JudikaturVwGhRa 2023/05/0272

Ra 2023/05/0272 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, in der Revisionssache des J S in W, vertreten durch die Kirchmayer Strodl Rechtsanwalts GesmbH in 2410 Hainburg an der Donau, Wiener Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. Oktober 2023 1. LVwG AV 2187/001 2023 und 2. LVwG AV 2187/002 2023, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft M), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 30. Dezember 2019 ordnete der Bürgermeister der Marktgemeinde B. als Baubehörde erster Instanz dem Revisionswerber gegenüber an, seinen auf einem näher bezeichneten Grundstück befindlichen LKW binnen zwei Monaten von diesem Grundstück zu entfernen. Der nicht mehr betriebsfähige LKW, der als Lagerraum verwendet werde, sei als Nebengebäude zu qualifizieren, für das keine Baubewilligung oder Anzeige vorliege.

2 Nach Androhung der Ersatzvornahme am 19. August 2020 wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 23. Juni 2023 die Ersatzvornahme und eine Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 1.800 Euro angeordnet.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die vom Revisionswerber gegen den Bescheid vom 23. Juni 2023 erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit wesentlich aus, der Revisionswerber habe nicht bestritten, dass dem baupolizeilichen Auftrag noch nicht entsprochen worden sei. Auch eine wesentliche Änderung der Sach und Rechtslage, durch die die Vollstreckung unzulässig wäre, habe er nicht vorgebracht.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 8.8.2023, Ra 2023/05/0185, mwN).

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine nach der Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes gegebenenfalls geeignet sein, die Vollstreckung unzulässig zu machen, wobei eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes nur dann vorliegt, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Titelbescheid erlassen werden könnte (vgl. dazu und zur Frage der Übernahme der zu § 10 Abs. 2 VVG aF ergangenen Judikatur VwGH 1.2.2022, Ra 2019/05/0116, mwN; vgl. ebenso VwGH 29.3.2022, Ra 2021/05/0113). Eine Ersatzvornahme ist aber jedenfalls so lange zulässig, als der Pflicht aus dem Titelbescheid nicht zur Gänze nachgekommen wurde (vgl. wiederum VwGH 1.2.2022, Ra 2019/05/0116, mwN).

11 Die Revision macht folgende zwei Rechtsfragen geltend:

„1. Kann in einer Rechtssache, in der bereits ein behördlicher Auftrag erteilt worden ist, neuerlich ein behördlicher Auftrag mit demselben Inhalt erteilt werden? Hebt dann der jüngere Bescheid den älteren auf?

2. Ist eine Vollstreckung zulässig, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert haben und damit die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen andere geworden sind?“

12 Dazu wird vorgebracht, die Marktgemeinde B. habe den Revisionswerber bereits im Jahr 1992 mit Bescheid zur Beseitigung des LKW verpflichtet. Zwischen 1992 und 2019 sei von besagtem LKW keine Gefährdung für die Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgegangen und auch die Umwelt nicht beeinträchtigt worden. Das Verwaltungsgericht hätte das Vorliegen dieses „neuen Sachverhaltes“ und die Zulässigkeit der Vollstreckung prüfen müssen.

13 Damit gelingt es dem Revisionswerber jedoch nicht, die Zulässigkeit der Revision zu begründen, denn die Frage, inwiefern das Schicksal der Revision von den vorgebrachten Rechtsfragen abhängen sollte, bleibt offen.

14 So bezieht sich die erste, vom Revisionswerber geltend gemachte Rechtsfrage offenbar auf das Verhältnis zweier behördlicher Aufträge zueinander. Der vorliegenden Anordnung der Ersatzvornahme liegt der Auftrag des Bürgermeisters der Marktgemeinde B. als Baubehörde erster Instanz vom 30. Dezember 2019 zugrunde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens die Rechtmäßigkeit des Titelbescheides nicht mehr aufgerollt werden (vgl. etwa VwGH 2.2.2022, Ra 2022/05/0018, mwN). Der Revisionswerber zeigt folglich nicht auf, warum das Schicksal der Revision von der Beantwortung der vorgetragenen Rechtsfrage, die auf den Titelbescheid abzielt, abhängt.

15 Auch von der zweiten Frage hängt das Schicksal der Revision nicht ab: Dem Bescheid vom 30. Dezember 2019 ist zu entnehmen, dass der Bürgermeister der Marktgemeinde B. aufgrund der Lage und Verwendung des LKW von einem Nebengebäude ausgeht, für das keine baubehördliche Baubewilligung vorliegt. Auf die Frage, ob von dem LKW eine Gefährdung für die Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht, kommt es bei dieser Beurteilung nicht an.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2023

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