JudikaturVwGhRo 2024/01/0001

Ro 2024/01/0001 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Bregenz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 1. Dezember 2023, Zl. LVwG 1 421/2023 R10, betreffend Übertretung nach dem Versammlungsgesetz 1953 (mitbeteiligte Partei: M A E H C in G, vertreten durch die Doshi Akman Partner Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Vorstadt 18), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (im Folgenden: Amtsrevisionswerberin) vom 17. April 2023 wurde der Mitbeteiligten zur Last gelegt, sie habe es „als Veranstalter der öffentlich zugänglichen Versammlung zum Thema Klimakrise welche am 14.12.2022 von 09:30 Uhr bis 09:45 Uhr im Landtagssaal im Landhaus in Römerstraße 15, 6900 Bregenz veranstaltet wurde, unterlassen, diese Versammlung spätestens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung der zuständigen Behörde ... schriftlich anzuzeigen“, und dadurch § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953 (VersG) verletzt. Über die Mitbeteiligte wurde deshalb gemäß § 19 VersG eine Geldstrafe in Höhe von € 100,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen und 20 Stunden, verhängt.

2 Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Strafverfahren ein. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.

4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, während der Landtagssitzung am 14. Dezember 2022 im Landtagssitzungssaal in Bregenz sei ein Zuhörer um ca. 9.30 Uhr von seinem Sitz im Besucherbereich aufgestanden und habe gemeinsam mit zwei weiteren Personen ein oranges Banner mit dem Schriftzug „Hört auf den Klimarat“ und dem Logo der „Extinction Rebellion“ in die Höhe gehalten. Zeitgleich hätten sich vier weitere Personen mit einem weiteren Banner von ihren Sitzen im Besucherbereich erhoben. Die Protestierenden hätten Parolen skandiert und die Protestaktion gefilmt. Die Mitbeteiligte habe dabei um ca. 9.35 Uhr versucht, eine Ansprache zu halten. Jeder der Protestierenden habe eine vorher festgelegte Tätigkeit durchgeführt. Die Protestierenden, inklusive die Mitbeteiligte, seien vom Landtagspräsidenten ermahnt, auf ein mangelndes Rederecht hingewiesen und mehrfach aufgefordert worden, den Saal zu verlassen; sie seien schließlich über dessen Anordnung nacheinander - widerstandslos - aus dem Sitzungssaal entfernt worden.

5 In seinen rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer Versammlung im Sinne des VersG aus, zumal die Beschuldigte ihre Meinung zum Klimawandel bzw. zum „Klimanotstand“ habe zum Ausdruck bringen wollen, sich hiefür mit sechs weiteren Personen zu dieser Protestaktion zusammengeschlossen habe und die Protestaktion während einer öffentlich zugänglichen Landtagssitzung durchgeführt sowie eindeutig die Meinungskundgabe an Adressaten außerhalb des Kreises der Protestierenden bezweckt worden sei.

6 Nach der Rechtsprechung gelte u.a. als Veranstalter einer Versammlung auch eine Person, die in der Öffentlichkeit oder gegenüber der Behörde als solcher auftrete bzw. wer eine führende Rolle in der Versammlung einnehme. Unter einer führenden Rolle sei etwa die Bestimmung der Richtung des Demonstrationszuges, der Aufruf, behördliche Anordnungen zu befolgen bzw. nicht zu befolgen, oder die Bestimmung des Zeitpunkts der Beendigung der Versammlung zu verstehen (Hinweis auf VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0359). Den Veranstalter treffe die durch § 19 VersG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Pflicht, die Versammlung gemäß § 2 Abs. 1 VersG anzuzeigen.

7 Die Mitbeteiligte habe ihre Veranstaltereigenschaft in Bezug auf die gegenständliche Versammlung bestritten. Sie habe in der mündlichen Verhandlung von einer fremden Person gesprochen, die die Veranstalterin gewesen sei.

8 Das der Mitbeteiligten nachweisbare Verhalten so das Verwaltungsgericht weiter während der Landtagssitzung am 14. Dezember (2022) habe keine Hinweise ergeben, dass sie eine führende Rolle während der Versammlung bzw. bei deren Planung und Organisation eingenommen hätte. Die von ihr gesetzten Handlungen seien überaus typisch für einen (bloßen) Teilnehmer an einer Protestaktion und nach Ansicht des erkennenden Gerichtes als bloß geringfügige Unterstützungshandlungen bei der Durchführung der vorliegenden Versammlung anzusehen. Darüber hinaus seien die Handlungen der Mitbeteiligten nahezu ident mit jenen, die auch die anderen sechs Personen vorgenommen hätten.

9 Die Amtsrevisionswerberin habe neben der Mitbeteiligten auch die weiteren Protestierenden jeweils als Veranstalter geahndet und somit jeder der protestierenden Personen eine führende Rolle unterstellt. Dieser Rechtsansicht könne nicht gefolgt werden, zumal auch den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen nichts zu entnehmen sei, das auf eine kollektive Veranstaltereigenschaft, gerade bei kleineren Protestaktionen wie der hier vorliegenden, schließen ließe.

10 Es lägen keine Beweise vor, dass die Mitbeteiligte die Veranstalterin dieser Aktion gewesen sei. Somit lasse sich für das Landesverwaltungsgericht nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit feststellen, dass die Mitbeteiligte Veranstalterin der Versammlung gewesen sei. Daher sei das Strafverfahren im Hinblick auf Spruchpunkt 1. [des angefochtenen Straferkenntnisses] im Zweifel einzustellen gewesen.

11 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Veranstaltereigenschaft „insbesondere bei kleineren Veranstaltungen, wie der vorliegenden (6 bis 7 Personen) auch auf das Kollektiv, also auf alle Beteiligten ausgedehnt werden“ könne.

12 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, soweit sich dieses auf Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bezieht. Die Mitbeteiligte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Gemäß § 2 Abs. 1 VersG muss, wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muss spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

17 Gemäß § 19 leg. cit. sind Übertretungen dieses Gesetzes, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, aber von der Landespolizeidirektion, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.

18 Die in der Zulässigkeitsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt:

19 Als Veranstalter einer Versammlung kann nur auftreten, wer Rechtspersönlichkeit besitzt, also neben einer natürlichen Person etwa ein Verein oder eine politische Partei.

Veranstalter einer Versammlung im Sinne des VersG ist eine natürliche oder juristische Person, die die Versammlung einberuft, also zu ihr einlädt oder sie organisiert; das ist der Einberufer, Organisator, Initiator oder Planer der Versammlung. Veranstalter ist sohin, wer in den potenziellen Teilnehmern den Willen zum Sichversammeln hervorrufen will, was regelmäßig in Form einer Einladung (durch Plakate, persönliches Anschreiben, Aufrufe in Zeitschriften, im Internet etc.) erfolgt. Bloß geringfügige Unterstützungshandlungen bei der Organisation und Durchführung der Versammlung begründen keine Veranstaltereigenschaft. Der Veranstalter muss an der (späteren) Versammlung auch nicht teilnehmen.

Den Veranstalter trifft die - durch § 19 VersG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte - Pflicht, die Versammlung gemäß § 2 Abs. 1 VersG anzuzeigen. Bei ordnungsgemäß angezeigten Versammlungen (§ 2 Abs. 1 VersG) gilt daher als Veranstalter, wer in der Versammlungsanzeige als solcher auftritt.

Wird eine Versammlung - wie im Revisionsfall - nicht angezeigt, ist zunächst jene Person als Veranstalter anzusehen, die nach den dargelegten Grundsätzen in den anderen Versammlungsteilnehmern den Willen zum Sichversammeln hervorgerufen hat. Darüber hinaus gilt als Veranstalter auch eine Person, die in der Öffentlichkeit oder gegenüber der Behörde als solcher auftritt, weiters, wer eine führende Rolle in der Versammlung einnimmt.

Die bloße Teilnahme an einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Versammlung ist nicht nach § 19 VersG strafbar (vgl. zum Ganzen VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0359, mwN).

20 Durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist sohin geklärt, wer Veranstalter einer Versammlung ist und wen demnach die nach § 19 VersG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Verpflichtung zur Anzeige der Versammlung gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. trifft bzw. dass die bloße Teilnahme an einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Versammlung nach § 19 VersG nicht strafbar ist.

21 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht - ausgehend von den Grundsätzen der erwähnten Rechtsprechung - die Veranstaltereigenschaft der Mitbeteiligten verneint (zumal diese insbesondere keine führende Rolle während der Versammlung bzw. bei deren Planung und Organisation eingenommen habe) und demnach eine Bestrafung der Mitbeteiligten zu Recht ausgeschlossen.

22 Die (auch in der Amtsrevision vertretene) Auffassung, dass für den Fall, dass keine Person als Veranstalter einer Versammlung festgestellt werden kann, sämtliche Teilnehmer einer Versammlung gleichsam als Veranstalter „im Kollektiv“ nach § 2 Abs. 1 iVm § 19 VersG belangt werden könnten, findet weder im Gesetz noch in der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Grundlage.

23 Sofern die Revisionswerberin der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder sie andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet, hat sie auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen (vgl. etwa VwGH 23.6.2022, Ro 2021/01/0015, mwN).

24 Die vorliegende Amtsrevision enthält jedoch überhaupt kein gesondertes Zulässigkeitsvorbringen.

25 Da somit weder in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in der Revision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, erweist sich die Amtsrevision als nicht zulässig und war diese daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. April 2024

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