JudikaturVwGhRa 2021/11/0145

Ra 2021/11/0145 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Landeshauptmannes von Kärnten, vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 16. Juni 2021, Zl. KLVwG 516/8/2021, betreffend vorläufige Untersagung der Berufsausübung nach dem Ärztegesetz 1998 (mitbeteiligte Partei: Dr. P L, vertreten durch Dr. Ozegovic Dr. Maiditsch, Rechtsanwälte in 9560 Feldkirchen in Kärnten, Heftgasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

1 Mit Mandatsbescheid vom 13. November 2020 untersagte die revisionswerbende Behörde dem Mitbeteiligten gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) die Ausübung des ärztlichen Berufs bis zum rechtskräftigen Abschluss des von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu näher genannter Geschäftszahl eingeleiteten Strafverfahrens wegen des Verdachts nach § 88 Abs. 1 und 4 StGB. Dagegen erhob der Mitbeteiligte rechtzeitig Vorstellung.

2 Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 26. Jänner 2021 wurde dem Revisionswerber mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Mitbeteiligten eingestellt wurde. Mit Beschluss vom 3. März 2021 wies das Landesgericht Klagenfurt den Antrag des Opfers auf Fortführung des anhängigen Ermittlungsverfahrens ab und wies auf die Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung hin (§ 196 Abs. 1 StPO).

3 In Erledigung der Vorstellung des Mitbeteiligten untersagte ihm der Revisionswerber mit Bescheid vom 2. März 2021 (zugestellt am 4. März 2021) die Ausübung des ärztlichen Berufs bis zum rechtskräftigen Abschluss des von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eingeleiteten Strafverfahrens. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

4 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis vom 16. Juni 2021 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Vorstellungsbescheid statt und änderte dessen Spruch dahingehend ab, dass der Mandatsbescheid vom 13. November 2020 behoben werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber hätte wegen des geringen Tatverdachts sowie mangels Vorliegens von Gründen des öffentlichen Wohls die ärztliche Berufsausübung nicht untersagen dürfen. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers sei der Mitbeteiligte durch den bis 3. März 2021 aufrecht gebliebenen Mandatsbescheid auch formell beschwert gewesen, weil sein Begehren nicht „auf Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes, sondern auf die nicht Untersagung derselben gerichtet gewesen ist“. Auch vor dem Hintergrund, dass die Behörde innerhalb der Frist des § 57 Abs. 3 AVG das Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, sei der Mandatsbescheid in Kraft geblieben; er habe daher seine Wirkung bis zum Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. März 2021, mit dem das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sei, „bzw. bis zur angefochtenen Entscheidung“, beibehalten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Untersagung der Berufsausübung den Mitbeteiligten bis zu diesem Zeitpunkt beschwert habe.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche (außerordentliche) Amtsrevision, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit einem Antrag auf Aufwandersatz erstattete.

7 Zur ihrer Zulässigkeit führt die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der hg. Rechtsprechung aus, zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde (5. März 2021) gegen den Bescheid des Revisionswerbers vom 2. März 2021 habe dieser Bescheid keine Rechtswirkungen mehr entfaltet, weil die auflösende Bedingung bereits mit rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens am 3. März 2021 eingetreten sei. Der Mitbeteiligte könne daher nicht mehr beschwert sein. Auch der Mandatsbescheid könne den Mitbeteiligten nicht mehr beschweren, weil dieser durch den Vorstellungsbescheid vom 2. März 2021 ersetzt worden sei und ebenfalls nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegolten habe. Das Verwaltungsgericht hätte daher die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Vorstellungsbescheid zurückweisen müssen. Da das Verwaltungsgericht von der hg. Judikatur zur formellen Beschwer abgewichen sei, müsse die Revision „zur Wahrung der öffentlichen Interessen bzw. der objektiven Rechtmäßigkeit sowie der Einheit des Gesetzesvollzugs“ zulässig sein. Zudem seien die Voraussetzungen für die Untersagung der ärztlichen Berufsausübung vorgelegen.

Zu seinem Rechtsschutzinteresse führt der Revisionswerber aus, dass er jedenfalls ein Interesse daran habe, dass der Vorstellungsbescheid nicht in eine Aufhebung des Mandatsbescheides abgeändert werde, weil ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufs im Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides anhängig gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe trotz des anhängigen Strafverfahrens nicht verstanden und eingesehen, dass er im gegenständlichen Fall erhebliche Berufspflichtverletzungen begangen habe, die die vorübergehende Untersagung der Berufsausübung rechtfertigten. Der Mitbeteiligte gehe aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung offenkundig davon aus, dass die Delegation der den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten an nicht ärztliches Personal zulässig sei. Zur Wahrung der öffentlichen Gesundheit und zur Unterbindung der Wiederholungsgefahr sei das angefochtene Erkenntnis daher aufzuheben.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine (auch Amts )Revision zurückzuweisen, wenn bereits im Zeitpunkt ihrer Einbringung kein rechtliches Interesse an einer meritorischen Entscheidung gegeben ist (vgl. etwa VwGH 9.7.2015, Ra 2015/02/0121, mwN). Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Revisionssache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte. Dies gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrundeliegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse sein könnte (vgl. etwa VwGH 25.11. 2021, Ra 2021/10/0127, mwN).

9 Bereits aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ergibt sich, dass die vorläufige Untersagung im Fall der Z 2 mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens befristet ist (vgl. VwGH 26.8.2022, Ra 2022/11/0118). Auf diesen Umstand wies der Revisionswerber sowohl im Mandatsbescheid als auch im Vorstellungsbescheid hin. Da Letzterer erst am 4. März 2021 zugestellt und somit erlassen wurde, ging von ihm entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision bereits im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten am 3. März 2021 von vornherein keine Rechtswirkung iSd. § 62 Abs. 1 ÄrzteG 1998 mehr aus.

10 Der Zeitraum, für den dem Mitbeteiligten die ärztliche Berufsausübung untersagt wurde, war vor Einbringung der vorliegenden Amtsrevision mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens am 3. März 2021 bereits abgelaufen. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht ersichtlich, dass es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers einen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. dass die Erreichung des Verfahrenszieles für sie einen objektiven Nutzen hat (vgl. etwa VwGH 23.9.2019, Ra 2019/03/0106; 21.8.2023, Ro 2023/03/0014; jeweils mwN).

11 Ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung über die Revision lässt sich auch sonst nicht aus dem ÄrzteG 1998 ableiten, da nicht ersichtlich ist, dass die Bestimmung des § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 für etwaige andere behördliche Maßnahmen nach dem ÄrzteG 1998 relevant wäre, die aufgrund der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung zu setzen wären. Insbesondere können Zeiten einer (vorläufigen) befristeten Untersagung der Berufsausübung nach § 62 ÄrzteG 1998 den Streichungstatbestand wegen „Nichtausübung“ gemäß § 59 Abs. 1 Z 3 ÄrzteG 1998 nicht erfüllen ( Kopetzki , Streichung aus der Ärzteliste, RdM 2022/125, 62 [68]). Im Gegensatz zu den Disziplinarstrafen führt die vorläufige Untersagung auch nicht zur Streichung aus der Ärzteliste (vgl. VwGH 25.6.1996, 95/11/0339, sowie Kopetzki , aaO; Schwetz , Die vorläufige Untersagung der Berufsausübung im Ärzte , Zahnärzte und Hebammenrecht, JBl 2021, 763 [766]; jeweils mwN).

12 Im Revisionsfall führte das Landesgericht Klagenfurt im Beschluss vom 3. März 2021 aus, dass der Vorwurf, der Mitbeteiligte habe § 3 Abs. 4 ÄrzteG 1998 (Ärztevorbehalt) verletzt, mit Blick auf die Einschätzung des Sachverständigen, der zufolge leg e artis gehandelt worden sei, nicht von strafrechtlicher Relevanz sei.

Angesichts des auf die Ahndung von allfälligen Berufspflichtverletzungen abzielenden Revisionsvorbringens ist zu betonen, dass die vorläufige Untersagung der Berufsausübung nach § 62 ÄrzteG 1998 keinen strafrechtlichen, sondern einen rein präventiven, gefahrenabwehrenden Charakter hat (vgl. Zahrl in Stöger/Zahrl [Hrsg], ÄrzteG § 62 Rz. 1, mwN). Der Vollständigkeit halber ist im Zusammenhang mit dem vom Revisionswerber behaupteten Berufsrechtsverstoß auf die §§ 136 ff. ÄrzteG 1998 über Disziplinarvergehen hinzuweisen, über welche der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer erkennt (§ 140 ÄrzteG 1998), sowie auf die Verwaltungsstrafbestimmung des § 199 ÄrzteG 1998.

13 Vor dem Hintergrund des Gesagten käme der Beantwortung der in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen für das vorliegende Revisionsverfahren nur mehr theoretische Bedeutung zu.

14 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten war abzuweisen, weil ein weiterer Aufwandersatz unter dem Titel eines ERV Zuschlags nicht vorgesehen ist (vgl. VwGH 23.2.2022, Ra 2019/11/0057, mwN).

Wien, am 9. April 2024

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