JudikaturJustizBsw29381/09

Bsw29381/09 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
07. November 2013

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache Vallianatos u.a. gg. Griechenland, Urteil vom 07.11.2013, Bsw. 29381/09.

Spruch

Art. 8, 14 EMRK - Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren vom Eingehen einer zivilen Partnerschaft.

Verbindung der Beschwerden (einstimmig).

Zulässigkeit der Beschwerden der Bf. G. Vallianatos und N. Mylonas, C.S., E.D., K.T., M.P., A.H. und D.N. hinsichtlich Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK (mehrheitlich).

Unzulässigkeit der Beschwerde im Übrigen (einstimmig).

Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK (16:1 Stimmen).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: € 5.000,– an jeden der Bf. mit Ausnahme des bf. Vereins in Bsw. Nr. 32.684/09 für immateriellen Schaden, insgesamt € 5.000,– an die Bf. der Bsw. Nr. 29.381/09 und insgesamt € 6.000,– an die sechs individuellen Bf. der Bsw. Nr. 32.684/09 für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Bei den Bf. der ersten Beschwerde (Nr. 29.381/09) handelt es sich um zwei männliche griechische Staatsangehörige, die als Paar zusammenleben. Die zweite Beschwerde (Nr. 32.684/09) wurde von sechs Personen desselben Geschlechts und vom Verein »Synthessi – Information, Bewusstseinsbildung und Forschung« (der homosexuellen Personen psychologischen und moralischen Halt geben soll) eingebracht. Vier der Bf. haben für lange Zeit als Paar zusammengelebt, der fünfte und sechste Bf. sind miteinander liiert, leben jedoch aus beruflichen und sozialen Gründen nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Der FünftBf. erhält vom SechstBf. Beiträge aus der Sozialversicherung.

Am 26.11.2008 trat das Gesetz Nr. 3.719/2008 (»Reformen betreffend die Familie, Kinder und Gesellschaft«) in Kraft, mit dem zum ersten Mal in Griechenland eine andere amtliche Form der Partnerschaft als die Ehe eingeführt wurde, nämlich die »zivile Partnerschaft«. Gemäß § 1 leg. cit. konnte eine derartige Verbindung nur von Erwachsenen verschiedenen Geschlechts eingegangen werden. Der Verabschiedung des Gesetzes waren lebhafte pro- und contra-Debatten vorangegangen. So gab etwa der Wissenschaftliche Ausschuss des Parlaments zu bedenken, dass »Familie« iSv. Art. 8 EMRK auch andere Verbindungen außerhalb der Ehe umfassen könne, während der Justizminister darauf beharrte, dass die heutige Gesellschaft noch nicht so weit sei, ein Zusammenleben zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren zu akzeptieren. Die Nationale Menschenrechtskommission sah in dem Gesetzesentwurf eine Diskriminierung von homosexuellen Paaren und empfahl erfolglos eine Erstreckung der zivilen Partnerschaft auf sie.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behaupten Verletzungen von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) iVm. Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und von Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz).

Verbindung der Beschwerden

Die Bf. beider Beschwerden beklagen sich über den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vom Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 3.719/2008. Angesichts des ähnlichen Vorbringens bzw. Beschwerdegegenstands beschließt der GH, die beiden Beschwerden miteinander zu verbinden und sie gemeinsam zu prüfen.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK

Die Bf. bringen vor, die Tatsache, dass die durch das Gesetz Nr. 3.719/2008 eingeführte zivile Partnerschaft nur auf verschiedengeschlechtliche Paare Anwendung finde, verletze ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und führe zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare.

Zur Zulässigkeit

Die Regierung bringt vor, die Beschwerde sei unzulässig ratione personae. Insbesondere könne der Verein »Synthessi« nicht als Opfer einer Konventionsverletzung erachtet werden, während die übrigen Bf. keinen unmittelbaren Schaden aufgrund der Unmöglichkeit, eine zivilrechtliche Partnerschaft eingehen zu können, erlitten hätten. Letzteren würde der Opferstatus fehlen, da die von ihnen behaupteten Nachteile hinsichtlich (potentieller) Ansprüche auf Unterhalt und Erbteil sowie bezüglich finanzieller Fragen hypothetisch seien und auf Spekulation beruhten. Ferner hätten die Bf. nicht alle verfügbaren Rechtsbehelfe ausgeschöpft. So wäre ihnen gemäß § 105 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch eine Schadenersatzklage vor den Verwaltungsgerichten wegen Handlungen bzw. Unterlassungen von staatlichen Organen offen gestanden.

Zur Opfereigenschaft

Was den bf. Verein angeht, weist der GH darauf hin, dass dieser im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen nicht als direktes bzw. indirektes Opfer iSv. Art. 34 EMRK angesehen werden kann. Was die restlichen Bf. betrifft, handelt es sich um volljährige Personen, welche eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingegangen sind und von denen einige im gemeinsamen Haushalt leben. Indem sie als Folge von § 1 des Gesetzes Nr. 3.719/2008 eine zivile Partnerschaft weder eingehen noch ihre Beziehung gemäß den Regelungen dieses Gesetzes gestalten können, sind sie von der Situation direkt betroffen und haben ein legitimes persönliches Interesse daran, dass diese ein Ende finden möge. Die individuellen Bf. können sich daher als »Opfer« betrachten. Der diesbezügliche Einwand der Regierung ist somit zurückzuweisen.

Zur Nichterschöpfung des Instanzenzugs

Der von der Regierung genannte Rechtsbehelf sieht für die betroffene Person die Gewährung von Schadenersatz im Hinblick auf Akte oder Unterlassungen in der Ausübung von Amtsgewalt vor. Im vorliegenden Fall beklagen sich die Bf. jedoch über eine andauernde Verletzung von Art. 8 und 14 EMRK aufgrund der fehlenden Möglichkeit, als gleichgeschlechtliches Paar eine zivile Partnerschaft eingehen zu können. Der bloße Zuspruch einer finanziellen Entschädigung würde daher den von ihnen behaupteten Missständen nicht abhelfen. Dazu kommt, dass der Staat auch im Fall einer Stattgebung der Schadenersatzklage durch die Gerichte nicht verpflichtet wäre, das strittige Gesetz abzuändern.

Die Regierung vermochte somit nicht überzeugend darzulegen, dass die Bf. im Wege der Einbringung einer Schadenersatzklage der beschriebenen Art Abhilfe für ihre »Beschwer« unter Art. 8 und 14 EMRK erlangt hätten. Auch dieser Einwand ist zurückzuweisen.

Ergebnis

Die Beschwerde ist hinsichtlich des bf. Vereins »Synthessi« für unzulässig (einstimmig) und bezüglich der individuellen Bf. für zulässig zu erklären (mehrstimmig).

In der Sache

Aus den Akten geht hervor, dass die Bf. alle eine stabile Partnerschaft pflegen. Ihre Beziehungen fallen daher unter den Begriff »Privatleben«. Der GH hat bereits im Fall Schalk und Kopf/A festgestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Paare ein Familienleben iSv. Art. 8 EMRK genießen können. Er sieht im Übrigen keinen Grund, einen Unterschied zwischen jenen Bf., die zusammenleben und solchen, die das aus beruflichen und sozialen Gründen nicht tun, zu machen, da letzterer Umstand allein an der Stabilität ihrer Beziehung nichts zu ändern vermag. Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK ist daher anwendbar.

Ist die Situation der Bf. mit jener von verschiedengeschlechtlichen Paaren vergleichbar?

Da gleichgeschlechtliche Paare ebenso wie verschiedengeschlechtliche Paare fähig sind, stabile bindende Beziehungen einzugehen, ist der GH der Ansicht, dass sich die Bf. in einer mit verschiedengeschlechtlichen Paaren vergleichbaren Situation befinden, was ihr Bedürfnis nach rechtlicher Anerkennung und Schutz ihrer Beziehung angeht. Indem § 1 des Gesetzes Nr. 3.719/2008 die Möglichkeit des Eingehens einer zivilen Partnerschaft auf zwei Personen verschiedenen Geschlechts einengt und gleichgeschlechtliche Paare von seinem Anwendungsbereich stillschweigend ausschließt, führte es eine unterschiedliche Behandlung ein, die auf die sexuelle Orientierung der betroffenen Personen abstellt.

Bestand im vorliegenden Fall ein legitimes Ziel, und wenn ja, war dieses verhältnismäßig?

Die Regierung beruft sich zur Rechtfertigung der Entscheidung des Gesetzgebers, gleichgeschlechtliche Paare vom Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 3.719/2008 auszuschließen, auf zwei Argumente: Erstens würde die Anwendung des Gesetzes auf die Bf. in Rechte und Pflichten im Hinblick auf ihren Vermögensstatus, ihre finanziellen Beziehungen untereinander und ihre Erbansprüche resultieren, welchen sie bereits auf Vertragsbasis Rechnung tragen könnten. Zweitens habe man mit dem strittigen Gesetz mehrere Ziele verfolgt, nämlich außerehelich geborene Kinder sowie Familien mit nur einem Elternteil zu schützen und es Eltern leichter zu machen, ihre Kinder aufzuziehen, ohne eine Heiratsverpflichtung eingehen zu müssen. Dieser Aspekt unterscheide verschiedengeschlechtliche von gleichgeschlechtlichen Paaren, die keine gemeinsamen biologischen Kinder bekommen könnten. Schließlich habe man das Ziel der Stärkung der Ehe und der Familie im traditionellen Sinn verfolgt.

Zum ersten Argument ist zu sagen, dass es in keiner Weise die Tatsache berücksichtigt, dass die vom Gesetz Nr. 3.719/2008 vorgesehene zivile Partnerschaft in ihrer Eigenschaft als offiziell anerkannte Alternative zur Ehe ungeachtet ihrer rechtlichen Auswirkungen von grundlegendem Wert für die Bf. ist. Gleichgeschlechtliche Paare können genauso wie verschiedengeschlechtliche Paare stabile Beziehungen eingehen und haben dieselben Bedürfnisse, was gegenseitigen Beistand und beiderseitige Unterstützung betrifft. Die Möglichkeit, eine zivile Partnerschaft einzugehen, würde für sie folglich die einzige nach griechischem Recht verfügbare Möglichkeit darstellen, ihre Beziehung im Wege eines staatlich anerkannten rechtlichen Status zu formalisieren. Eine Ausdehnung der zivilen Partnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare würde es diesen erlauben, Eigentums-, Unterhalts- und Erbschaftsfragen zu regeln, und zwar in der Form, dass sie das nicht als Privatpersonen machen, welche Verträge nach dem gängigen Recht abschließen, sondern auf der Basis der rechtlichen, für zivile Partnerschaften geltenden Regelungen, wodurch ihre Beziehung offiziell vom Staat anerkannt würde.

Was das zweite Argument anbelangt, ist es aus Sicht des Art. 8 EMRK legitim, wenn der Gesetzgeber der Situation von außerehelich geborenen Kindern Rechnung trägt und damit indirekt die Institution der Ehe in der griechischen Gesellschaft stärkt, indem er die Idee fördert, dass die Entscheidung, eine Ehe einzugehen, lediglich auf Basis einer gegenseitigen Verpflichtung zweier Individuen – unabhängig von äußeren Zwängen oder der Aussicht, ein Kind zu empfangen – getroffen wird.

Der GH akzeptiert, dass der Schutz der Familie im traditionellen Sinn einen gewichtigen und legitimen Grund darstellt, der eine unterschiedliche Behandlung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu rechtfertigen vermag. Zu prüfen ist, ob vom griechischen Gesetzgeber die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde.

Der GH erinnert daran, dass das Ziel des Schutzes der Familie im traditionellen Sinn abstrakt gehalten ist und ein breites Band von unterschiedlichen Maßnahmen zu dessen Umsetzung möglich sein kann. Angesichts der Tatsache, dass die Konvention ein lebendiges In strument ist, welches nach den gegenwärtigen Bedingungen zu interpretieren ist, hat der Staat nach Art. 8 EMRK bei der Wahl der Mittel zum Schutz der Familie und zur Gewährleistung der Achtung des Familienlebens Entwicklungen in der Gesellschaft und Änderungen, was die Auffassung über Fragen des sozialen und zivilen Status angeht, notwendigerweise zu berücksichtigen. Ihm muss auch klar sein, dass es bei der Führung eines Privat- und Familienlebens nicht nur einen Weg oder eine Wahl gibt. In Fällen, in denen der staatliche Ermessensspielraum eng ist (dies ist der Fall, wenn eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung vorgenommen wird), verlangt das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht nur, dass die gewählte Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet ist. Es muss auch gezeigt werden, dass es zur Erreichung des Ziels notwendig war, gewisse Kategorien von Personen (hier: solche, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben) vom Anwendungsbereich des strittigen Gesetzes auszunehmen.

Der GH weist darauf hin, dass das strittige Gesetz nicht bloß Maßnahmen enthält, die darauf abzielen, sozialen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und die von der Regierung genannten Ziele zu erreichen. Es soll in erster Linie einer anderen Form der Partnerschaft als der Ehe rechtliche Anerkennung verschaffen, nämlich der »zivilen Partnerschaft«. Dies geht aus Inhalt und Struktur von Gesetz Nr. 3.719/2008 hervor. § 1 leg. cit. definiert eine solche Partnerschaft als »Kontrakt zwischen zwei verschiedengeschlechtlichen Erwachsenen, die ihr Leben als Paar führen wollen«. Die anschließenden Bestimmungen sind nicht nur auf die Regelung des Status von außerehelich geborenen Kindern beschränkt, sondern befassen sich mit dem Zusammenleben von Paaren, die eine zivile Partnerschaft eingegangen sind, mit finanziellen Fragen, Erbansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen im Fall der Auflösung der zivilen Partnerschaft.

Der GH verweist in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme der Nationalen Menschenrechtskommission zum Gesetzesentwurf, wonach nicht klar gemacht worden sei, warum dem Gesetz gerade der Titel »Reformen betreffend die Familie, Kinder und Gesellschaft« gegeben worden sei, wo es doch tatsächlich eine neue Rechtsform der nichtehelichen Partnerschaft vorsehe. Ungeachtet des Gesetzestitels und der vom Gesetzgeber ausweislich verfolgten Absichten geht der GH daher davon aus, dass das Gesetz Nr. 3.719/2008 primär das Ziel verfolgte, einer neuen Form der nichtehelichen Partnerschaft rechtliche Anerkennung zu verleihen. Faktum bleibt, dass die mit diesem Gesetz eingeführte zivile Partnerschaft gleichgeschlechtliche Paare von seinem Geltungsbereich ausschloss, während es verschiedengeschlechtlichen Paaren, mögen sie nun kinderlos sein oder nicht, gestattet ist, zahlreiche Aspekte ihrer Beziehung einer rechtlichen Regelung zuzuführen.

Die Argumente der Regierung konzentrieren sich auf die Situation von verschiedengeschlechtlichen Paaren mit Kindern, ohne die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen, welche sich aufgrund des strittigen Gesetzes zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren, die keine Eltern sind, ergibt. Ferner ist der GH im Gegensatz zur Regierung nicht davon überzeugt, dass die Erreichung der legitimen Ziele im Wege der Erlassung von Gesetz Nr. 3.719/2008 den Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren von seinem Anwendungsbereich vorausgesetzt hätte. Es wäre dem Gesetzgeber durchaus möglich gewesen, einige Bestimmungen speziell für außereheliche Kinder einzufügen und es gleichgeschlechtlichen Paaren gleichzeitig zu gestatten, eine zivile Partnerschaft einzugehen. Die Gesetzeserläuterungen geben keinen Aufschluss darüber, aus welchen Gründen der Gesetzgeber zivile Partnerschaften auf verschiedengeschlechtliche Paare beschränken wollte. Die Nationale Menschenrechtskommission erblickte in dem Gesetzesentwurf jedenfalls eine Diskriminierung, da er auf gleichgeschlechtliche Paare keine Anwendung fand; einen ähnlichen Standpunkt nahm der Wissenschaftliche Ausschuss des Parlaments ein.

Die Regierung räumt selbst ein, dass verschiedengeschlechtliche Paare im Gegensatz zu gleichgeschlechtlichen Paaren ihre Beziehung bereits vor dem Gesetz Nr. 3.719/2008 einer rechtlichen Anerkennung zuführen konnten, mochte dies nun in vollständiger Form auf Ehebasis oder in begrenzter Form unter den einschlägigen Bestimmungen des Zivilgesetzes zu De facto-Partnerschaften erfolgen. Gleichgeschlechtliche Paare mussten daher ein besonderes Interesse am Eingehen einer zivilen Partnerschaft haben, da diese für sie, anders als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren, die einzige Grundlage im griechischen Recht war, auf der sie ihre Beziehung rechtlich anerkennen lassen konnten.

Der GH weist darauf hin, dass innerhalb der Rechtssysteme der Staaten des Europarats hinsichtlich der Einführung von Formen der rechtlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen zwar kein Konsens, jedoch ein klarer Trend besteht. Neun Mitgliedsstaaten erlauben die gleichgeschlechtliche Ehe, während 17 verschiedene Formen der zivilen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare vorsehen. Von den 19 Staaten, die eine andere eingetragene Partnerschaftsform als die Ehe vorsehen, sind es lediglich Litauen und Griechenland, welche diese exklusiv verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten. Von diesen zwei Ausnahmen abgesehen bezogen alle Mitgliedsstaaten im Zuge der Entscheidung, neben der Ehe ein neues gesetzliches System der eingetragenen Partnerschaft einzuführen, gleichgeschlechtliche Paare mit ein. Dieser Trend spiegelt sich auch in Texten des Europarats wider, wie etwa der Resolution Nr. 1728 (2010) der Parlamentarischen Versammlung »Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität« vom 29.4.2010 und der am 31.3.2010 verabschiedeten Empfehlung des Ministerrats Nr. 5 (2010) zu »Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität«.

Die Tatsache, dass sich ein Land am Ende einer fortschreitenden Evolution bezüglich eines Aspekts seiner Gesetzgebung in einer isolierten Position befindet, bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser der Konvention zuwiderläuft. Angesichts des Vorgesagten hat die Regierung jedoch keine überzeugenden und gewichtigen Gründe vorgebracht, welche den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare vom Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 3.719/2008 rechtfertigen könnten. Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK (16:1 Stimmen; im Ergebnis übereinstimmendes gemeinsames Sondervotum der Richterinnen und Richter Casadevall, Ziemele, Jociene und Sicilianos; teilweise zustimmendes bzw. abweichendes Sondervotum von Richter Pinto de Albuquerque).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 13 EMRK

Die Bf. behaupten, es wäre ihnen nach griechischem Recht kein effektives Rechtsmittel zur Verfügung gestanden, mit dem sie den diskriminierenden Charakter von zivilen Partnerschaften hätten beanstanden können.

Der GH erinnert daran, dass Art. 13 EMRK nicht so weit geht, dass er ein Rechtsmittel garantiert, mit dem Gesetze eines Konventionsstaats wegen behaupteter Unvereinbarkeit mit der Konvention vor einer nationalen Behörde angefochten werden können. Dieser Beschwerdepunkt ist folglich offensichtlich unbegründet und muss gemäß Art. 35 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 EMRK für unzulässig erklärt werden (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK

€ 5.000,– an jeden der Bf. mit Ausnahme des bf. Vereins in Bsw. Nr. 32.684/09 für immateriellen Schaden, insgesamt € 5.000,– an die Bf. der Bsw. Nr. 29.381/09 und insgesamt € 6.000,– an die sechs individuellen Bf. der Bsw. Nr. 32.684/09 für Kosten und Auslagen (16:1 Stimmen; im Ergebnis übereinstimmendes gemeinsames Sondervotum der Richterinnen und Richter Casadevall, Ziemele, Jociene und Sicilianos; teilweise zustimmendes bzw. abweichendes Sondervotum von Richter Pinto de Albuquerque).

Vom GH zitierte Judikatur:

Karner/A v. 24.7.2003 = NL 2003, 214 = ÖJZ 2004, 36

Kozak/PL v. 2.3.2010 = NL 2010, 90

Schalk und Kopf/A v. 24.6.2010 = NL 2010, 185 = ÖJZ 2010, 1089 = EuGRZ 2010, 445

X. u.a./A v. 19.2.2013 (GK) = NL 2013, 46

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 07.11.2013, Bsw. 29381/09

entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2013, 399) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/13_6/Vallianatos.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

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