JudikaturJustizOm2/13

Om2/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Ljiljana PANTOVIC, Dr. Gerhard PRÜCKNER und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Stefan HARASEK als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   G*****8, Indien, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH, Schubertring 6, 1010 Wien, gegen den Antragsgegner   M a g .   D *****   G *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 17, 1014 Wien, wegen Löschung der Marken Nr 213 649, 194 321, 213 650, 213 652 über die Berufung des Antragsgegners gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 26. November 2012, GZ Nm 118-121/2010-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 1.562,57 EUR bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Text

G r ü n d e:

Mit Antrag vom 3. November 2010 begehrte die Antragstellerin die Löschung der österreichischen Marken Nr 213 649, 213 650, 213 652 und 194 321. Der Antrag wurde dem Antragsgegner am 29. November 2010 mit dem Auftrag zugestellt, binnen zwei Monaten eine Gegenschrift zu erstatten. Diese Frist endete am Montag, dem 31. Jänner 2011. An diesem Tag verfasste der Vertreter des Antragsgegners einen Schriftsatz, mit dem er die Verlängerung der Frist um zwei Monate beantragte. Er begründete dies mit näher dargestellten Zweifeln an der Existenz der Antragstellerin. Dieselben Fragen stellten sich auch in einem deutschen Verfahren, sie würden dort „voraussichtlich geklärt“. Dies sei ein „hinreichender Grund“ für die Verlängerung der Frist. Der Schriftsatz war mit „31. Jänner 201 0 “ datiert, er wurde am 1. Februar 2011 zur Post gegeben und langte am 2. Februar 2011 beim Patentamt ein.

Die Nichtigkeitsabteilung reagierte auf diesen Antrag mit einer an beide Parteien gerichteten Note vom 25. Februar 2011. Darin forderte sie einerseits die Antragstellerin auf, ihre rechtliche Existenz darzulegen. Andererseits wies sie den Antragsgegner darauf hin, dass sein Antrag auf Fristverlängerung den Poststempel vom 1. Februar 2011 trage und daher anscheinend verspätet sei. Wenn der Antragsgegner nicht nachweise, dass er seinen Antrag innerhalb offener Frist zur Post gegeben habe, sei nach § 42 Abs 3 MSchG ohne weiteres Verfahren antragsgemäß zu entscheiden.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2011 beantragte der Antragsgegner die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Gegenschrift. Er habe erstmals durch die Note der Nichtigkeitsabteilung davon Kenntnis erlangt, dass sein Fristantrag verspätet gewesen sei. Sein Rechtsvertreter habe diesen Antrag am 31. Jänner 2011 diktiert. Nach Übertragung des Diktats und Unterfertigung habe seine Sekretärin den Antrag in das dafür vorgesehene Fach „Poststelle“ im Vorraum der Kanzleiräume gelegt. Solche Fächer befänden sich auch an den anderen Standorten der Antragsgegnervertreter. Die Kanzleiboten holten die Post aus diesen Fächern ab, sammelten sie in einem Botenraum im Erdgeschoss eines anderen Kanzleigebäudes und brächten sie von dort am Abend des jeweiligen Tages in das nahe gelegene Postamt 1014 Wien. Dabei handle es sich um ein eingespieltes System, das bisher klaglos funktioniert habe. Der Vertreter des Antragsgegners habe daher annehmen können, dass dies auch beim Fristerstreckungsantrag so erfolgt sei. Ihm sei eine interne Kanzleikopie des Antrags vorgelegen, auf dem seine namentlich genannte Sekretärin neben der Angabe „Einschreiben“ mit ihrer Paraphe bestätigt habe, dass der Schriftsatz an diesem Tag ordnungsgemäß abgefertigt worden sei. Weiters sei ihm ein Email vorgelegt worden, mit welchem der Antrag den Antragstellervertretern nach § 112 ZPO übersendet worden sei. Schließlich habe er einige Minuten später den Antragsgegner mit Email über den Fristerstreckungsantrag informiert. Um 17.30 Uhr desselben Tages habe dann der Kanzleibote, der bereits seit mehr als acht Jahren in der Rechtsanwaltskanzlei tätig gewesen sei, mehrere Poststücke, darunter 20 mit dem Vermerk „Einschreiben“, zum Postamt in „1140 Wien“ gebracht. Aus unvorhergesehenen und unabwendbaren Gründen sei der Antrag auf Fristverlängerung jedoch nicht am 31. Jänner, sondern am 1. Februar 2011 aufgegeben worden. Eine sichere Erklärung dafür gebe es nicht. Angesichts der ansonsten klaglos funktionierenden Kanzleiorganisation könne aber nur ein Versehen (gemeint offenkundig: minderen Grades) vorliegen. Ein vergleichbares Versehen habe es bisher weder im Sekretariat noch beim Boten gegeben.

Zur Bescheinigung seines Vorbringens legte der Antragsgegner Urkunden vor, und zwar eine interne Kanzleikopie des Antrags auf Fristerstreckung datiert mit 31. Jänner 201 0 , ein Email an die Vertreter der Antragstellerin vom 31. Jänner 2011, ein Email an den Antragsgegner ebenfalls vom 31. Jänner 2011 und eine „Eidesstattliche Erklärung“ seines Rechtsvertreters vom 8. April 2011. Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag erstattete er eine Gegenschrift zum Löschungsantrag.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. November 2012 (!) wies die Nichtigkeitsabteilung den Wiedereinsetzungsantrag ab. Der Wiedereinsetzungswerber habe nicht vorgebracht, welches unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis ihn gehindert habe, die Frist zur Erstattung der Gegenschrift einzuhalten. Seine Darlegungen enthielten keinen Hinweis auf ein Kontrollsystem bezüglich des Postausgangs, woraus auf eine Verletzung der anwaltlichen Überwachungspflicht geschlossen werden könne. Auch sei kein Beleg vorgelegt worden, dass genau das fragliche Schriftstück tatsächlich in das „Postablagefach“ der Kanzlei gelangt, vom Boten übernommen und danach – noch am selben Tag – zur Post gelangt sei. Insbesondere seien keine Kopien aus einem Postausgangsbuch und auch keine Postaufgabebestätigung vorgelegt worden. Aus dem Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers gehe - offenbar infolge eines nicht vorhandenen Kontrollsystems in der Kanzlei - nicht hervor, worin das Fehlverhalten der Sekretärin oder des Boten liegen sollte. Nach dem Vorbringen sei offen, wer für das zur Fristversäumung führende Fehlverhalten verantwortlich war. Ungeklärte Umstände seien aber kein Wiedereinsetzungsgrund. Eine mangelhafte Organisation beim berufsmäßigen Parteienvertreter gehe zu Lasten der Partei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Antragsgegners ist nicht berechtigt .

1. Nach § 42 Abs 1 MSchG sind im markenrechtlichen Löschungsverfahren (unter anderem) die Bestimmungen des Patentgesetzes über die Wiedereinsetzung sinngemäß anzuwenden. Diese wiederum sind – abgesehen von den längeren Fristen für den Wiedereinsetzungsantrag – den §§ 146 ff ZPO nachgebildet: Die Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn der Antragsteller durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, eine Frist einzuhalten; eine Versäumung, die auf einem minderen Grade des Versehens beruht, schadet dabei nicht (§ 129 Abs 1 PatG). Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, spätestens jedoch binnen zwölf Monaten nach Ablauf der Frist zu überreichen (§ 131 Abs 1 PatG). Der Wiedereinsetzungswerber hat darin die zur Begründung seines Antrages dienenden Umstände anzuführen und glaubhaft zu machen (§ 131 Abs 2 PatG).

2. Das Vorbringen des Antragsgegners ist von vornherein nicht geeignet , die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Gegenschrift zu begründen.

2.1. Der Antragsgegner behauptet nicht, dass er an der Einhaltung dieser Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert worden wäre. Vielmehr hat er sie ganz bewusst nicht eingehalten , sondern stattdessen deren Verlängerung beantragt. Ein Antrag auf Fristverlängerung muss zwar spätestens am letzten Tag der zu verlängernden Frist gestellt werden, um überhaupt Erfolg haben zu können; er unterbricht den Fristenlauf aber nicht ( Buchegger in Fasching/Konecny 2 II/2 § 128 ZPO Rz 18, Gitschthaler in Rechberger 3 §§ 128-129 ZPO, Rz 3; OGH 2 Ob 161/11g mwN). Ob er tatsächlich zur Erstreckung führt, hängt vielmehr von seiner inhaltlichen Berechtigung ab. Auch wenn der Antrag daher rechtzeitig zur Post gegeben worden wäre, hätte er daher als solcher nicht zur Verlängerung der Frist für die Erstattung der Gegenschrift geführt; vielmehr hätte sich diese Rechtsfolge erst aus einer allenfalls stattgebenden Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ergeben können.

2.2. Das Vorbringen zu den angeblich nicht aufklärbaren, jedenfalls aber kein grobes Verschulden begründenden Umständen bei der Postaufgabe des Fristverlängerungsantrags geht daher am Problem vorbei: Der Antragsgegner hätte darlegen müssen, aufgrund welchen unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses er an der rechtzeitigen Erstattung der Gegenschrift gehindert war. Dass sich seine Hoffnung nicht realisiert hat, durch ein am letzten Tag der Frist unterfertigtes Fristgesuch eine Verlängerung dieser Frist zu erreichen, kann selbst bei weitester Auslegung nicht als solches Ereignis angesehen werden.

3. Der Wiedereinsetzungswerber geht offenbar davon aus, dass er die Frist für die Gegenschrift ganz allgemein auch durch Einbringen eines Fristerstreckungsantrags wahren konnte. Damit könnte er aber, wenn überhaupt, nur dann durchdringen, wenn der Antrag auch inhaltlich Erfolg gehabt hätte. Dies setzte nach § 42 Abs 1 MSchG iVm § 115 Abs 2 PatG das Vorliegen „rücksichtswürdiger Gründe“ voraus. Solche Gründe sind hier aber nicht zu erkennen, verwies der Antragsgegner doch ausschließlich auf die fehlende „rechtliche Existenz“ der Antragstellerin, die auch in einem deutschen Verfahren geprüft würde. Die Parteifähigkeit hat das Patentamt aber von Amts wegen zu prüfen; es hätte daher genügt, die Bedenken in der Gegenschrift zu äußern. Für ein Abwarten, wie in einem in Deutschland anhängigen Verfahren entschieden wird, bestand kein Grund; eine in einem solchen Verfahren ergehende Entscheidung wäre schon mangels Identität des Streitgegenstands nicht bindend. Der Antragsgegner hat damit einen „rücksichtswürdigen“ Grund für die Nichteinhaltung der ohnehin zweimonatigen Frist – der etwa in besonderen, über den Regelfall hinausgehenden Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung bestehen könnte – nicht einmal behauptet. Dem Fristerstreckungsantrag wäre daher nicht stattzugeben gewesen. Damit wäre aber die Frist für die Gegenschrift auch dann ungenutzt abgelaufen, wenn der Antragsgegner den Fristerstreckungsantrag noch am 31. Jänner 2012 zur Post gegeben hätte. Auf die von der Nichtigkeitsabteilung erörterte Frage, ob der Antragsgegner in Bezug auf das Einbringen des Fristerstreckungsantrags überhaupt ein „Ereignis“ im Sinne von § 129 Abs 1 PatG behauptet hat (vergleiche Om 8/08, PBl 2009, 174), kommt es auf dieser Grundlage nicht an.

4. Aus diesen Gründen muss die Berufung des Antragsgegners scheitern.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 140 Abs 1, 134 Abs 2 PatG. Die von der Antragstellerin verzeichneten Kosten sind in zwei Punkten zu korrigieren.

5.1. § 23 Abs 9 RATG, wonach der Einheitssatz für die Berufung und die Berufungsbeantwortung dreifach zuzusprechen ist, ist nicht anwendbar. Denn diese Bestimmung knüpft an den Begriffen des Zivilprozesses an und erfasst daher ausschließlich Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung. Im vorliegenden Fall bekämpft der Antragsgegner aber nur die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrags. Sein Rechtsmittel wäre daher im Zivilprozess ein Rekurs. Diese Unterscheidung liegt offenkundig auch dem § 142 Abs 1 Z 4 PatG zugrunde, wonach der Oberste Patent- und Markensenat über die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags mit Beschluss und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden hat. Damit sind die Voraussetzungen für die Anwendung von § 23 Abs 9 RATG nicht erfüllt. Es gebührt daher nur einfacher Einheitssatz.

5.2. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für ein ausländisches Unternehmen gelten als an dessen Sitz erbracht ( Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig , UStG-ON2.03 § 3a UStG Rz 89 [Stand 1. März 2013] mwN) und unterliegen daher nicht der österreichischen Umsatzsteuer (RIS-Justiz RS0114955). Nur diese hat die Antragstellerin – eine indische Gesellschaft – hier aber angesprochen. Dass sie mit Umsatzsteuer ihres Sitzstaates belastet wäre, hätte sie dem Grunde und der Höhe nach bescheinigen müssen (3 Ob 127/12s mwN). Umsatzsteuer ist daher nicht zuzusprechen.

Rechtssätze
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