JudikaturVwGhRa 2024/02/0065

Ra 2024/02/0065 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des P in W, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 9. Jänner 2024, LVwG 606139/16/ZO/KA, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem für die gegenständliche Revision relevanten Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 9. August 2023 wurde der Revisionswerber schuldig erachtet, er habe sich am 8. August 2023 um 21:53 Uhr auf der Polizeiinspektion D nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er zur genannten Zeit am genannten Ort das näher umschriebene Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Wegen der damit begangenen Übertretung der §§ 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 2 StVO wurde über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.600, (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

3 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht soweit für das vorliegende Verfahren relevant fest, der Revisionswerber habe am 8. August 2023 um 21:35 Uhr einen bestimmten PKW gelenkt und sei im Bereich S Straße zu einer Verkehrskontrolle angehalten worden. Da die Polizeibeamten Alkoholgeruch festgestellt hätten, hätten sie einen Alkoholvortest durchgeführt, welcher um 21:38 Uhr einen Messwert von 0,70 mg/l ergeben habe. Daraufhin sei der Revisionswerber zur Durchführung eines Atemalkoholtests bei einem geeichten Alkomaten auf der nächstgelegenen Polizeidienststelle (der Polizeiinspektion D) aufgefordert worden. Er sei vom Beamten W dahingehend belehrt worden, dass er in der Wartezeit von 15 Minuten nichts essen, nichts trinken, nicht Kaugummi kauen, rauchen und dergleichen dürfe, also nichts, was das Ergebnis des Alkotests irgendwie beeinflussen könnte. Er sei auch über die Möglichkeit einer Verweigerung des Alkotests aufgeklärt worden, habe sich aber zum Alkotest bereit erklärt und sei daraufhin dazu mit dem Dienstwagen zur Polizeiinspektion D gebracht worden. Dabei sei er neben der Zeugin Insp. K auf dem Rücksitz gesessen. Auf der Polizeiinspektion habe der Polizeibeamte W, der mit der Protokollierung der Amtshandlung begonnen habe, nach einigen Minuten bemerkt, dass der Revisionswerber etwas gelutscht bzw. Kaubewegungen gemacht habe. Darauf angesprochen habe der Revisionswerber vorerst verneint, etwas im Mund zu haben. Nach nochmaligem Vorhalt der wahrgenommenen Kaubewegungen habe der Revisionswerber etwas geschluckt und auf weiteren Vorhalt eingeräumt, dass er ein Zuckerl der Marke „fisherman’s friend“ im Mund gehabt hätte. Dies sei vom Polizeibeamten als Verweigerung gewertet und dem Revisionswerber sei der Führerschein abgenommen worden. Als der Revisionswerber in der anschließenden Diskussion betont habe, dass er bereit wäre, den Alkotest zu machen, habe ihm der Polizeibeamte erklärt, dass er „aufgrund des Zuckerls“ von einer Verweigerung des Alkotests ausgehe.

Zur Verantwortung des Revisionswerbers, wonach er bereits kurz vor dem Wegfahren also noch vor seiner Anhaltung ein Zuckerl in den Mund gegeben habe und dieses somit bereits bei der Anhaltung und der Amtshandlung im Mund gehabt habe und er nicht belehrt worden sei, dass er das Zuckerl hinunterschlucken oder aus dem Mund nehmen solle, hielt das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung fest, dass es einerseits aufgrund eigener Wahrnehmungen des zuständigen Richters, wonach sich ein derartiges Zuckerl im Mund in weniger als 15 Minuten zur Gänze auflöse, und andererseits aufgrund des beschriebenen Verhaltens des Revisionswerbers (Leugnen, Hinunterschlucken, Einräumen des Zuckerls im Mund erst nach mehrmaligem Vorhalt) es als erwiesen ansehe, dass der Revisionswerber nicht bereits vor dem Wegfahren (somit zumindest 21 Minuten vorher), sondern erst nach der Aufforderung zum Alkotest das gegenständliche Zuckerl in den Mund genommen habe.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Darlegung der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass nach der entsprechenden Belehrung, nichts zu essen, zu trinken, Kaugummi zu kauen oder dergleichen auch das In den Mund Nehmen eines Zuckerls als Verweigerung des Alkotests zu werten sei, und zwar unabhängig davon, ob das Zuckerl objektiv geeignet gewesen wäre, das Messergebnis zu verfälschen. Insbesondere sei auch zu berücksichtigen, dass der Polizeibeamte nicht wissen könne, was der Revisionswerber geschluckt habe und ob es sich um ein Produkt gehandelt haben könnte, welches den Alkotest beeinflussen hätte können. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Revisionswerber dieses Zuckerl zum Zeitpunkt der Belehrung durch den Polizeibeamten bereits im Mund gehabt habe, ändere dies nichts an dieser rechtlichen Beurteilung, da die Belehrung, dass man nichts trinken, essen oder Kaugummi kauen dürfe bei lebensnaher Betrachtung auch die Aufforderung beinhalte, allenfalls gerade im Mund befindliches Essen und dergleichen unverzüglich zu schlucken oder wegzugeben; dazu bedürfe es keiner ausdrücklichen Aufforderung durch den Polizisten.

Mit der Erklärung des Polizisten, dass er das Verhalten des Revisionswerbers als Verweigerung werte, sei die Amtshandlung zudem abgeschlossen gewesen; der Umstand, dass der Revisionswerber sich zunächst bereiterklärt habe, einen Alkotest abzulegen und dazu auch auf die Polizeiinspektion mitgefahren sei, ändere nichts daran, dass durch das Lutschen des Zuckerls die Verweigerung des Alkotests bereits verwirklicht worden sei. Dass er danach noch bereit gewesen wäre, den Alkotest abzulegen, ändere nichts an der Verwirklichung des Tatbestands.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren relevant an, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von VwGH 2.6.2022, Ro 2022/02/0009, angenommen, die Verweigerung des Alkotests sei strafbar gewesen. Dies sei aber deshalb nicht der Fall gewesen, weil die Aufforderung zum Alkotest rechtswidrig gewesen sei. Nach den Zulassungsbestimmungen und der Bedienungsanleitung zum Alkomat sei vor Beginn des Tests eine 15minütige Wartezeit einzuhalten, in welcher keine Handlungen gesetzt werden dürften, welche das Messergebnis verfälschen könnten. Um diese 15minütige Wartezeit in Gang zu setzen, hätte der Meldungsleger den Revisionswerber auffordern müssen, das im Mund befindliche Zuckerl zu entfernen, was er nicht getan habe. Aus diesem Grund hätte die Alkomattestung nicht abgebrochen werden dürfen.

9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert, als Weigerung, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen. Ein solches ist auch darin zu erblicken, dass der Proband trotz vorheriger Belehrung ein Verhalten setzt, das zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen kann. Der Betroffene hat die von den Organen der Straßenaufsicht erforderlichen Anordnungen, soweit dies nicht unzumutbar ist, zu befolgen. Wenn derartigen zumutbaren Anordnungen nicht unverzüglich Folge geleistet wird, bedeutet dies eine Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht, sich dem besagten Test zu unterziehen (vgl. VwGH 8.8.2022, Ra 2022/02/0134, mwN).

10 Im vorliegenden Fall hat ausgehend vom festgestellten Sachverhalt der Revisionswerber trotz ausdrücklicher Belehrung, dass er in der Wartezeit nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen, keinen Kaugummi kauen dürfe und dergleichen, in dieser Zeit ein Zuckerl in den Mund genommen und damit der Anordnung des Organs der Straßenaufsicht nicht Folge geleistet. Das Verwaltungsgericht führte im Einklang mit der hg. Rechtsprechung aus, dass es für die Beurteilung der Verweigerung des Atemalkoholtestes maßgeblich ist, ob der Untersuchte ein Verhalten setzt, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert. Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Revisionswerbers somit zutreffend als Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, gewertet (siehe auch VwGH 26.7.2019, Ra 2019/02/0113, mwH).

11 Wenn die Revision behauptet, der Revisionswerber habe entgegen diesen Feststellungen das Zuckerl bereits vor der Anhaltung in den Mund genommen gehabt, entfernt es sich von den gerichtlich getroffenen Sachverhaltsfeststellungen.

12 Ihr Vorbringen, der Meldungsleger habe in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Revisionswerber das Zuckerl schon vor der Anhaltung in den Mund genommen haben musste, trifft nicht zu. Keiner der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen machte derartige Aussagen. Insbesondere hat der Zeuge W entgegen der Behauptung in der Revision gerade nicht ausgesagt, er habe gewusst, dass der Revisionswerber bei der Anhaltung bereits ein Zuckerl im Mund gehabt habe, sondern vielmehr ausgeführt, dass der Revisionswerber ihm gegenüber angegeben habe, dass er den ganzen Tag Kundenkontakte gehabt hätte und daher während des Tages viele Zuckerl gelutscht habe; der Revisionswerber habe deshalb seine Vermutung geäußert, dies habe möglicherweise den Vortest beeinflussen können. Erst im Zuge der Protokollierung der Amtshandlung auf der Polizeiinspektion habe er bemerkt, dass der Revisionswerber etwas lutsche bzw. Kaubewegungen mache und habe ihn daraufhin angesprochen. Der Revisionswerber habe anfangs geleugnet, ein Zuckerl im Mund zu haben, auf nochmaligen Vorhalt der Wahrnehmung der Kaubewegungen offensichtlich etwas geschluckt, jedoch abermals geleugnet, etwas im Mund gehabt zu haben. Erst nach nochmaligem Vorhalt habe er zugegeben, ein Zuckerl im Mund gehabt zu haben.

13 Das Verwaltungsgericht ist wie oben dargelegt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und Aussagen in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung gerade zum gegenteiligen Ergebnis gekommen, nämlich dass der Revisionswerber erst nach der Aufforderung zur Ablegung des Alkomattests ein Zuckerl in den Mund gesteckt hat. Von einer rechtswidrigen Aufforderung zum Alkomattest kann daher nicht die Rede sein. Die in der Revision gerügten Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.

14 Das vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erkenntnis, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, betraf schließlich einen ganz anders gelagerten Sachverhalt und eine andere Rechtsfrage, nämlich inwieweit dort fallbezogen das Einschalten der Zündung zum alleinigen Zweck der Schließung der Autofenster eine Inbetriebnahme iS des § 5 Abs. 1 StVO darstellte, und ist daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. April 2024

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