JudikaturJustiz6R116/98w

6R116/98w – LG Ried/Innkreis Entscheidung

Entscheidung
24. März 1998

Kopf

Das Landesgericht Ried im Innkreis hat als Berufungsgericht durch Dr. Dieter Praxmarer als Vorsitzenden sowie Dr. Ernst Knoglinger und Dr. Walter Koller in der Rechtssache der klagenden Partei F***** M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. M***** P*****, Rechtsanwalt in *****, wider die beklagte Partei A***** A***** GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer R***** H*****, *****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei K*****-S*****, *****, wegen (restlich) S 5.856,-- s.A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Schärding/Inn vom 17.12.1997, 2 C 1535/97 m-7, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die Berufungswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs. 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit der am 17.11.1997 auf elektronischem Weg beim Erstgericht eingelangten Mahnklage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei die Bezahlung eines Kapitalbetrages von S 19.404,-- s.A., welcher Betrag sich aus "Werklohn/Honorar" von S 13.200,--, Zinsen von S 536,80 und Inkassospesen von S 5.667,20 zusammensetzt. Hinsichtlich der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes berief sich die Klägerin auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (vgl. "E" in der Rubrik "Zuständigkeit").

Gegen den vom Erstgericht am 18.11.1997 laut Klage erlassenen Zahlungsbefehl erhob die beklagte Partei fristgerecht Einspruch, wobei sie zur Begründung "gegen die Zuständigkeit des Gerichtes in Schärding" anführte, ihre "Gerichtszuständigkeit" sei Graz, anderes sei nicht vereinbart worden. Außerdem wurde im Einspruch vorgebracht, die Rechnungsbeträge seien samt Zinsen bezahlt worden, die restliche Forderung werde bestritten und es habe keine diesbezüglichen Vereinbarungen gegeben. Als Beweis wurde "Kopie v. Scheck u. Kontoauszug" angeboten.

Aufgrund dieses Einspruches beraumte das Erstgericht eine mündliche Streitverhandlung für den 17.12.1997, 13.00 Uhr, an. Die diesbezügliche Ladung wurde der beklagten Partei am 11.12.1997 zugestellt. Am 15.12.1997 langte ein Vertagungsgesuch der beklagten Partei beim Erstgericht ein. Mit Beschluß vom gleichen Tag wies das Erstgericht diesen Vertagungsantrag ("auf Verschiebung der Verhandlung 17.12.1997") ab. Diese Entscheidung wurde der beklagten Partei am 17.12.1997 durch Hinterlegung (beim Zustellpostamt *****) zugestellt.

In der Tagsatzung vom 17.12.1997 erschien lediglich die klagende Partei, die infolge Bezahlung eines Betrages von S 13.548,-- am 27.11.1997 das Klagebegehren auf S 5.856,-- s.A. einschränkte. Daraufhin erließ das Erstgericht über Antrag der klagenden Partei ein Versäumungsurteil über das eingeschränkte Klagebegehren von S 5.856,-- s.A. und sprach darin der klagenden Partei Kosten von S 3.485,68 zu. Dieses Versäumungsurteil wurde der beklagten Partei wiederum durch Hinterlegung am 29.12.1997 (beim Zustellpostamt *****) zugestellt.

Am 19.1.1998 langte beim Erstgericht ein vom Geschäftsführer der beklagten Partei firmenmäßig gefertigter Schriftsatz ein, in welchem der Verfasser zum Ausdruck bringt, daß er gegen das "Versäumnisurteil GZ: 2 C 1535/97 m" berufe. Diese Eingabe stellte das Erstgericht der beklagten Partei zunächst urschriftlich mit dem Auftrag zur Verbesserung zurück, die Berufung von einem Rechtsanwalt unterfertigen zu lassen und binnen einer Woche ab Zustellung wieder im Original vorzulegen. Innerhalb dieser einwöchigen Frist langte die nunmehr anwaltlich gefertigte Berufung der beklagten Partei neuerlich beim Erstgericht ein.

Eine Berufungsbeantwortung wurde von der Gegenseite nicht erstattet.

Die Berufung ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Die auftragsgemäß anwaltlich gefertigte Eingabe der beklagten Partei vom 15.1.1998 läßt lediglich erkennen, daß es sich dabei um eine Berufung gegen das Versäumungsurteil vom 17.12.1997 handeln soll. Eine bestimmte Anfechtungserklärung oder ein bestimmter Berufungsantrag ist diesem Schriftsatz allerdings nicht zu entnehmen. Dies wäre an und für sich ein verbesserungsfähiger Mangel, zumal der beklagten Partei nicht unterstellt werden kann, daß sie durch ihre nicht den Formvorschriften entsprechende Berufung rechtsmißbräuchlich eine Fristverlängerung erzielen wollte (vgl. RZ 1995/80). Von einer Verbesserung der Berufung konnte aber letztlich Abstand genommen werden, da auch bei Einhaltung der Formvorschriften der Berufung inhaltlich kein Erfolg beschieden sein kann.

Die Berufungswerberin rügt die Vorgangsweise des Erstgerichtes als "absolut gegen ihr Rechtsempfinden" und zielt damit offensichtlich auf den Umstand ab, daß sie von der Abweisung ihres Vertagungsantrages erst zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat, als das Versäumungsurteil gegen sie bereits gefällt war. Dazu ist aber der Berufungswerberin entgegenzuhalten, daß sie bis zur Entscheidung über ihren Erstreckungsantrag davon ausgehen mußte, daß die Tagsatzung zum vorgesehenen Termin durchgeführt wird. Im Fall ihrer Verhinderung hatte sie immerhin auch die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu betrauen.

Gemäß § 136 Abs. 2 ZPO ist bei Ablehnung des Erstreckungsantrages die Verhandlung "ohne weitere Unterbrechung aufzunehmen oder fortzusetzen". Einem allfälligen Rechtsmittel gegen diesen Verwerfungsbeschluß kommt demnach grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. Fasching II, 701 f). Darf aber der Antragsteller demzufolge so lange nicht mit der Abberaumung des Verhandlungstermins rechnen, als seine Vertagungsbitte nicht positiv beschieden worden ist, dann wird ihm durch die Nichterledigung eines Erstreckungsantrages das Recht, "vor Gericht zu verhandeln" (§ 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO), ebensowenig genommen wie durch die ausdrückliche Ablehnung eines - vielleicht berechtigten - Erstreckungsbegehrens (SZ 54/105).

Der Rechtsmittelwerberin ist zuzugestehen, daß ihr zwischen der Zustellung der Ladung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.12.1997 und diesem Zeitpunkt der Tagsatzung lediglich eine Vorbereitungsfrist von 6 Tagen offen gestanden ist. Damit wurde die 8-tägige Vorbereitungsfrist des § 257 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt. Die Unterschreitung dieser Mindestfrist ist aber nur dann ein Verfahrensmangel, wenn die betroffene Partei darlegen kann, daß dadurch eine gründliche Erörterung und erschöpfende Beurteilung der Sache wahrscheinlich vereitelt wurde ( F a s c h i n g , Lehrbuch2 Rz 1368). Eine Entscheidungsrelevanz dieses soeben erörterten Verfahrensmangels vermochte aber die Berufungswerberin nicht aufzuzeigen.

Zutreffend ist, daß die beklagte Partei bereits in ihrem Einspruch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beanstandet hat. Es stellt sich somit die Frage, ob dieser Einwand (so wie auch das übrige Sachgegenvorbringen) für das Erstgericht beachtlich gewesen und der Erlassung eines Versäumungsurteiles entgegengestanden wäre.

Auszugehen ist zunächst davon, daß sich die klagende Partei auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 88 Abs. 1 JN gestützt hat. Die Vereinbarung eines Erfüllungsortes ist zwar in der Klage zu behaupten, sie muß aber nicht bereits in der Klage, sondern erst im Bestreitungsfall dem Gericht urkundlich nachgewiesen werden (vgl. Fasching I 445; MGA, JN/ZPO14, E 3 zu § 88 JN).

Eine prorogable Unzuständigkeit kann vom Gericht im Mahnverfahren nur bis zur Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls wahrgenommen werden. Im bezirksgerichtlichen Verfahren kann der Beklagte die prorogable Unzuständigkeit nur in der ersten mündlichen Streitverhandlung einwenden, bevor er sich in die Verhandlung über die Hauptsache einläßt. Im Mahnverfahren ist dies unabhängig davon, ob der Einspruch Sachvorbringen enthält oder nicht (vgl. M a y r in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 43 JN). Der schriftliche Einspruch des Beklagten gegen den Zahlungsbefehl ist noch keine Streiteinlassung im Sinn des § 104 Abs. 3 JN, selbst wenn er bereits - wie im vorliegenden Fall - ein Sachgegenvorbringen mit Beweisanboten enthält. In einem solchen Fall kann bei Versäumung der anschließenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durch den Beklagten immer noch ein echtes Versäumungsurteil gemäß § 442 Abs. 1 ZPO ergehen (JBl 1992, 331 = EvBl 1992/8).

Entgegen dieser Ansicht steht ein Teil der jüngeren Lehre auf dem

Standpunkt, daß gegen einen Beklagten, der einen mit Gründen

versehenen Einspruch erhoben hat und die erste Streitverhandlung

versäumt, nur mehr ein unechtes Versäumungsurteil ergehen könne, da

er bereits - ähnlich wie in einer Klagebeantwortung - substantiiert

bestritten habe. Gegen dieses unechte Versäumungsurteil gebe es zwar

keinen Widerspruch, aber das Gericht müsse alle Ausführungen im

Einspruch berücksichtigen und darüber ein Beweisverfahren abführen

(vgl. K l i c k a in JBl 1990, 434 ff, insbesondere 437 (Wann ist

ein "echtes" und wann ein "unechtes" Versäumungsurteil zu fällen?) D

e i x l e r PraktZPR 286; B a l l o n , Einführung in das

Österreichische Zivilprozeßrecht - Streitiges Verfahren6, Rz 423).

Im Gegensatz dazu schließt sich das Rekursgericht der vorzitierten Judikatur und der wohl noch immer vorherrschenden Lehre (vgl. F a s

c h i n g , Lehrbuch2, Rz 1642; R e c h b e r g e r / S i m o t t

a , Zivilprozeßrecht4, Rz 753; F u c i k in Rechberger, ZPO Rz 1

zu § 442) an, wonach im bezirksgerichtlichen Verfahren auch dann gegen einen bei der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung säumigen Beklagten ein echtes Versäumungsurteil auf Antrag des Klägers gemäß § 442 Abs. 1 ZPO zu fällen ist, wenn der Beklagte mit dem Einspruch bereits konkretisierte Tatsachen vorgetragen und Beweise angeboten hat, weil beim echten Versäumungsurteil in Entsprechung des § 397 ZPO auf schriftliche Ausführungen nicht Bedacht zu nehmen ist. Im übrigen enthielt auch das Formblatt der Ladung ("LAD A4"), mit dem die beklagte Partei zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.12.1997 geladen wurde, einen ausdrücklichen Hinweis im Sinn des § 397 Abs. 1 ZPO, wonach auf schriftliche Aufsätze, welche die ausgebliebene Partei etwa eingesendet hat - bei der Erlassung eines echten Versäumungsurteiles gemäß § 396 ZPO -, kein Bedacht zu nehmen ist.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Erstgericht zu Recht ein echtes Versäumungsurteil in der Tagsatzung vom 17.12.1997 erlassen hat, ohne die Ausführungen der beklagten Partei in ihrem Einspruch zu berücksichtigen und darüber ein Beweisverfahren abzuführen.

Schließlich ist für die Rechtsmittelwerberin auch mit dem abschließenden Hinweis auf § 448 a ZPO nichts gewonnen, weil die Verhängung einer Mutwillensstrafe bei Geltendmachung einer Nebenforderung als Teil der Hauptforderung Sache des Erstgerichtes ist. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache in der Richtung, daß das Erstgericht etwa die Unschlüssigkeit der Klage - was den Zuspruch von Inkassospesen anlangt - nicht beachtet hätte, macht die Berufungswerberin durch den "Hinweis auf Überprüfung der Klagsforderung gemäß § 448 a ZPO" nicht geltend. Auf die Frage, ob das Erstgericht zu Recht Inkassospesen als Hauptforderung zugesprochen hat, ist daher nicht weiter einzugehen, weil diese Rechtsfrage im Berufungsverfahren nicht aufgeworfen wurde.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Berufung als nicht gerechtfertigt.

Die Entscheidung über die Berufungskosten gründet sich auf die §§ 50, 40 Abs. 1 ZPO.

Landesgericht Ried im Innkreis, Abteilung 6,

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