JudikaturJustiz8Bs262/93

8Bs262/93 – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 1993

Kopf

Beschluß.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat am 22.6.1993 durch seinen 8. Senat in der Strafsache gegen M wegen § 12 Abs 1 SGG und anderer Delikte über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 12.5.1993, GZl 20 Vr 1453/93-20, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4.5.1993, 20 Vr 1453/92, wurde der bislang unbescholtene M (zu I) wegen Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, (zu II) wegen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG und zu (III) wegen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig gesprochen. Darnach hat M

I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen

Menge aus der Schweiz aus- und nach Österreich eingeführt sowie in Vorarlberg teilweise in Verkehr gesetzt und zwar:

II)in Vorarlberg und der Schweiz außer den Fällen der §§ 12 und 14a

SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar von 1989 bis Ende Februar 1993 Heroin und zwei- bis dreimal Kokain konsumiert;

III) gemeinsam mit N am 2.1.1993 in Feldkirch Verfügungsberechtigten der Drogenberatungsstelle Hiob durch Einsteigen, somit durch Einbruch in ein Gebäude, fünfeinhalb Kisten Leergut im Wert von

S 512,-- gestohlen.

M wurde hiefür nach § 129 StGB in Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten verurteilt. Aus diesem Urteil ergibt sich auch, daß der Genannte dem Mißbrauch von Suchtgiften ergeben ist. Nach dem Gutachten des Amtsartzes der Bezirks hauptmannschaft Feldkirch (ON 3 in ON 20) ist bei M wegen der Gewöhnung eine ärztliche Behandlung unentbehrlich. Weiters ergibt sich aus dem Akt (ON 10), daß das Leergut beim Einbruch in die Drogenberatungsstelle H in Feldkirch am 2.1.1993 deshalb gestohlen wurde, um aus dem Erlös eine Portion Heroin kaufen zu können. Mit dem angefochtenen Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 12.5.1993 (ON 30) wurde über Antrag des Verurteilten der Vollzug der über M verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 23a Abs 1 SGG bis 15.6.1994 aufgeschoben und dem Verurteilten die Weisung erteilt, sich einer stationären Therapie seiner Drogen abhängigkeit zu unterziehen und bis 20.6.1993 den Nachweis über den Therapieantritt zu erbringen sowie sich des Gebrauches von Suchtgiften zu enthalten. Gegen diesen Beschluß richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des öffentlichen Anklägers mit der Begründung, daß zwar bei M die Suchtgiftdelikte im Vordergrund stehen, strafsatzbestimmend aber nicht das Suchtgiftdelikt gewesen sei, weshalb die Anwendung des § 23a Abs 1 und Abs 2 "StPO" (richtig: SGG) nicht in Frage kommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Sinn und Zweck der durch die Suchtgiftnovelle 1985, BGBl 1985/184, neu eingeführten Bestimmung des § 23a SGG war, einem dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergebenen Verurteilten einen sonst nicht oder nicht in diesem Ausmaß möglichen Strafaufschub zwecks Durchführung einer Drogenbehandlung zu verschaffen und bei erfolg reichem Abschluß der Behandlung die nachträglich bedingte Strafnachsicht zu gewähren. Nach der Intention des Gesetzgebers sollen mit den Bestimmungen des § 23a Abs 1 und Abs 2 Rechtsbrecher, die dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergeben und nach dem Suchtgiftgesetz straffällig geworden sind, dazu motiviert werden, sich freiwillig der notwendigen ärztlichen Behandlung ihrer Sucht zu unterziehen, weil eine erfolgreiche Entwöhnung entscheidend zur Vermeidung künftiger einschlägiger Delinquenz beizutragen vermag; hat sich ein suchtgiftabhängiger Verurteilter nach Rechtskraft des gegen ihn gefällten Strafurteils mit Erfolg dieser ärztlichen Behandlung unterzogen, so soll seine damit bekundete Resozialisierungsbereitschaft dadurch honoriert werden können, daß die urteilsmäßig über ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht vollzogen, sondern nachträglich bedingt nachgesehen wird (vgl JAB 586 BlgNR 16. GP, 3, 7; Foregger-Litzka, SGG2 Anm I und II zu § 23a; EvBl 1989/155). Der Wortlaut der Bestimmung des § 23a SGG ist nicht so zu verstehen, daß ein Strafaufschub und eine nachträgliche Strafnachsicht nur möglich ist, wenn die Strafe ausschließlich wegen Straftaten nach dem SGG ausgesprochen wird, wohl aber findet § 23a keine Anwendung auf eine Strafe, die ein Rauschgiftsüchtiger nur wegen eines anderen Deliktes erhalten hat. Wenn schon durch die Bestimmung des § 23a SGG dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergebenen Verurteilten geholfen werden soll, so kann der Umstand, daß dieser außer Straftaten nach dem SGG auch wegen eines Deliktes nach dem StGB, für das zudem keine höhere Strafobergrenze als für die Suchtgiftdelikte gegeben ist, verurteilt wird, nicht dazu führen, diesem Drogenabhängigen eine notwendige Behandlung im Rahmen eines Strafaufschubes nicht zu ermöglichen, und zwar lediglich deshalb, weil für das Delikt nach dem StGB - im vorliegenden Fall Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach § 129 StGB - eine Strafuntergrenze von 6 Monaten gegeben ist, während der Strafrahmen für das Verbrechen nach dem SGG keine Strafuntergrenze vorsieht. Da die Anwendung des § 23a Abs 2 SGG, also die nachträgliche Strafnach sicht bei erfolgreichem Therapieabschluß, auch dann nicht gänzlich ausgeschlossen ist, falls die Freiheitsstrafe für eine Straftat nach dem StGB und dem SGG verhängt wurde, sondern in einem solchen Fall zu prüfen ist, ob für das Delikt eine bedingte Strafe verhängt worden wäre (siehe Mayerhofer/Rieder, Das österreichische Strafrecht, dritter Teil, Nebenstrafrecht, Anm 4 zu § 23a SGG), so kann auch die Verurteilung wegen eines (Einbruchs )Diebstahls, der zudem begangen wurde, um sich dadurch Geld zur Finanzierung von Suchtgift zu verschaffen, die Anwendung des § 23a Abs 1 SGG nicht unmöglich machen. Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, daß dem unbescholtenen M für den einen Einbruchsdiebstahl allein jedenfalls die bedingte Nachsicht der Strafe gewährt worden wäre, sodaß er bei erfolgreichem Abschluß der Drogenbehandlung in den Genuß der nachträglichen bedingten Strafnachsicht nach § 23a Abs 2 SGG kommen könnte. Dies aber setzt wiederum voraus, daß ihm die stationäre Drogenbehandlung durch einen Strafaufschub ermöglicht wird. Der Beschluß des Erstgerichtes, mit dem M gemäß § 23a SGG ein Strafaufschub bis 15.6.1994 unter Erteilung der Weisung, sich einer stationären Therapie zu unterziehen und sich des Gebrauches von Suchtgiften zu enthalten, gewährt wurde, war somit zu bestätigen.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen