JudikaturJustiz9Bs227/19z

9Bs227/19z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. August 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Kuranda und Mag. Höpfl in der Strafsache gegen S***** T***** und andere Personen wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des S***** T***** gegen die Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg im Ermittlungsverfahren vom 26. Juli 2019, 27 HR 99/19w-94, und vom 15. August 2019, 27 HR 99/19w-108, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

1. Der Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft (ON 108) wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die über S***** T*****, geboren am 17. Juni 1975, gemäß § 173 Abs 1 und 6 StPO verhängte bedingt-obligatorische Untersuchungshaft unter Anwendung nachstehender gelindere Mittel aufgehoben wird:

- der Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltes unverzüglich und unaufgefordert der Staatsanwaltschaft Salzburg mitzuteilen ( § 173 Abs 5 Z 5 StPO) und

- der Weisung, sich alkoholischer Getränke und anderer Suchtmittel zu enthalten (§ 173 Abs 5 Z 4 StPO)

2. Der Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. Juli 2019 (ON 94) wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

1. Zur Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg behängt zu 18 St 80/19b gegen den am 17. Juni 1975 geborenen deutschen Staatsangehörigen S***** T***** ein Ermittlungsverfahren (nunmehr) wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB. Aufgrund der gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 9. Mai 2019 (ON 34) und Ausschreibung des Beschuldigten S***** T***** zur Festnahme und Übergabe mittels Europäischen Haftbefehls (ON 35) wurde dieser am 12. Juni 2019, 8.00 Uhr, in Palma de Mallorca/Spanien festgenommen (ON 42) und am 14. August 2019, 20.14 Uhr, in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert (ON 106). Über Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 15. August 2019 (AS 39 in ON 1) verhängte die Journalrichterin des Landesgerichts Salzburg mit dem angefochtenen Beschluss (ON 108) über den Beschuldigten - nach dessen Einvernahme (ON 107) - die bedingt-obligatorische Untersuchungshaft nach § 173 Abs 1 und 6 StPO mit Wirksamkeit längstens bis 29. August 2019.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit der er die Aufhebung der Untersuchungshaft allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel anstrebt (ON 116).

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat, ist berechtigt.

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse der Polizeiinspektion F***** und dem medizinischen Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz (ON 29) vom 24. April 2019 zu den erlittenen Verletzungen des Tatopfers S***** H***** und insbesondere der Einschätzung, dass der Verletzungsvorgang zu lebensgefährlichen Verletzungen des Tatopfers führen hätte können, ist S***** T***** dringend verdächtig, das Verbrechen des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (1./), das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (2./) sowie die Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB (3./) dadurch begangen zu haben, dass er am 22. März 2019 in F*****

1./ S***** H***** durch Versetzen eines Faustschlages gegen dessen Gesicht, wodurch dieser rücklings zu Boden gestürzt sei und anschließendes mehrfaches gezieltes Einstechen mit den Spitzen der Schistöcke gegen den Kopf- und Gesichtsbereich des am Boden liegenden S***** H*****, wodurch dieser eine Kopfprellung, Rissquetschwunden linksseitig an der Stirn, am Scheitel und rechtsseitig am Hinterkopf sowie Schürfwunden am Scheitel und innenseitig an der Unterlippe erlitten habe, zu töten versucht;

2./ S***** K***** durch Versetzen eines wuchtigen Schlages gegen dessen Nase sowie dadurch, dass er ihm, nachdem er S***** H***** zu Hilfe gekommen sei, erneut mit voller Wucht mit der Faust gegen dessen Nase geschlagen habe, wodurch dieser einen operativ aufzurichtenden Nasenbeinbruch sowie starke Kopfschmerzen erlitten habe, absichtlich schwer am Körper verletzt;

3./ nachgenannte Personen am Körper verletzt und dadurch versucht, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen, nämlich

a) G***** M***** durch Versetzen eines Faustschlages gegen dessen Gesicht unterhalb des linken Auges im Bereich der Oberlippe und Nase, wodurch er eine blutende Wunde an der Oberlippe erlitten habe,

b) C***** L***** durch Versetzen eines Faustschlages gegen dessen Gesicht, wodurch dieser eine Rissquetschwunde an der Oberlippe erlitten habe, welche mit mehreren Stichen genäht werden habe müssen,

c) A***** G***** H***** durch Versetzen eines Faustschlages gegen dessen linke Gesichtshälfte sowie durch Versetzen eines Schlages mit den Schistöcken, wodurch er eine Abschürfung am linken Ohr sowie eine Prellung im Bereich der linken Gesichtshälfte erlitten habe.

Der dringende Tatverdacht ist ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen habe. Dabei genügt ein Prima-facie-Beweis. Maßgebend ist die Verdachtslage nach Einvernahme des Beschuldigten durch den Richter ( Fabrizy , StPO 13 § 173 Rz 3). Zur Annahme des dringenden Tatverdachts genügt das Vorliegen von Indizien, die zwar nicht jeweils für sich allein, jedoch in ihrem Zusammenhang eine logisch und empirisch einwandfreie und tragfähige Begründung der Annahme der Täterschaft darstellen ( Mayerhofer/Salzmann StPO 6 § 173 E 4). Nach wie vor wird der Beschuldigte durch die Angaben der Tatopfer aber auch unbeteiligter Zeugen, nämlich des Zeugen E***** H***** (AS 43 ff in ON 8), A***** G***** H***** (AS 49 ff in ON 8), S***** K***** (AS 57ff in ON 8), S***** H***** (AS 63ff in ON 8), G***** M***** (AS 71ff in ON 8), C***** L***** (AS 177ff in ON 8) und D***** H***** (AS 27ff in ON 19), der Fotodokumentation aller Verletzungen und der damit in Einklang stehenden Verletzungsanzeigen nachhaltig belastet. Übereinstimmend beschrieben diese Personen unabhängig voneinander den Beschuldigten als äußerst aggressiv, der die inkriminierten Taten ohne begreiflichen Anlass gesetzt haben soll. Keiner der Zeugen beschrieb eine Provokation, noch weniger einen Angriff auf den Beschuldigten, wie von diesem in seiner ersten Einvernahme behauptet (AS 33 in ON 8), die ihn zu Abwehr- bzw. Notwehrhandlungen veranlasst hätten. Dass der Beschuldigte nicht nur die von ihm letztlich zugestanden Faustschläge gesetzt hat (ON 16), sondern darüber hinaus mit der Spitze seines Schistocks gezielt Stichverletzungen gegen den Kopf und das Gesicht des S***** H***** gesetzt hat, ergibt sich aus den schlüssigen und zueinander konsistenten Angaben des S***** K*****, A***** H*****, C***** L***** und S***** H*****, die auf Basis der bisherigen Ermittlungsergebnisse - dem Beschwerdevorbringen zuwider - keine derartige Alkoholisierung aufwiesen, die sie in ihrem Aussage- und Erinnerungsvermögen eingeschränkt hätte. S***** K*****, C***** L***** und S***** H***** deponierten übereinstimmend, im Verlauf des gesamten Tages und nach Einnahme eines Mittagessens lediglich ca. drei bis vier kleine Bier und ein Glas Weißwein konsumiert und sich völlig nüchtern gefühlt zu haben. Bei den Zeugen A***** H***** und E***** H***** handelt es sich um Security-Mitarbeiter, die am 22. März 2019 im Lokal ***** in der F***** ihren Dienst verrichteten. Der Beschuldigte dagegen, der selbst seine Aggressionshandlungen auf einen für ihn ungewohnten Alkoholkonsum vor den angelasteten Tathandlungen zurückführt (vgl ON 15 und 16), wies beim Alkotest mit dem Vortester einen Atemluftalkoholgehalt von 0,87 mg/l auf (AS 16 in ON 4). Entgegen den dem Landesgericht Salzburg am 20. August 2019 in Schriftform übermittelten Sachverhaltsschilderungen der Zeugin C***** O*****, der Lebensgefährtin des Beschuldigten, die diesen als erheblich durch Alkohol beeinträchtigt, nur schwankend fortbewegend und kaum der Sprache mächtig beschreibt, führte der Zeuge E***** H***** aus, dass der Beschuldigte angesprochen auf seinen Schlag zum Nachteil des G***** M***** zum einen die Tat zugegeben, zum anderen als Motiv ein zuvor geschehenes Anrempeln nannte. Der Mann sei zwar betrunken gewesen, habe aber ganz normal sprechen können. Auf jeden Fall habe er sehr aggressiv gewirkt. Nachdem der Beschuldigte auch S***** K***** im Pistenbully einen Schlag versetzt hatte, sei er abermals von E***** H***** auf das Motiv seiner Tat angesprochen worden, woraufhin der Beschuldigte ihm gegenüber geäußert haben soll, es hätte ihm nicht gefallen, was die Personen untereinander gesprochen haben (AS 43 und 44 in ON 4). Auch die weiteren Schilderungen der Zeugin C***** O***** vermögen den dringenden Tatverdacht mit Blick auf die bereits dargelegten Depositionen der teils unbeteiligten Zeugen nicht entscheidend zu relativieren, schildert doch keiner von diesen einen Angriff der Tatopfer, der den Beschuldigten zu Abwehrhandlungen veranlasst hätte, vielmehr grundlose Angriffe seinerseits. Die subjektive Tatseite, nunmehr auch in Richtung eines (zumindest bedingten) Tötungsvorsatzes, erschließt sich aus der besonderen Brutalität der einzelnen beschriebenen Tathandlungen, insbesondere den gezielt gegen den Kopf und das Gesicht des am Boden liegenden S***** H***** gesetzten Stiche mit den Schistöcken, die nach dem Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz vom 24. April 2019 mit Blick auf die dabei entstandenen Hautdurchtrennungen am Schädel, auch zu Brüchen des Schädelknochens bzw. zu die Schädelhöhle eröffneten Verletzungen führen hätten können, die mit lebensgefährlichen Verletzungen des Hirngewebes oder lebensgefährlichen Blutungen im Schädelinneren verbunden hätten sein können. Bei nur geringfügig anderer Stichführung wäre eine Beteiligung der Augenregion mit Zerstörung des Augapfels und lebensbedrohlicher Verletzung der hinter dem Augapfel verlaufenden inneren Halsschlagader möglich gewesen. In Zusammenschau dieser Ermittlungsergebnisse ist nicht „nur“ ein Verletzungsvorsatz, sondern hinsichtlich S***** H***** ein bedingter Tötungsvorsatz nachhaltig indiziert, den der Beschuldigte durch seine leugnende Verantwortung (ON 107) nicht entscheidend zu relativieren vermag.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 173 Abs 6 StPO muss die Untersuchungshaft verhängt werden, wenn sich der dringende Tatverdacht auf ein Verbrechen bezieht, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, es sei denn, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller in Abs 2 angeführten Haftgründe sei auszuschließen. Bei der Prüfung der Ausschließbarkeit sämtlicher Haftgründe im Sinne des § 173 Abs 6 StPO ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes zu untersuchen, ob besondere Gründe (Persönlichkeit des Täters, Beschaffenheit der Tat und der Tatumstände) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen von Haftgründen auszuschließen, also deren Eintreten unter Berücksichtigung der Lebensrealität geradezu als unmöglich erscheinen lassen. Umstände, die den Haftgrund (lediglich) nicht annehmen lassen, sind keineswegs bereits solche, die ihn im dargelegten Sinn auch auszuschließen vermögen ( Fabrizy, StPO 13 § 173 Rz 17 mwN). Unter Berücksichtigung dieses strengen Prüfungsmaßstabes ist auf Basis der bisherigen Ermittlungsergebnisse davon auszugehen, dass in Anbetracht der innerhalb kurzer Zeit mehrfachen ohne erkennbaren Grund ausgeführten massiven Aggressionshandlungen mit erheblicher Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegen fünf Personen der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO vorliegt, mithin konkret zu befürchten steht, der Beschuldigte werde ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens in einer ähnlichen Situation mit derselben Brutalität und Rücksichtslosigkeit wiederum strafbare Handlungen mit schweren bzw. - da ihm auch fortgesetzte strafbare Handlungen zur Last liegen - nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihm angelasteten Straftaten mit schweren bzw. nicht bloß leichten Folgen. Mit Blick auf die dem Beschuldigten nunmehr auch zur Last liegende Tat des versuchten Mordes und dem damit verbundenen Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe ist auch der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, lebt der 44-jährige sportlich sehr aktive Beschuldigte doch in Deutschland und hielt sich zuletzt in Mallorca auf.

Die bisherige Dauer der Haft ist angesichts der Bedeutung der Sache, des angenommenen dringenden Tatverdachts und der im Falle eines Schuldspruchs zu erwartenden Strafe nicht unverhältnismäßig.

Entgegen der erstgerichtlichen Rechtsansicht kann jedoch die Untersuchungshaft im Sinne des § 173 Abs 6 StPO durch die Anwendung gelinderer Mittel abgewendet werden ( Kirchbacher/Rami in WK StPO § 173 Rz 76 mwN; Fabrizy, StPO 13 § 173 Rz 19). Die Anwendung gelinderer Mittel kann die Haft dann substituieren, wenn sie bei realitätsbezogener Betrachtung den evidenten Haftgrund effektiv hintanhalten kann. Trotz des nunmehr (auch) vorliegenden dringenden Tatverdachts in Richtung eines (versuchten) Tötungsdeliktes bleibt nach wie vor zu berücksichtigen, dass die unter Alkoholeinfluss an einem Tag gesetzten Aggressionshandlungen des Beschuldigten mit seinem bisherigen Verhalten in einem auffallenden Widerspruch stehen (in der Europäischen Strafregisterinformation ECRIS scheint keine auf Aggression oder Alkoholmissbrauch basierende Straftat auf - ON 20). Zu berücksichtigen bleibt auch, dass sich der Beschuldigte seit seiner Enthaftung aufgrund des Beschlusses dieses Gerichtes vom 29. April 2019 (ON 28) nichts mehr zuschulden kommen hat lassen, sodass der Zweck des angenommenen Haftgrundes auch aufgrund des bisherigen Hafteindrucks durch die Weisung, sich alkoholischer Getränke und anderer Suchtmittel zu enthalten, erreicht werden kann. Unter Berücksichtigung, dass der deutsche Staatsangehörige S***** T***** in ***** G***** in Deutschland seinen ordentlichen Wohnsitz hat, Geschäftsführer und Gesellschafter der S***** GmbH ist, die wiederum an der Firma M***** GmbH und F***** GmbH beteiligt ist und der Beschuldigte bei beiden diesen Unternehmen einer geregelten Beschäftigung nachgeht, seiner engen sozialen Bindung zu seiner Lebensgefährtin und seiner gesellschaftlichen Integration in Deutschland, kann auch der Zweck des angenommenen Haftgrundes der Fluchtgefahr durch die Weisung jeden Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts unverzüglich und unaufgefordert der Staatsanwaltschaft schriftlich mitzuteilen, erreicht werden. Mit Blick darauf, dass bereits sämtliche Zeugen im Ermittlungsverfahren einvernommen wurden und die Taten bereits mehrerer Monate zurück liegen, kann der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr ausgeschlossen werden. Dementsprechend war die Untersuchungshaft unter Anwendung der im Spruch ersichtlichen gelinderen Mittel gemäß § 173 Abs 5 StPO aufzuheben.

2. Zur Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. Juli 2019 (ON 94):

Im Ermittlungsverfahren gegen S***** T***** beantragte dieser bei der Staatsanwaltschaft Salzburg mit Eingabe vom 3. Juli 2019 bzw. 5. Juli 2019 (ON 81 bis 83, ON 86) - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Relevanz - die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Biomechanik und unfallanalytische Beurteilung von Verletzungen zum Beweis dafür, dass mit dem Einwirken des Schistocks im Kopf- und Gesichtsbereich des S***** H***** eine (potenzielle) Lebensgefahr nicht verbunden gewesen sei. Die Erledigung des Beweisantrages sei für den Ausgang des Strafverfahrens erheblich, zumal es sich um die Feststellung entscheidungsrelevanter Tatsachen handle.

Am 9. Juli 2019 (ON 89) teilte die Staatsanwaltschaft Salzburg dem Beschuldigten mit, diesem Beweisantrag nicht stattzugeben, weil zum gleichen Beweisthema bereits das Gutachten der GMI Salzburg-Linz vom 24. April 2019 eingeholt worden sei.

Dagegen erhob der Beschuldigte Einspruch wegen Rechtsverletzung vom 11. Juli 2019 (ON 91), welcher mit ablehnender Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 12. Juli 2019 (ON 92) dem Landesgericht Salzburg zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2019 (ON 94) wies die Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg im Ermittlungsverfahren den Einspruch im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass zum beantragten Beweisthema bereits das Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz eingeholt worden sei, das weder widersprüchlich sei, noch würden die darin gezogenen Schlüsse gegen die Gesetze der Logik verstoßen oder sei ein anderweitiger Mangel erkennbar, sodass durch die Ablehnung des Beweisantrages in subjektive Rechte des Beschuldigten nicht eingegriffen worden sei.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten S***** T***** vom 7. August 2019, mit der er begehrt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Staatsanwaltschaft Salzburg die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der forensischen Biomechanik aufzutragen (ON 109).

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat, ist nicht berechtigt.

Nach § 106 Abs 1 StPO steht jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert (Ziffer 1) oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Ziffer 2). Der Einspruch wegen Rechtsverletzung steht daher jedermann zu, der sich durch eine (tatsächliche oder rechtliche) Handlung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in einem subjektiven Recht verletzt erachtet. Als subjektive Rechte sind solche zu verstehen, welche die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei Ermittlungen bzw. der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der StPO konkret einzuhalten sind (Abs 1 Z 2) oder welche den Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen (Abs 1 Z 1; z.B. Akteneinsicht, Beweisantragsrecht oder Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson). Der Einspruch wegen Rechtsverletzung kann nur gegen einen hoheitlichen Eingriff gerichtet werden, nicht aber gegen die Äußerung eines Staatsanwaltes ohne Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt. Das Gericht hat ausschließlich die Einhaltung der StPO zu prüfen. Es ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkt; die Zweckmäßigkeit einer Ermittlungshandlung hat es nicht zu prüfen. Die Prüfung des Gerichts hat vom Standpunkt ex-ante und nicht ex-post zu erfolgen ( Fabrizy , StPO 13 § 106 Rz 2ff). Das Beweisantragsrecht nach § 55 StPO stellt ein subjektives Recht im Sinne des § 106 Abs 1 Z 1 StPO dar, wobei die Grundsätze zur Ausgestaltung von Beweisanträgen ebenso zu beachten sind, wie die Bestimmung des § 55 Abs 3 StPO (vgl Stephanie Öner/Valerie Walcher , Zum Einspruch nach § 106 StPO, ÖJZ 2014/150 (1002).

Gemäß § 55 Abs 1 StPO ist der Beschuldigte berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen. Im Antrag sind Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären.

Am 29. März 2019 bestellte die Staatsanwaltschaft Salzburg die Universitätseinheit für Gerichtliche Medizin, ***** o. Univ.-Prof. Dr. F*****, zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin und beauftragte diesen, binnen acht Wochen (Haftsache) Befund und Gutachten über die Art und Schwere der Körperverletzung des Stefan Hasler sowie zur Frage ob aus den Verletzungen Rückschlüsse auf den Tathergang gezogen werden könne und ob von einer mit erheblicher Kraft/wuchtig erfolgten Einwirkung auf den Kopf des S***** H***** auszugehen ist. Weiters möge geklärt werden, ob mit der Art der Verletzung sowie der Art der Verursachung Lebensgefahr verbunden war (ON 12). Damit hatte der an den Sachverständigen umfasste Gutachtensauftrag genau jene Frage zum Thema, das dem entscheidungsgegenständlichen Beweisantrag des Beschuldigten zugrunde lag, nämlich ob mit dem Einwirken des Schistocks im Kopf- und Gesichtsbereich des S***** H***** eine potenzielle Lebensgefahr verbunden war. Zu sämtlichen Fragen des Gutachtensauftrags hat die Gerichtsmedizin Salzburg-Linz in ihrem Gutachten vom 24. April 2019 (ON 29) Stellung genommen und diese beantwortet. Dass - wie bereits vom Erstgericht zutreffend konstatiert - der Sachverständige sich zur Beantwortung einzelner Fragen deshalb nicht imstande gesehen hätte, weil es einer Vorbeurteilung durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Biomechanik/Unfallanalyse bedurft hätte, ist darin nicht festgehalten, wäre aber mit Blick auf die Standesregeln für Sachverständige notwendig gewesen. Der in Rede stehende Beweisantrag des Beschuldigten, dem konkludent die Behauptung innewohnt, dem medizinischen Sachverständigen habe es zur Beantwortung einzelner Fragen in Ermangelung eines biomechanischen Vorgutachtens an Eignung gefehlt, erschöpft sich in der bloßen Behauptung der Erforderlichkeit eines solchen Gutachtens. Das bloße Verlangen eines Beteiligten neue Befunde oder Gutachten abzufordern, um die vom beigezogenen Sachverständigen erbrachten Ergebnisse zu überprüfen, zielt aber auf unzulässige Erkundungsbeweisführung, weil nur eine Beweiswiederholung in der nicht (im Sinne des § 127 Abs 3 erster Satz StPO) indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses begehrt wird. Nur wenn sich ein Sachverständiger nicht in der Lage sieht, eine erhebliche Frage zu beantworten, kann es mit Blick auf den Regelungszweck des § 126 Abs 1 erster Satz StPO erforderlich sein, einen weiteren Sachverständigen beizuziehen (vgl Ratz in WK StPO § 281 Rz 351). Davon war hier nicht auszugehen.

Das eingeholte gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten ist schlüssig und insbesondere auch deshalb gut nachvollziehbar, weil - worauf das Erstgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - die besondere Gefährlichkeit von Schistöcken und umso mehr, wenn sie gezielt als Waffe im Sinne einer Stichbewegung gegen den Kopf verwendet werden, auch für den medizinischen Laien allgemein einzusehen ist.

Durch die Abweisung seines Beweisantrages war der Beschuldigte somit weder in seinem Recht auf rechtliches Gehör noch, mit Blick darauf, dass die seinem Beweisantrag innewohnende Frage durch das eingeholte gerichtsmedizinische Gutachten beantwortet wurde – in seinem Recht auf Waffengleichheit, daher in keinem subjektiven Recht verletzt.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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