JudikaturJustiz7Bs200/10s

7Bs200/10s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2010

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. A. Henhofer und Mag.a Reinberg in der Strafsache gegen K***** J***** Z***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Sachverständigen Dr. J***** H***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 03.05.2010, 26 Hv 78/09d-21, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, in der Bestimmung der Gebühr für Mühewaltung dahin abgeändert, dass er nunmehr lautet:

Mühewaltung gemäß § 43 Abs 1 Z 1d GebAG EUR 116,20

Mühewaltung gemäß § 43 Abs 1 Z 1d GebAG

für eine weitere Frage EUR 58,10

Summe der bereits rechtskräftig bestimmten

Positionen EUR 84,60

Summe EUR 258,90

20 % USt EUR 51,78

Summe (gerundet gemäß § 39 Abs 2 GebAG) EUR 310,70

Text

B e g r ü n d u n g :

In der Strafsache gegen K***** J***** Z***** wegen §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB wurde Dr. J***** H***** mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 10.03.2010 zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung von Befund und Gutachten zu den Fragen (1.) der Kausalität der von den Zeugen und vom Angeklagten beschriebenen Handlung (Ohrfeige oder Faustschlag) für die beim Zeugen R***** Z***** festgestellten Verletzungen sowie (2.) dazu, ob und inwieweit Beschwerden unmittelbar nach der Verletzungshandlung eintreten mussten, bzw ob und inwieweit der vom Zeugen R***** Z***** geschilderte Verletzungs- und Beschwerdeverlauf mit der behaupteten Verletzungsursache in Einklang zu bringen ist, beauftragt (ON 15).

Der Sachverständige erstattete sein Gutachten vom 01.04.2010 anhand der Aktenlage unter Berücksichtigung der komplettierten medizinischen Behandlungsunterlagen (ON 13).

Für sein Gutachten verrechnete der Sachverständige mit Honorarnote vom 08.04.2010 eine Gesamtgebühr in Höhe von EUR 310,68 inklusive 20 % USt (ON 17), wobei er neben einer Gebühr für Aktenstudium (EUR 20,--), Barauslagen (EUR 6,--), Schreibgebühr (EUR 53,20) und Kopien (EUR 5,40) eine Gebühr für Mühewaltung nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG in Höhe von EUR 116,20 sowie für eine weitere Frage in Höhe von EUR 58,10 (die Hälfte von EUR 116,20) verzeichnete.

Die Revisorin beim Landesgericht Linz machte in ihrer Äußerung vom 15.04.2010 geltend, dass dem Sachverständige für die Erstellung eines Aktengutachtens gemäß § 49 Abs 3 Z 2 lit b GebAG nur die Hälfte des nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG festgesetzten Tarifes zustehe, zumal die volle Honorierung nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG eine Untersuchung samt Befund und Gutachten voraussetze (ON 18).

Der Sachverständige erwiderte in seiner Stellungnahme vom 22.04.2010, dass seiner Ansicht nach nur dann die Hälfte der Mühewaltungsgebühr zuzusprechen sei, wenn die Befunderhebung an einen anderen Sachverständigen delegiert worden sei und vom bestellten Sachverständigen aus diesem Befund gutachterliche Schlüsse gezogen würden. Die vom Sachverständigen durchgeführte Befunderhebung müsse nicht direkt an einer Person vorgenommen werden; vielmehr sei in bestimmten Fällen die Erhebung eines aktuellen Befundes verzichtbar bzw nicht (mehr) möglich. In diesen Fällen beziehe sich die Befundaufnahme auf eine exakte Erhebung früherer, von verschiedenen Ärzten oder medizinischen Einrichtungen erhobener Befunde, um daraus gutachterliche Schlüsse zu ziehen (ON 19).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Landesgericht Linz die Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt EUR 171,24 inklusive 20 % USt. An Gebühr für Mühewaltung wurde unter Bezugnahme auf die Äußerung der Revisorin gemäß § 49 Abs 3 Z 2 lit d GebAG (einmal) die Hälfte der nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG verzeichneten Gebühr von EUR 58,10 zugesprochen und das Mehrbegehren für die Beantwortung der zweite Frage (begründungslos) abgewiesen. Die Bestimmung der weiteren Gebühren erfolgte antragsgemäß.

Gegen diesen Gebührenbeschluss richtet sich die Beschwerde des Sachverständigen mit dem Antrag, die Gebühr in der ursprünglich verzeichneten Höhe zuzusprechen (ON 23).

Die Beschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mühewaltungsgebühr nach § 43 Abs 1 GebAG stellt grundsätzlich eine Gesamtgebühr für (körperliche) Untersuchung samt Befund und Gutachten dar (Krammer/Schmidt, GebAG3 [2001] § 43 E 20; RIS-Justiz RS0059366). Wird von einem in den §§ 43 bis 48 GebAG erfassten Sachverständigen eine Leistung erbracht, die in diesen Bestimmungen nicht angeführt ist, aber wegen ihrer Ähnlichkeit mit den dort angeführten Leistungen ihnen gleichgehalten werden kann, so ist sie nach § 49 Abs 1 GebAG mit der für die nächstähnliche Leistung vorgesehenen Gebühr zu entlohnen. Stammen in den Fällen der §§ 43 bis 48 GebAG Befund und Gutachten von verschiedenen Sachverständigen, so steht dem Sachverständigen nach § 49 Abs 3 GebAG nur eine geringere als die Gesamtgebühr zu. Nach der hier relevanten Bestimmung des § 49 Abs 3 Z 2 lit b GebAG gebührt dem Sachverständigen, der (nur) das Gutachten abgegeben hat, die Hälfte der für Befund und Gutachten festgesetzten Gesamtgebühr.

Die Erstellung eines Aktengutachtens über die Ursachen einer Verletzung und die Beantwortung der Frage nach den mit der Verletzung verbundenen Beschwerden sind Leistungen, die den in § 43 Abs 1 Z 1 GebAG angeführten „ähnlich“ sind (§ 49 Abs 1 GebAG), auch wenn eine körperliche Untersuchung – weil nicht aufgetragen und nach Ansicht des Sachverständigen entbehrlich – nicht durchgeführt wurde.

Darüberhinaus hat der Sachverständige nicht nur ein Gutachten zu den oben angeführten Fragen erstattet, sondern auch eine Befundaufnahme durchgeführt. Da kein Befund von einem anderen Sachverständigen aufgenommen wurde, musste sich der bestellte Sachverständige vor Gutachtenserstattung an Hand der im Akt befindlichen und von ihm komplettierten medizinischen (Behandlungs-)Unterlagen einen Befund - der nicht zwangsläufig eine körperliche Untersuchung voraussetzt - erarbeiten. Die Einsichtnahme in Krankengeschichten ist regelmäßig Bestandteil der Befundaufnahme vor Erstattung des medizinischen Gutachtens (EFSlg 112.700; SV 2009/94) und geht über das Aktenstudium hinaus.

Entgegen der – von der Revisorin zitierten – Entscheidung des Landesgerichts Linz vom 15.03.2010, 33 Bl 4/10s, kann allein aus dem Umstand, dass ein Aktengutachten erstattet wurde, nicht auf die Erbringung (bloß) einer Teilleistung iSd § 49 Abs 3 GebAG geschlossen werden. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. So betrifft etwa die in Krammer/Schmidt, GebAG3 [2001] § 49 E 19 zitierte Entscheidung des OLG Wien vom 27.06.1986, 2 R 109/86, einen kraftfahrtechnischen Sachverständigen, der das instandgesetzte Fahrzeug nicht selbst besichtigte, sondern sein Gutachten auf Grund des Aktes und unter Berücksichtigung von Privatgutachten erstattete. Schon mit Blick auf die nach § 48 GebAG in Frage kommenden Tätigkeiten des Sachverständigen ist dieser Fall mit dem gegenständlichen nicht vergleichbar. Die in SV 2007,36 veröffentlichte Entscheidung des OLG Wien vom 23.11.2006, 9 Rs 154/06t, betrifft wiederum die Erstattung (u.a.) eines neurologisch-psychiatrischen Aktengutachten, nachdem ein im P-Verfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten vorgelegt worden war.

Im Ergebnis ist daher dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass vorliegend die Befundaufnahme durch Befundung medizinischer Dokumente (Krankengeschichte UKH Linz, Behandlungsprotokoll Dris. H*****, Behandlungsberichte AKH Linz) erfolgte, um daraus die entsprechenden gutachterliche Schlüsse zu ziehen, weshalb seine Leistungen – so wie vom Sachverständigen verzeichnet - nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG zu honorieren sind. Weiters hatte der Sachverständige zwei Fragen in seinem Gutachten zu beantworten, sodass zwei gesondert zu honorierende Stellungnahmen (aufgrund einer einzigen Befundaufnahme) vorliegen, wobei ihm für die zweite Stellungnahme die Hälfte der Mühewaltungsgebühr zusteht (Krammer/Schmidt, GebAG3 [2001] § 43 E 60 ff; EFSlg 102.668).

In Stattgebung des Beschwerde des Sachverständigen war daher die Mühewaltungsgebühr antragsgemäß mit insgesamt EUR 209,16 inkl. USt zu bestimmen. Damit errechnet sich die Gesamtgebühr – einschließlich der unbekämpft gebliebenen Positionen – mit (gerundet) EUR 310,70.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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