JudikaturVwGhRa 2024/02/0049

Ra 2024/02/0049 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des K in P, vertreten durch Dr. Michael Tröthandl und Mag. Christina Juritsch, Rechtsanwälte in 2500 Baden, Theaterplatz 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. Jänner 2024, LVwG S 1922/001 2023, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit einer Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Strafverfügung vom 5. Mai 2023 wurde über den Revisionswerber wegen einer näher konkretisierten Übertretung des § 102 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 6 KFG gemäß § 134 Abs. 1 Z 1 KFG eine Geld sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Auf der ersten Seite der Strafverfügung war am rechten Rand im oberen Drittel schwarz umrandet aufgedruckt: „E Mail: strafen.bhmd@noel.gv.at“. Darunter befanden sich in diesem schwarz umrandeten Feld eine Faxnummer, eine Telefonnummer des Bürgerservice sowie zwei Internetadressen.

2 Mit dem an die E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at gesendeten Schreiben vom 15. Mai 2023 erhob der Revisionswerber Einspruch gegen diese Strafverfügung.

3 Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Juni 2023 wurde dem Revisionswerber von der belangten Behörde unter Übermittlung der bisherigen Beweisergebnisse vorgehalten, eine näher konkretisierte Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Es wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich innerhalb einer festgesetzten Frist zu der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen. Auf der ersten Seite dieser Aufforderung zur Rechtfertigung war am rechten Rand im oberen Drittel schwarz umrandet ebenso aufgedruckt: „E Mail: strafen.bhmd@noel.gv.at“. Darunter befanden sich in diesem schwarz umrandeten Feld eine Faxnummer, eine Telefonnummer des Bürgerservice sowie zwei Internetadressen.

4 Der Revisionswerber äußerte sich mit dem an die E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at gesendeten Schreiben vom 6. Juni 2023 zu der ihm angelasteten Übertretung.

5 In weiterer Folge erließ die belangte Behörde ein Straferkenntnis vom 1. August 2023, mit dem über den Revisionswerber wegen der angelasteten Verwaltungsübertretung des KFG eine Geld sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie der Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet wurde. Auf der ersten Seite des Straferkenntnisses war am rechten Rand im oberen Drittel schwarz umrandet aufgedruckt: „E Mail: strafen.bhmd@noel.gv.at“. Darunter befanden sich in diesem schwarz umrandeten Feld eine Faxnummer, eine Telefonnummer des Bürgerservice sowie zwei Internetadressen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde der Revisionswerber u.a. darauf hingewiesen, dass er die Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis in jeder technisch möglichen Form übermitteln könne, mit E Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen seien.

6 Das Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber laut Zustellnachweis am 1. August 2023 zugestellt.

7 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der (unvertretene) Revisionswerber Beschwerde, die am 18. August 2023 per E Mail an die E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at übermittelt wurde. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) zur Entscheidung vorgelegt, worüber der Revisionswerber von der belangten Behörde mit Schreiben vom 22. August 2023 informiert wurde.

8 Das Verwaltungsgericht leitete die Beschwerde des Revisionswerbers mit Schreiben vom 6. November 2023 gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG an die belangte Behörde weiter. Diese übermittelte die Beschwerde am 8. November 2023 an die E Mail Adresse post.bhmd@noel.gv.at und legte dem Verwaltungsgericht die Beschwerde mit Schreiben vom selben Tag erneut zur Entscheidung vor.

9 Auf den Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichtes vom 27. Dezember 2023, mit dem dem Revisionswerber die verspätete Einbringung der Beschwerde vorgehalten wurde, gab der Revisionswerber an, dass er fristgerecht bei der belangten Behörde Beschwerde erhoben habe, und zwar so, wie in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses angeführt. Die Beschwerde sei daher nicht verspätet erhoben worden.

10 In der Folge wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Jänner 2024 die Beschwerde des Revisionswerbers als verspätet eingebracht zurück und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

11 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, das Straferkenntnis sei dem Revisionswerber am 2. August 2023 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 18. August 2023 habe der Revisionswerber Beschwerde erhoben. Diese sei am selben Tag an die E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at geschickt worden. Eine zusätzliche postalische Einbringung der Beschwerde sei nicht erfolgt. Nach der im Zeitpunkt der Übermittlung der Beschwerde an die belangte Behörde im Internet kundgemachten und ausdrücklich auf § 13 Abs. 2 und Abs. 5 AVG bezugnehmenden Verfügung der belangten Behörde vom 22. November 2019 sei für elektronische Anbringen (neben einem Onlineformular und einer Faxnummer) nur die E Mail Adresse post.bhmd@noel.gv.at zur Verfügung gestanden. Eine Weiterleitung an die kundgemachte E Mail Adresse durch die belangte Behörde sei nicht erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe die ihm vorgelegte Beschwerde mit Schreiben vom 6. November 2023, in dem darauf hingewiesen worden sei, dass die Beschwerde nicht korrekt eingebracht worden sei, an die belangte Behörde zurückgeleitet. Dort sei die Beschwerde am selben Tag eingelangt. In der Folge sei dem Verwaltungsgericht die zuvor an die für Anbringen kundgemachte E Mail Adresse der belangten Behörde weitergeleitete Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt worden.

12 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur Einbringung der Beschwerde sowie zu ihrer Verspätung aus, schriftliche Anbringen und daher auch Beschwerden könnten der Behörde nach § 13 Abs. 2 AVG in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen seien. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten seien im Internet bekanntzumachen. Es ergebe sich nicht nur aus dem Internetauftritt der belangten Behörde unter dem Titel „Kontakt“, dass die offizielle E Mail Adresse post.bhmd@noel.gv.at laute. Vielmehr sei die genannte E Mail Adresse auf der Homepage unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 und Abs. 5 AVG kundgemacht worden. Derartige Beschränkungen auf bestimmte elektronische Adressen würden in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich als Beispiele für „organisatorische Beschränkungen“ des elektronischen Verkehrs gemäß § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG bezeichnet. Lange ein Anbringen an einer nicht kundgemachten Adresse der Behörde ein, so sei es nach den organisationsrechtlichen Vorschriften an eine kundgemachte Adresse weiterzuleiten. Erst mit dem Einlangen an einer solchen kundgemachten Adresse gelte das Anbringen als eingebracht. Allein die Übermittlung an (irgend ) eine der Behörde zurechenbare E Mail Adresse vermöge bei gegenteiliger Kundmachung im Internet eine wirksame Einbringung ebenso wenig zu begründen, wie die faktische Bearbeitung etwa in Form der Vorlage an das Verwaltungsgericht. Die Einbringung der Beschwerde an eine andere als die kundgemachte E Mail Adresse sei somit trotz Nennung einer anderen E Mail Adresse auf der ersten Seite des angefochtenen Straferkenntnisses nicht wirksam gewesen. Eine wirksame Einbringung sei erst durch Weiterleitung der Beschwerde an die kundgemachte E Mail Adresse erfolgt. Da die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses am „2. August 2023“ erfolgt sei, habe die vierwöchige Beschwerdefrist am 30. August 2023 geendet. Die am 6. November 2023 im Wege der Weiterleitung an die belangte Behörde erstmals rechtswirksam eingebrachte Beschwerde erweise sich somit als verspätet, weshalb sie gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unter Entfall einer mündlichen Verhandlung zurückzuweisen sei.

13 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Beschwerde des Revisionswerbers vollinhaltlich stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt werde, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben, sowie dem Revisionswerber Aufwandersatz zuzuerkennen.

14 Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit u.a. geltend, die belangte Behörde habe in ihrer gesamten Kommunikation mit dem Revisionswerber stets als ihre E Mailadresse in dieser Angelegenheit die E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at angegeben. Sie habe Eingaben des Revisionswerbers an diese von ihr bekanntgegebene Adresse akzeptiert und in der Folge, etwa den Einspruch gegen die Strafverfügung, auch inhaltlich behandelt bzw. die Beschwerde des Revisionswerbers an das Verwaltungsgericht zur inhaltlichen Erledigung weitergeleitet. Die Behörde habe durch die im Straferkenntnis erfolgte Angabe der E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at für jenen Schriftverkehr, der im Zusammenhang mit dem Straferkenntnis stehe, daher auch für die Einbringung einer Beschwerde, ihre eigene organisatorische Beschränkung in der Kundmachung vom 22. November 2019 wieder durchbrochen und müsse dies nun auch gegen sich gelten lassen.

16 Dieses Vorbringen unterscheidet sich von dem im hg. Beschluss vom 5. Oktober 2023, Ra 2023/02/0133,0134, zu beurteilenden Zulässigkeitsvorbringen, das lediglich die Abweichung des Verwaltungsgerichtes vom hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2005/08/0063, behauptet hat. Die hier vorliegende Revision zeigt mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen im Unterschied dazu eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, weshalb sich die Revision als zulässig erweist.

17 Die Revision ist auch begründet.

18 § 13 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 (Verwaltungsverfahrens und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007), lautet:

§ 13. [...]

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

[...]“.

19 Der Revisionswerber hat gegen das ihm zugestellte Straferkenntnis der belangten Behörde per E Mail Beschwerde erhoben. Die Erhebung einer Beschwerde per E Mail ist als „schriftliches Anbringen“ im Sinne des § 13 AVG zu qualifizieren und zulässig (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/02/0185).

20 Mit E Mail können Anbringen jedoch nur insoweit an die Behörde übermittelt werden, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. E Mails können daher „organisatorischen Beschränkungen“ im Sinne des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG unterworfen werden.

21 Die Festlegung einer bestimmten Einbringungsadresse für E Mails ist nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, die auf die Gesetzesmaterialien Bezug nimmt (vgl. RV 294 BlgNR 23. GP, 9), keine Angelegenheit des „Verwaltungsverfahrensrechts“, sondern des Verwaltungsorganisationsrechts. § 13 Abs. 2 AVG knüpft daher lediglich an Regelungen an, die ihre Grundlage in der Verwaltungsorganisation haben. Durch das in § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG normierte Gebot der Publizität wird gewährleistet, dass jedermann erkennen kann, ob entsprechende „organisatorische Beschränkungen“ (durch das Organisationsrecht) für schriftliche Anbringen in Form von E Mails festgelegt worden sind (vgl. VwGH 15.2.2023, Ra 2022/02/0215, mit Hinweis auf VfSlg. 19.849/2014).

22 Solche „organisatorische Beschränkungen“ sind z.B. Beschränkungen auf bestimmte Formen der elektronischen Übermittlung oder Beschränkungen auf bestimmte elektronische Adressen (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0060, mit Verweis auf die Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 5/2008, RV 294 BlgNR 23. GP, 10). Verwendet ein Einschreiter eine solche im Internet kundgemachte E Mail Adresse, ist seine Eingabe wirksam eingebracht (vgl. idS VwGH 20.6.2023, Ra 2022/03/0097).

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass Anbringen, für die die Verwaltungsvorschriften eine bestimmte Art der Einbringung vorsehen, unwirksam sind und für die Wahrung der Frist nicht hinreichen, wenn die Einbringung in einer anderen als der gesetzlich bestimmten Art erfolgt (vgl. z.B. VwGH 15.12.1994, 94/06/0098, zur mündlichen Einbringung eines Wiederaufnahmeantrags bei geforderter Schriftlichkeit, sowie z.B. VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156, zur Unzulässigkeit der Einbringung einer Vorstellung per E-Mail). Die Verwendung einer anderen als der von einer Behörde in Entsprechung und unter ausdrücklicher Anführung des § 13 AVG im Internet kundgemachten E Mail Adresse geht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Lasten des Einschreiters (vgl. etwa VwGH 25.5.2016, 2013/06/0096; 4.10.2022, Ra 2022/05/0153; 9.5.2023, Ra 2020/04/0012, jeweils mwN).

24 Da ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen als nicht eingebracht gilt, ist auch kein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu erteilen, weil auch für die Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens das Vorliegen einer an sich wirksam erhobenen (wenn auch mit einem Mangel behafteten) Eingabe erforderlich ist (vgl. erneut VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156, sowie VwGH 2.7.2018, Ra 2018/12/0019). Auch die Tatsache, dass die Behörde das Anbringen „in Bearbeitung genommen hat“, vermag an der unwirksamen Einbringung nichts zu ändern (vgl. z.B. VwGH 28.2.2023, Ro 2023/04/0002, mwN, zur Entgegenahme eines Schriftstücks außerhalb der Amtsstunden hinsichtlich der Fristberechnung).

25 Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes eine u.a. auf § 13 Abs. 2 AVG gestützte Kundmachung erlassen und darin für elektronische Anbringen die E Mail Adresse „post.bhmd@noel.gv.at“ zur Verfügung gestellt. Dies ist im Revisionsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden.

26 Vorliegend hat jedoch die Behörde, die zuvor im Internet eine organisatorische Beschränkung ihrer Erreichbarkeit im Hinblick auf die Verwendung einer bestimmten E Mail Adresse kundgemacht hat, dem Revisionswerber aus Anlass eines bestimmten, gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens auf jedem ihm zugestellten behördlichen Schriftstück (Strafverfügung, Aufforderung zur Rechtfertigung, Straferkenntnis) in Fettumrandung und in das Schriftstück eingepasst mitgeteilt, dass ihre E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at lautet. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von jenen, die in der zitierten Vorjudikatur behandelt wurden.

27 Wie zuvor ausgeführt, knüpft § 13 Abs. 2 AVG an die von der Behörde im Rahmen ihrer Organisationshoheit verfügten Einschränkungen an. Sofern eine Behörde eine „organisatorische Beschränkung“ des elektronischen Verkehrs verfügen möchte, ist diese im Internet kund und damit publik zu machen. Das AVG verwehrt es einer Behörde jedoch nicht, die einmal getroffene „organisatorische Beschränkung“ für jedermann zurückzunehmen, indem sie einen „contrarius actus“ setzt (also die im Internet vorgenommene Kundmachung löscht oder abändert), oder die elektronischen Einbringungsmöglichkeiten unter Aufrechterhaltung der allgemeinen Beschränkungen im Einzelfall gegenüber einer bestimmten Person um eine (oder mehrere) Einbringungsmöglichkeiten zu erweitern. Eine „Selbstbindung“ der Behörde durch eine im Internet kundgemachte „organisatorische Beschränkung“, die ihr die letztgenannte Möglichkeit nehmen würde, ist weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Norm zu entnehmen und kann dem Gesetz nicht zugesonnen werden.

28 Für eine von der Behörde im Einzelfall vorgenommene Erweiterung der Einbringungsmöglichkeiten sieht das AVG keine explizite Regelung vor. Insbesondere verlangt es nicht, dass auch eine solche Erweiterung bei Aufrechterhaltung der allgemeinen „organisatorischen Beschränkungen“ im Internet kundgemacht werden müsste. Allerdings wird zu verlangen sein, dass die Behörde, die eine „organisatorische Beschränkung“ des elektronischen Verkehrs vorgenommen hat, die Erweiterung der Einbringungsmöglichkeiten gegenüber einem einzelnen Betroffenen in einer solchen Art und Weise bekanntgegeben hat, dass dieser mit Grund annehmen konnte, Eingaben an die genannte Adresse seien in diesem Verfahren zulässig und fristwahrend.

29 Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Behörde einem Beschuldigten wie im vorliegenden Fall eine (weitere) E Mail Adresse auf ihren behördlichen Schriftstücken im Vordruck bekannt gibt. Die Tatsache, dass sie in der Rechtsmittelbelehrung darauf hinwies, E Mail Eingaben könnten nur insoweit eingebracht werden, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen seien, ändert daran nichts, lässt sich diesem in allgemeinen Worten gegebenen Hinweis doch nur entnehmen, dass auch für den konkret Betroffenen keine anderen E Mailadressen (als die im Internet kundgemachte/n und die ihm auf den Schriftstücken bekanntgegebenen) zur Verfügung stehen.

30 Dies bedeutet für den vorliegenden Fall Folgendes:

31 Das Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber am 1. August 2023 elektronisch zugestellt, weil er es nach dem unbedenklichen Zustellnachweis an diesem Tag abgeholt hat (§ 35 Abs. 5 ZustG; zur Auslegung des § 35 Abs. 5 und 6 ZustG: VwGH 28.2.2022, Ra 2022/12/0014). Die am 18. August 2023 an die ihm im amtlichen Vordruck des Straferkenntnisses bekanntgegebene E Mail Adresse strafen.bhmd@noel.gv.at eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als rechtzeitig und richtig eingebracht.

32 Indem das Verwaltungsgericht die Beschwerde als verspätet eingebracht qualifizierte, belastete es seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

33 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

34 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 18. April 2024

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