JudikaturVwGhRa 2022/11/0171

Ra 2022/11/0171 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Dr. T K in G, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 1. August 2022, Zl. LVwG 652419/7/MS, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 2022 wurde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A1, A2, A und B für die Dauer von zehn Jahren gerechnet ab Zustellung des Entziehungsbescheids entzogen und der Revisionswerber gleichzeitig aufgefordert, sich vor der Wiedererteilung der Lenkberechtigung amtsärztlich untersuchen zu lassen und zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens einen Facharztbefund für Psychiatrie beizubringen. Eine allenfalls vorhandene Nicht EWR Lenkberechtigung oder ein ausländischer EWR Führerschein wurden für die Dauer von 10 Jahren entzogen. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde jeweils ausgeschlossen.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers insoweit statt, als die Entziehungsdauer auf den Zeitraum von neun Jahren ab Zustellung des bekämpften Bescheids herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. Unter einem erklärte das Verwaltungsgericht die Revision für unzulässig.

3 In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zusammengefasst die Feststellung, mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. Juni 2020 sei der Revisionswerber wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 und 3 erster Fall StGB, der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, der Verbrechen des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 und 3 erster Fall StGB, der Verbrechen des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erster Fall StGB, der Verbrechen des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs. 2 zweiter Fall StGB, der Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 2 Z 1 erster und dritter Fall StGB, der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach den §§ 12 zweiter Fall, 207a Abs. 1 Z 1 StGB und § 15 Abs. 1, 12 zweiter Fall, 207a Abs. 1 Z 1 StGB, des Vergehens der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 200a Abs. 1 Z 1 StGB, des Vergehens des sexuellen Missbrauches von Jugendlichen nach § 207d Abs. 3 StGB, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall und Abs. 4 Z 1 Suchtmittelgesetz und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 11. Oktober 2021 sei die Freiheitsstrafe auf 12 Jahre herabgesetzt worden. Der bekämpfte Bescheid sei dem Revisionswerber am 17. März 2022 zugestellt worden.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, das Verwaltungsgericht habe auf Grund der Sach und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu urteilen. Derzeit befinde sich der Revisionswerber im Maßnahmenvollzug und es sei weder vorhersehbar, ob bzw. wann der Revisionswerber aus diesem entlassen und in eine daran anschließende Haft überstellt werde, noch sei bekannt, dass und gegebenenfalls wann eine bedingte Haftentlassung stattfinden solle. Da es sich beim Entzug der Lenkberechtigung um eine Maßnahme zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer handle, hätten die persönlichen, wirtschaftlichen und familiären Nachteile des Revisionswerbers außer Betracht zu bleiben. Die Einleitung des Entziehungsverfahrens erfordere keinen formalen Akt. Für die Festsetzung der Entziehungsdauer sei die unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß § 7 Abs. 4 FSG zu stellende Prognose maßgebend, wann der Revisionswerber seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt haben werde. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass dieser eine gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe zu verbüßen habe, wobei auf Grund der verhängten Dauer der Freiheitsstrafe die Entlassung aus der Strafhaft im Jänner 2031 in Aussicht stehe. Der Revisionswerber habe die den Verurteilungen zugrundeliegenden Taten als behandelnder Arzt an seinen minderjährigen Patienten über mehrere Jahre hinweg verübt. Es könne auf Grund der im Strafurteil angeführten Erschwerungs und Milderungsgründe insgesamt davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber seine Verkehrszuverlässigkeit im Jahr 2031 wiedererlangt haben werde, weshalb die Entzugsdauer entsprechend zu kürzen sei.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die in der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, der Revisionswerber sei zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt worden und gleichzeitig die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB angeordnet worden. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei einem im Maßnahmenvollzug befindlichen Betroffenen sowie nach seiner Entlassung der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 FSG vorliegen könne. Dies sei im Ergebnis zu verneinen.

6 Eine bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe sei in solchen Fällen nur zugleich mit der Entlassung aus der Maßnahme möglich. Eine solche Entlassung habe zu erfolgen, wenn anzunehmen sei, dass die bloße Androhung der Unterbringung in Verbindung mit einer Behandlung außerhalb der Anstalt und allfälligen weiteren Maßnahmen ausreichen werde, um die Gefährlichkeit, gegen sich die vorbeugende Maßnahme richte, hintanzuhalten. Eine Entlassung des Revisionswerbers sei daher nur möglich, wenn aufbauend auf eine Sachverständigeneinschätzung nicht mehr angenommen werden könne, dass sich der Revisionswerber schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Die Grundvoraussetzung für die bedingte Entlassung aus der Maßnahme decke sich daher inhaltlich mit dem im § 7 Abs. 1 Z 2 FSG vorgesehenen Ausschlussgrund der Verkehrszuverlässigkeit.

7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür gesondert in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 4.1. Den Ausführungen in der Revision zur Begründung der Zulässigkeit ist zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass eine Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug und die daran anschließende Überstellung in die Haft ebensowenig bekannt sei wie der Zeitpunkt, wann eine bedingte Haftentlassung stattfinden werde. Das vorliegende Erkenntnis stützt sich auch nicht auf die Anordnung des Maßnahmenvollzuges, sondern vielmehr auf das Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers. Vor diesem Hintergrund hängt die Entscheidung über die Revision von vornherein nicht von der zu ihrer Zulässigkeit geltend gemachten Rechtsfrage ab.

11 4.2. Den übrigen Ausführungen der Revision betreffend die Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Prognose im Zusammenhang mit der Festsetzung der Entziehungsdauer ist zu entgegnen, dass die Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG 1997 und die für die Festsetzung der Entziehungsdauer maßgebende Prognose betreffend den Zeitpunkt der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit jeweils auf Grund der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen haben, weshalb Aussagen in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darüber, ob bestimmte Entziehungszeiten den Betreffenden in Rechten verletzt haben oder nicht, nicht schematisch auf andere Fälle übertragen werden können (vgl. schon VwGH 23.4.2002, 2001/11/0406). Damit kommt aber der im Einzelfall getroffenen Entscheidung in der Regel keine über diese Fallkonstellation hinausgehende Bedeutung zu, weshalb vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die aus Gründen der Rechtssicherheit die Zulässigkeit der Revision begründet, nur dann angenommen werden kann, wenn das im Einzelfall erzielte Abwägungsergebnis unvertretbar erscheint. Eine solche Unvertretbarkeit wird von der Revision hier nicht aufgezeigt.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2024

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