JudikaturJustiz6R68/05z

6R68/05z – LG Ried/Innkreis Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2005

Kopf

Das Landesgericht Ried im Innkreis hat als Rekursgericht durch Dr. Johannes Payrhuber als Vorsitzenden sowie Dr. Walter Koller und Dr. Ernst Knoglinger in der Rechtssache der klagenden Partei R***** P*****, *****, wider die beklagte Partei A***** P*****, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses des Revisors beim Landesgericht Ried im Innkreis gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 17.01.2005, 1 C 15/02v-11, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs und die Rekursbeantwortung werden als unzulässig zurückgewiesen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Klägerin R***** P***** war im gegenständlichen Scheidungsverfahren am 15.04.2002 (ON 4) die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO bewilligt worden. Am 08.05.2002 (ON 5) wurde die Ehe der Parteien einvernehmlich gemäß § 55 a EheG geschieden. Mit Beschluss vom 23.11.2004 forderte das Erstgericht die Klägerin zur Abgabe eines neuen Vermögensbekenntnisses auf, um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für eine Nachzahlung jener Beträge, von deren Berichtigung die Klägerin einstweilen befreit worden war, im Sinne des § 71 Abs. 1 ZPO vorliegen würden.

Am 10.01.2005 (ON 10) langte das von der Klägerin ausgefüllte und unterfertigte Vermögensbekenntnis samt den hiezu angeschlossenen Einkommensbestätigungen beim Erstgericht ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen „Beschluss“ hat das Erstgericht folgende Verfügung bzw. Anordnung getroffen: „Keine Nachzahlung einheben“.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Revisors beim Landesgericht Ried im Innkreis mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Klägerin zur Gänze zur Nachzahlung der Pauschalgebühr von € 191,-- verpflichtet werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung erstattet und beantragt darin, den Beschluss des Erstgerichtes zu bestätigen. Der Rekurs und die Rekursbeantwortung sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Sobald und soweit die Partei ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes imstande ist, jene Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit worden ist, nachzuzahlen, ist ihr dies mit Beschluss aufzutragen; diese Nachzahlungspflicht verjährt allerdings in drei Jahren nach Abschluss des Verfahrens (Rechberger-Simotta, Zivilprozessrecht6, RZ 309). Die dreijährige Frist für die Erlassung eines Nachzahlungsbeschlusses besitzt öffentlich-rechtlichen Charakter und ist auch ohne Parteieinrede von Amts wegen wahrzunehmen (Fasching, Zivilprozessgesetze2, RZ 8 zu § 71 ZPO). Zu beachten ist, dass ein Beschluss nach § 71 ZPO nicht etwa nur im Zeitraum zwischen dem Abschluss des Verfahrens und dem Ablauf der Dreijahresfrist in Betracht kommt, sondern bereits früher. Das Gesetz sieht nämlich ganz allgemein vor, dass die Nachzahlungsverpflichtung soweit und sobald auszusprechen ist, als die Partei dazu imstande ist (Fasching, a. a.O., RZ 11 zu § 71 ZPO). Die Bestimmung des § 71 ZPO kann so ausgelegt werden, dass das nach dieser Gesetzesstelle durchzuführende Verfahren ausschließlich der Prüfung des Vorliegens der normierten Nachzahlungsvoraussetzungen und der allfälligen Fassung eines Nachzahlungsbeschlusses dient (3 Ob 54/95).

Der zuletzt angeführten oberstgerichtlichen Entscheidung aber auch der oben dargelegten Lehre ist in Übereinstimmung mit dem Gesetzestext des § 71 Abs. 1 ZPO zu entnehmen, dass der dort normierte „Nachzahlungsbeschluss“ nur dann zu fassen ist, wenn aufgrund der durchgeführten Erhebungsergebnisse die die Verfahrenshilfe genießende Partei ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes zur Rückzahlung imstande ist. Was den Zeitpunkt der Beschlussfassung betrifft, so könnte eine solche auch z. B. schon ein oder zwei Jahre nach Abschluss des Verfahrens stattfinden, wenn sich z.B. aus amtswegigen Wahrnehmungen ergibt, dass die bisher begünstigte Partei zwischenzeitig ein entsprechendes Einkommen oder Vermögen erlangt hat. Umgekehrt kann nach Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Verfahrens die Verpflichtung zur Nachzahlung nicht mehr auferlegt werden, wobei nach überwiegender Rechtsprechung der Beschluss zur Nachzahlung nicht nur innerhalb der Dreijahresfrist gefasst, sondern der Partei zugestellt werden muss (EFSlg. 90.879, 94.483, 101.883).

Ein Antragsrecht in Bezug auf die Auferlegung einer Nachzahlungspflicht ist im Gesetz nicht vorgesehen. Werden daher die im Zeitraum von drei Jahren dem Gericht zugekommenen Informationen oder auch die vom Gericht gewonnenen Erhebungsergebnisse in der Weise beurteilt, dass die die Verfahrenshilfe genießende Partei zur Nachzahlung nicht in der Lage ist, so hat eine Beschlussfassung über eine Nachzahlung zu unterbleiben und wurde bisher in der Praxis z.B. in Form eines Aktenvermerkes festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Auferlegung einer Nachzahlungspflicht nicht gegeben sind. Daran hat auch die Zivilverfahrensnovelle 2004 nichts geändert, weil gemäß § 72 Abs. 2 ZPO gegen die in Verfahrenshilfesachen ergangenen Beschlüsse schon bisher auch dem Gegner ein Rekursrecht zugestanden ist; dass nunmehr auch dem Revisor die Möglichkeit eines Rekurses eingeräumt wird, erweitert nur den Kreis der Rekursberechtigten, führt aber nicht dazu, dass der Revisor über weitergehende Anfechtungsrechte als der „Gegner“ verfügt.

Der Umstand, dass die vom Erstgericht mit der Bemerkung „keine Nachzahlung einheben“ vorgenommene Beurteilung der Erhebungsergebnisse mit „Beschluss“ überschrieben wurde, ändert nichts daran, dass keine anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 71 Abs. 1 ZPO vorliegt. Nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“, der auch für den Spruch einer Entscheidung gilt (AnwBl 1992/4167), ist für die Beurteilung einer gerichtlichen Verfügung oder Entscheidung nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt maßgebend. Inhaltlich ist der vom Erstgericht gefasste „Beschluss“ nicht als anfechtbare Entscheidung gemäß § 71 Abs. 1 ZPO, sondern als Aktenvermerk oder als Verfügung zu bewerten, welcher oder welche einer gesonderten Anfechtung, sei es durch den Antragsgegner oder den Revisor entzogen ist. Sowohl der Rekurs des Revisors als auch die Rekursbeantwortung der Klägerin waren daher als unzulässig zurückzuweisen (§ 526 Abs. 2 ZPO).

Landesgericht Ried im Innkreis,

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