JudikaturJustiz9Bl171/97

9Bl171/97 – LG Leoben Entscheidung

Entscheidung
13. November 1997

Kopf

Das Landesgericht Leoben hat als Berufungsgericht unter dem Vorsitz des Präsidenten des Landesgerichtes Dr. Wolfgang Esche sowiedurch die weiteren Richter des Landesgerichtes Dr. Hans Hladny (BE) und Dr. Andreas Haidacher im Beisein der Schriftführerin VB Anita Lassacher in der Strafsache gegen P***** J***** wegen § 162 Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Leoben gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 30.7.1997, 2 U 72/97m-7, nach der am 13.11.1997 in Gegenwart des öffentlichen Anklägers, Erster Staatsanwalt Dr. Karl Gasser, jedoch in Abwesenheit (§ 471 Abs 4 StPO) des Angeklagten P***** J*****, Gastwirt, durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft Leoben wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wird Folge gegeben, das Ersturteil aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Der Angeklagte P***** J***** ist schuldig;

er hat in M***** bzw. S***** in der Zeit von Dezember 1996 bis März 1997 ohne Einverständnis mit dem Schuldner einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners dadurch beiseite geschafft, daß er die einbehaltenen Lohnbestandteile von S 16.000,-- des R***** F***** zur Befriedigung eigener Verbindlichkeiten verwendete und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers, nämlich der betreibenden Gläubiger D***** und M***** D*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft M***** im Exekutionsverfahren 6 E 4515/96w des BG Hartberg, in diesem Ausmaße schmälerte.

Er hat hiedurch das Vergehen der Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen nach dem § 163 StGB begangen und wird hiefür nach dem § 162 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von

60 Tagessätzen zu je S 100,--

im Uneinbringlichkeitsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

und gemäß §§ 389, 390 a StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens beider Instanzen verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Geldstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 30.7.1997, 2 U 72/97m-7, wurde der Angeklagte P***** J***** von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe als Schuldner einen Bestandteil seines Vermögens beiseite geschafft, bzw. sein Vermögen verringert, indem er die von ihm als Drittschuldner einbehaltenen Lohnbestandteile des R***** F***** einbehielt und die Überweisung an die Bezirkshauptmannschaft M***** als betreibende Gläubigerin unterließ und dadurch die Befriedigung der Gläubigerin durch Zwangsvollstreckung in einem anhängigen Forderungsexektuionsverfahren geschmälert, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den erstinstanzlichen Urteilsfeststellungen beschäftigte die Firma P***** J***** KEG, deren alleiniger Geschäftsführer der Angeklagte ist, R***** F***** bis zu seiner Kündigung am 6.4.1997 als Koch. R***** F***** kam seiner durch den Beschluß des Bezirksgerichtes Kindberg, P 71/84 vom 2.11.1993, bestimmten Unterhaltspflicht für seine Kinder nicht nach, sodaß die Bezirkshauptmannschaft M***** Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von S 101.109,40 gewährte. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg, 6 E 4515/96w vom 16.10.1996 wurde der Bezirkshauptmannschaft M***** (richtig den betreibenden Parteien D***** und M***** D*****, diese vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft M*****) die Forderungsexekution nach § 294 EO gegen R***** F***** als Verpflichteten bewilligt und der Firma P***** J***** KEG als Arbeitgeberin und Drittschuldnerin das Zahlungsverbot am 18.10.1996 zugestellt. P***** J***** behielt in der Zeit von November 1996 bis März 1997 monatlich je S 4.000,-- des an R***** F***** zu zahlenden Lohnes ein, überwies jedoch lediglich einmal im November 1996 S 4.000,-- an die betreibende Gläubigerin. Die Beträge der Monate Dezember 1996 bis März 1997, insgesamt S 16.000,-- verwendete der Angeklagte zur Rückzahlung der von ihm anläßlich der Eröffnung des Betriebes aufgenommenen Kredite. Trotz Setzung einer Nachfrist durch die BH M***** bis 18.4.1997 bezahlte der Angeklagte den ausständigen Betrag erst am 4.6.1997, weshalb die BH M***** mit Schreiben vom 29.4.1997 Anzeige erstattete.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Vollstreckungsvereitelung nach § 162 StGB ein Sonderdelikt ist und daher nur der Schuldner selbst unmittelbarer Täter sein kann. Die Befriedigung eines Gläubigers kann in bezug auf eine (drohende) Zwangsvollstreckung überhaupt oder auf ein bereits anhängiges Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt oder geschmälert werden. Die von der Bezirkshauptmannschaft M***** in Exekution gezogene Sache sei der dem Vermögen des R***** F***** zuzurechnende Lohnanspruch und es könne daher nur diese Forderung dem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren entzogen werden. Schuldner jenes Verfahrens im Sinne des § 162 StGB sei nur R***** F***** als Verpflichteter, in dessen Vermögen Exekution geführt wird. Trotz Pfändung einer Lohnforderung durch Erlassung eines Zahlungsverbotes bleibt diese eine dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zustehende Forderung, die jedoch nicht dem Verpflichteten, sondern nach ihrer Überweisung dem betreibenden Gläubiger zu bezahlen ist.

Der Angeklagte, der Drittschuldner im anhänigen Zwangsvollstreckungsverfahren sei, könne daher, da die gepfändete Forderung nicht seinem Vermögen zurechenbar sei, auch keine der Tathandlungen des § 162 StGB in bezug auf das anhänige Zwangsvollstreckungsverfahren gesetzt haben.

Das Einbehalten der gepfändeten Lohnbestandteile könnte jedoch im Hinblick auf eine drohende Drittschuldnerklage und die möglicherweise folgende Zwangsvollstreckung diesen Tatbestand erfüllen. Die Gefährdung der Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung schlechthin setze als zusätzliches Erfordernis die tatsächliche Verringerung des Gesamtvermögens voraus. Der Angeklagte, der die einbehaltenen Beträge zur Rückzahlung der von ihm anläßlich seiner Geschäftseröffnung aufgenommenen Kredite verwendete, verminderte lediglich Aktiva unter gleichzeitiger Verringerung seiner Passiva, sodaß keine im Sinne des § 162 StGB strafbare Vermögensverringerung vorgenommen wurde.

§ 163 StGB pönalisiere dem gegenüber die Vollstreckungsvereitelung durch einen anderen als den Schuldner. Allein maßgebendes Vermögen ist auch hier der Lohnanspruch des R***** F*****, des in Exektuion gezogenen Schuldners. Der Bestand dieser Forderung blieb jedoch durch die Nichtzahlung an die betreibende Gläubigerin unberührt, sodaß auch der Tatbestand des § 163 StGB nicht erfüllt worden sei (Hinweis auf JBl 1993, 404f).

Da die in Exekution gezogene Sache jedenfalls die Forderung des R***** F***** und nicht der vom Gläubiger einbehaltene Betrag sei, diese Forderung an sich aber weiter bestehe, könne der Angeklagte durch die fehlende Weiterleitung des Geldes auch nicht den Tatbestand der Verstrickungsbruches gemäß § 271 StGB begangen haben.

Das Verhalten des Angeklagten, der niemals den Bestand der Forderung bzw. die Höhe des Lohnanspruches bestritten habe und auch sonst keinerlei Täuschungshandlungen setzte, könne auch nicht unter den Tatbestand des Betruges nach § 146 StGB subsumiert werden.

Da der Angeklagte in diesem Sinne keine strafbare Tat gesetzt habe, sei er gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung der Staatsanwaltschaft Leoben wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO und § 468 Abs 1 Z 2 StPO.

Eine Gegenausführung seitens des Angeklagten wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Da der Angeklagte ungeachtet gehöriger Ladung, mit welcher ihm auch die Folgen seines Ausbleibens mitgeteilt wurden, zur Berufungsverhandlung nicht erschienen ist, konnte in seiner Abwesenheit gemäß § 471 Abs 4 StPO die Berufungsverhandlung durchgeführt werden.

Der Rechtsansicht der Berufungswerberin, daß der Angeklagte als Drittschuldner im Zuge der Exekution gegen den Verpflichteten, R***** F*****, durch die Erlassung des Zahlungsverbotes und Anweisung an ihn, den einbehaltenen Lohnanteil an die Gläubiger zu leisten seinerseits als Schuldner im Sinne des § 162 Abs 1 StGB anzusehen sei, kann nicht beigetreten werden. Dies läßt sich schon daraus ableiten, daß gemäß § 308 EO gegen den säumigen Drittschuldner der betreibende Gläubiger in Vertretung des Verpflichteten berechtigt wird, das für die überwiesene Forderung begründete Pfandrecht geltend zu machen. Damit ist aber auch klargestellt, daß ein unmittelbares Vorgehen gegen den Drittschuldner aus der gegen den Verpflichteten bewilligten Forderungsexekution gegen den Drittschuldner nicht möglich ist und gegen diesen gegebenenfalls im Wege einer Drittschuldnerklage ein eigener Exekutionstitel erst geschaffen werden muß.

Das Tatbild der Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen nach § 163 StGB verwirklicht, wer ohne Einverständnis mit dem Schuldner einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners beiseite schafft und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers in einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt oder schmälert.

Wenn auch im gegenständlichen Fall aufgrund der Vermögenslage des Angeklagten als Drittschuldner von vornherein eine Vereitelung der Befriedigung der betreibenden Gläubiger nicht indiziert war, so ist jedoch die Schmälerung der Befriedigung im gegenständlichen Fall anzunehmen. Eine Schmälerung ist dann anzunehmen, wenn die Befriedigung des Gläubigers nicht voll oder später als ohne die Tathandlung erfolgt (siehe Leukauf Steininger, Strafgesetzbuch3, RN 3 und 4 zu § 163 i.V.m. RN 14 zu § 162 StGB). Gerade im Zuge einer Unterhaltsexekution, die vornehmlich darauf gerichtet ist, dem Unterhaltsberechtigten den laufenden Unterhalt zu gewährleisten, kommt einer rechtzeitigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers und somit einer Verzögerung bzw. einem Verzug der Überweisung der gepfändeten Lohnanteile besondere Bedeutung zu.

Da somit durch die vom Angeklagten zum Nachteil der betreibenden Gläubiger ohne Einverständnis mit dem Verpflichteten durch Nichtabführen der gepfändeten Lohnanteile eine dem Sinn der Exekutionsführung widerstreitende Schädigung herbeigeführt wurde, liegt daher nach Ansicht des Berufungsgericht entgegen anderen Rechtsmeinungen die Vollendung des Tatbildes des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen nach dem § 163 StGB vor, wenn auch die Bezeichnung des Vergehens mit einem Teil der in dieser Bestimmung angeführten Begehungsformen keinesfalls in Einklang steht.

Soweit nach den Berufungsausführungen der Staatsanwaltschaft Leoben die allfällige Anwendbarkeit subsidiärer Tatbestände im Sinne §§ 133, 153 bzw. 146 StBG moniert wird, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch kann eine in der Berufung angesprochene Tatidentität zwischen dem unter Anklage gestellten gegenständlichen Sachverhalt und tatbildlichem Verhalten des Angeklagten im Sinne des in der Berufung angesprochenen Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 StGB nicht entnommen werden, sodaß auch einer Unzuständigkeitsentscheidung nicht näher getreten werden kann.

Zufolge des nunmehr erfolgten Schuldspruches des Angeklagten P***** J***** wegen des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen nach § 163 StGB ist der Strafausspruch nach dem § 162 Abs 1 StGB vorzunehmen, nach welcher Gesetzesstelle Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen angedroht ist.

Bei der Strafbemessung war als mildernd zu berücksichtigen die bisherige Unbescholtenheit sowie die vollständige Schadensgutmachung kurze Zeit nach der erfolgten Anzeigenerstattung, hingegen als erschwerend nichts. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe konnte mit der Verhängung einer mit 60 Tagessätzen tat- und schuldangemessen erscheindenen Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

Bei der Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes mußte das Erstgericht von einer Schätzung des Einkommens des Angeklagten ausgehen, da er bislang im Strafverfahren keine konkreten Angaben über sein Einkommen getätigt hat. Angesichts der jedoch ersichtlichen schwierigen Wirtschaftssituation des Angeklagten als Gastwirt in der Gründungsphase kann von einem geschätzten Einkommen von monatlich S 12.000,-- bis 14.000,-- ausgegangen werden, welches mit einer Sorgepflicht für ein Kind im Alter von ca. 1 Jahr belastet ist. Die Ehegattin befindet sich in Karenz und hat somit auch ein eigenes Einkommen.

Gemäß § 19 Abs 2 StGB ist die Geldstrafe so zu bemessen, daß eine Abschöpfung der Einkommensspitze des Täters auf einen vergleichsweise geringen, dem Existenzminimum nahekommenden Betrag und zugleich eine fühlbare Herabsetzung seines Lebensstandards für die Gesamtdauer des der Anzahl der Tagessätze entsprechenden Zeitraumes eintritt (siehe Leukauf-Steininger, StGB3, RN 10 zu § 19).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ermittelt sich die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit je S 100,--.

Da der Angeklagte bisher unbescholten ist und von ihm die Schadensgutmachung kurz nach der Anzeigenerstattung auch vollständig erfolgt ist, ist mit Grund anzunehmen, daß es nicht des sofortigen Vollzuges der verhängten Geldstrafe bedarf, um den Angeklagten in Hinkunft vor gleichartigen strafbaren Handlungen abzuhalten. Da auch generalpräventive Aspekte nicht entgegenzustehen scheinen, konnte gemäß § 43 Abs 1 StGB der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe somit zur Gänze unter Setzung einer mit drei Jahren angemessen erscheinenden Probezeit vorläufig bedingt nachgesehen werden.

Die Verfällung des Angeklagten auch zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens erster und zweiter Instanz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 389 und 390 a StPO und ist eine Folge des nunmehrigen Schuldspruches.

Rechtssätze
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