JudikaturJustizDs29/12

Ds29/12 – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Greller als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr.Klobassa und den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DI Dr.Luger, im Beisein der Richteramtsanwärterin Mag a .Kogler, in der Dienststrafsache gegen den Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft ***** Mag.***** wegen des Verdachtes der Verletzung der Dienstpflichten des § 57 Abs 3 RStDG über Antrag des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Graz als Disziplinaranwalt und nach Anhörung des Disziplinarbeschuldigten in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Mag.***** hat dadurch, dass er am 2.Mai 2011, dem Tag der Verkündung des freisprechenden Urteils erster Instanz im beim Landesgericht ***** anhängigen „*****verfahren“, am (halb-)geöffneten Fenster eines Amtszimmers des Landesgerichtes bzw der Staatsanwaltschaft ***** stehend, somit auf eine für justizfremde Dritte wahrnehmbare Weise, eine Schussabgabe mit einem mit den Händen bzw Armen geformten Gewehr in Richtung jener Menschenmenge, die vor dem Gerichtsgebäude in karnevalsartiger Stimmung den Freispruch jener „*****“ feierte, simulierte, die Verpflichtung nach § 57 Abs 3 RStDG sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen des Berufsstandes der Staatsanwälte nicht gefährdet wird,

v e r l e t z t.

Er hat hiedurch ein Dienstvergehen gemäß § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Über ihn wird hiefür gemäß § 110 Abs 2 RStDG iVm § 104 Abs 1 lit a RStDG die Disziplinarstrafe des

V e r w e i s e s

verhängt.

Weiters wird das Disziplinarverfahren eingestellt (§ 130 Abs 1 RStDG).

Text

B e g r ü n d u n g :

Im August 2012 wurde der Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft ***** Mag.***** von einer Mitarbeiterin des ORF damit konfrontiert, dass Bildmaterial vorliege, wonach der im Spruch genannte Verdacht bestehe. Der Disziplinarbeschuldigte informierte hievon die Behördenleiterin und jene den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft *****, der den Beschuldigten hiezu am 31.August 2012 vernahm und Disziplinaranzeige erstattete.

Vom Disziplinargericht wurde am 22.November 2012 wegen jenes Verdachtes gemäß § 123 Abs 1 RStDG die Disziplinaruntersuchung eingeleitet.

Der Disziplinarbeschuldigte gab eine schriftliche Stellungnahme ab. Sein Personalakt wurde (in elektronischer Form) eingesehen. In Kenntnis des Antrages des Disziplinaranwaltes, den Beschluss über die Einstellung des Disziplinarverfahrens mit dem Ausspruch eines Verweises zu verbinden (§ 130 Abs 1 RStDG iVm § 110 Abs 2 RStDG), gab der Disziplinarbeschuldigte hiezu keine schriftliche Stellungnahme ab (ON 16) und stellte auch keinen Antrag auf Ergänzung der Disziplinaruntersuchung (ON 19).

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der am ***** geborene Disziplinarbeschuldigte wurde nach Ablegung der Richteramtsprüfung mit sehr gutem Erfolg mit Wirksamkeit vom 1.Juli 2007 auf die Planstelle eines Staatsanwaltes der Staatsanwaltschaft ***** in der Gehaltsgruppe St1 ernannt. Er war zum Zeitpunkt der gegenständlichen Dienstpflichtverletzung auch stellvertretender Leiter der Medienstelle der Staatsanwaltschaft *****.

Am 2.Mai 2011 wurden sämtliche Angeklagte eines langwierigen Hauptverfahrens (sogenannter „*****prozess“) von der gegen sie erhobenen Anklage freigesprochen. Nach Verkündung des freisprechenden Urteils erster Instanz feierten Angeklagte bzw deren Sympathisanten den Freispruch vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft ***** bzw des Landesgerichtes ***** in lautstarker, karnevalsartiger Weise. Der Disziplinarbeschuldigte, der schon während des langen Strafverfahrens immer wieder durch lautstarke Sympathiekundgebungen der Sympathisanten der *****aktivisten an einer konzentrierten Arbeit gestört worden war, der aber sonst keinerlei Bezug zum genannten Strafverfahren hatte, verlor ob der nunmehrigen Karnevalstimmung die Beherrschung und ließ sich dazu hinreißen, am halbgeöffneten Fenster eines Amtsraumes im zweiten Stock des Amtsgebäudes stehend eine Schussabgabe mit einem mit den Händen bzw Armen geformten imaginären Gewehr in Richtung jener feiernden Menschenmenge vor dem Gebäude zu simulieren, wobei er durch gleichzeitiges kurzes Nach-Oben-Bewegen beider Hände und einer den Eindruck eines Schuss- oder Knallgeräusches erweckenden Gestik mit seinem Mund diese Nachahmung zusätzlich bekräftigte. Der Disziplinarbeschuldigte wähnte sich hiebei zu Unrecht unbeobachtet, weil zwar offenkundig von jenen Sympathisanten niemand ihn am Fenster stehend wahrnahm, jedoch ein Filmteam des ORF sein Verhalten filmisch festhielt und ihn wenige Tage vor der für 31.August ***** terminisierten Ausstrahlung der „***** – Reportage“ mit dem Titel „Märtyrer oder Mafiosi?“ im ORF mit diesem Bildmaterial konfrontierte.

Der Disziplinarbeschuldigte hat sich sofort zu jenem Vorfall bekannt, sich im Verfahren von Anfang an reuig geständig verantwortet und erklärt, den Vorfall zutiefst zu bedauern.

Das wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB gegen den Disziplinarbeschuldigten eingeleitete Strafverfahren wurde mit Genehmigung der Oberstaatsanwaltschaft ***** und dem Bundesministerium für Justiz von der Staatsanwaltschaft ***** am 9.Oktober 2012 gemäß § 190 Zahl 1 StPO eingestellt (*****St ***** der Staatsanwaltschaft *****).

Sämtliche vorhandenen Beweisergebnisse decken sich mit dem angenommenen Sachverhalt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 57 Abs 3 RStDG hat der Staatsanwalt im und außer Dienst alles zu unterlassen, was das Vertrauen in die staatsanwaltschaftlichen Amtshandlungen oder die Achtung vor dem Stande der Staatsanwälte schmälern könnte. Diese Dienstpflicht hat der Disziplinarbeschuldigte dadurch, dass er ohne jeglichen achtenswerten Beweggrund sein Missfallen über den Ausgang jenes „*****prozesses“ bzw zumindest über die Lärmerregung der jene *****aktivisten unterstützenden Sympathisanten zum Ausdruck brachte und hiebei (zumindest versteckt) andeutete, derartigen Sympathiekundgebungen sollte mit Nachdruck entgegengetreten werden, verletzt. Auch wenn der Disziplinarbeschuldigte bislang in seiner beruflichen Tätigkeit in keiner Weise beanstandet werden musste und somit disziplinarrechtlich unbescholten ist, zwingt die weite mediale Verbreitung durch Ausstrahlung des inkriminierten Filmmaterials am 31.August ***** dazu, von einer Schwere der Verfehlung auszugehen, die gemäß § 101 Abs 1 RStDG ein Dienstvergehen darstellt.

Dieses Dienstvergehen konnte einerseits nicht mehr gemäß § 101 Abs 3 RStDG durch einen Schuldspruch allein geahndet werden, weil das Ansehen des Berufsstandes der Staatsanwälte auf für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbare Weise beeinträchtigt wurde. Da andererseits der Vorsatz des Disziplinarbeschuldigten nicht auf die Wahrnehmbarkeit seines Verhaltens durch Dritte gerichtet war, genügt die mildeste Form der Disziplinarstrafe in Form des in § 104 Abs 1 lit a RStDG vertypten Verweises, um den Disziplinarbeschuldigten von zukünftigen Verfehlungen abzuhalten. Die Disziplinarstrafe des Verweises trägt fallbezogen sowohl dem Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert der inkriminierten Fehlleistung als auch den Präventionserfordernissen ausreichend Rechnung.

In Übereinstimmung mit dem Antrag des Disziplinaranwaltes war sohin gemäß § 130 Abs 1 iVm § 110 Abs 2 RStDG jeweils beschlussmäßig das Disziplinarverfahren einzustellen und die Disziplinarstrafe des Verweises zu verhängen.

Da gemäß § 137 Abs 2 RStDG ein Kostenersatz durch den Disziplinarbeschuldigten nur im Falle der Verhängung einer Disziplinarstrafe durch nach mündlicher Verhandlung gefälltes Erkenntnis in Betracht kommt, entfällt im Anlassfall eine Kostenersatzpflicht des Disziplinarbeschuldigten (vgl zur alten Rechtslage RIS-Justiz RS0072791, OGH Ds 1/79 (T 1)).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt

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