geht es auch um die Entstehungsart, weil sich eine Gefahr verwirklicht haben muss, auf die die Norm abzielt (modaler Schutzbereich - Koziol, a.a.O., Rz 8/21 mwN).

Ist ein Verhalten wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz, wegen Verletzung deliktischer oder vertraglicher Sorgfaltspflichten rechtswidrig, dann ist es eher zumutbar dem Schädiger grundsätzlich auch Folgeschäden zuzurechnen, für deren isolierte Herbeiführung er ansonst nicht verantwortlich wäre, weshalb im deliktischen Bereich die Beschädigung fremden Eigentums etwa auch die Haftung für die in weiterer Folge dem Eigentümer entstehenden bloßen Vermögensschäden auslöst (Koziol, a.a.O. Rz 8/22; SZ 50/34).

In diesem Sinn hat der OGH in der ohnedies vom Erstrichter schon zitierten Entscheidung 8 Ob 49/72 (veröffentlicht in JBl 1973,581) judiziert, dass es sich bei der Beschädigung einer Starkstromleitung durch das Fällen eines Baumes, was infolge Überspannung zu Schäden an elektrischen Geräten von dritten Strombeziehern zur Folge hat, noch um einen unmittelbaren Schaden handle. Der Schaden an den elektrischen Geräten der Strombezieher sei ein weiterer Schaden, der als unmittelbare Folgewirkung der vorangehenden Schäden an der Stromleitung zu sehen sei. Demgegenüber wurde der bloße Vermögensschaden etwa durch Verdienstentgang aufgrund des Stromausfalls in der Entscheidung 1 Ob 176/72, veröffentlicht in JBl 1973,579, als mittelbarer Schaden angesehen.

Damit hat der Erstrichter zutreffend auch im hier vorliegenden Fall, in dem die Klimacomputer der Kläger als Sachen tatsächlich beschädigt wurden, einen unmittelbaren Schaden bejaht, was letztlich auch die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr wirklich in Zweifel zieht. Daraus allein ist für die Kläger aber noch nichts zu gewinnen. Von der Frage, ob es sich um einen unmittelbaren Schaden handelt, ob also vom Schutzzweck der verletzten Norm her der Schaden noch erfasst ist, ist nämlich die Frage zu unterscheiden, ob die verletzte Norm nun ein Schutzgesetz, ein absolut geschütztes Rechtsgut oder etwa eine vertragliche Verpflichtung ist, mit anderen Worten, ob die Rechtswidrigkeit an sich aus der Verletzung von Vertragspflichten oder deliktischen Pflichten abzuleiten ist.

Dass der Dienstnehmer der beklagten Partei das Eigentumsrecht der Kläger an ihren Klimacomputern, also ein absolut geschütztes Rechtsgut dadurch verletzt hat, dass er die Freileitung abgerissen hat, kann nicht zweifelhaft sein. Aus dem Umstand, dass es sich dabei (noch) um einen unmittelbaren Schaden handelt, ist zu schließen, dass der Schädiger selbst hiefür aus Delikt verantwortlich gemacht werden könnte.

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die Beklagte als Dienstgeberin des unmittelbaren Verursachers für diesen Schaden einzustehen hat. Im Deliktsbereich haftet sie für Gehilfen nur nach den Kriterien des § 1315 ABGB, also nur für einen untüchtigen oder einen wissentlich gefährlichen Gehilfen. Diesbezüglich gibt es weder Tatsachenbehauptungen der Kläger noch erstgerichtliche Feststellungen. Die Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313 a ABGB träfe die Beklagte nur für den Fall, dass zwischen dem Haftpflichtigen und dem Geschädigten ein Schuldverhältnis anzunehmen wäre. In Betracht käme dabei insbesondere das auch vom Erstrichter schon angedachte Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Eine vertragliche Sorgfaltspflicht zugunsten am Vertrag selbst nicht beteiligter Dritter wird für Personen anerkannt, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung schon beim Vertragsabschluss voraussehbar ist, die erkennbar durch die Zuwendung der Hauptleistung begünstigt werden sollen oder an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen gegenüber er selbst rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (Koziol, Haftpflichtrecht II2 86 f; JBl 1982,601; SZ 59/209; RS0034594). Dabei ist der begünstigte Personenkreis aufgrund einer objektiven Vertragsauslegung zu bestimmen (6 Ob 246/02y). Bei dieser Auslegung wird geprüft, ob der Dritte erkennbar durch die Zuwendung der Hauptleistung begünstigt werden soll, ob die Hauptleistung sich allenfalls auf die Sache dieses Dritten bezieht, ob der Gläubiger, dem gegenüber Erfüllungshandlungen gesetzt werden, ein besonderes eigenes Interesse am Schutz des geschädigten Dritten hat oder diesem zur Fürsorge verpflichtet ist, man untersucht, ob bei Vertragsabschluss der Kontakt einer Person oder ihrer Sache mit der Leistung bzw. mit der Hauptleistung oder der auf das Leistungsergebnis hinzielenden Handlung voraussehbar war, und dabei wird auch die Erkennbarkeit des Gläubigerinteresses zu berücksichtigen sein (10 Ob 81/00k).

Eine Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall ergibt folgendes:

Hier kommt als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter überhaupt nur der Werkvertrag zwischen der Beklagten und dem nicht feststellbaren Auftraggeber, der jedenfalls nicht die Eigentümerin der Freileitung, die E*****-AG war, in Betracht. Die Baggerungsarbeiten betrafen die Errichtung eines Wegs in O*****, ein besonderes Interesse der Vertragsparteien am Schutz der Klimacomputer der Kläger ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, auch dass diese im räumlichen Naheverhältnis zu den Baggerungsarbeiten sich befunden hätten oder durch den Werkvertrag aufgrund einer besonderen Fürsorgepflicht besonders in den Schutzbereich einbezogen worden wären (wie dies etwa im Fall JBl 1976,210 gegeben war), wurde ebensowenig festgestellt. Die Rechtswidrigkeit der Schädigungshandlung der Beklagten beruht auf der Beschädigung der Leitung, es ist daher nicht zweifelhaft, dass die Eigentümerin der Leitung selbst, die E*****-AG, aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte hat. Eine zusätzliche Verhaltenspflicht gegenüber den Abnehmern kann der Beklagten aber nach der auch mit Koziol (Haftpflichtrecht I3, Rz 8/41) übereinstimmenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht auferlegt werden. Allein aus dem Umstand, dass die Kläger Vertragspartner und daher Abnehmer der aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geschützten Leitungseigentümerin sind, lässt sich noch keine Ausdehnung der vertraglichen Pflichten aus dem Werkvertrag auf sie ableiten; dies würde vielmehr die potentielle Schadenersatzpflicht eines Werkunternehmers ins Uferlose ausweiten. Aus diesen Gründen ist der Rechtsauffassung des Erstrichters zu folgen, dass aus dem Institut eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Verhaltenspflichten gegenüber den Klägern nicht abgeleitet werden können; die Kläger sind vielmehr auf ihre deliktischen Schadenersatzansprüche gegenüber dem Dienstnehmer, der den Schaden tatsächlich verursacht hat, zu verweisen. Der Berufung der Kläger konnte somit auch kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Kläger der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen, wobei mangels Berufungsverhandlung aber nur dreifacher Einheitssatz zusteht.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs. 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6