JudikaturJustiz6R19/10a

6R19/10a – LG Ried/Innkreis Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2010

Kopf

Das Landesgericht Ried im Innkreis hat als Rekursgericht durch Dr. Johannes Payrhuber als Vorsitzenden sowie Dr. Ernst Knoglinger und Dr. Walter Koller in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Einbringungsstelle, Hansenstraße 4, 1016 Wien, wider die verpflichtete Partei F***** B *****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH, Wolfeggstraße 1, 6900 Bregenz, wegen (eingeschränkt) EUR 1.514,54 s.A., infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 21. Dezember 2009, 1 E 1547/04a-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO iVm § 78 EO jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Aufgrund der beiden vollstreckbaren Zahlungsaufträge des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 23. April 2002 (16 FR 2473/00i) und vom 30. August 2002 (16 FR 437/02h) bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei zur Hereinbringung von vollstreckbaren Forderungen von EUR 5.114,54 s.A. antragsgemäß am 11. Juni 2004 die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung von Forderungen des Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin M***** GmbH. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2004 (ON 10) wurde die Exekution auf eine betriebene Forderung von EUR 1.514,54 s.A. eingeschränkt.

Am 1. Dezember 2009 beantragte die verpflichtete Partei, das vorliegende (und andere gegen ihn anhängige) Exekutionsverfahren aufzuschieben, „bis der Verfassungsgerichtshof über den Kompetenzkonflikt und das dann zuständige Gericht oder die dann zuständige Behörde über die Klage auf „Ungültigkeit – oder Unwirksamerklärung“ oder auf Aufhebung der Exekutionstitel oder „gegen“ die Einwendungen über den Anspruch rechtskräftig entschieden habe“. Zur Begründung dieses Antrages wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass über den Verpflichteten als Geschäftsführer der M***** GmbH mit dem Sitz in A***** wegen Nichtvorlage von Jahresabschlüssen bislang Zwangsstrafen in einer Gesamthöhe von EUR 31.500,00 verhängt worden seien. Mit mehreren Zahlungsaufträgen des Landesgerichtes Ried im Innkreis sei er zur Bezahlung der Zwangsstrafen aufgefordert worden. Nach Offenlegung der Jahresabschlüsse habe er beantragt, von der Einhebung der Zwangsstrafen abzusehen. Dieser Antrag vom 4. Dezember 2006 sei abgewiesen und der Antragsteller mit seinen Einwendungen auf den Rechtsweg verwiesen worden.

Seine am 17. April 2007 beim Bezirksgericht Ried im Innkreis eingebrachte Oppositionsklage sei letztlich zurückgewiesen worden, weil Einwendungen gegen den Anspruch bei jener Behörde anzubringen seien, von welcher die Exekutionstitel ausgegangen seien. Daraufhin habe der Verpflichtete Einwendungen gegen den Anspruch am 20. November 2008 beim Kostenbeamten des Landesgerichtes Ried im Innkreis erhoben, damit ausgesprochen werde, dass sämtliche Ansprüche aus den Zahlungsaufträgen, mit welchen Zwangsstrafen wegen Nichtvorlage von Jahresabschlüssen zur Zahlung vorgeschrieben worden seien, erloschen seien. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 18. März 2009 abgewiesen worden, gegen den der Verpflichtete Berufung erhoben habe, die vom Präsidenten des Landesgerichtes Ried im Innkreis mit Bescheid vom 17. September 2009, Jv 1264/09g, als unbegründet abgewiesen worden sei. Diese Entscheidung komme inhaltlich einer Zurückweisung des Antrages gleich, was im Ergebnis dazu führe, dass dem Verpflichteten der Rechtsschutz verweigert werde. Es liegt sohin ein negativer Kompetenzkonflikt vor, weshalb der Verpflichtete den Verfassungsgerichtshof angerufen habe.

Obwohl nach den grundrechtlichen Vorgaben völlig außer Streit stehe, dass dem Verpflichteten ein Weg offen stehen müsse, die Einstellung der Exekution (zur Hereinbringung der über ihn verhängten Zwangsstrafen) zu erreichen, würden ihm sämtliche beteiligten Gerichte und Behörden eine Sachentscheidung verweigern. Der Verpflichtete habe daher am 22. Oktober 2009 beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes nach Art 138 Abs 1 (richtig: Art. 1) B-VG gestellt. Demnach werde der Verfassungsgerichtshof darüber zu entscheiden haben, welches Gericht oder welche Behörde über eine Klage auf „Ungültigkeit – oder Unwirksamerklärung“ oder auf Aufhebung der den Exekutionsverfahren beim Bezirksgericht Ried im Innkreis zugrunde liegenden Exekutionstitel zuständig sei. Weiters habe der Verpflichtete den zuvor angeführten Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Ried im Innkreis mit Beschwerde vom 11. November 2009 beim Verfassungsgerichtshof angefochten. In beiden Verfahren habe das Höchstgericht noch nicht entschieden, weshalb die Exekutionsaufschiebung beantragt werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Aufschiebungsantrag ab, weil keiner der im § 42 Abs 1 Z 1 bis 9 EO erschöpfend aufgezählten Aufschiebungsgründe vorliege und die vom Verpflichteten eingeleiteten Aktionen auch bei vollständigem Erfolg nicht unmittelbar zur Einstellung oder wenigstens Einschränkung der Exekution führen könnten.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs der verpflichteten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung im Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Stattgebung seines Aufschiebungsantrages. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend hat das Erstgericht darauf hingewiesen, dass die im § 42 Abs 1 Z 1 bis 9 EO angeführten Gründe für die Aufschiebung einer bei Gericht anhängigen Exekution erschöpfend aufgezählt sind (RIS-Justiz RS0001466). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine analoge Anwendung einzelner Aufschiebungstatbestände von vornherein ausscheidet. Zu fordern ist lediglich, dass ein nicht ganz genau in einem der taxativ beschriebenen Aufschiebungsgründe passender Sachverhalt in seiner Art und seinem Gewicht so beschaffen sein muss, dass alles für eine Gleichbehandlung spricht (OGH 13. Februar 1985, 3 Ob 141/84; RZ 1990/59). Auf die vom Verpflichteten beim Verfassungsgerichtshof angebrachten Verfahrenshandlungen trifft aber weder das zuletzt Gesagte zu noch können diese unter die Aufschiebungsgründe des § 42 Abs 1 Z 1 bis 9 EO subsumiert werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine gegen einen Verwaltungsexekutionstitel (Bescheid) erhobene Verfassungsgerichtshofbeschwerde – für die Frage der Exekutionsaufschiebung – nicht Einwendungen nach § 35 Abs 1 EO gleichzusetzen sei und diese Beschwerde auch keinen anderen im § 42 Abs 1 Z 5 EO angeführten Aufschiebungsgrund darstelle. Richtigerweise sei die Verfassungsgerichtshofbeschwerde (betreffend die Bekämpfung eines Verwaltungsexekutionstitels) als eine Aktion anzusehen, die zur Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 1 EO – wegen Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels – führen könne. Eine solche Aktion sei an sich als (möglicher) Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 1 EO zu qualifizieren. Allerdings sei die Aufschiebung des Vollzuges eines mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde angefochtenen Verwaltungsaktes (Exekutionstitel) durch die Spezialbestimmung des § 85 Verfassungsgerichtshofgesetz (VfGG) 1953 geregelt (SZ 55/120).

Gemäß § 85 Abs 1 VfGG (idF BGBl. I Nr. 4/2008) hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Unter den im § 85 Abs 2 VfGG angeführten Kriterien hat jedoch der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Nach § 85 Abs 3 Satz 2 VfGG hat im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Behörde den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben.

Letztere Bestimmung nimmt zwar nicht ausdrücklich auf den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsbescheides im Wege einer gerichtlichen Exekution Bezug, doch es kann kein Zweifel bestehen, dass diese Bestimmung auch für den gerichtlichen Exekutionsvollzug gilt. Das bedeutet, dass die gerichtliche Exekution, die aufgrund eines den Gegenstand einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde bildenden Titels geführt wird, nur dann wegen Erhebung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde aufgeschoben werden kann, wenn der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs 2 VfGG zuerkannt wurde (SZ 55/120; RZ 1990/100; RIS-Justiz RS0001741). Im vorliegenden Verfahren ist in erster Instanz – und im Übrigen auch im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens – nicht dargetan worden und auch sonst ist nicht hervorgekommen, dass der – der begehrten Exekutionsaufschiebung zugrundeliegenden – Verfassungsgerichtshofbeschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. Diese Verfahrenshandlung des Verpflichteten kann daher nicht zur Aufschiebung der gegenständlichen Exekution führen.

Aber auch die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes durch den Verpflichteten zur Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes (Art. 138 B-VG) begründet keinen tauglichen Exekutionsaufschiebungsgrund. Im Falle eines Kompetenzkonfliktes, der dadurch entstand, dass ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde (Art. 138 Abs 1 Z 1 B-VG) die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen oder in der Sache selbst entschieden haben (bejahender Kompetenzkonflikt im Sinn des § 42 Abs 1 VfGG), kann es zu einer Unterbrechung des anhängigen Verfahrens bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 42 Abs 5 VfGG kommen. Während einer solchen Unterbrechung kann gemäß § 44 VfGG unter anderem die Aufschiebung einer bewilligten Exekution von dem zuständigen Gerichte nach Maßgabe der Bestimmungen der Exekutionsordnung bewilligt werden.

Ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde, zu dessen Entscheidung gemäß Art. 138 Abs 1 Z 1 B-VG der Verfassungsgerichtshof berufen ist, kann im Sinn des § 42 Abs 1 VfGG nur dann entstehen, wenn beide Behörden, also Gericht und Verwaltungsbehörde, die Entscheidung derselben Sache aufgrund derselben Rechtsnorm in Anspruch nehmen, aber nur eine dieser Behörden zuständig ist. Ein bejahender (positiver) Kompetenzkonflikt setzt also voraus, dass sowohl Gerichts- als auch Verwaltungsbehörde (in derselben Sache) eine Zuständigkeit in Anspruch nehmen, eine der Behörden davon zu Unrecht (vgl. VfSlg. 11925/1988, 12018/1989, 13337/1993, 16800/2003 ua). Bei einem verneinenden (negativen) Kompetenzkonflikt wird hingegen von beiden Behörden (in derselben Sache) ihre Zuständigkeit abgelehnt, von einer der Behörden zu Unrecht (vgl. VfSlg. 11862/1988, 13824/1994, 14553/1996, 16800/2003 ua). Nach den Behauptungen des Aufschiebungswerbers hat im vorliegenden Fall nur das Gericht seine Zuständigkeit abgelehnt (und gleichzeitig die Zuständigkeit der Justizverwaltungsbehörde bejaht), eine Ablehnung der Zuständigkeit seitens der Justizverwaltungsbehörde ist aber weder durch Bescheid noch in anderer Form erfolgt – es hat auch der Präsident des Landesgerichtes Ried im Innkreis in seinem Bescheid vom 17. September 2009, Jv 1264/09g, inhaltlich über die Berufung des Verpflichteten gegen den vom Kostenbeamten des Landesgerichtes Ried im Innkreis am 18. März 2009 erlassenen Bescheid entschieden - , sodass von einem in Art. 138 Abs 1 Z 1 B-VG verfassungsgesetzlich zugrunde gelegten „Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden“ keine Rede sein kann.

Abgesehen davon, dass eine Verfahrensunterbrechung im Sinn des § 42 Abs 5 VfGG nicht dargetan wurde und auch sonst nicht evident ist, liegt also auch kein bejahender Kompetenzkonflikt (im Sinn des § 42 Abs 1 VfGG) vor, sodass die Exekutionsaufschiebung nach der Spezialbestimmung des § 44 VfGG gleichfalls ausscheidet. Im Übrigen entscheidet der Verfassungsgerichtshof bei einem Kompetenzkonflikt nur über die Zuständigkeit und nicht in der Sache selbst, sodass diese Entscheidung nicht unmittelbar zur Einstellung oder wenigstens Einschränkung der Exekution führen kann (vgl. RPflE 1988/123).

Aber selbst bei Vorliegen eines stichhältigen Exekutionsaufschiebungsgrundes hätte der vorliegende Aufschiebungsantrag nicht erfolgreich sein können. Die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung hat nämlich gemäß § 44 Abs 1 EO zu unterbleiben, wenn die Exekution begonnen oder fortgeführt werden kann, ohne dass dies für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre. Ist dieser Umstand nicht – wie etwa bei der Fahrnisexekution (RIS-Justiz RS0001745) oder bei der Zwangsversteigerung (RIS-Justiz RS0001561) – offenkundig, so muss der Aufschiebungswerber Umstände konkret behaupten oder erforderlichenfalls bescheinigen, aus denen sich die Gefahr eines solchen Nachteils ergibt (RIS-Justiz RS0001619).

Bei der Forderungsexekution ist die Gefahr von Vermögensnachteilen nicht offenkundig. Sie muss daher behauptet und bescheinigt werden. Dabei genügen allgemeine und nichtssagende Behauptungen nicht, es bedarf vielmehr konkreter Tatsachenbehauptungen, dass die vom Drittschuldner bezahlten Beträge vom betreibenden Gläubiger nicht oder nur schwer hereinzubringen sind (EFSlg. 30.142; RIS-Justiz RS0001685). Dass dies bei der Republik Österreich als betreibende Partei hinsichtlich einer betriebenen Forderung von EUR 1.514,54 s.A. nicht der Fall ist, wird wohl niemand ernsthaft in Zweifel ziehen. Eine Forderungsexekution mit der Republik Österreich als betreibende Partei kann deshalb mangels der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Nachteils nicht aufgeschoben werden. Ungeachtet dessen hat der Verpflichtete im gesamten bisherigen Zwischenverfahren über die Aufschiebung der Exekution kein Vorbringen im Sinn des § 44 Abs 1 EO erstattet. Da somit die Abweisung des Aufschiebungsantrags durch das Erstgericht im Ergebnis eine richtige Sachentscheidung war, war dem Rekurs, der inhaltlich auf die zuvor erörterten Voraussetzungen für eine Exekutionsaufschiebung ebenso wenig eingeht wie auf die erstgerichtliche Entscheidungsbegründung und deshalb schon thematisch völlig verfehlt ist, ein Erfolg zu versagen.

Da Rekurskosten nicht verzeichnet wurden, war über solche auch nicht zu entscheiden.

Rechtssätze
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