JudikaturJustiz7Ra9/24f

7Ra9/24f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Derbolav-Arztmann und Mag. Heß-Palas in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Dr. A*, MBA, geboren am **, **, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, **, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, wegen Rechnungslegung und Zahlung (EUR 120.000,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.12.2023, 22 Cga 22/23y-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

B eschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der in Ansehung des Ausschlusses der Öffentlichkeit gemäß § 172 Abs 2 ZPO iVm § 26 UWG in Rechtskraft erwachsen ist, dahin abgeändert, dass er insgesamt zu lauten hat:

Der Antrag der beklagten Partei zur Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren gemäß § 26h UWG auf folgende Maßnahmen (Hervorhebung durch das Rekursgericht):

1. Die Offenlegung der von der Beklagten behaupteten Geschäftsgeheimnisse, nämlich des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens eines Patentanwaltes, welches auf die Geschäftsgeheimnisse der Beklagten Bezug nimmt, müssen nur gegenüber einem vom Gericht bestellten Sachverständigen erfolgen.

2. Der bestellte Sachverständige wird vom Gericht angewiesen, dem Gericht eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen über Geschäftsgeheimnisse der Beklagten enthält.

3. Das Gericht wird weiters die zur Beurteilung sämtlicher Unterlagen, den Befund und das Gutachten zu Geschäftsgeheimnissen als solche kennzeichnen. Diese Aktenbestandteile sind vom Recht auf Akteneinsicht ausgenommen.

4. Die schriftlichen Aufzeichnungen des Sachverständigen sowie des Privat-Gutachtens der Beklagten sowie sonstige schriftlichen Aufzeichnungen, die ein Geschäftsgeheimnis der Beklagten beinhalten, sind in einem gesonderten Aktenteil zu verwahren, die weder dem Kläger noch Dritten zugänglich sind.

5. Alle Personen, die auf Grund der Teilnahme in diesem Verfahren oder des Zugangs zu den Dokumenten, in welchen Geschäftsgeheimnisse oder behauptete Geschäftsgeheimnisse der Beklagten enthalten sind, Kenntnis erlangen, werden vom Gericht verpflichtet, das Geschäftsgeheimnis oder behauptete Geschäftsgeheimnisse geheim zu halten. Dies gilt auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

6. Die betroffenen Personen werden vom Gericht über die Verpflichtung, dass Geschäftsgeheimnisse weder genutzt noch offen gelegt werden dürfen, belehrt. Diese Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

7. Das Gericht wird bei der schriftlichen Abfassung der Entscheidung eine Fassung herstellen, in der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Passagen gelöscht werden. Lediglich diese nicht vertrauliche Fassung ist als solche zu kennzeichnen und auch für Personenkreise außerhalb des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses und des Gerichts zu treffen, wird abgewiesen .

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.387,04 (darin EUR 397,84 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt Rechnungslegung sowie Abgeltung hinsichtlich verschiedener im Verfahren genauer bezeichneter Dienstnehmererfindungen, die die Beklagte nutze.

Die Beklagte bestritt und führte im Wesentlichen aus, dass die vom Kläger behaupteten Erfindungen nicht patentfähig seien, von ihr nicht genutzt würden und er sie auch nicht gegenüber der Beklagten gemeldet habe. Die Beklagte wendete weiters ein, dass sie durch die Vorlage der vom Kläger beantragten Unterlagen – bei denen es sich jedenfalls nicht um gemeinsame Urkunden handle – Geschäftsgeheimnisse offen legen müsse. Durch die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse würde deren Schutz verloren gehen.

IdF beantragte die Beklagte zur Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren gemäß § 26h UWG folgende Maßnahmen (Hervorhebung durch das Rekursgericht):

1. Die Offenlegung der von der Beklagten behaupteten Geschäftsgeheimnisse, nämlich des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens eines Patentanwaltes, welches auf die Geschäftsgeheimnisse der Beklagten Bezug nimmt, müssen nur gegenüber einem vom Gericht bestellten Sachverständigen erfolgen.

2. Der bestellte Sachverständige wird vom Gericht angewiesen, dem Gericht eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen über Geschäftsgeheimnisse der Beklagten enthält.

3. Das Gericht wird weiters die zur Beurteilung sämtlicher Unterlagen, den Befund und das Gutachten zu Geschäftsgeheimnissen als solche kennzeichnen. Diese Aktenbestandteile sind vom Recht auf Akteneinsicht ausgenommen.

4. Die schriftlichen Aufzeichnungen des Sachverständigen sowie des Privat-Gutachtens der Beklagten sowie sonstige schriftlichen Aufzeichnungen, die ein Geschäftsgeheimnis der Beklagten beinhalten, sind in einem gesonderten Aktenteil zu verwahren, die weder dem Kläger noch Dritten zugänglich sind.

5. Alle Personen, die auf Grund der Teilnahme in diesem Verfahren oder des Zugangs zu den Dokumenten, in welchen Geschäftsgeheimnisse oder behauptete Geschäftsgeheimnisse der Beklagten enthalten sind, Kenntnis erlangen, werden vom Gericht verpflichtet, das Geschäftsgeheimnis oder behauptete Geschäftsgeheimnisse geheim zu halten. Dies gilt auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

6. Die betroffenen Personen werden vom Gericht über die Verpflichtung, dass Geschäftsgeheimnisse weder genutzt noch offen gelegt werden dürfen, belehrt. Diese Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

7. Das Gericht wird bei der schriftlichen Abfassung der Entscheidung eine Fassung herstellen, in der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Passagen gelöscht werden. Lediglich diese nicht vertrauliche Fassung ist als solche zu kennzeichnen und auch für Personenkreise außerhalb des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses und des Gerichts zu verwenden.

Zudem stellte die beklagte Partei den Antrag gemäß § 172 Abs 2 ZPO, die Öffentlichkeit von diesem Verfahren auszuschließen, weil im Rahmen des Rechtsstreites auch Geschäftsgeheimnisse der Beklagten erörtert werden müssten.

Der Kläger sprach sich gegen sämtliche Maßnahmen gemäß § 26h UWG, nicht jedoch gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Abs 2 ZPO aus.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 11.10.2023 (ON 17) fasste das Gericht – neben dem hier nicht mehr relevanten Beschluss auf Ausschluss der Öffentlichkeit – den Beschluss, dass zu § 26h UWG folgende Maßnahmen getroffen werden:

1. Die Offenlegung der von der beklagten Partei behaupteten Geschäftsgeheimnisse, nämlich des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens seines Patentanwaltes, welches auf die Geschäftsgeheimnisse der beklagten Partei Bezug nimmt, müssen nur gegenüber dem vom Gericht bestellten SV erfolgen. Der vom Gericht bestellte SV wird vom Gericht angewiesen, dem Gericht eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen über die Geschäftsgeheimnisse der beklagten Partei enthält.

Das Gericht wird sämtliche Schriftstücke, die ein Geschäftsgeheimnis der beklagten Partei beinhalten, in einem gesonderten Aktenteil verwahren, die weder dem Kläger, noch Dritten, noch dem Gericht zugänglich sind.

Alle Personen, die auf Grund der Teilnahme an diesem Verfahren oder des Zugangs zu Dokumenten, in welchem Geschäftsgeheimnisse oder behauptete Geschäftsgeheimnisse der Beklagten enthalten sind, Kenntnis erlangen, werden vom Gericht verpflichtet, das Geschäftsgeheimnis oder behauptete Geschäftsgeheimnisse geheim zu halten. Das gilt auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

Die betroffenen Personen werden vom Gericht über die Verpflichtung, dass Geschäftsgeheimnisse weder genutzt noch offen gelegt werden dürfen, belehrt. Diese Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens.

Die jetzt nicht erwähnten Punkte 3. und 7. des Antrages werden abgewiesen.

In der schriftlichen Ausfertigung dieses Beschlusses (ON 18) führte das Erstgericht begründend aus:

Auf Grund des derzeitigen Verfahrensstandes steht nicht fest, ob die vom Kläger aufgezeigten technischen „Erfindungen“ patentierbar sind oder nicht.

Zur Feststellung dieser Tatsache ist die Einholung des Sachverständigen-Gutachtens erforderlich.

Es ist nicht auszuschließen, dass die beklagte Partei zum Beweis ihrer Behauptungen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse offen legen müsste, wodurch der Schutz der Geschäftsgeheimnisse verloren gehen würde.

Zum Schutz dieser Geschäftsgeheimnisse waren die obigen Einschränkungen zu treffen.“

Gegen diesen Beschluss – soweit die darin angeführten Maßnahmen zu § 26h UWG getroffen werden – richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Antrag der beklagten Partei vom 27.6.2023 die dort näher angeführten Maßnahmen gemäß § 26h UWG zu treffen, zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

In seiner ausschließlich erhobenen Rechtsrüge zitiert der Rekurswerber den Wortlaut des § 26h UWG und verweist darauf, dass diese (durch die UWG-Novelle 2018 eingefügte) Bestimmung auf die RL (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung zurückgehe. Gemäß Art. 9 Abs 1 der RL (EU) 2016/943 sei der dort vorgesehene verfahrensrechtliche Schutz dann zu gewähren, wenn es sich um ein Verfahren handle, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand habe.

In diesem Sinn sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der verfahrensrechtliche Geheimnisschutz des § 26h UWG auf Verfahren beschränkt, die den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses gemäß §§ 26c ff UWG zum Gegenstand haben (RS0134048).

In der ersten dazu ergangenen Entscheidung vom 30.5.2022 (2 Ob 68/22x) habe der Oberste Gerichtshof dazu festgehalten, dass § 26h UWG keine sondergesetzlich geregelte Grundlage zur Einschränkung von Parteienrechten (hier konkret: des einer Partei zustehenden Rechts auf Akteneinsicht) darstelle.

In einer weiteren zu dieser Frage ergangenen Entscheidung vom 12.9.2023 (4 Ob 52/23k) sei die in der Entscheidung 2 Ob 68/22x dargelegte Rechtsansicht, dass der verfahrensrechtliche Geheimnisschutz gemäß § 26h UWG auf Verfahren gemäß §§ 26c ff UWG beschränkt sei (unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Entscheidung) bestätigt worden.

Es liege somit eine durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärte Rechtsfrage vor.

Die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes decke sich auch mit der überwiegenden Auffassung in der Lehre.

Beim gegenständlichen Verfahren, das auf Vergütungen für Diensterfindungen eines ehemaligen Arbeitnehmers gerichtet sei, handle es sich nicht um ein Verfahren nach den Bestimmungen der §§ 26c ff UWG (Verfahren, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand habe).

Die Bestimmung des § 26h UWG sei somit im gegenständlichen Verfahren nicht anwendbar. Es fehle daher an einer Rechtsgrundlage für die vom Erstgericht auf diese Bestimmung gestützten Maßnahmen.

Die Beklagte bestreitet in ihrer Rekursbeantwortung die Einschlägigkeit der vom Rekurswerber angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen und vermeint, dass jene Autoren, die sich mit dem Geheimnisschutz genauer befasst hätten, zu dem Ergebnis kämen, dass § 26h UWG auch in Passivverfahren heranzuziehen seien. Geschäftsgeheimnisse seien auch in Entlassungsprozessen zu beachten, in denen der beklagte Arbeitgeber zur Rechtfertigung der bekämpften Maßnahme darzulegen habe, dass ein rechtswidriger Geheimnisbruch stattgefunden habe. Nichts anderes gelte auch im gegenständlichen Verfahren.

Der Kläger unterliege auf Grund des Dienstvertrages einer umfassenden Verschwiegenheitsverpflichtung, die alle betrieblichen Angelegenheiten, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse umfasse. Diese Geheimhaltungsverpflichtung bestehe auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses.

Durch die Vorlage der vom Kläger im Verfahren beantragten Unterlagen sowie durch Vorlage anderer interner und dokumentierter Verfahrensabläufe würde es zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und damit zum Verlust dieser kommen.

Das Rekursgericht hat erwogen:

Der Rekurswerber hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof zunächst in seiner Entscheidung 2 Ob 68/22x [Erwägungsgrund 24] klargestellt hat, dass nach der Richtlinie (EU) 2016/943 der verfahrensrechtliche Geschäftsgeheimnisschutz nur dann zu gewähren ist, wenn es sich um ein Verfahren handelt, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand hat. Die Norm ist daher nicht anwendbar, wenn das Geschäftsgeheimnis nur beiläufig zutage tritt. Es werden lediglich Verfahren nach § 26c UWG erfasst, bei denen die rechtswidrige Erlangung oder Verwendung des Geschäftsgeheimnisses den Verfahrensgegenstand an sich bildet. ….

Auch in der Entscheidung 4 Ob 52/23k führte der Oberste Gerichtshof aus: „… dass der verfahrensrechtliche Geheimnisschutz des § 26h UWG auf Verfahren beschränkt ist, die den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses gemäß § 26c ff UWG zum Gegenstand haben (RS0134048). Bei der Auslegung der nationalen Vorschrift haben sich die Gerichte so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren (RS0075866). Nach der Richtlinie ist der verfahrensrechtliche Geschäftsgeheimnisschutz nur dann zu gewähren, wenn es sich um ein Verfahren handelt, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand hat. Es werden lediglich Verfahren nach § 26c UWG erfasst, bei denen die rechtswidrige Erlangung oder Verwendung des Geschäftsgeheimnisses den Verfahrensgegenstand an sich bildet (Thiele in Wiebe/Kodek, UWG² § 26h Rz 10; Rassi, Prozessualer Vertraulichkeitsschutz – zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie im Verfahrensrecht, ibCompetence 2019/21, 28).

Thiele ( in Wiebe/Kodek, UWG² § 26h) nimmt in den Rz 10ff ausführlich Stellung zu den Anwendungsvoraussetzungen des § 26h UWG. Aus der Ausnahmeregelung des § 26h UWG gehe weniger deutlich als aus Art. 9 Abs 1 der RL hervor, dass die Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen „im Verlauf von Gerichtsverfahren“ nicht jede zivile Streitigkeit betreffe, sondern lediglich solche nach § 26c UWG. Die rechtswidrige Erlangung oder Verwendung des Geschäftsgeheimnisses bilde vielmehr den Verfahrensgegenstand (Rz 10).

Die Wahrung der Vertraulichkeit könne auch zur Rechtsverteidigung, also vom Beklagten, in Anspruch genommen werden. Dies sei etwa bei Kündigungs- oder Entlassunganfechtungen sowie bei gesellschaftsrechtlichen Verfahren denkbar, wo zur Rechtfertigung der bekämpften Maßnahme auf einen Geheimnisbruch referenziert werde (Rz 11).

Auch Rassi (Geheimnisschutz-Verfahren nach der UWG-Novelle 2018, Ecolex 2019, 142) weist darauf hin, dass nach der Richtlinie der verfahrensrechtliche Schutz dann zu gewähren sei, wenn es sich um ein Verfahren handle, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand habe.

Bei der Gewährung des Geheimnisschutzes unterscheide das Gesetz (richtlinienkonform) nicht, welche Partei eine Verletzung ihres Geheimnisses geltend mache. So seien auch Situationen möglich, bei denen der Beklagte als Inhaber eines Geheimnisses verfahrensrechtlichen Geheimnisschutz zur effektiven Rechtsverteidigung benötige. Zu denken sei in etwa an einen Arbeitsrechtsprozess, bei dem der beklagte Arbeitgeber die Entlassung des klagenden Arbeitnehmers mit dem Bruch von Geheimnissen rechtfertige. Auch hier sei das Geheimnis „Gegenstand“ des Verfahrens.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass § 26h UWG nur Zivilverfahren betrifft, in denen die (behauptete) oder stattgefundene Verletzung von Geschäftsgeheimnissen dem Streitgegenstand iSd ZPO immanent ist. Auch Baumgartner/Gutbrunner (Geheimnisschutz – Zivilverfahren in Lexis briefings Wirtschaftsrecht Juli 2023) gehen davon aus, dass ein erklärtes Ziel der Geschäftsgeheimnis-RL war, wirksame Maßnahmen und Verfahren gegen den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder die rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen zu schaffen. Diese Regelungen seien auch außerhalb des klassischen Wettbewerbsrechts anzuwenden, nämlich immer dann, wenn im Rahmen eines Zivilverfahrens die Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses behauptet werde.

Streitgegenstand ist vorliegend allerdings ausschließlich das Begehren des Klägers auf Abgeltung von ihm behaupteter Dienstnehmererfindungen.

Die beklagte Partei hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Kläger das „Know-How“ für dessen Zur-Verfügung-Stellung an die Beklagte er – auch im Zusammenhang mit Rechnungslegung – einen Vergütungsanspruch geltend macht – rechtswidrig erlangt, benutzt oder offengelegt hätte.

Eine Anwendbarkeit des § 26h UWG auf das gegenständliche Verfahren scheidet somit nach Auffassung des Rekurssenates aus.

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei kann der vorliegende Fall nicht mit dem von Rassi (aaO) erwähnten Beispiel, in dem der beklagte Arbeitnehmer sich auf § 26h UWG berufen kann, wenn er im „Entlassungsprozess“ nachweisen muss, dass er den Kläger wegen rechtswidrigen Erwerbs, rechtswidriger Nutzung oder rechtswidriger Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen entlassen hat, gleichgestellt werden. Im „Entlassungsprozess“ handelt es sich zwar formell um einen Anspruch des Klägers auf Unwirksamerklärung der Entlassung, Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses oder Ansprüche aus ungerechtfertigter Entlassung. Diese Begehren setzen allerdings die vom Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung wegen der (behaupteten) Verletzung von Geschäftsgeheimnissen voraus, sodass der Streitgegenstand (auch) durch die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen definiert wird.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch der Wortlaut des § 26h Abs 1 UWG für diese Auffassung spricht. Nach Satz 1 leg.cit ist die Information, von welcher der Inhaber behauptet, dass sie ein Geschäftsgeheimnis sei, im Verfahren zunächst zur so weit offenzulegen, als es unumgänglich ist, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses sowie seiner Verletzung (Hervorhebung durch den Rekurssenat) glaubhaft darzulegen. …

Mangels Anwendbarkeit des § 26h UWG auf das vorliegende Verfahren war daher in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses der Antrag der Beklagten auf Maßnahmen nach § 26h UWG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 2 ASGG, 41, 50 ZPO, zumal vorliegend ein Zwischenstreit vorliegt.

Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist und somit eine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung stand.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen