JudikaturJustiz8Ra296/96b

8Ra296/96b – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1996

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen, besetzt mit dessen Senatspräsidenten Dr.Krejci als Vorsitzendem und dessen Richtern Dr.Roth und Dr.Kaspar als weiteren Senatsmitgliedern, hat in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Mag.*****, Kammerangestellte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. *****, 2. *****beide vertreten durch *****Rechtsanwalt in Graz, wegen S 112.445,07 sA, über den Rekurs der zweitbeklagten Partei (Rekursstreitwert S 20.089,08) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.10.1996, 38 Cga 19/95x-17, den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Klägerin war von 11.1.1993 bis 28.2.1995 als angestellte Buchhalterin bei der Firma Gastropaar beschäftigt.

Die Klägerin erhebt gegen die beiden Beklagten als ihre Arbeitgeber das auch im Zuge des Verfahrens nicht geänderte Klagebegehren "die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin den Betrag von S 112.445,07 samt 6,5 % Zinsen seit 1.3.1995 zu bezahlen". Im Zuge des Verfahrens bringt sie bezüglich der Haftung des Zweitbeklagten im hier wesentlichen Bereich vor, dieser habe ihr gegenüber immer wieder erklärt, er wäre mit der Erstbeklagten Gesellschafter bürgerlichen Rechtes; die Klägerin habe daher auch von seiner Arbeitgebereigenschaft ausgehen müssen.

Die Beklagten, durch denselben Rechtsanwalt im Verfahren vertreten, beantragen Klagsabweisung. Der Zweitbeklagte wendet insbesondere ein, er sei passiv nicht legitimiert, weil er lediglich stiller Gesellschafter im Unternehmen der erstbeklagten Partei gewesen sei.

Das Erstgericht verpflichtet mit dem lediglich vom Zweitbeklagten im Kostenpunkte bekämpften Urteil die erstbeklagte Partei zur Zahlung der Klagsforderung und weist das Klagebegehren gegenüber dem Zweitbeklagten mangels dessen Passivlegitimation ab. In der Kostenentscheidung verpflichtet das Erstgericht die Erstbeklagte zur Zahlung der halben Barauslagen in Höhe von S 3.445,-- an die Klägerin und zur Zahlung eines anteiligen pauschalierten Aufwandersatzes von S 2.550,-- an deren gesetzliche Interessenvertretung. Demgegenüber verpflichtet es die Klägerin, dem Zweitbeklagten anteilige Prozeßkosten in Höhe von S 20.089,08 zu ersetzen. In dieser mit § 41 ZPO begründeten Kostenentscheidung führt das Erstgericht im wesentlichen aus, der Klägerin sei, da sie gegenüber einem von zwei Beklagten obsiegt habe, gegenüber dem anderen aber unterlegen sei, der Ersatz der Hälfte der Gesamtkosten der beiden beklagten Parteien gegenüber dem obsiegenden Zweitbeklagten aufzuerlegen und die Hälfte ihrer eigenen Kosten gegenüber der unterlegenen Erstbeklagten zuzusprechen. Der Schriftsatz der beklagten Parteien vom 7.12.1995 sei nicht nach TP 3, sondern nach TP 1 zu honorieren gewesen, weil nur die Urkundenvorlage aufgetragen worden sei.

Der Rekurs des Zweitbeklagten, mit welchem dieser den Zuspruch eines Kostenbetrages von S 41.088,60 mit zusammengefaßter Begründung begehrt, der Schriftsatz vom 7.12.1995 sei nach TP 3 zu honorieren und gebühre ihm voller Kostenersatz ohne Streitgenossenzuschlag, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Ergebnis zutreffend hat das Erstgericht den Schriftsatz vom 7.12.1995 (ON 12) mit Streitverkündigung an den Steuerberater des Zweitbeklagten nach Tarifpost 1 RATG honoriert, weil sich die mit diesem Schriftsatz erfolgte Streitverkündigung mit dem vorbereitenden Schriftsatz vom 30.6.1995 (ON 6) kostensparend hätte verbinden lassen (§ 22 RATG) und Gegenteiliges weder aktenkundig ist, noch hiefür eine Bescheinigung angeboten wurde.

Auch in der zweiten aufgeworfenen Frage ist dem Erstgericht aus nachstehenden Gründen zu folgen:

Ob mangels eines Begehrens der Klägerin gegenüber den in Anspruch genommenen zwei Beklagten zur Zahlung des geforderten Klagsbetrages zur ungeteilten Hand - wie vom Erstgericht offenbar angenommen - ein Begehren auf Zahlung der gesamten Klagssumme von jedem der Beklagten gestellt wurde, kann infolge der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache dahingestellt bleiben.

Während der Oberste Gerichtshof und die sonstige ältere Judikatur (vgl die Zusammenstellung bei Michael Bydlinsky, Kostenersatz im Zivilprozeß, 398 ff) in Anwendung des Grundsatzes der Kostenersatzvereinfachungsgrundregeln bei Vertretung zweier Prozeßparteien durch einen Rechtsanwalt - wesentliche Verschiedenheit des Prozeßaufwandes bzw Anteiles am Streitgegenstand durch divergierende Sachvorbringen ausgenommen - davon ausgehen, daß die Parteien nach Kopfteilen für die auf ihrer Seite anerlaufenen Kosten aufzukommen haben und daher ein Kostenzuspruch nach Maßgabe des Obsiegens auch nur nach Kopfteilen zu erfolgen habe, vertritt ein Teil der jüngeren Judikatur (vgl die ausführliche Zusammenstellung in OLG Wien, 6 R 531/95 = RZ 1995/98 bzw OLG Innsbruck, 4 R 53/94 = RZ 1996/1) mit M. Bydlinsky (aaO 401) den Standpunkt, daß der obsiegende Beklagte vollen Kostenersatz beanspruchen könne, während der unterliegende Beklagte vollen Kostenersatz schulde. Dieser Auffassung kann sich das Rekursgericht aus folgenden Gründen nicht anschließen.

Im Zweifel kann nicht davon ausgegangen werden, daß in der Hauptsache zwar solidarisch in Anspruch genommene, tatsächlich aber nicht solidarisch haftende Beklagte gegenüber ihrem gemeinsamen anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten für die Vertretungskosten solidarisch haften. Von einer Gesamtschuld im Sinne einer passiven Korrealität nach Maßgabe der §§ 891 ff kann nur dort gesprochen werden, wo eine Mehrheit von Schuldnern aufgrund eines Vertrags oder Gesetzes dem Gläubiger gegenüber in einem persönlichen Verpflichtungsverhältnis für dieselbe Schuld steht, sohin jeder einzelne Schuldner aufgrund eines selbständigen Verpflichtungsgrundes persönlich mit seinem eigenen Vermögen für die Schuld haftbar ist (SZ 32/157 = JBl 1960, 256). Den in MGA des ABGB34 zu § 891 ABGB unter E 9 zitierten Entscheidungen zur solidarischen Kostenhaftung einer Mehrheit von Auftraggebern gegenüber einem Rechtsanwalt liegt jeweils eine spezifische Fallkonstellation zugrunde. Zwar erscheint der hinter den Kostenersatzüberlegungen Michael Bydlinskys und von Teilen der neueren Judikatur stehende Grundgedanke, daß ein (im Ergebnis zu Unrecht) mit in Anspruch genommener Beklagter nicht (auch nur vorläufig) einen Teil der Kosten selbst zu tragen verpflichtet und insoweit auch nicht auf einen Regreßanspruch gegenüber unterliegenden Streitgenossen verwiesen werden soll, unter dem Gesichtspunkt des § 41 ZPO, der dem Obsiegenden grundsätzlich einen Kostenersatzanspruch gegenüber dem unterliegenden Prozeßgegner gewährleistet, durchaus im Einzelfall nicht unvertretbar; dies besonders dann, wenn einer von mehreren Beklagten in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang zu den weiteren Beklagten steht (zB bei Namensvertauschungen). Doch kann eine in das Verfahren prozessual einbezogene Partei dieser - wirtschaftlichen - Gefahr dadurch begegnen, daß sie sich entweder einer - bei solcher Sachlage jedenfalls vertretbaren - Beauftragung eines anderen Rechtsanwaltes und damit der Wahrung eines Ersatzanspruches für die gesamten eigenen Vertretungskosten bedient oder sich bei Beauftragung eines gemeinsamen Vertreters durch mehrere Prozeßparteien diesem Vertreter gegenüber vertraglich lediglich zur Kostenkopfteiltragung verpflichtet. Bedienen sich jedoch die mehreren Prozeßparteien auf einer Seite desselben Rechtsanwaltes, reduziert sich der Kostentragungsanspruch gemäß §§ 1 Abs 2 und 15 RATG sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und den von ihm vertretenen Parteien, als auch bei Bestimmung der Kosten, die der Gegner zu ersetzen hat, dahin, daß nur einmal die durch den Streitgenossenzuschlag erhöhten Kosten gebühren.

In Übereinstimmung mit den Überlegungen Michael Bydlinskys (aaO) ist - abgesehen von Fällen erheblicher Verschiedenheit der Beteiligung am Prozeß und unter Ablehnung der teilweise in der deutschen Judikatur vertretenen Auffassung, daß Kostenersatz bei Nachweis eines überproportionalen Aufwandes einer Partei nach dem tatsächlich geleisteten (oder gebührenden) Aufwand zustehe - bei Kostenentscheidungen den Grundgedanken der Vereinfachung möglichst Rechnung zu tragen und kein eigenes Kostenverfahren mit eventuell umfangreicher Beweisaufnahme und/oder Bescheinigung über interne Kostentragungspflichten auf einer Seite abzuführen. Auch ist bei anderer Auffassung nicht nachzuvollziehen, wie etwa bei mehreren auf einer Seite auftretenden, durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertretenen Parteien, von denen einige obsiegen, voller Kostenzuspruch (ohne Streitgenossenzuschlag) an die Obsiegenden erfolgen könnte, ohne die sich aus dem RATG ergebenden Beschränkungen zu mißachten. Weiters würde sich bei vollständigem Obsiegen eines Beklagten gegenüber dem Kläger und jeweils halbem Prozeßerfolg des Klägers und des weiteren Beklagten bei konsequenter Verfolgung der Judikatur laut 6 R 531/95 des OLG Wien ergeben, daß der Kläger dem obsiegenden Beklagten Kostenersatz (ohne Streitgenossenzuschlag) zu leisten hätte, zwischen dem Kläger und dem weiteren Beklagten es zur Kostenaufhebung kommt, sodaß der Kläger mit den eigenen und weitgehend den Kosten der Beklagten belastet wird, hingegen der nur halben Prozeßerfolg aufweisende weitere Beklagte nur mit dem Streitgenossenzuschlag auf Seiten der Beklagten belastet würde.

Das Rekursgericht geht daher weiterhin von dem Grundsatz aus, daß bei einer gleichzeitigen Entscheidung über das Klagebegehren eines Klägers, der zwei oder mehrere Beklagte unter der Behauptung der Solidarhaftung in Anspruch nimmt und nur gegen einen Beklagten obsiegt, gegen andere aber unterliegt, vom (von den) unterlegenen Beklagten Kosten nur nach Kopfteilen zu ersetzen sind, während umgekehrt Kostenersatzanspruch der obsiegenden Beklagten ebenfalls nur nach Kopfteilen zusteht.

Es ist spruchgemäß zu beschließen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

G r a z , am 6. Februar 1997

An die

Mitglieder der R bzw Ra/Rs-Senate

des Oberlandesgerichtes Graz

Der Senat 8 des OLG Graz ist derzeit mit einer Kostenfrage befaßt, in der in der Judikatur anderer Oberlandesgerichte erhebliche Auffassungsunterschiede bestehen (OLG Wien in RZ 1995/98 bzw OLG Innsbruck RZ 1996/1). Der Senat 8 vertritt - nach Diskussion - einhellig die im beigeschlossenen Entscheidungsentwurf ausgedrückte Rechtsauffassung, ist jedoch der Meinung, daß auch Michael Bydlinsky und die an diesen angelehnte Judikatur durchaus beachtliche Argumente für seinen/ihren Standpunkt vorbringen, insbesondere, daß der zu Unrecht belangte Beklagte nicht mit dem wirtschaftlichen Risiko eines Regresses gegen den/die weiteren Beklagten belastet werden sollte. Eine einheitliche Auffassung zumindest für den Bereich des Oberlandesgerichtes Graz wäre wünschenswert. Der Senat 8 wäre bei mehrheitlich anderer Auffassung der OLG Zivilsenate auch zu einem Abgehen von der im Entwurf geäußerten Ansicht bereit.

Es wird daher gebeten, die Auffassung der jeweiligen Senate zu dieser Problematik zu erörtern und - bei abweichender Meinung bzw zusätzlichen Begründungsgedanken - dem Senat 8 zu Handen des Referenten Dr.Kaspar mitzuteilen (bitte bis 10.2.1997).

PS: Zu der ebenfalls divergierenden Auffassung anderer Oberlandesgerichte bezüglich des Kostenzuspruches bei Erlassung eines Versäumungsurteiles gegen einen von mehreren Beklagten vertritt der Senat 8 die Auffassung, daß hier ein Kostenzuspruch in voller Höhe ohne Streitgenossenzuschlag zu erfolgen hätte; dies aufgrund der gesetzlichen Anordnungen in §§ 52 Abs 1 und 53 Abs 1 ZPO einerseits bzw § 396 ZPO andererseits, wonach das tatsächliche Vorbringen des Klägers für wahr zu halten ist, sodaß im Entscheidungszeitpunkt auch von einer - bestehenden - Solidarverpflichtung der weiteren Beklagten auszugehen ist.

Rechtssätze
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