JudikaturJustiz7R74/23s

7R74/23s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
11. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. in Kraschowetz-Kandolf als Vorsitzende und die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Leitinger Dr. Leitinger Rechtsanwälte OG in Weiz, gegen die beklagten Parteien 1. B* GmbH, **, 2. C* , **, wegen EUR 36.016,61 s.A. hier wegen vorprozessualen Kosten (Rekursinteresse EUR 17.066,81 ), über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Zahlungsbefehl des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 4.9.2023, GZ 14 Cg 39/23 k-2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Dem Kostenrekurs, dessen Kosten die klagende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

2. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit Mahnklage die Zahlung von EUR 36.016,61 samt 4 % Zinsen seit 17.8.2023 von den Beklagten und den Ersatz der Kosten für die Klage von EUR 4.300,58 (darin EUR 431,50 Umsatzsteuer und EUR 1.711,60 Pauschalgebühr) und die vorprozessualen Kosten von EUR 17.066,81 EUR. Sie betreibe in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben die kommunale Kläranlage **. Sie sei Eigentümerin und wasserrechtliche Berechtigte der Kanalisationsanlage im Gebiet der Katastralgemeinde **. Ein Schmutzwasserkanal dieser Ortskanalisation verlaufe unter anderem über die Liegenschaft EZ ** der KG **, deren Eigentümer der Zweitbeklagte sei. Die Klägerin sei berechtigt aus einer Legalservitut (§ 111 Absatz 4 WRG 1959), die die Errichtung, den Betrieb und Bestand der Anlage einschließlich der üblichen Wartung umfasse. Der Zweitbeklagte habe als Grundeigentümer die Beeinträchtigung der Ausübung der Dienstbarkeit zu unterlassen. Bereits in den Jahren 2018/2019 habe die Erstbeklagte in Absprache mit dem Zweibeklagten auf der Liegenschaft EZ ** der KG ** rechtswidrig große Mengen an Aushub- und Schüttmaterial auf einen Hang verbracht, der ohnedies zu Rutschungen neige. Die Bezirkshauptmannschaft ** habe im Juli 2019 Behebungsmaßnahmen aufgetragen. Die Beklagten hätten keine Auskünfte erteilt, ob sie diesen Auftrag erfüllen würden. Die Schüttungen hätten evident zu einem permanent erhöhten Erddruck, zu Rutschungen und schließlich im Februar 2022 zum Brechen des Kanals im Bereich dieser Liegenschaft geführt. Die Klägerin habe Sanierungskosten von zumindest EUR 36.016,61 aufwenden müssen und außergerichtlich von den Beklagten Schadenersatz in dieser Höhe gefordert. Bei einer Aussprache am 10.11.2022 habe der Geschäftsführer der Erstbeklagten gestanden, dass er auf Wunsch des Zweitbeklagten Schüttungen vorgenommen und Erde auf den Hang verbracht habe. Der Zweitbeklagte habe gestanden, dass Schüttungen erfolgt seien. Die Beklagten hätten aber unrichtig behauptet, dass das Material (zur Gänze) entfernt worden sei und die Schüttungen den Bruch des Kanals nicht verursacht hätten. Das Gutachten einer Amtssachverständigen vom 15.12.2022, die vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung beauftragt worden sei, bestätige aber, dass die Schüttungen nicht vollständig entfernt worden seien. Mit Aufforderungsschreiben vom 30.06.2023 seien die Beklagten letztmalig vor der Klage zur Zahlung von EUR 36.016,61 sowie zum Ersatz der vorprozessualen Kosten aufgefordert worden. Die Beklagten hätten mit Schreiben vom 18.07.2023 nur den Betrag von EUR 27.386,97 zur vergleichsweisen Bereinigung angeboten, jedoch den Kostenersatz zur Gänze abgelehnt.

Die Klägerin habe sich intensiv rund eineinhalb Jahre um eine außergerichtliche Einigung bemüht, weil die Erstbeklagte im Raum ** tätig sei und eine einvernehmliche Lösung daher nahe gelegen sei. Der Obmann der Beklagten sei auch Bürgermeister der Stadtgemeinde ** und bestrebt gewesen, die Angelegenheit mit einer Aussprache einvernehmlich zu lösen, um einen Gerichtsprozess zu vermeiden. Nachdem sich die Beklagten zunächst nicht gemeldet hätten, sei es zu Vergleichsverhandlungen gekommen. Die Beklagten hätten einerseits Gegenangebote unterbreitet und andererseits (nicht bescheinigte) Behauptungen über neue Tatsachen aufgestellt, die zu überprüfen gewesen seien. Daraus sei ein erhöhter Erörterungsbedarf mit der Klägerin entstanden. Letztendlich sei ein Betrag von EUR 17.066,81 an vorprozessualen Kosten angefallen, den die Beklagten verursacht hätten. Dieser schlüssle sich auf wie in Beilage ./A. Außergerichtliche Vergleichsbemühungen seien immer vorprozessuale Kosten, und zwar unabhängig davon, ob sie vor Prozesseinleitung oder während des Prozesses erfolgen würden. § 23 Abs 4 RATG ordne ihre Ersatzfähigkeit zusätzlich zum Einheitssatz an. Bei einer nur teilweisen Bereinigung der Hauptforderung seien die Kosten der Vergleichsbemühungen ausschließlich als vorprozessuale Kosten in der Kostennote geltend zu machen und zu bescheinigen. Es sei evident, dass bei Vergleichsbemühungen erheblich mehr Schriftverkehr anfalle, als bei der klageweisen Rechtsdurchsetzung. Die Aufwendungen hätten zur Vermeidung des Prozesses oder zu seiner vergleichsweisen Beendigung gedient. Sie seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen und hätten einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht. Diese Fragen seien ex ante zu beurteilen. Es sei nicht erheblich, ob diese Bemühungen letztlich erfolgreich seien.

Das Erstgericht bewilligte am 4.9.2023 den Zahlungsbefehl und bestimmte die Kosten mit EUR 4.300,58. Es folgert rechtlich, die vorprozessualen Kosten von EUR 17.066,81 seien nicht zuzusprechen. Die Klägerin habe mit Ausnahme der bloßen Leistungsaufstellung (Beilage ./A) keine Bescheinigungsmittel vorgelegt. Die Bescheinigungspflicht gemäß § 54 Abs 1 ZPO gelte auch im Mahnverfahren. Sie betreffe insbesondere vorprozessuale Kosten, weil diese aus dem Akt selbst nicht ersichtlich seien. Die Klägerin hätte die vorprozessualen Kosten durch geeignete Belege, also insbesondere die aufgelisteten Briefe und entsprechende Aktenvermerke über die Telefonate etc. glaubhaft machen müssen. Der Leistungsaufstellung sei nicht zu entnehmen, ob die Kosten iSd § 23 Abs 4 RATG zur Vermeidung des Prozesses oder zu seiner vergleichsweisen Beendigung zweckentsprechend und notwendig gewesen seien, und ob die Leistungen einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht hätten. Bloße Forderungs- oder Ablehnungsschreiben würden die Voraussetzung der vergleichsweisen Verfahrensvermeidung oder -beendigung nicht erfüllen. Ohne Kenntnis des Inhaltes der Leistungen könne nicht beurteilt werden, ob es sich um notwendige, zweckmäßige und einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursachende Aufwendungen zur Vermeidung eines Prozesses handle. Ein Verbesserungsauftrag komme nicht in Betracht, weil das Fehlen von Bescheinigungsmitteln keinen verbesserungsfähigen Formmangel darstelle.

Die Erstbeklagte erhob rechtzeitig Einspruch gegen den Zahlungsbefehl.

Der Zweitbeklagte erhob keinen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl, der somit gegen ihn vollstreckbar ist.

Gegen die Kostenentscheidung im Zahlungsbefehl richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, den Beschluss abzuändern und der Klägerin auch die vorprozessualen Kosten von EUR 17.066,81 zuzusprechen.

Der Zweitbeklagte beteiligt sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin macht mit Rechtsrüge geltend, allein eine derart ausführliche Kostenentscheidung, wie jene des Erstgerichts, sei dem Mahnverfahren fremd. Die Klägerin habe die vorprozessualen Kosten korrekt verzeichnet. Zur Bescheinigung der rechtsanwaltlichen Leistungen sei das einzig naheliegende schriftliche Bescheinigungsmittel eine detaillierte Leistungsaufstellung, wie sie als Beilage ./A vorgelegt worden sei. Daher sei jedenfalls nicht der Gesamtbetrag der vorprozessualen Kosten abzuweisen. Die Bescheinigungsmittel seien im schriftlichen Mahnverfahren auf Urkundenvorlagen beschränkt, weshalb die verzeichneten Telefonate und Besprechungen jedenfalls als vorprozessuale Kosten zuzusprechen seien. Die einzelnen Leistungen seien korrekt bezeichnet, jeweils mit dem Streitwert ausgewiesen und nach einer Tarifpost des RATG verzeichnet. Weitere Bescheinigungsmittel zur Darstellung der verzeichneten Kosten seien allenfalls Partei- und Zeugeneinvernahmen, welche - bei entsprechender Bestreitung des Zweitbeklagten - durch das Erstgericht durchzuführen gewesen wären, wenn Zweifel an den Bescheinigungsmitteln bestanden hätten. Diese Bescheinigungsmittel seien nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten im Mahnverfahren zu erbringen gewesen, sodass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO vorliegen würden. Es handle sich nicht primär um Tat- sondern um Rechtsfragen, welche im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu beurteilen seien. Im Mahnverfahren könnten im Zahlungsbefehl zwar Prozesskosten, nicht aber Inkassokosten im Sinne des § 1333 Abs 2 ZPO abgewiesen werden. Da § 23 Abs 4 RATG im Vergleich zu § 1333 Abs 2 ZPO die speziellere Norm sei, seien Anwaltskosten als vorprozessuale Kosten und nicht als Nebenforderung zu verzeichnen, welche nicht bescheinigt werden müsse. Darin erkenne der OGH keine Gleichheitswidrigkeit zu Lasten von Rechtsanwälten. Es sei daher nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass auch vorprozessuale Kosten eines Rechtsanwalts, deren Notwendigkeit in der Klage behauptet und durch ein detailliertes Kostenverzeichnis bescheinigt sei, den vorprozessualen Kosten eines Inkassonternehmens gleichzusetzen und nicht abzuweisen seien.

Das Rekursgericht hält die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen hingegen aus folgenden Gründen für nicht stichhältig (§§ 500a iVm 526 Abs 3 ZPO):

1. Das schriftliche Kostenverzeichnis hat die ziffernmäßige Aufstellung einzelner Leistungen aufgegliedert nach Tarifansätzen, Einheitssatz, Streitgenossenzuschlag, Barauslagen und USt zu enthalten. Auch Barauslagen und vorprozessuale Kosten sind aufzugliedern und zu bescheinigen ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.54 - Stand 8.1.2018, rdb.at). Die Partei hat die Bescheinigung schriftlich (urkundlich) in der Kostennote mit Beilagen vorzunehmen. Die Bescheinigungspflicht umfasst alle Umstände, die nicht aktenkundig sind und die zum Zuspruch der verzeichneten Kosten führen sollen, insbesondere auch alle Tatfragen betreffend vorprozessuale Kosten. Denn nicht alle Aufwendungen der Partei vor und neben dem Prozess sind vorprozessuale Kosten ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.393 ff - Stand 8.1.2018, rdb.at). Bei vorprozessualen Kosten sind die erforderlichen Belege der Kostennote anzuschließen. Zudem ist die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der verzeichneten Leistungen, wo aus den Belegen nicht ersichtlich, zu begründen ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.52 und Rz 1.402 Stand 8.1.2018, rdb.at). Eine Verbesserung der Bescheinigung, ebenso eine neuerliche Geltendmachung dieser Kosten unter Nachbringung der Bescheinigungsmittel ist ausgeschlossen ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.52 (Stand 8.1.2018, rdb.at). Vorprozessuale Kosten sind daher zu verzeichnen und zu bescheinigen . Dabei sind bereits in der Kostennote – allenfalls mit Beilagen – alle Umstände, die zu einem Zuspruch führen sollen, zu bescheinigen (§ 54 Abs 1 ZPO; Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.402 - Stand 8.1.2018, rdb.at). Das gilt auch für das Mahnverfahren. Die entsprechenden Bescheinigungsmittel sind mit der Mahnklage vorzulegen (Klauser/Kodek, ZPO 18 , § 54 E 17). Auch im ERV können allen Eingaben – auch Mahnklagen – Urkunden angeschlossen werden, sodass auch bei elektronischen Eingaben keine Ausnahme von der Bescheinigungspflicht zu machen ist ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.53 - Stand 8.1.2018, rdb.at). Die unterbliebene Begründung stellt keinen verbesserungsfähigen Mangel dar (Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 54 Rz 6; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5 §§ 84-85 Rz 3; Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.56 - Stand 8.1.2018, rdb.at ).

2. Die Klägerin beruft sich zur Bescheinigung der vorprozessualen Umstände einzig auf die Leistungsaufstellung (Beilage ./A), deren Inhalt aber nicht über den eines Kostenverzeichnisses hinausgeht. Das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass daraus nicht erkennbar ist, welche der verzeichneten Positionen dem Grund nach ersatzfähige, vorprozessuale Kosten betreffen. Der Rückgriff auf § 273 ZPO scheitert schon daran und, weil die mögliche Vorlage schriftlicher Bescheinigungsmittel unterblieb. Werden Kosten aber nicht ausreichend bescheinigt, führt das zum Anspruchsverlust ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.54 - Stand 8.1.2018, rdb.at).

3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz (3 R 159/20 g), die die Klägerin zitiert, stützt ihren Standpunkt nicht. Dort wurde ebenso festgehalten, dass es sich bei den ersatzfähigen vorprozessualen Kosten in der Regel um eine Verhandlungstätigkeit (Konferenzen, Telefonate, Brief) handeln müsse, deren Adressat die Gegenseite sei und nur Kosten für (mündliche oder schriftliche) Verhandlungen mit dem Gegner allenfalls ersatzfähig seien. Ein Zuspruch komme aber nicht für Kosten in Betracht, die durch Briefe an den Kläger oder Konferenzen und Besprechungen mit diesem entstanden seien. Dem teilweisen Zuspruch vorprozessualer Kosten lag dort zugrunde, dass diese in einem Schriftsatz entsprechend detailliert begründet waren (3 R 159/20 g mwN). Das Erstgericht hat schon zutreffend darauf hingewiesen, dass bloße Forderungschreiben nicht Vergleichsverhandlungen begründen. Da im Rekursverfahren das Neuerungsverbot (RS0042091; RS0108589; Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.61 - Stand 8.1.2018, rdb.at) herrscht, kann auf später vorgebrachte Umstände nicht Bezug genommen werden. Das Erstgericht hat daher zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen, vorprozessuale Kosten zuzusprechen, (dem Grund nach) nicht bescheinigt sind.

Dem Kostenrekurs ist daher der Erfolg zu versagen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die mit dem Rekurs vollständig unterlegene Klägerin hat ihre Kosten selbst zu tragen.

5. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO. Der Rechtsmittelausschluss gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird (RS0044233 [T 15], RS0110033, RS0108950, RS0007695; RS0085813).

Rechtssätze
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