JudikaturJustiz7Ra267/96f

7Ra267/96f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
14. November 1996

Kopf

B e s c h l u ß

Spruch

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Manfred Puster als Vorsitzenden, die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Monika Klobassa und Dr.Peter Klimann sowie die fachkundigen Laienrichter Annemarie Pauritsch (Arbeitgeber) und Rudolf Trummer (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V*****, *****, Graz, vertreten durch Dr.Johannes *****und Dr.Alexander *****, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Hermann H*****, *****, Bärnbach, vertreten durch Mag.Ursula *****, Rechtsreferentin *****Graz, wegen Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. August 1996, GZ 35 Cga 99/96s-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Der Kläger hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat das Dienstverhältnis zum Beklagten mit dem Schreiben vom 22.3.1996 zum 15.5.1996 gekündigt. Der Beklagte hat diese Kündigung mit der Klage vom 29.3.1996 zu 38 Cga 55/96t des LG für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht angefochten, weil sie aus einem verpönten Motiv (beabsichtigte Kandidatur des Beklagten bei der nächsten Betriebsratswahl) erfolgt sei und sie sich außerdem als sozial ungerechtfertigt erweise. Dieses Kündigungsanfechtungsverfahren ist noch in erster Instanz anhängig.

Der Beklagte hat trotz der ausgesprochenen Kündigung bei der am 20. und 21.5.1996 durchgeführten Betriebsratswahl kandidiert und er wurde als Wahlwerber der Liste 1 zum Betriebsrat gewählt.

Mit der gegenständlichen Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte sei aufgrund der Kündigung seines Dienstverhältnisses mit 15.5.1996 aus dem Betrieb ausgeschieden; es habe ihm daher bei der am 20./21.5.1996 durchgeführten Betriebsratswahl das passive Wahlrecht gefehlt. Sie begehrt daher gemäß § 64 Abs 4 ArbVG die Aberkennung der Mitgliedschaft des Beklagten zum Betriebsrat der Klägerin; diese Mitgliedschaft sei mit der Rechtskraft des Urteils erloschen.

Der Beklagte wendet ein, die Kündigung seines Dienstverhältnisses sei wegen eines verpönten Motives angefochten worden. Sollte sich im Verfahren 38 Cga 55/96t des LG für ZRS Graz tatsächlich herausstellen, daß der Beklagte aus einem verpönten Motiv gekündigt worden sei, so sei die Kündigung rechtsunwirksam und der Beklagte daher hinsichtlich der Betriebsratswahl vom 20./21.5.1996 als passiv wahlberechtigt anzusehen. Da die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung eine Vorfrage des gegenständlichen Rechtsstreites darstelle, werde der Antrag gestellt, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 38 Cga 55/96t ruhen zu lassen.

Das Erstgericht hat in der mündlichen Streitverhandlung vom 1.8.1996 die Frage einer Unterbrechung des Verfahrens offen gelassen - eine Ruhensvereinbarung wurde nicht getroffen - und sodann nach Beischaffung des Aktes 38 Cga 55/96t mit dem außerhalb einer Verhandlung gefaßten angefochtenen Beschluß das gegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 38 Cga 55/96t unterbrochen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen Nichtigkeit und wegen Verfahrensmängeln erhobene Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den bekämpften Beschluß aufzuheben und die Fortsetzung des Verfahrens anzuordnen.

Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin macht zunächst die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses nach § 477 Abs 2 Z 4 ZPO geltend, weil dieser nicht in einer mündlichen Streitverhandlung gefaßt wurde. Es trifft zu, daß das Erstgericht die Streitverhandlung vom 1.8.1996 zur Beischaffung des Aktes 38 Cga 55/96t erstreckt und dann außerhalb der Verhandlung nach Einlangen dieses Aktes am 14.8.1996 den angefochtenen Beschluß gefaßt hat. Wenn auch Fucik in Rechberger (Komm. zur ZPO Rz 1 zu § 190) aufgrund einer Entscheidung des OLG Wien aus dem Jahre 1946 die Meinung vertritt, daß ein Unterbrechungsbeschluß bei sonstiger Nichtigkeit in einer mündlichen Streitverhandlung gefaßt werden müsse, so kann diese Meinung aufgrund der herrschenden Gesetzeslage nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nach § 11a Z 4 lit d ASGG ist der Vorsitzende des arbeitsgerichtlichen Senates in erster Instanz auch befugt, außerhalb einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung über eine Unterbrechung des Verfahrens zu entscheiden. Eine im Gesetz ausdrücklich als zulässig erklärte Vorgangsweise kann aber niemals einen Nichtigkeitsgrund darstellen.

Rechtlich ist davon auszugehen, daß das Dienstverhältnis des Beklagten zur Klägerin durch deren zum 15.5.1996 ausgesprochene Kündigung trotz der erfolgten Anfechtung zunächst als beendet anzusehen ist. Bis zu einer positiven Entscheidung erster Instanz über die Kündigungsanfechtung gilt das Dienstverhältnis als gelöst und es lebt erst im Falle einer positiven Entscheidung über die Kündigungsanfechtung rückwirkend wieder auf, sodaß es dann als ununterbrochen fortgesetzt gilt (Cerny ArbVG9 505 f; Schwarz in Cerny ArbVG Band III 253; ARD 4.217/15). Hat die Kündigungsanfechtung jedoch keinen Erfolg, bleibt es bei der Lösung des Dienstverhältnisses mit dem Ende der Kündigungsfrist.

Nach § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG erlischt die Mitgliedschaft zum Betriebsrat, wenn das Mitglied aus dem Betrieb ausscheidet, ohne daß es hiezu einer Aberkennung gemäß § 64 Abs 4 ArbVG bedarf. Die Mitgliedschaft zum Betriebsrat ist - außer dem Fall des § 53 Abs 4 ArbVG, der hier nicht zum Tragen kommt - zwingend an die Arbeitnehmereigenschaft des Betriebsrates im jeweiligen Betrieb gebunden. Daher endet die Mitgliedschaft zum Betriebsrat auch dann von selbst im Sinne des § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG ohne Aberkennung nach § 64 Abs 4 ArbVG, wenn ein gekündigter Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist - wegen des noch aufrechten Arbeitsverhältnisses zulässig - zum Betriebsrat gewählt wird, mit dem Ablauf der Kündigungsfrist (Haas-Laßnigg in Cerny Arbeitsverfassungsrecht Band II FN 5 zu § 64 ArbVG).

In analoger Anwendung dieses Grundsatzes führt dies hier zum Ergebnis, daß der Kläger aufgrund des derzeit als beendet anzusehenden Dienstverhältnisses trotz seiner Wahl zum Betriebsrat vorerst kein Betriebsratsmandat erlangen konnte. Folglich kann ihm auch keine Mitgliedschaft zum Betriebsrat gemäß § 64 Abs 4 ArbVG aberkannt werden. Die gegenteilige Rechtsmeinung würde zum Ergebnis führen, daß er während des laufenden Kündigungsanfechtungsverfahrens bis zu einer Entscheidung über die Aberkennung des Betriebsratsmandates als Betriebsrat im Betrieb agieren könnte, obwohl er nicht als Arbeitnehmer des Betriebes anzusehen wäre.

Die dargestellten Erwägungen führen nun zum Ergebnis, daß im Falle einer erfolglosen Kündigungsanfechtung das Dienstverhältnis endgültig als mit 15.5.1996 beendet anzusehen ist und der Beklagte daher trotz seiner Wahl in analoger Anwendung des § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG nicht Mitglied des Betriebsrates werden konnte, sodaß es keiner Aberkennung des Betriebsratsmandates bedarf. Hat aber die Kündigungsanfechtung Erfolg, so ist rückwirkend von einem ununterbrochen fortgesetzten Dienstverhältnis auszugehen, weshalb auch in diesem Fall kein Grund für eine Aberkennung des Betriebsratsmandates vorliegt. Andernfalls könnte der Dienstgeber durch eine verpönte Motivkündigung, die er vor der Konstitution des Wahlvorstandes zur Betriebsratswahl ausspricht, zumindest die Mitgliedschaft des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers zum Betriebsrat verhindern und gerade dieser Erfolg soll durch die Anfechtungsmöglichkeit nach der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG vereitelt werden.

Zusammenfassend führen somit die dargestellten Erwägungen zum Ergebnis, daß das Kündigungsanfechtungsverfahren 38 Cga 55/96t des LG für ZRS Graz für die Entscheidung über den gegenständlichen Rechtsstreit nicht präjudiziell ist, sodaß kein Unterbrechungsgrund vorliegt.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 58 Abs 1 ASGG. Die auf § 64 Abs 4 ArbVG gestützte Klage auf Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat ist keine Arbeitsrechtssache nach § 50 Abs 1 Z 2 ASGG, sondern eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG, weshalb die genannte Kostenbestimmung zum Tragen kommt.

Rechtssätze
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