JudikaturJustiz9Ob116/03d

9Ob116/03d – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingo K*****, Steuerberater, ***** vertreten durch Kometer Pechtl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Harald S*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 724.539,26 sA und Feststellung (Streitwert EUR 3.633,64; Gesamtstreitwert und Revisionsinteresse EUR 728.172,90), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Juli 2003, GZ 2 R 91/03d 21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine Rechtsfrage dieser Qualität wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt:

Vom Obersten Gerichtshof wurde bereits im Vorprozess zwischen den Parteien zu 4 Ob 83/02p klargestellt, dass der Mandant, wenn er von seinem Rechtsanwalt Schadenersatz begehrt, nicht nur den Vertretungsfehler zu beweisen hat, sondern dass ihn auch die Beweislast dafür trifft, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (1 Ob 333/98x ua). Diesen, somit dem Kläger obliegenden Beweis erachteten die Vorinstanzen als nicht erbracht. Daran vermögen auch die in der Revision angestellten Überlegungen zu einer ex ante Betrachtung des Geschehens nichts zu ändern.

Richtig ist, dass die Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht im Prozess beweisrechtliche Konsequenzen hat, die dazu führen, dass dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt, um auch für die Prozessführung eine gerechte Rollenverteilung im Arzt Patienten Verhältnis zu schaffen (4 Ob 554/95 ua). Die Beweiserleichterung bei fehlender Dokumentation hilft dem Patienten jedoch im Regelfall lediglich insoweit, als sie die Vermutung begründet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt auch nicht getroffen wurde (womit allerdings gerade dem Kläger, was die von ihm behauptete, nicht dokumentierte chiropraktische Manipulation an der Halswirbelsäule betrifft, nicht geholfen ist); die Beweiserleichterung begründet aber nicht - worauf der Kläger trotz gegenteiliger Beteuerung zumindest mittelbar abzielt - die Vermutung objektiver Sorgfaltsverstöße (2 Ob 235/97s; 7 Ob 337/98d; 9 Ob 6/02a; RIS Justiz RS0026236, RS0038270 ua). Hieraus folgt, dass entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch kein - der rechtlichen Beurteilung zuordenbarer - wesentlicher Feststellungsmangel vorliegen kann, was das hypothetische Verhalten des Arztes betrifft, wenn der Beklagte im Arzthaftungsprozess einen entsprechenden Vorlageantrag gestellt hätte.

Der Revisionswerber fordert die Anwendung der Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB, lässt aber unbeachtet, dass diese nur das Verschulden betrifft; der Beweis der Kausalität obliegt weiterhin dem Geschädigten. Von diesem Grundsatz ist der Oberste Gerichtshof bei der Haftung von Rechtsanwälten nicht abgegangen. Hier ist dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden in der Regel durchaus zuzumuten, er ist auch "näher am Beweis" als der Schädiger. Der Kläger hätte daher zu beweisen gehabt, dass der Schaden (infolge Niederlage im vorhergehenden Arzthaftungsprozess) ohne Anwaltsfehler nicht entstanden wäre (6 Ob 2174/96s; 9 Ob 76/00t; RIS Justiz RS0022700, RS0106890 ua).

In Beachtung und Anwendung der vorstehenden Grundsätze der ständigen Rechtsprechung verneinte das Berufungsgericht (in Bestätigung der klageabweisenden erstgerichtlichen Entscheidung) einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegen den beklagten Rechtsanwalt. Der Revisionswerber vermag insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, zumal (naturgemäß) seine Überlegungen über einen hypothetischen Verlauf des vorhergehenden Arzthaftungsprozesses - sofern sie nicht ohnehin nur Tat- und Beweiswürdigungsfragen betreffen, auf die vom Obersten Gerichtshof nicht eingegangen werden kann, - besonders einzelfallbezogen sind. Eine insoweit unvertretbare rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes wird vom Revisionswerber nicht dargetan.

Rechtssätze
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