JudikaturJustiz9Bs167/19a

9Bs167/19a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. September 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen C***** R***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden des Beschuldigten O***** gegen die Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichts Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 22. Mai 2019, 9 HR 95/19b-27, und vom 17. Juni 2019, 9 HR 95/19b-34, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Text

begründung:

Die Staatsanwaltschaft Wels führte von 3. Mai 2019 (AS 5 in ON 1) bis 23. Juli 2019 zu 3 St 91/19p (ua) gegen den Beschuldigten O***** ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. Demnach habe er als zuständiger Vertreter der *****Kaserne ***** pflichtwidrig zwischen 13. Dezember 2018 und 28. Jänner 2019 eine Meldung bzw. Anzeigenerstattung (§ 78 StPO) wegen beharrlichen Verfolgungshandlungen sowie sexuellen Belästigungen durch den Bundesheerbediensteten C***** R***** zum Nachteil der als Lehrling in der Betriebstischlerei des H***** in der *****Kaserne ***** beschäftigten C***** W***** (geboren am 7. März 2002) und über einen nicht näher bekannten Zeitraum (allenfalls ab 2013) in Bezug auf sexuelle Belästigungen durch C***** R***** zum Nachteil des ehemaligen Lehrmädchens S***** L***** unterlassen.

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2019 (ON 23) beantragte der Beschuldigte O***** die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 108 Abs 1 Z 1 StPO, weil er in der Angelegenheit „S*****“ nicht ermittelt habe, ihm daher nicht bekannt gewesen sei, dass es sich damals um eine sexuelle Belästigung gehandelt haben soll, weshalb sich der Vorwurf des Amtsmissbrauches als nicht berechtigt und im Übrigen als verjährt erweise. Hinsichtlich der Vorfälle zum Nachteil von C***** W***** habe er erst am 14. Dezember 2018 erfahren, dass sie von C***** R***** über einen nicht langen Zeitraum mehrmals telefonisch kontaktiert worden sei. Trotz ausdrücklicher Befragung am 17. Dezember 2018 habe weder der Verdacht einer gefährlichen Drohung noch der einer sexuellen Belästigung bestanden. Erst am 25. Jänner 2019 habe sich herausgestellt, dass C***** R***** nach wie vor die räumliche Nähe des Lehrmädchens aufgesucht hätte, sodass sich der Beschuldigte zur Anzeige wegen des Verdachts nach § 107a StGB gegen C***** R***** am 28. Jänner 2019 entschlossen habe. Beamte der Polizeiinspektion E***** hätten ihm an diesem Tag mitgeteilt, dass bereits gegen C***** R***** wegen Verdachts der sexuellen Belästigung ermittelt werde, weshalb er sich nicht veranlasst gesehen habe, eine weitere Sachverhaltsdarstellung einzubringen. Eine amtswegige Verpflichtung hätte damit erst ab 28. Jänner 2019 bestanden, weswegen eine strafbare Handlung nach § 302 StGB nicht vorliege.

Die Staatsanwaltschaft Wels verzichtete „mit Blick auf die in § 108 Abs 2 zweiter Satz StPO normierte Frist von sechs Monaten ab Beginn des Strafverfahrens“ auf eine Stellungnahme zum Einstellungsantrag (AS 7 in ON 1).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Mai 2019 (ON 27) wies die Einzelrichterin des Landesgerichts Wels im Ermittlungsverfahren den Antrag des Beschuldigten O***** auf Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 108 Abs 1 Z 1 StPO im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung noch nicht vorliegen würden. Zur Überprüfung der Verantwortung des Beschuldigten, insbesondere zur Abklärung, ob die angelasteten Tathandlungen betreffend S***** L***** verjährt wären, sei deren Einvernahme erforderlich. In der Angelegenheit C***** W***** müsse durch Einvernahme der Zeugin geklärt werden, ob und gegebenenfalls ab wann der Beschuldigte Kenntnis von den behaupteten Übergriffen durch C***** R***** erlangt habe.

Dagegen erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 108 Abs 1 Z 1 StPO begehrt (ON 31). Gleichzeitig erhob er gegen „die Ermittlungsmaßnahme des Abwartens und der Beauftragung von polizeilichen Ermittlungen den Beschwerdeführer betreffend, die Einvernahme der S***** L*****, wie die weitere Abklärung, wann der Beschwerdeführer Kenntnisse von den Übergriffen des C***** R***** gegen C***** W***** erlangt hat, und insbesondere auch, ob sich diese Kenntnisse nur auf den Vorwurf der beharrlichen Verfolgung oder auch den Verdacht sexueller Übergriffe gegen C***** W***** bezogen haben“ Einspruch, weil er sich in seinem subjektiven Recht, dass entgegen der §§ 1, 2 und 91 StPO die angeführten Ermittlungsmaßnahmen geführt wurden, verletzt sieht. Die Staatsanwaltschaft Wels legte den Einspruch unter Verzicht auf eine Stellungnahme dem Landesgericht Wels zur Entscheidung vor. Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Einzelrichterin des Landesgerichts Wels im Ermittlungsverfahren am 17. Juni 2019 (ON 34) den Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO des Beschuldigten ***** ab. Abermals verwies das Erstgericht im Wesentlichen darauf, dass die in Rede stehenden Ermittlungen nicht nur der Be- sondern auch der Entlastung des Beschuldigten ***** dienen und zur Aufklärung des Sachverhaltes, insbesondere der Beurteilung der Richtigkeit von dessen Verantwortung erforderlich seien.

Auch dagegen erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde (unjournalisierter Schriftsatz vom 25. Juni 2019).

Die Oberstaatsanwaltschaft Linz äußerte sich dazu in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 2. Juli 2019 und teilte dem Beschwerdegericht am 31. Juli 2019 ergänzend mit, dass die Staatsanwaltschaft Wels das Ermittlungsverfahren (ua) gegen O***** am 23. Juli 2019 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt hat.

Die Beschwerden sind somit nicht mehr zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 108 Abs 1 StPO hat das Gericht das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten einzustellen, wenn aufgrund der Anzeige oder der vorliegenden Ermittlungsergebnisse fest steht, dass die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung des Beschuldigten sonst aus rechtlichen Gründen unzulässig ist (Z 1), oder der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (Z 2). Gemäß § 108 Abs 2 StPO ist der Antrag bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Der Antrag auf Einstellung gemäß Abs 1 Z 2 leg cit darf frühestens drei Monate, wird dem Beschuldigten jedoch ein Verbrechen zur Last gelegt, sechs Monate ab Beginn des Strafverfahrens eingebracht werden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren einzustellen (§§ 190, 191 StPO) oder den Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten. § 106 Abs 5 letzter Satz gilt sinngemäß.

Mit Einbringung der Anklage - aber auch mit jeder anderen Form der endgültigen Beendigung des Ermittlungsverfahrens - durch die Staatsanwaltschaft ist ein Antrag auf Einstellung nicht mehr zulässig; ein bis dahin unerledigt gebliebener Antrag wird gegenstandslos (§ 210 Abs 3 letzter Satz StPO; Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 108 Rz 25; Fabrizy , StPO 13 § 108 Rz 8; RIS-Justiz RL0000140). Dennoch gestellte Anträge sind zurückzuweisen (OLG Linz 9 Bs 314/13k).

Wenngleich das Strafverfahren erst während des Rechtsmittelverfahrens eingestellt wurde, ist der bis zur Einstellung des Strafverfahrens infolge Beschwerde rechtskräftig noch nicht erledigte Antrag auf Einstellung einer inhaltlichen Entscheidung nicht mehr zugänglich. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft während eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens auf Grund einer Beschwerde gegen den die Einstellung des Ermittlungsverfahrens abweisenden Beschluss bewirkt somit, dass die Beschwerde - so wie der Antrag - gegenstandslos wird.

Die Beschwerde gegen die den „Einspruch“ abweisende Entscheidung des Landesgerichts Wels behauptet nach dem Inhalt des Vorbringens keine Verletzung eines subjektiven Rechts durch eine besondere Ermittlungsmaßnahme, sondern kritisiert tatsächlich die Weiterführung des Ermittlungsverfahrens ohne einen Anfangsverdacht als subjektive Rechtsverletzung. Damit entspricht der Einspruch inhaltlich einem Einstellungsantrag nach § 108 Abs 1 Z 1 StPO, ist doch ein Einstellungsantrag nach § 108 StPO seinem Wesen nach ein Sonderfall des Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO. Wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nicht einstellt, verletzt sie den Beschuldigten in seinem subjektiven Recht, nur solange von einem Ermittlungsverfahren betroffen zu sein, als eine realistische Überführungsmöglichkeit vorhanden ist. Stellt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren trotz Vorliegen der Voraussetzung dafür nicht ein, steht dagegen kein Einspruch zu. Abhilfe gegen solch gesetzwidriges (§ 5 Abs 1, § 190 StPO) Vorgehen der Anklagebehörde bietet als lex specialis der Einstellungsantrag nach § 108 StPO (vgl Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 108 Rz 9 ff). Der angefochtene Beschluss vom 17. Juni 2019 (ON 34) lehnt (inhaltlich) daher erneut die Einstellung des Strafverfahrens ab, weswegen auch die dagegen erhobene Beschwerde auf Grund der bereits erfolgten Einstellung des Verfahrens gegenstandslos ist.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Rechtssätze
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