JudikaturJustiz7Ob62/24d

7Ob62/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Kupferschmid Kuntner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 5.424,93 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2024, GZ 4 R 247/23g 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz Ost vom 10. Oktober 2023, GZ 205 C 379/23h 12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,40 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin hat bei der Beklagten einen aufrechten Landkaskoversicherungsvertrag. Dieser Versicherung liegen die Besonderen Bedingungen für die Landkasko versicherung Fassung 1. 1. 2017 zugrunde. S ie laute n auszugsweise:

„3. Umfang der Versicherung

Der Versicherer leistet [...] Deckung für Verlust oder Beschädigung als Folge der nachstehend genannten Gefahren:

3.1. Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren;

3.2. mut oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen;

3.3. Bruchschäden ohne Rücksicht auf die Schadenursache an Windschutz-(Front-), Seiten- und Heckscheiben;

3.4. Kurzschluss an der Verkabelung;

3.5. Kollision mit Haar- und Federwild;

3.6. Unfall, d.h. ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis;

3.7. Eine Beschädigung oder Zerstörung der Bereifung wird nur ersetzt, wenn sie durch ein Ereignis erfolgt, das gleichzeitig auch andere unter den Versicherungsschutz fallende Schäden verursacht hat –ausgenommen mut oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen.

3.8. Veruntreuung, Unterschlagung und Entziehung durch Hohe Hand

[… ]“

[2] Die Versicherungspolizze enthält folgende Deckungserweiterungen:

„- Abhandenkommen des versicherten Gegenstandes infolge Diebstahl des ganzen Transportfahrzeuges zzgl. Beraubung

- Zu Pkt. 4.1. der nachfolgenden Bedingungen gelten vom VN angekaufte und anschließend sanierte Auflieger zum Kaufpreis + Sanierungskosten mitversichert

- Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Böswilligkeit, Fahrlässigkeit, Vorsatz Dritter

- Konstruktions-, Material- und Ausführungsfehler

- Versagen von Mess- und Regelungstechnik

- Wasser, Öl und Schmiermittelmangel

- Innere Betriebs-, Brems- und Bruchschäden,

Motorschäden

- Kurzschluss, Überstrom oder Überspannung

[3] Am 22. 8. 2022 fuhr der Lenker eines im Rahmen des Landkaskoversicherungsvertrags versicherten Lastwagens in den Hof des Firmengebäudes der Klägerin und öffnete die Fahrertür, indem er den Schnapper für das Schloss betätigte und die Tür mit der flachen Hand etwas aufdrückte. Noch bevor er mit der Hand den Türgriff fassen konnte, um die Tür ganz zu öffnen, erfasste eine Windböe die Tür und riss sie über den Anschlag hinaus auf, wodurch das Scharnier, die Tür selbst und die A Säule beschädigt wurden. Die Tür wurde dadurch nicht nach vorne gegen den Lastwagen geschleudert.

[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von 5.424,93 EUR sA für den dabei eingetretenen Schaden. Sie habe bei der Beklagten für ihren Fuhrpark eine „All Risk“ Versicherung mit nur wenigen – hier nicht relevanten – Ausschlüssen abgeschlossen. Insbesondere sei eine Deckungserweiterung für Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit und Fahrlässigkeit vereinbart worden, wovon der gegenständliche Vorfall erfasst sei.

[5] Die Beklagte wendete ein, im Zusammenhang mit Naturgewalten bestehe eine Eintrittspflicht der Beklagten nur hinsichtlich solcher Schäden, die dadurch verursacht würden, dass durch Naturgewalten Gegenstände mit dem Fahrzeug kollidieren. Das sei hier nicht der Fall. Es liege weder ein Bedienungsfehler, eine Ungeschicklichkeit noch fahrlässiges Verhalten des Fahrers vor.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung lediglich im Hinblick auf die Höhe des Zinsenbegehrens Folge. Im Übrigen bestätigte es die erstgerichtliche Entscheidung und teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach Schäden, die durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit oder Fahrlässigkeit verursacht worden seien, versichert seien. Darüber hinaus seien auch Naturgewalten unter den in dem Punkt näher beschriebenen Voraussetzungen versichert. Eine Einschränkung, dass ein Bedienungsfehler, fahrlässiges Handeln oder eine Ungeschicklichkeit bei Vorliegen einer Naturgewalt wie bei einem Sturm nicht gedeckt wäre, sei den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen. Das Verhalten des Fahrers sei als leicht fahrlässig zu betrachten und damit nach den Deckungserweiterungen versichert.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der hier maßgeblichen Bedingungen für die Landkaskoversicherung nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[9] Da die Beklagte in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[10] 1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier – unabhängig vom Vorliegen der in Punkt 3.1. der Besonderen Bedingungen angeführten Schädigung durch Naturgewalten – fahrlässiges Verhalten des Fahrers versichert wäre.

[11] 2. Dass das Berufungsgericht das Verhalten des Lenkers als leicht fahrlässig eingestuft hat, weil diesem an dem Tag bereits Wind aufgefallen war und er dennoch die Tür nur mit einer Hand aufgedrückt hatte, anstatt sie festzuhalten, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

[13] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO; die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.