JudikaturJustiz6R70/23w

6R70/23w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag a . Gassner und Dr in . Meier in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Greiml Horwath RechtsanwaltsPartnerschaft in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. B* GmbH , **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen EUR 16.551,21 samt Anhang (hier wegen Kosten [Rekursinteresse: EUR 2.513,80]), über den Rekurs der beklagten Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. September 2023, GZ 20 Cg 7/22x-42, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,82 (darin enthalten EUR 56,14 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

begründung:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von EUR 16.551,21 samt Anhang aus einem Behandlungsvertrag. Die Beklagte habe ihr die Kosten für drei frustrane Operationen, jene der Erstberatung, sowie für zwei Brustgurte und einen Kompressions-BH zu ersetzen und ein angemessenes Schmerzengeld sowie pauschale Unkosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung mit der Begründung, dass die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei und die Operationen entsprechend ihren Wünschen lege artis durchgeführt worden seien.

Mit dem in der Hauptsache rechtskräftigen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren ab und verpflichtet die Klägerin gemäß § 41 Abs 1 ZPO zum Kostenersatz an die Beklagte von EUR 7.561,16 (darin enthalten EUR 1.260,19 Umsatzsteuer und EUR 23,50 Barauslagen).

Den Einwendungen der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten folgte das Erstgericht – soweit für das Rekursverfahren noch von Bedeutung – insoweit, als die Replik vom 18. Mai 2022 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen sei. Das Vorbringen hätte bereits im zuvor erstatteten Schriftsatz oder in der vorbereitenden Tagsatzung erstattet werden können. Die Kostennote sei daher um EUR 654,30 zuzüglich EUR 130,86 Umsatzsteuer, insgesamt daher um EUR 785,72 zu kürzen.

Der Antrag auf Gutachtenserörterung samt Fragenliste hätte in einem Schriftsatz gestellt werden können. Der Fristerstreckungsantrag sei ausschließlich der Sphäre der Beklagten zuzuordnen. Aus diesem Grund sei nur der Gutachtenserörterungsantrag vom 22. Dezember 2022 zu honorieren, nicht aber die Äußerung samt Fragenliste vom 11. Jänner 2023. Die Kostennote sei daher um EUR 785,72 (darin enthalten EUR 130,86 Umsatzsteuer) zu kürzen.

Die Replik vom 7. Juni 2023 sei in der Tagsatzung vom 16. Juni 2023 zurückgewiesen worden. Dementsprechend verringere sich der Kostenersatzanspruch der Beklagten um EUR 942,36 (darin enthalten EUR 157,06 Umsatzsteuer).

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Klägerin in Abänderung der Kostenentscheidung zu einem Prozesskostenersatz in Höhe von EUR 10.074,96 (darin enthalten EUR 1.679,16 Umsatzsteuer und EUR 23,50 Barauslagen) anstelle der zugesprochenen Kosten von EUR 7.561,16 zu verpflichten.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Bei dem von der Beklagten angestrebten Mehrzuspruch an Verfahrenskosten handelt es sich um die Honorierung der Schriftsätze vom 18. Mai 2022(„Replik“), vom 11. Jänner 2023 („ergänzendes Vorbringen samt Fragestellung“) und vom 7. Juni 2023 („Replik“).

1. Zum Schriftsatz vom 18. Mai 2022, ON 14:

Die Beklagte kritisiert die Nichthonorierung dieses Schriftsatzes und führt dazu ins Treffen, dass die Klägerin mit ihrem fünf Seiten langen Schriftsatz ebenfalls vom 18. Mai 2022 (ON 13) ein völlig neues umfangreiches Vorbringen erstattet habe. Der Beklagten wäre es daher nicht möglich gewesen früher zu replizieren. Ein mündliches Replizieren hätte aufgrund der Vielzahl der neu von der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht der Waffengleichheit im Zivilverfahren entsprochen. Darüber hinaus habe das Erstgericht den Schriftsatz der Klägerin vom 18. Mai 2022 nicht zurückgewiesen.

Der Schriftsatz der Beklagten sei gemäß § 257 ZPO zulässig und rechtzeitig gewesen.

Diese Argumente überzeugen nicht.

Mit Beschluss vom 17. März 2022 (ON 4) trug das Erstgericht den Streitteilen einen Schriftsatzwechsel auf und zwar der Klägerin bis 11. April 2022 und der Beklagten bis 25. April 2022. Diesem Auftrag kamen die Streitteile fristgerecht nach.

Mit Beschluss vom 9. April 2022 beraumte das Erstgericht die vorbereitende Tagsatzung für den 25. Mai 2022 an. Am 18. Mai 2022 brachte die Klägerin einen Schriftsatz („ergänzendes Vorbringen“), ON 13, ein. In diesem Schriftsatz kommentierte sie in erster Linie das Vorbringen der Beklagten im am 25. April 2022 eingebrachten Schriftsatz ON 12 und legte eine E-Mail-Korrespondenz vom 18. Juni 2021 (Beilage ./K) und ein Lichtbilderkonvolut (Beilage ./L) vor.

Die Beklagte reagierte auf diesen Schriftsatz mit dem strittigen Schriftsatz ebenfalls vom 18. Mai 2022, ON 14. Dieser Schriftsatz enthält Ausführungen zu behaupteten Widersprüchlichkeiten im Vorbringen der Klägerin, zum von dieser ins Treffen geführten Irrtum, zur Verrechnung der Brustgurte und im Übrigen die Bestreitung des von der Klägerin erstatteten Vorbringens und Rechtsausführungen.

Tragender Grundsatz der Kostenersatzregelungen der ZPO für alle Schriftsätze ist, dass diese unabhängig von ihrer Bezeichnung und von ihrer rechtlichen Qualifikation nur unter dem Erfordernis ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu honorieren sind. Es besteht für Schriftsätze niemals eine Ersatzpflicht, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung nicht notwendig waren (RIS-Justiz RS0121828, Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 3.56). Auch an sich zulässige Äußerungen sind nicht schon deshalb zu honorieren, weil sie prozessrechtlich zulässig waren. Das prozessuale Recht, einen Schriftsatz zulässig einbringen zu dürfen, begründet keinen Honoraranspruch, und zwar auch nicht im Fall, dass die Zurückweisung unterbleibt ( Obermaier aaO Rz 3.56).

Mehrkosten, die aus der Verletzung einer Verbindungspflicht von Prozesshandlungen entstehen, sind objektiv zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung niemals notwendig. Für alle Arten von Schriftsätzen ist das zudem im § 22 RATG ausdrücklich angeordnet. Das gilt etwa – wie hier – für kurz hintereinander eingebrachte Schriftsätze im Verfahren erster Instanz. Überhaupt sind die Kosten prozessual zulässiger Schriftsätze dann nicht ersatzfähig, wenn sie nur einen Inhalt haben, der nicht prozessrelevant ist, der nur ein Vorbringen enthält, das pflichtgemäß bereits früher, etwa in der Klage oder im Einspruch zu erstatten gewesen wäre oder der kein neues Tatsachensubstrat (nur „Wiederholungen und Beteuerungen“) enthält. Ist das Vorbringen derart kurz und einfach, dass es auch in der nächsten Verhandlung, ohne dadurch zu Verzögerungen zu führen, erstattet werden könnte, so ist auch ein solcher, wenngleich nicht verbotener Schriftsatz nicht zu honorieren.

Hier ist tatsächlich kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte das im Schriftsatz vom 18. Mai 2022 enthaltene Vorbringen nicht in der vorbereitenden Tagsatzung vom 25. Mai 2022 erstatten hätte können. Auch aus den Rekursausführungen geht nicht hervor, auf welches – tatsächlich neue – Vorbringen der Klägerin die Beklagte so umfangreich erwidern hätte müssen, dass das – hätte sie dieses Vorbringen in der Verhandlung mündlich erstattet – konkret Mehrkosten verursacht hätte. Die vorbereitende Tagsatzung dauerte nämlich nur 15 Minuten.

Die Ansicht des Erstgerichts, dass dieser Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente ist demnach nicht zu beanstanden.

2. Zum Schriftsatz vom 11. Jänner 2023 („ergänzendes Vorbringen samt Fragestellung“), ON 31:

Die Beklagte meint, dass sie den Fristerstreckungsantrag nicht aus einem Ereignis, welches ihrer alleinigen Sphäre zuzuordnen gewesen sei, gestellt habe. Die Notwendigkeit sei „aufgrund der feiertagsbedingten zeitlichen Verkürzung der Frist“ gegeben gewesen. Aufgrund dessen sei es notwendig gewesen den Antrag auf Gutachtenserörterung und die an den Sachverständigen zu stellenden Fragen mittels zweier Schriftsätze bei Gericht einzubringen.

Auch diese Kritik ist unberechtigt.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2022, ON 28, stellte das Erstgericht den Streitteilen das Gutachten des Sachverständigen zu und bot ihnen Gelegenheit binnen 14 Tagen einen Antrag auf Erörterung des Gutachtens zu stellen, in dem auch die an den Sachverständigen zu stellenden Fragen zu formulieren seien. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 16. Dezember 2022 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 (ON 29) beantragte die Beklagte die mündliche Erörterung des schriftlichen Sachverständigengutachtens und ersuchte aufgrund der bevorstehenden Feiertage „so wie dem während der Fenstertage eingeschränkten Kanzleibetrieb der Beklagtenvertreterin“ die Frist für die Erstattung des Fragenkatalogs bis zum 11. Jänner 2023 zu erstrecken, um eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten sowie eine abschließende Erörterung des Fragenkatalogs mit der Beklagten zu ermöglichen.

Diesen Schriftsatz honorierte das Erstgericht – wie von der Beklagten verzeichnet – nach TP 3A RATG.

Mit dem strittigen Schriftsatz vom 11. Jänner 2023, ON 31, wiederholte die Beklagte im Wesentlichen bereits erstattetes Vorbringen, nahm kurz zu den Gutachtensergebnissen Stellung und formulierte fünf Fragen an den Sachverständigen. Mit Beschluss vom 12. Jänner 2023 beraumte das Erstgericht eine Verhandlung für den 21. April 2023 an. In dieser wurden die Parteien einvernommen, nicht aber das Sachverständigengutachten mündlich erörtert.

§ 357 Abs 2 ZPO verpflichtet die Sachverständigen im Falle der schriftlichen Gutachtenserstattung auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dieses bei der mündlichen Verhandlung zu erläutern. Es entspricht mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass auch die Parteien dazu befugt sind, das „Verlangen“ nach Ladung des Sachverständigen zur Erörterung seines Gutachtens zu stellen, zumal diese ein Recht darauf haben, vom Sachverständigen Vervollständigungen seines schriftlichen Gutachtens zu verlangen und ihm alle Fragen zu stellen, die ihnen zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig erscheinen.

§ 357 Abs 2 ZPO verlangt nicht die Erstellung eines konkreten Fragenkatalogs oder Anführung jener Fragen, die an den Sachverständigen zu stellen beabsichtigt sind. Es muss nur angegeben werden, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens gewünscht werden (1 Ob 116/08b, RIS-Justiz RS0040376).

Anträge auf Gutachtenserörterung mit Vorbringen zu den Themen honoriert die Rechtsprechung nunmehr nahezu einhellig nach TP 2 RATG. Hier hat das Erstgericht den Gutachtenseröterungsantrag der Beklagten vom 22. Dezember 2022 ohnedies nach TP 3A RATG honoriert. Sollte dieser Schriftsatz nur als Fristerstreckungsantrag gedeutet werden, wäre er gar nicht zu honorieren gewesen, weil Fristerstreckungsanträge, ohne dass es auf die Antragsbegründung ankäme, vom Prozessgegner gar nicht zu honorieren sind, sofern nur die Ursache in der Sphäre der Partei selbst liegt ( Obermaier aaO Rz 1.273). Dass Letzteres hier der Fall ist („eingeschränkter Kanzleibetrieb“) ist nicht zu bezweifeln. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen zur Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Schriftsätzen und zur Verbindungspflicht verwiesen werden. Bei Mehrkosten, die aus der Verletzung der Verbindungspflicht entstehen, sind insgesamt nur die Kosten eines einzigen Schriftsatzes nach jener Tarifpost und auf der Basis, die für diesen gebührt hätten, ersatzfähig ( Obermaier aaO Rz 1.249).

Die Nichthonorierung (auch) des Schriftsatzes vom 11. Jänner 2023, ON 31, ist demnach nicht zu beanstanden.

3. Zum Schriftsatz vom 7. Juni 2023 („Replik“), ON 37:

Die Beklagte führt dazu aus, dass sie mit diesem Schriftsatz die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25. April 2023 neu vorgebrachten Vorwürfe erörtern und entkräften habe müssen. Dieser Schriftsatz sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Der Beklagten sei es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zugestanden, neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorzubringen. Die Replik sei auch rechtzeitig eingebracht worden.

Auch mit diesen Darlegungen ist die Beklagte nicht im Recht.

Bei diesem Schriftsatz handelt es sich um keinen vorbereitenden Schriftsatz im Sinne des § 257 Abs 3 ZPO. Diese „freiwillig“ eingebrachten Schriftsätze sind keine vorbereitenden Schriftsätze im Sinne der TP3A I.1.d RATG. Nach herrschender Ansicht sind die Parteien in der Erstattung freiwilliger Schriftsätze im Rahmen der § 257 Abs 3, § 431 Abs 1 ZPO nicht beschränkt. In der Praxis gebräuchlich ist das Einbringen von Schriftsätzen nach jeder Verhandlung nur deshalb, um – so wie im vorliegenden Fall – deren Ergebnisse zu kommentieren. Dafür besteht keinerlei rechtliche Grundlage.

Die Einbringung von Schriftsätzen nach der ersten Verhandlung könnte dann zweckmäßig sein, wenn wegen eines außergewöhnlichen Umfangs des Prozessstoffs die Protokollierung erleichtert und verkürzt wird (3 Ob 12/09z). Die Zweckmäßigkeit allein sagt allerdings nichts zur Notwendigkeit aus. In der Regel ist auch ein Schriftsatz nach § 257 Abs 3 ZPO dann nicht zu honorieren, wenn sein Inhalt bereits früher vorgetragen werden hätte können oder wenn sein Inhalt zwar einen Neuheitswert hat, diese Tatsachen aber auch ohne nennenswerte Schwierigkeiten in der nächsten Verhandlung vorgetragen werden können. Ein Replizieren auf einen Schriftsatz des Gegners ist etwa dann erforderlich, wenn darin neues, insbesondere unerwartetes Vorbringen enthalten ist, was etwa bei der Einwendung von Gegenforderungen der Fall sein kann ( Obermaier aaO Rz 3.64).

Abgesehen davon, dass der strittige Schriftsatz in der Tagsatzung vom 16. Juni 2023 zurückgewiesen wurde, war er weder aufgetragen noch enthielt er Vorbringen, das nicht auch in der Verhandlung vorgetragen hätte werden können (die Beklagte zeigt Derartiges auch im Rekurs nicht auf), zumal der Sachverhalt weder außergewöhnlich komplex noch besonders umfangreich war.

Das Erstgericht hat die Replik vom 7. Juni 2023, ON 37, zutreffend als nicht honorierungswürdig gewertet.

Aus diesen Erwägungen ist dem Kostenrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die im Rekursverfahren unterlegene Beklagte hat der Klägerin die tarifmäßig richtig verzeichneten Kosten für die Beantwortung des Kostenrekurses zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

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