JudikaturJustiz9Bs18/21t

9Bs18/21t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen Dr. ***** S***** und Dr. ***** H***** wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Sachverständigen o.Univ.-Prof. Dr. med. univ. ***** Z*****, MBA gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg vom 03. September 2020, 37 Hv 147/19y-112, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Landesgericht Salzburg führt zu 37 Hv 147/19y ein Strafverfahren gegen Dr. ***** S***** und Dr. ***** H***** wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB. In der (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 03. September 2020 hat die Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg mit dem angefochtenen Beschluss – nachdem das vom gerichtlich bestellten Sachverständigen o.Univ.-Prof. Dr. med. univ. ***** Z*****, MBA erstellte schriftliche Gutachten (ON 87) mündlich erörtert worden war (S 26ff in ON 112) – den von der Staatsanwaltschaft Salzburg sowie den Privatbeteiligten Mag. E***** und Mag. T***** gestellten Beweisanträgen auf Einholung eines (weiteren) anästhesiologischen Sachverständigengutachtens, gegen welche sich der Erst- und Zweitangeklagte ausgesprochen hatten, Folge gegeben (S 51 in ON 112).

Gegen diese - wenngleich vom Beschwerdeführer entgegen § 88 Abs 1 erster Satz StPO nicht ausdrücklich bezeichnete, sich aber aus dem Beschwerdevorbringen ergebende (RIS-Justiz RS0117216) – Entscheidung richtet sich die (rechtzeitige, vgl RIS-Justiz RS0100673 [T2]) Beschwerde des Sachverständigen o.Univ.-Prof. Dr. med. univ. ***** Z*****, MBA mit der er beantragt, „durch nochmalige Befragung und Erörterung des schriftlichen Gutachtens aufzuklären, dass keine Widersprüche vorhanden sind“ (S 9 in ON 115).

Die Oberstaatsanwaltschaft Linz beantragt ein Vorgehen gemäß § 89 Abs 2 StPO.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 238 StPO entscheidet das Gericht über von den Beteiligten des Verfahrens in der Hauptverhandlung gestellte, sonst gegensätzliche (Beweis-)Anträge mit Beschluss, der mündlich zu verkünden ist. Den Beteiligten steht dagegen gemäß § 238 Abs 3 letzter Satz StPO ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel nicht zu (§ 86 Abs 3 StPO).

Aus der in § 238 Abs 3 letzter Satz StPO ausdrücklich normierten, fehlenden selbstständigen Rechtsmittelbefugnis von Beteiligten (vgl § 220 StPO) gegen einen in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss, lässt sich ableiten, dass eine solche gerichtliche Entscheidung – ihrem Wesen nach (RIS-Justiz RS0106264 [T3]) und somit ungeachtet ihrer gesetzlichen Bezeichnung – den Beteiligten gegenüber bloß auf den Fortgang des (Haupt-)Verfahrens gerichtet ist (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) und (bereits aus diesem Grund) von den Beteiligten nicht selbstständig anfechtbar ist ( Ratz in Fuchs / Ratz , WK StPO Vor §§ 280–296a Rz 8/7).

Nach dem klaren Wortlaut des § 238 Abs 3 letzter Satz StPO wird Dritten eine selbstständige Rechtsmittelbefugnis gegen einen in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss jedoch nicht verwehrt, sodass eine solche gerichtliche Entscheidung – ihrem Wesen nach (RIS-Justiz RS0106264 [T3]) – Dritten gegenüber nicht bloß auf den Fortgang des (Haupt-)Verfahrens gerichtet ist (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) und (bereits aus diesem Grund) von Dritten selbstständig anfechtbar ist ( Ratz in Fuchs / Ratz , WK StPO Vor §§ 280–296a Rz 8/7). Gegen einen in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO), mit dem einem Antrag eines Beteiligten des Verfahrens (§ 220 StPO) auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stattgegeben wurde (§ 238 StPO), steht dem zuvor vom Gericht bestellten Sachverständigen sowie jeder Person, die gemäß § 87 Abs 2 zweiter Satz StPO behauptet, durch das Gericht im Rahmen der Beweisaufnahme in einem subjektiven Recht (§ 106 Abs 1 StPO) verletzt worden zu sein, grundsätzlich Beschwerde zu.

Subjektive Rechte im Sinne des § 106 Abs 1 Z 1 StPO sind solche, welche dem Betroffenen einen Anspruch auf ein nach der Strafprozessordnung verliehenes Verfahrensrecht einräumen und dessen Sinn und Zweck zeigt, dass der Betroffene an der Einhaltung eben dieser Vorschrift ein berechtigtes Interesse hat (vgl Pilnacek / Stricker in Fuchs / Ratz , WK StPO § 106 Rz 11; Nimmervoll , Strafprozessrecht 2 Rz 942). Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit von Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (§ 106 Abs 1 letzter Satz StPO). Der Rechtsmittelwerber hat darzulegen, durch welche Anordnung oder welchen Vorgang er in einem subjektiven Recht verletzt worden ist (vgl Fabrizy / Kirchbacher , StPO 14 § 106 Rz 7).

Nach dem Beschwerdevorbringen liegt – ungeachtet der fehlenden ausdrücklichen Bezeichnung ( Pilnacek / Stricker in Fuchs / Ratz , WK StPO § 106 Rz 24) – keine Verletzung eines subjektiven Rechts des Sachverständigen vor.

Gemäß § 127 Abs 3 StPO ist, wenn der Befund oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist und sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen lassen, ein weiterer Sachverständiger beizuziehen (vgl RIS-Justiz RS0097433, RS0117263). Im Hauptverfahren haben die Verfahrensbeteiligten (vgl § 220 StPO) das Recht, einen (Beweis-)Antrag auf Durchführung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne des § 127 Abs 3 StPO zu stellen (§ 55 Abs 1 StPO; § 222 Abs 1 StPO; Hinterhofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 126 Rz 88; 175). Zumal einem Sachverständigen – als persönliches Beweismittel ( Hinterhofer/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 125 Rz 15) – die Stellung eines Beteiligten des Hauptverfahrens im Sinne des § 220 StPO nicht zukommt, hat dieser kein (Beweis-)Antragsrecht auf Durchführung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne des § 127 Abs 3 StPO. Das Gericht kann auch amtswegig in das Verbesserungsverfahren nach § 127 Abs 3 StPO eintreten (§ 254 StPO; Hinterhofer in F uchs/Ratz, WK StPO § 127 Rz 30). Entsprechend den dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Grundsätzen der materiellen Wahrheit und der Objektivität sowie dem Untersuchungsgrundsatz hat das Gericht für eine objektive und vollständige Aufklärung des Sachverhalts zu sorgen. Ein berechtigtes Interesse auf Einhaltung sämtlicher, dieses Ziel verfolgenden Bestimmungen der Strafprozessordnung hat der Beschuldigte (RIS-Justiz RW0000729), nicht jedoch der Sachverständige, welcher selbst zur Objektivität verpflichtet ist (§ 126 Abs 4 StPO; Soyer / Baier - Grabner , Sachverständige 2020, 130) und - auf Grundlage sowie im Umfang eines gerichtlichen Auftrags (Soyer/ Marsch , Sachverständige 2018, 2) - beweiserhebliche Tatsachen festzustellen sowie aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu ziehen und sie zu begründen hat (§ 125 Z 1 StPO). Ein gesetzlich normiertes subjektives (Verfahrens-)Recht des Sachverständigen auf Befragung gemäß § 127 Abs 3 StPO ist der Strafprozessordnung fremd.

Abgesehen davon übersieht der Beschwerdeführer, dass das Erstgericht in der (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 03. September 2020 - an der er auch bis zum Schluss hätte teilnehmen können ( Hinterhofer in F uchs/Ratz, WK StPO § 127 Rz 52) - entgegen seinem Vorbringen das Verbesserungsverfahren im Sinne des § 127 Abs 3 StPO durch Befragung des Sachverständigen (S 26 bis S 48 in ON 112) eingeleitet hat ( Hinterhofer in F uchs/Ratz, WK StPO § 127 Rz 30ff). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Einwand des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Erstgerichts, mit dem einem Antrag der Privatbeteiligten und der Staatsanwaltschaft auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen Folge gegeben wurde (S 8 in ON 115), nicht maßgeblich.

Anzumerken bleibt, dass die vom Sachverständigen in der Beschwerde behauptete Verletzung seiner Reputation durch die mediale Berichterstattung über die Vertagung der Hauptverhandlung (S 8 in ON 115) kein dem Sachverständigen nach der Strafprozessordnung ( Pilnacek / Stricker in Fuchs / Ratz , WK StPO § 106 Rz 14 mwN) eingeräumtes und damit nach § 87 Abs 2 StPO überprüfbares subjektives Recht tangiert.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Rechtssätze
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