JudikaturVwGhRa 2022/11/0205

Ra 2022/11/0205 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Janitsch, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse als Kompetenzzentrum LSDB in Wien, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunnnerstraße 42/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 6. Oktober 2022, Zl. LVwG 303118/6/GS/CJ, betreffend Übertretung nach dem LSD BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels Land; mitbeteiligte Partei: D P in [Polen]), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. September 2021 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Verantwortlicher eines polnischen Unternehmens R mit Firmensitz an einer näher angeführten Adresse in Polen zu verantworten, dass einem namentlich genannten Arbeitnehmer polnischer Staatsangehörigkeit im Zeitraum von 3. bis 9. August 2020 nicht das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet worden sei, woraus sich eine im Spruch sowohl ziffernmäßig als auch prozentuell konkret dargestellte Unterentlohnung des betreffenden Arbeitnehmers ergebe. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 9 Abs. 1 VStG iVm. § 13 Abs. 4 und § 29 Abs. 1 erster Satz Lohn und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz (LSD BG) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 29 Abs. 1 LSD BG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000, (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag 9 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zum Ersatz der Kosten des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 100, verpflichtet. Im Übrigen erging ein Haftungsausspruch nach § 9 Abs. 7 VStG.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Der Mitbeteiligte habe weder einen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen noch einen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu leisten. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht stellte zunächst fest, am 6. August 2020 hätten Organe der Finanzpolizei um 8:15 Uhr auf einem Parkplatz in S einen Lkw des polnischen Transportunternehmens R kontrolliert. Der im Spruch des Straferkenntnisses vom 4. September 2021 namentlich genannte Arbeitnehmer habe den Lkw gelenkt. Aus den von ihm in Vorlage gebrachten Lieferscheinen sei ersichtlich gewesen, dass er zwei Paletten mit Fliesenzubehör in Deutschland geladen und an zwei Orten in Österreich, und zwar in S sowie in W, zugestellt habe. Nach der Kontrolle seien im Zuge der weiteren Erhebungen über Aufforderung ein Arbeitsvertrag, die Bestätigung eines Antrags auf Ausstellung eines A1 Formulars, Arbeitsaufzeichnungen sowie eine Lohnliste für August 2020 an die Finanzpolizei übermittelt worden. Den Arbeitsaufzeichnungen sei zu entnehmen, dass der betreffende Arbeitnehmer im August 2020 insgesamt sieben Stunden und 47 Minuten in Österreich Transportleistungen erbracht habe.

4 Gegenstand des Transportauftrages sei ausschließlich die Zustellung der beiden Paletten gewesen. Weitere Tätigkeiten seien aufgrund der zeitlichen Abfolge ausgeschlossen.

5 In seiner weiteren Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, es stehe fest, dass der in Rede stehende Lkw Fahrer am „Kontrolltag“ im Auftrag seines Unternehmens eine Transportfahrt von Deutschland nach Österreich durchgeführt und an zwei Orten in Österreich eine Entladung vorgenommen habe. Die Arbeitsaufzeichnungen dokumentierten, dass er am 5. August 2020 in Deutschland geladen habe. Die Entladungen seien am darauffolgenden Tag in Österreich vorgenommen worden. Neben der reinen Transportleistung habe der Arbeitnehmer lediglich die Paletten vor den belieferten Unternehmen abgestellt. Damit habe es sich um sehr geringfügige Tätigkeiten gehandelt, und es seien keine Tätigkeiten hervorgekommen, die eine hinreichende Verbindung der gegenständlichen Arbeitsleistung zum österreichischen Hoheitsgebiet aufweisen würden, weshalb keine Entsendung im Sinne der Judikatur des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofs vorliege. Mangels Entsendung würden die Vorschriften über Unterentlohnung des LSD BG nicht zur Anwendung gelangen und es sei daher davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision der Österreichischen Gesundheitskasse, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der hg. Rechtsprechung bzw. des Fehlens von hg. Judikatur geltend macht, entgegen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsauffassung bestehe vorliegend in Anbetracht der grenzüberschreitenden Güterbeförderung inklusive zweier Entladungstätigkeiten eine hinreichende Verbindung zu Österreich, sodass es sich gegenständlich um eine Entsendung handle.

7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zunächst ist betreffend das auf § 1 Abs. 5 Z 7 LSD BG idF BGBl. I Nr. 44/2016 gestützte Revisionsvorbringen auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 2023, Ra 2022/11/0128, zu verweisen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, es könne nicht angenommen werden, dass der österreichische Gesetzgeber den Anwendungsbereich des LSD BG, soweit dieses an die Entsendung von Arbeitnehmern aus einem anderen Mitgliedstaat nach Österreich anknüpft, abweichend vom Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) abgrenzen wollte. Die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 5 Z 7 LSD BG sei daher in unionsrechtskonformer Auslegung so zu verstehen, dass (nur) jene Tätigkeiten als mobiler Arbeitnehmer im Transportbereich vom Anwendungsbereich des LSD BG ausgenommen sind, welche keine Entsendung nach der Entsenderichtlinie darstellen (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die betreffende Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision bereits geklärt wurde, siehe etwa VwGH 23.3.2023, Ro 2022/06/0021).

11 Bei der Beurteilung, ob es sich um eine Entsendung nach der Entsenderichtlinie handelt, ist darauf abzustellen, ob die fragliche Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates aufweist, was eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraussetzt, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichnet (vgl. EuGH 1.12.2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging , C 815/18, Rn. 45, unter Verweis auf EuGH 19.12.2019, Dobersberger , C 16/18, Rn. 31; VwGH 7.9.2023, Ra 2022/11/0128, mwN).

12 Zum Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zu dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat sich der EuGH in seinem Urteil EuGH 1.12.2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging , C 815/18, Rn. 46 ff., geäußert und die Kriterien für die entsprechende Beurteilung festgehalten.

13 Die erforderliche Gesamtbetrachtung der Umstände verlangt eine fallbezogene Würdigung der jeweils maßgeblichen Tatsachenfeststellungen, wobei diese rechtliche Beurteilung in der Regel in ihrer Bedeutung nicht über den betreffenden Einzelfall hinausgeht.

14 Fallbezogen gelangte das Verwaltungsgericht ausgehend von den Feststellungen betreffend die in Österreich verrichtete Tätigkeit durch den Arbeitnehmer des polnischen Unternehmens zu der Ansicht, dass diese Tätigkeit in Hinblick auf den ca. achtstündigen Aufenthalt in Österreich im Zuge einer Transportfahrt, während der der Arbeitnehmer abgesehen von dem Abladen von zwei Paletten Fliesenzubehör keine weiteren Tätigkeiten verrichtete keine hinreichende Verbindung zu Österreich aufwies.

15 Die Revision legt nicht dar, inwiefern das Verwaltungsgericht fallbezogen die oben dargestellten, für die vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung gebotene Gesamtwürdigung maßgeblichen Kriterien in unvertretbarer Weise gewichtet hätte (vgl. zudem VwGH 18.10.2022, Ra 2021/11/0025).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. April 2024

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen