BundesrechtBundesgesetzeAußerstreitgesetz§ 104a

§ 104aKinderbeistand

(1) In Verfahren über die Obsorge oder über die persönlichen Kontakte ist Minderjährigen unter 14 Jahren, bei besonderem Bedarf mit deren Zustimmung auch Minderjährigen unter 16 Jahren, ein Kinderbeistand zu bestellen, wenn es im Hinblick auf die Intensität der Auseinandersetzung zwischen den übrigen Parteien zur Unterstützung des Minderjährigen geboten ist und dem Gericht geeignete Personen zur Verfügung stehen. Das Gericht kann zum Kinderbeistand nur vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur namhaft gemachte Personen bestellen. Namhaft gemacht werden können nur Personen, die insbesondere nach ihrem Beruf, ihrer beruflichen Erfahrung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und ihrer Ausbildung für diese Tätigkeit geeignet sind.

(2) Der Kinderbeistand hat mit dem Minderjährigen den erforderlichen Kontakt zu pflegen und ihn über den Gang des Verfahrens zu informieren. Er ist zur Verschwiegenheit über die ihm in Ausübung seiner Funktion anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Im Einvernehmen mit dem Minderjährigen hat er dessen Meinung dem Gericht gegenüber zu äußern.

(3) Der Kinderbeistand hat das Recht auf Akteneinsicht. Er ist von allen Terminen zu verständigen. Er darf an allen mündlichen Verhandlungen teilnehmen und den Minderjährigen zu Beweisaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung auf dessen Wunsch begleiten. Alle Anträge der Parteien sind ihm zu übersenden; von weiteren Personensorgeverfahren ist er durch Übersendung des verfahrenseinleitenden Antrags zu informieren.

(4) Für die Ablehnung des Kinderbeistands gelten die Bestimmungen über die Ablehnung eines Sachverständigen sinngemäß.

(5) Die Bestellung endet mit der rechtskräftigen Erledigung der Sache. Das Gericht kann den Kinderbeistand vorher entheben, wenn dies das Wohl des Minderjährigen erfordert. Im zeitlichen Zusammenhang mit der rechtskräftigen Erledigung der Sache hat der Kinderbeistand mit dem Minderjährigen das Verfahren und dessen Ergebnisse abschließend zu besprechen. Wird während der Bestellung eines Kinderbeistands ein weiteres in Abs. 1 erster Satz genanntes Verfahren dieselben Minderjährigen betreffend anhängig, so verlängert sich die Bestellung des Kinderbeistands längstens bis zum Abschluss dieses weiteren Verfahrens.

(6) Das Bundesministerium für Justiz und die Stelle, die den Kinderbeistand namhaft gemacht hat, können die Namhaftmachung eines Kinderbeistands aus wichtigen Gründen widerrufen. Liegt ein solcher Grund vor, hat ihn das Gericht zu entheben und unter den Voraussetzungen des Abs. 1 einen anderen zu bestellen.

Entscheidungen
14
  • Rechtssätze
    7
  • 3Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

    20. März 2024

    Der EuGH hat dargelegt, dass Art. 12 Abs. 1 UAbs. 3 Familienzusammenführungs-RL (2003/86) klarstellt, dass die Mitgliedstaaten von dem Flüchtling die Erfüllung der in Art. 7 Abs. 1 Familienzusammenführungs-RL genannten Voraussetzungen verlangen können, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt wurde. Diese Bestimmung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten davon auszugehen hätten, dass die Überschreitung - ohne triftigen Grund - der Frist für die Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung nach der in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 Familienzusammenführungs-RL vorgesehenen günstigeren Regelung nur ein Gesichtspunkt ist, der neben weiteren bei der Gesamtbeurteilung der Begründetheit dieses Antrags zu berücksichtigen ist und durch andere Erwägungen ausgeglichen werden kann. Eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt werden kann, weil er mehr als drei Monate, nachdem dem Zusammenführenden der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, gestellt wurde, die jedoch die Möglichkeit bietet, im Rahmen einer anderen Regelung einen neuen Antrag zu stellen, ist als solche nicht geeignet, die Ausübung des durch die Richtlinie verliehenen Rechts auf Familienzusammenführung praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Allerdings verhielte es sich anders, wenn die Ablehnung des ersten Antrags auf Familienzusammenführung in Fällen erfolgen könnte, in denen die verspätete Stellung dieses Antrags aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar ist (EuGH 7.11.2018, C-380/17; VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0568). Der in diesem Urteil des EuGH zum Ausdruck kommende Grundsatz, wonach das Versäumen der in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 3 Familienzusammenführungs-RL genannten dreimonatigen Frist nur dann zur Ablehnung eines Antrages führen darf, wenn die verspätete Antragstellung nicht "aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar" ist, ist dabei - im Hinblick darauf, dass der EuGH zur Auslegung des Art. 10 Abs. 3 lit a auf ebendiese Bestimmung des Art. 12 Abs. 1 UAbs. 3 Familienzusammenführungs-RL Bezug genommen hat - zu übertragen.