JudikaturJustizDs25/14

Ds25/14 – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
29. September 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Greller als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Bott sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DI Dr.Luger, im Beisein der Richteramtsanwärterin Mag a .Buchner als Schriftführerin, in der Dienststrafsache gegen die Richterin des Bezirksgerichtes *****, Mag a .***** , in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwaltes Mag.Kloibhofer als Disziplinaranwalt und der Beschuldigten Mag a .***** nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Richterin des Bezirksgerichtes ***** Mag a .***** ist

s c h u l d i g ,

sie hat am 23. und 30.März 2011 in ***** als Richterin des dortigen Bezirksgerichtes dadurch, dass sie als Beamtin (im nach dem StGB maßgeblichen funktionalen Sinn) mit dem Vorsatz, dadurch Mag.***** und andere Personen an deren Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, an denen diese ein schutzwürdiges Interesse haben (§ 1 DSG), zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbrauchte, indem sie ohne dienstliches Erfordernis im elektronischen Abfragesystem der Justiz (kurz: VJ) Daten zum Zivilverfahren ***** des Bezirksgerichtes ***** abfragte und dadurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB beging, die in § 57 Abs 1 und 3 RStDG normierten Pflichten, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten und sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihres Berufsstandes nicht gefährdet wird, verletzt.

Sie hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Über sie wird hiefür gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe eines halben Monatsbezuges verhängt.

Gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG hat sie die mit EUR 300,00 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

GRÜNDE:

Die Beschuldigte Mag a .***** ist seit ***** Richterin des Bezirksgerichtes *****.

Mit Disziplinaranzeige vom 11.Dezember 2014 teilte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien mit, dass die Beschuldigte mit Urteil des Landesgerichtes ***** vom 4.April 2014, *****, wegen am 23. und am 30.März 2011 ohne dienstliches Erfordernis durchgeführter Abfragen im elektronischen Abfragesystem der Justiz (VJ) der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Die gegen dieses Urteil von der Beschuldigten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sei mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 24.November 2014, *****, verworfen, der Berufung der Beschuldigten nicht Folge gegeben worden (ON 1).

Über Antrag des Disziplinaranwaltes wurde nach am 21.Jänner 2015 durchgefürhter Vernehmung der Beschuldigten und nach Beischaffung des Aktes ***** des Landesgerichtes ***** die Disziplinarsache wegen des konkreten Verdachtes, die Beschuldigte habe durch das jenem strafgerichtlichen Schuldspruch zugrundeliegende Verhalten auch eine Dienstpflichtverletzung nach § 101 Abs 1 RStDG begangen, mit Verweisungsbeschluss des Disziplinargerichtes vom 5.März 2015 gemäß § 123 Abs 4 zweiter Fall RStDG zur mündlichen Verhandlung verwiesen (ON 11).

Sowohl vor dem Untersuchungskommissär wie auch in der Hauptverhandlung erklärte die Beschuldigte, ihre Verfehlung einzusehen, wobei sie letztlich aber beantragte, von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abzusehen, weil nach ihrer strafgerichtlichen Verurteilung kein disziplinärer Überhang bestehe und sie durch die strafgerichtliche Verurteilung allein schon empfindliche Nachteile erlitten habe.

Zur Person der Beschuldigten:

Die seit ***** auf die Planstellen einer Richterin des Bezirksgerichtes ***** ernannte Disziplinarbeschuldigte wurde am ***** geboren. Sie legte die Richteramtsprüfung am ***** mit gutem Erfolg ab und wurde am ***** zur Richterin des ***** ernannt, wobei sie seither teils am *****, teils an diesem unterstehenden Bezirksgerichten Dienst versieht. Ihre (letzte) Dienstbeschreibung vom ***** lautet auf „sehr gut“. Nach den Regelrevisionsberichten ist ihre Arbeitsweise vor allem auf rasche Erledigung, teils zu Lasten der Genauigkeit, gerichtet und die Arbeitsgestaltung und Tätigkeitsabfolge von langjähriger Erfahrung geprägt. Die Arbeitsbewältigung bereitet ihr aufgrund ihrer Routine in allen Bereichen - sie ist in Zivil-, Straf- und Außerstreitsachen tätig - keine Schwierigkeiten. Sie verdient monatlich netto etwa EUR 3.400,00 (14mal jährlich), wobei infolge ihres seit Anfang 2015 wegen psychischer Probleme andauernden Krankenstandes ihr derzeitiger Bezug etwa EUR 2.700,00 netto beträgt. Sie hat keine Sorgepflichten, keine Verbindlichkeiten und ist ledig. An Vermögen weist sie etwa 2,5 Hektar landwirtschaftliche Grundfläche auf.

Sie befindet sich seit Mitte August 2014 in psychotherapeutischer Behandlung und absolvierte zwischen Anfang April und Mitte Mai 2015 eine stationäre psychiatrische Behandlung in der Reha-Klinik *****, in der die Symptome von Lebensüberdruss, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, diffusen Ängsten und eines Erschöpfungszustandes durch Mobbing konstatiert wurden. Laut Gutachten des vom Disziplinargericht beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Prof.Dr.Peter Költringer vom 19.August 2015 (ON 18) leidet sie weiterhin an einer mäßigen depressiven Verstimmung und einer generalisierten Angststörung.

Zur Sache:

Auf die am ***** durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ausgeschriebene Planstelle des Vorstehers bzw der Vorsteherin des Bezirksgerichtes ***** (Ende der Bewerbungsfrist war der *****) bewarben sich am ***** die Beschuldigte sowie weiters noch der am ***** geborene Vorsteher des Bezirksgerichtes *****, Mag.*****, der mit ***** zum Richter ernannt worden war. Die Beschuldigte sah aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und ihrer teilweisen Vertretungstätigkeit für den vormaligen Vorsteher des Bezirksgerichtes ***** ihren Konkurrenten als für die ausschreibende Stelle weniger geeignet an als sich selbst. Als sie von ihrem Lebensgefährten, einem Rechtsanwalt in *****, erfuhr, dass dieser als zufälliger kurzer Zuhörer einer mündlichen Streitverhandlung am Bezirksgericht ***** wahrgenommen hatte, dass Mag.***** als Partei oder Zeuge in jenem Verfahren angegeben hatte, zwecks Ersparnis an österreichischer Normverbrauchsabgabe habe er bei Abschluss eines Kaufvertrages über einen in der Bundesrepublik Deutschland bei ***** erworbenen Pkw einen geringeren als den tatsächlich bezahlten Kaufpreis angeführt, war die Neugierde der Beschuldigten im Hinblick auf das anhängige Besetzungsverfahren geweckt. Die Beschuldigte brachte über einen Mitarbeiter des Bezirksgerichtes ***** das Aktenzeichen des genannten Zivilverfahrens in Erfahrung, nahm - ohne dienstliches Erfordernis und ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten - über das VJ Einsicht in die Daten dieses Zivilverfahrens und druckte mehrere Seiten des (als Textdatei abrufbaren) Verhandlungsprotokolles vom 13.Jänner 2011 aus. Hiebei handelte sie mit dem Vorsatz, dadurch ihren (als Zeugen vernommenen) Mitbewerber, dessen (im Zivilverfahren als Klägerin fungierende) Gattin und den (als Beklagten auftretenden ausländischen) Verkäufer in deren Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, an denen diese ein schutzwürdiges Interesse haben (§ 1 DSG) und die weder allgemein verfügbar noch der Beschuldigten bekannt waren, zu schädigen. Bei der Beschaffung dieser Daten missbrauchte die Beschuldigte sohin wissentlich ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte in Form der elektronischen Abfrage von Daten über das VJ vorzunehmen.

Ohne dass die Beschuldigte die ihr zugekommenen Daten vorerst weitergab, wurde entsprechend den Besetzungsvorschlägen der Personalsenate beim Landesgericht ***** und beim Oberlandesgericht Wien ***** Mag.***** mit ***** zum Vorsteher des Bezirksgerichtes ***** ernannt. Die Beschuldigte nahm hierauf Kontakt mit der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Bundesministerium für Justiz auf, die über ihren Antrag am 2.September 2011 bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt die Feststellung einer Diskriminierung der Beschuldigten aufgrund des Geschlechtes bei ihrer Bewerbung um die genannte Planstelle gemäß § 4 Z 5 B-GlBG begehrte. Die ungerechtfertigt angefertigten Ausdrucke über die mündliche Streitverhandlung vom 13.Jänner 2011 wies die Beschuldigte, die sich seit Sommer 2011 von ihrem Mitbewerber „gemobbt“ fühlt, sowohl der obgenannten Arbeitsgruppe vor als sie diese auch dem Leiter der Abteilung III 5, Personalangelegenheiten der Richter und Staatsanwälte, im Bundesministerium für Justiz, LStA Mag.Schwanda, der von der Bundes-Gleichbehandlungskommission vernommen wurde, am 17.Juli 2012 übergab. Die Bundes-Gleichbehandlungskommission kam in ihrem Gutachten vom 17.Juli 2012 zum Ergebnis, dass die Nichtberücksichtigung der Beschuldigten bei der Bewerbung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gemäß § 4 Z 5 B-GlBG darstelle. Das Bundesministerium für Justiz übermittelte die von der Beschuldigten übergebenen Protokolle hierauf der Anklagebehörde, die demgemäß das zum rechtskräftigen strafgerichtlichen Schuldspruch der Beschuldigten führende gerichtliche Strafverfahren einleitete.

Die getroffenen Feststellungen stützen sich, was die amtsmissbräuchliche Vorgehensweise der Beschuldigten anlangt, auf die Feststellungen im rechtskräftig abgeschlossenen strafgerichtlichen Verfahren, an die das Disziplinargericht gebunden ist (RIS-Justiz RS0115626). Die jener amtsmissbräuchlichen Vorgehensweise vorangehenden Geschehnisse und die die strafgerichtliche Verurteilung (und damit auch die Dienstpflichtverletzung) nicht mehr tangierenden Geheimnisverwertungshandlungen der Beschuldigten ergeben sich ebenfalls aus dem Akt ***** des Landesgerichtes *****. Gegenteilige Beweisergebnisse liegen nicht vor, sodass sich eine nähere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Beschuldigte durch ihre amtsmissbräuchliche Vorgangsweise gravierend gegen die in § 57 Abs 1 und 3 RStDG normierten Verpflichtungen, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten und sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen des Berufsstandes nicht gefährdet wird, verstieß. Allein schon die Begehung eines mit sechsmonatiger bis fünfjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Deliktes, nämlich des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, stellt nach Art und Schwere der Verfehlung ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG dar. Eine (noch dazu teilweise in Strafsachen tätige) Richterin, die ohne jegliches dienstliches Interesse, vielmehr aus bloßer Neugier und zur Stillung ihres eigenen Informationsbedürfnisses im Zusammenhang mit einer von ihr angestrebten Ernennung, das Recht auf Geheimhaltung der personenbezogenen Daten ihres Mitbewerbers, dessen Ehegattin und deren Vertragspartners vorsätzlich unter wissentlichem Missbrauch ihrer Befugnis, über das VJ aus dienstlichen Interessen auch in von ihr nicht zu bearbeitende Akten einzusehen, verletzt, beeinträchtigt das Vertrauen in den Richterstand und in die richterliche Berufsausübung derart gravierend, dass es dem legitimen Interesse des Richterstandes entspricht, den disziplinären Überhang dieses gerichtlich strafbaren Verhaltens, mit dem über die bloße strafrechtliche Relevanz hinaus auch eine Gefährdung des Standesansehens einhergeht, disziplinarrechtlich effektiv zu ahnden (vgl RIS-Justiz RS0121152). Entgegen der Ansicht der Beschuldigten stellt ein Absehen von der Verhängung einer Disziplinarstrafe nach § 101 Abs 3 erster Satz RStDG somit keine angemessene Reaktion auf jene Dienstpflichtverletzung dar, vielmehr bedarf der obgenannte disziplinäre Überhang der Ahndung durch eine Disziplinarstrafe.

Bei deren Bestimmung ist im einzelnen Fall auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Richters Bedacht zu nehmen (§ 101 Abs 2 erster Satz RStDG). Dabei sind unter Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß §§ 32ff StGB auch Erwägungen der General- und Spezialprävention anzustellen (OGH 11.März 2002, Ds 9/01; OGH 29.September 2009, Ds 9/09).

Als mildernd war der tadellose berufliche Lebenswandel der Beschuldigten, ihr reumütiges Geständnis sowie der Umstand, dass die Beschuldigte durch das gerichtliche Strafverfahren insofern erhebliche finanzielle und sonstige Nachteile erlitt, als sie einerseits die von ihr mit etwa EUR 10.000,00 bezifferten Verteidigerkosten zu tragen hat und andererseits auch bei einer von ihr angestrebten beruflichen Veränderung durch die strafrechtliche Verurteilung in Bewerbungsverfahren wenig chancenreich ist, zu berücksichtigen. Erschwerend fällt ins Kalkül, dass die Beschuldigte zwei Übergriffe (am 23. und 30.März 2011) zu verantworten hat. Zwar kommt dem reumütigen Geständnis im Hinblick auf die dem Disziplinarverfahren zugrundeliegende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung kein besonderes Gewicht zu (OGH 29.September 2009, Ds 9/09), doch kann auch nicht gänzlich übersehen werden, dass die Beschuldigte von ihrem Lebensgefährten gerüchteweise vom Verdacht eines Fehlverhaltens eines Richters erfahren hatte, der nun im Bewerbungsverfahren ihr unmittelbarer Konkurrent war, sodass sie sich offensichtlich dazu hinreißen ließ, auf die genannte amtsmissbräuchliche Vorgangsweise jenem Verdacht nachzugehen. Immerhin hat die Beschuldigte jenen Verdacht gegen ihren Kollegen weder im Bewerbungsverfahren noch vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission zu ihrem Vorteil zu nutzen versucht, sondern am 17.Juli 2012 ausschließlich dem Leiter der Sektion Personal im Bundesministerium für Justiz von ihrem Verdacht Mitteilung gemacht. Die ihrem Mitbewerber seit dessen Ernennung zum Vorsteher des Bezirksgerichtes ***** von der Beschuldigten angelasteten Verstöße nach § 57a RStDG („Mobbing“) beziehen sich zur Gänze auf die Zeit nach dem ***** und haben somit auf die gegenständliche Straffindung keinen Einfluss.

Bei Beachtung dieser Umstände ist zwar die Disziplinarstrafe des Verweises nicht geeignet, den zur Hintanhaltung ähnlicher Dienstpflichtverletzungen durch andere Richter und Staatsanwälte notwendigen Abschreckungseffekt zu erzielen, allerdings wird eine Geldstrafe in der Höhe eines halben Monatsbezuges (vgl § 104 Abs 1 lit b RStDG) sowohl der Schwere des Dienstvergehens und dem Verschulden der Beschuldigten als auch generalpräventiven Bedürfnissen - spezialpräventive Erfordernisse einer disziplinarrechtlichen Bestrafung sind nach dem gerichtlichen Strafverfahren nicht mehr gegeben - gerecht.

Bei der Bestimmung der von der Beschuldigten zu ersetzenden Kosten wurde auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschuldigten und den (nicht sehr hohen) Umfang des Disziplinarverfahrens Bedacht genommen.

Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte

Rechtssätze
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