JudikaturJustiz6R75/23f

6R75/23f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag a . Gassner und Dr in . Meier als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei A * , **, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei B * , **, vertreten durch Mag a . Athanasia Toursougas-Reif, Rechtsanwältin in Pöls-Oberkurzheim, wegen Rechnungslegung (Streitwert: EUR 31.000,00), hier wegen Kosten (Rekursinteresse EUR 3.165,72), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 12. Dezember 2023, GZ 48 Cg 8/23s-27, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,81 (darin enthalten EUR 56,13 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

Begründung:

Mit ihrer am 4. Mai 2023 verbessert eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten, ihr Rechnung über die erbrachten Leistungen zu legen bzw ihr die unterfertigte Betreuungsvereinbarung und die Betreuungsdokumentation (Betreuungsnachweise, Rechnungen, Stunden- und Fahrtkostenaufstellungen) über den gesamten Betreuungszeitraum vom 1. Juni 2020 bis (richtig) 30. Juni 2021 zur Verfügung zu stellen; in eventu sie zu verpflichten, alle vorliegenden Unterlagen zur Betreuung vorzulegen und der Klägerin die Anfertigung von Kopien zu gestatten.

Begründend brachte die Klägerin vor, gesundheitlich vor allem durch eine Sehbehinderung eingeschränkt zu sein. Die Beklagte habe ihr als persönliche Assistenz zur Hand gehen und sie unterstützen sollen. Aufgabe der Beklagten sei es auch gewesen, eine Liste zu führen, in der sie anzugeben gehabt habe, welche Aufgaben sie an welchem Tag und in welchem Stundenausmaß verrichtet habe. Auch die aufgewendeten Kilometer hätten protokolliert werden sollen. Dabei habe es sich um eine sogenannte Betreuungsliste gehandelt, die als Nachweis der Tätigkeiten der Beklagten dienen haben und auf welche sich auch die Kosten für die Tätigkeiten gründen hätten sollen. Tatsächlich habe die Beklagte der Klägerin nie Aufzeichnungen vorgelegt, sondern immer nur einen Gesamtbetrag gefordert, den die Klägerin auch gezahlt habe. Nachdem irgendwann Ungereimtheiten sichtbar geworden seien, habe die Klägerin die gesamte Aufstellung von der Beklagten gefordert. Dieser Aufforderung sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass sie nicht die einzige Betreuerin gewesen sei, die die Klägerin im Rahmen des persönlichen Budgets beschäftigt habe. Die von der Klägerin behauptete Sehbeeinträchtigung rechtfertige ein derart umfangreiches Betreuungsausmaß nicht. Die Beklagte habe der Klägerin sämtliche Unterlagen, zu deren Vorlage sie sich in der Betreuungsvereinbarung verpflichtet habe, vollständig zur Verfügung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2023 (ON 20) zog die Klägerin ihre Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Mit Beschluss vom 16. November 2023 (ON 22) sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren infolge der Klagsrückziehung beendet ist.

Die Beklagte stellte fristgerecht einen Kostenbestimmungsantrag im Sinne des § 237 Abs 3 ZPO und beantragte, ihre Kosten insgesamt mit EUR 9.168,31 (darin enthalten EUR 1.528,05 Umsatzsteuer) zu bestimmen und der Klägerin zum Ersatz aufzuerlegen (ON 24).

Die Klägerin äußerte sich zum Kostenbestimmungsantrag mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2023 (ON 26). Soweit für das Rekursverfahren noch von Bedeutung, wendete sie sich gegen die Honorierung des Antrags auf Übermittlung einer Aktenkopie vom 13. September 2023 und des Schriftsatzes vom 9. November 2023.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtet das Erstgericht die Klägerin, der Beklagten die mit EUR 5.822,89 (darin enthalten EUR 970,48 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten zu zahlen.

Die Kosten seien, weil kein Schluss der Verhandlung erfolgt sei, amtswegig zu prüfen.

Der (vom Landesgericht Leoben zu GZ 21 Cgs 86/21a abgewiesene) Antrag vom 13. September 2023 habe nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient und sei daher nicht zu honorieren.

Der entgegen § 257 Abs 3 ZPO erst am 9. November 2023 eingebrachte Schriftsatz sei als unzulässig ebenfalls nicht zu honorieren.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Klägerin zu einem Prozesskostenersatz in Höhe von EUR 8.988,61 (darin enthalten EUR 1.498,10 Umsatzsteuer) zu verpflichten.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Bei dem von der Beklagten angestrebten Mehrzuspruch an Verfahrenskosten handelt es sich um die Honorierung des an das Arbeits- und Sozialgericht gerichteten Antrags vom 13. September 2023 (Beilage ./12) und des Schriftsatzes vom 9. November 2023 (ON 17) und damit zusammenhängend die für den Kostenbestimmungsantrag verzeichneten Kosten im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage.

1. Zum Antrag vom 13. September 2023 auf Übermittlung einer Aktenkopie (Beilage ./12):

Die Beklagte kritisiert die Nichthonorierung dieses Antrags und führt dazu ins Treffen, dass ihr von der Erstrichterin im Rahmen der vorbereitenden Tagsatzung der Auftrag erteilt worden sei, „um Akteneinsicht anzusuchen und die relevanten Aktenbestandteile dann in diesem Verfahren in Urkundenform vorzulegen“. Diesem gerichtlichen Auftrag sei sie am 13. September 2023 nachgekommen. Der Antrag sei, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Erstgericht mitgeteilt habe, die begehrten Aktenbestandteile nicht amtswegig beischaffen zu wollen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen.

Die Kritik ist nicht berechtigt.

Tragender Grundsatz der Kostenersatzregelungen der ZPO für alle Schriftsätze ist, dass diese unabhängig von ihrer Bezeichnung und von ihrer rechtlichen Qualifikation nur unter dem Erfordernis ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu honorieren sind. Es besteht für Schriftsätze niemals eine Ersatzpflicht, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung nicht notwendig waren (RIS-Justiz RS0121828, Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 3.56). Das gilt auch für vor- und nebenprozessuale Kosten.

Kosten können vor, im und neben dem Prozess entstehen, so etwa zu seiner Vorbereitung, seiner Vermeidung (im Versuch, den Anspruch außergerichtlich zu erledigen), zur begleitenden Kontrolle seiner Beweisergebnisse etc. Prozesskosten wurden demnach seit jeher eingeteilt in die gerichtlichen und außergerichtlichen sowie unter anderem in die notwendigen und die willkürlichen Kosten. Alle waren seit jeher, das heißt seit Anerkennung eines Kostenersatzanspruchs, sofern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und sofern nicht in Bemühungen der Partei bestehend (§ 42 ZPO), auch ersatzfähig. Als vorprozessuale Kosten werden einerseits Aufwendungen der Partei verstanden, die zeitlich vor dem Prozessbeginn anfallen, sie können aber auch während des anhängigen Prozesses als „nebenprozessuale Kosten“ anfallen. Unabhängig davon werden sie vorprozessuale Kosten genannt. Der Selbstinformationsaufwand der Partei zählt nicht zu den vorprozessualen Kosten (vgl Obermaier aaO Rz 1.392f).

Die Wertung des Erstgerichts, dass der Antrag der Beklagten vom 13. September 2023 auf Übermittlung einer Aktenkopie des von der Klägerin geführten Pflegegeldverfahrens nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, ist nicht zu beanstanden. Im gegenständlichen Verfahren war nämlich nur strittig, ob die Beklagte verpflichtet ist, über ihre erbrachten Leistungen Rechnung zu legen. Darauf, welchen Grad der Sehbehinderung die Klägerin aufweist, kam es daher nicht ausschlaggebend an, zumal in erster Linie zu klären gewesen wäre, wer verpflichtet war, „die Mappe des persönlichen Budgets zu führen“. Nicht relevant war auch, „ob die Klägerin wesentlich selbständiger ist, als sie sich nunmehr darzustellen versucht“ (Seite 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 31. August 2023, ON 11). Die Erstrichterin erörterte in der Verhandlung vom 8. September 2023 (ON 12) auch den Antrag der Beklagten auf amtswegige Beischaffung des sozialgerichtlichen Akts und gab - unter Hinweis darauf, dass damit die Bestimmungen über die Akteneinsicht umgangen werden könnten - bekannt, dass eine solche nicht erfolgen werde (aaO, Protokollseite 4).

Entgegen der Meinung der Beklagten ist dem Protokoll über diese Verhandlung auch ein gerichtlicher Auftrag nicht zu entnehmen. Die Richterin ersuchte die Beklagte vielmehr nur, im Pflegegeldverfahren unter Nachweis ihres rechtlichen Interesses um Akteneinsicht anzusuchen und die relevanten Aktenbestandteile dann in Urkundenform vorzulegen. Wenn die Beklagte diesem „Ersuchen“ (wobei ohne Weiteres absehbar gewesen wäre, dass das Sozialgericht die Akteneinsicht - vor allem wegen der im Akt enthaltenen gesundheitsbezogenen Daten der Klägerin - verweigern würde) nicht nachgekommen wäre, wäre es ihr - wenn sie tatsächlich weiter die Auffassung vertreten hätte, dass der Grad der Beeinträchtigung der Klägerin prozessrelevant ist - freigestanden, weitere Beweisanträge zu stellen, zumal im Pflegegeldverfahren ja der Gesundheitszustand der Klägerin zum jeweiligen Stichtag zu beurteilen ist und im Verfahren der Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2021 strittig war.

Das Erstgericht hat den im sozialgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag vom 13. September 2023 somit zutreffend nicht als honorierungswürdig gewertet.

2. Zum Schriftsatz vom 9. November 2023, ON 17:

Die Beklagte kritisiert die Nichthonorierung dieses Schriftsatzes und führt dazu aus, dass die Richterin im Rahmen der vorbereitenden Tagsatzung am 8. September 2023 zu erkennen gegeben habe, dass sie beabsichtige, sämtliche Personalbeweise am 17. November 2023 aufzunehmen und die Verhandlung zu schließen. In diesem Wissen sei der Schriftsatz vom 9. November 2023 verfasst worden, mit dem die Einvernahme der C* als Zeugin beantragt worden sei. Der Beweisantrag hätte demgemäß nicht erst in der Tagsatzung vom 17. November 2023 gestellt werden können. Weiters sei im Schriftsatz, der auch nicht zurückgewiesen worden sei, auch dargelegt worden, dass der Beklagten die Akteneinsicht im sozialgerichtlichen Verfahren verweigert worden sei. Daher habe sie auch erneut die „amtswegige Beischaffung des Sachverständigengutachtens sowie des Urteils und sämtlicher Verhandlungsprotokolle zum Akt 21 Cgs 86/21a“ beantragt.

Auch diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.

Aus dem Zweck des § 257 Abs 3 ZPO iVm § 178 Abs 2 ZPO (Prozessförderungspflicht) folgt, dass Schriftsätze, die außerhalb der siebentägigen Frist bis zur vorbereitenden Tagsatzung beim Gericht oder beim Gegner einlangen, nach den Intentionen des Gesetzgebers der ZVN 2002 nicht zu honorieren sind ( Obermaier aaO Rz 3.58). Auch an sich zulässige Äußerungen sind nicht schon deshalb zu honorieren, weil sie prozessual zulässig waren. Das prozessuale Recht, einen Schriftsatz zulässig einbringen zu dürfen, begründet keinen Honoraranspruch, und zwar auch nicht im Fall, dass die Zurückweisung unterbleibt ( Obermaier aaO Rz 3.56). Mehrkosten, die aus einer Verletzung einer Verbindungspflicht von Prozesshandlungen entstehen, sind objektiv zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung niemals notwendig. Für alle Arten von Schriftsätzen ist das zudem in § 22 RATG ausdrücklich angeordnet. Das gilt etwa für kurz hintereinander eingebrachte Schriftsätze im Verfahren erster Instanz. Überhaupt sind die Kosten prozessual zulässiger Schriftsätze dann nicht ersatzfähig, wenn sie einen Inhalt haben, der nicht prozessrelevant ist, der nur ein Vorbringen enthält, das pflichtgemäß bereits früher, etwa in der Klage oder im Einspruch zu erstatten gewesen wäre oder der kein neues Tatsachensubstrat (nur „Wiederholungen und Beteuerungen“) enthält. Auch bei Beweisanträgen ist darzutun, warum sie nicht schon früher gestellt werden hätten können. Damit sind jene Beweisanträge gemeint, die eine Partei bei ordnungsgemäßer Prozessvorbereitung vernünftigerweise schon früher hätte stellen sollen. Wenn der Partei während des Prozesses tatsächlich ein neues Beweismittel bekannt wird, so sollte es ihr keine Schwierigkeiten bereiten, im Beweisantrag darauf hinzuweisen, warum er erst jetzt gestellt wird ( Obermaier aaO Rz 3.71).

Hier hat das Erstgericht bereits mit Beschluss vom 13. Juni 2023 (ON 6) den Antrag der Beklagten auf amtswegige Beischaffung des Akts der Bezirkshauptmannschaft ** abgewiesen. Der Beklagten musste es daher leicht möglich gewesen sein, die Einvernahme der Mitarbeiterin des Sozialreferats der BH **, C*, bereits mit dem Schriftsatz vom 31. August 2023 oder in der vorbereitenden Tagsatzung vom 8. September 2023 zu beantragen. Im Übrigen enthält der Schriftsatz in erster Linie nur (rechtliche) Ausführungen dazu, dass der Antrag auf Akteneinsicht im sozialgerichtlichen Verfahren zu Unrecht abgewiesen worden sei und die Wiederholung der Anträge auf amtswegige Aktenbeischaffung.

Die Ansicht des Erstgerichts, dass dieser Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente, ist demnach zutreffend.

Aus diesen Erwägungen ist dem Kostenrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO, wobei zu berücksichtigen war, dass die Kostenrekursbeantwortung nur nach TP 3a RATG zu entlohnen ist.

Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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