JudikaturJustiz5R33/21v

5R33/21v – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Rastädter-Puschnig als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Waldner und Mag. Schober als Senatsmitglieder in der Rechtssache des Antragstellers ***** , wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Führung eines Rechtsstreits gegen ***** und ***** auf Bezahlung eines Betrages von EUR 144.000,00 sA, über den Rekurs der für den Antragsteller bestellten Verfahrenshelferin *****, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14.Oktober 2020, 27 Nc 4/20p-4, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Antrag vom 30.September 2020 begehrte der Antragsteller, ihm zur Führung eines Verfahrens gegen ***** und ***** die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen. Seinen Antrag stütze er darauf, dass ihm im ***** - bei dem es sich nach dem Wissensstand des Rekurssenats nicht um eine „Firma“, sondern bloß um die Bezeichnung eines offenen Innovationsraumes handelt - Erfindungen im Bereich der Informationstechnologie sowie der Slogan ***** gestohlen worden seien. Als Abgeltung für die Weitergabe seiner Erfindungen und Ideen an Dritte begehre er einerseits vom Leiter des *****, und andererseits von ***** EUR 144.000,00 sA.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht dem Antragsteller für die vorprozessuale Rechtsberatung, die außergerichtliche Streitbeilegung und die Einbringung einer Klage Ver fahrenshilfe im Ausmaß der Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit. a bis c und f, Z 2 und Z 3 ZPO. Über die weiters begehrten Begünstigungen entschied es nicht ausdrücklich. Der Verfahrenshilfewerber sei außerstande, die Kosten des Rechtsstreites selbst zu tragen. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht offenbar aussichtslos oder mutwillig sei, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe vor.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 23.November 2020 wurde Rechtsanwältin ***** zur Verfahrenshelferin für den Antragsteller bestellt. Dies nahm das Erstgericht zum Anlass, der Verfahrenshelferin (formlos) eine Gleichschrift des Bestellungsbescheides samt einer vollständigen Aktenkopie zu übermitteln (Verfügung vom 24.November 2020). Wann der Verfahrenshelferin die Unterlagen, respektive der Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugegangen ist, ergibt sich aus dem Akt nicht.

Gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe richtet sich der am 15.Dezember 2020 aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Verfahrenshelferin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben, eventualiter ihn dahin abzuändern, dass dem Antragsteller die Verfahrenshilfe ausschließlich zur Einbringung einer Klage bewilligt wird. Das Verfahren sei mängelbehaftet, weil sich das Erstgericht mit dem äußerst vagen schriftlichen Vorbringen des Antragstellers begnügt und ihn nicht zu den verfahrensbezogenen Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO einvernommen habe. Hätte es das getan, wäre hervorgekommen, dass die Rechtsverfolgung aussichtslos und mutwillig sei, weil der Antragsteller vor zehn Jahren bei einer Veranstaltung im ***** mit Dritten nur über unausgereifte Ideen gesprochen, aber nie über konkrete Pläne, Berechnungen oder gar technische Zeichnungen verfügt habe. Zudem habe das Erstgericht verkannt, dass das Institut der Verfahrenshilfe nur den Zugang zu Gericht erleichtern solle, womit die Bewilligung der Verfahrenshilfe für eine außergerichtliche Beratung und Streitbeilegung ausscheide. Schließlich sei das anspruchsbegründende Vorbringen auch unschlüssig, weshalb der Verfahrenshilfeantrag wegen Aussichtslosigkeit hätte abgewiesen werden müssen.

Der Antragsteller und der Revisor beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.

Der Rekurs ist unzulässig .

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der Rechtsprechung des Großteils der zweitinstanzlichen Gerichte steht nur den in § 72 Abs 2 ZPO Genannten, also dem Prozessgegner (sowie dem auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten [WR 647]) und dem Revisor, nicht jedoch dem bestellten Verfahrenshilfeanwalt der Rekurs gegen den Beschluss auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zu (OLG Graz, 5 R 134/16i und 2 R 237/15p; OLG Wien: SVSlg 59.790 sowie REDOK 10.959 und 8078; LG Feldkirch: 2 R 283/20p und AnwBl 2016/8460; LG für ZRS Wien: EFSlg 76.043 und 46.640 ua). Das wird primär damit begründet, dass der Verfahrenshelfer in § 72 Abs 2 ZPO nicht genannt wird, weshalb er auf die Möglichkeit eines Antrages nach § 68 Abs 1 oder 2 ZPO (Erlöschen und Entziehung der Verfahrenshilfe) beschränkt ist. Obwohl im Schrifttum vereinzelt gefordert wird, dem Verfahrenshelfer dann ein Rekursrecht einzuräumen, wenn seine Rechte oder Rechtsstellung durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe betroffen sind ( Lechner in AnwBl 2016/8460 [Glosse]), teilt die Lehre die Auffassung der Judikatur ( Weber in Höllwerth/Ziehensack , ZPO-TaKom, Rz 5 zu § 72; so auch M.Bydlinski in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 , Rz 6 zu § 72 ZPO).

2. Demgegenüber hat der dritte Senat des Oberlandesgerichtes Innsbruck in seiner unlängst ergangenen Entscheidung zu 3 R 4/20t (RIS-Justiz RI0100069) dem Verfahrenshelfer ein Rekursrecht zugebilligt. Da dieser (berechtigt und) verpflichtet sei, für die die Verfahrenshilfe genießende Partei einzuschreiten, ohne dafür ein Honorar oder eine unmittelbare Entschädigung zu erhalten, sei er von der Bewilligung der Verfahrenshilfe zunächst wirtschaftlich betroffen. Selbst wenn man das außer Acht lasse, werde seine Rechtsstellung schon angesichts seiner Haftung gegenüber der von ihm vertretenen Partei berührt. Wenn daher der Prozessgegner und der Revisor in § 72 Abs 2 ZPO ausdrücklich genannt würden, sei das dem Umstand geschuldet, dass sie nicht in dieser Weise betroffen seien und sie ohne die gesetzliche Anordnung mangels Beschwer nicht rekurslegitimiert wären. Dass „ auch “ diese zum Rekurs berechtigt seien, schließe nach dem Gesetzestext und der Absicht des Gesetzgebers ein Rekursrecht des Verfahrenshelfers somit nicht aus. Weiters spreche die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten, die den Gesetzgeber zur Einführung eines Rekursrechtes für den Prozessgegner und den Revisor veranlasst habe, dafür, ein solches auch dem Verfahrenshelfer zuzuerkennen. Das Rekursrecht könne auch nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 68 Abs 1 und 2 ZPO verneint werden, weil diese das Rechtsschutzinteresse des Verfahrenshelfers nicht zur Gänze abdecke: Denn das Erlöschen der Verfahrenshilfe setze eine Änderung entweder der vermögens- oder der verfahrensbezogenen Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO voraus. Die Entziehung sei wiederum nur dann möglich, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen schon ursprünglich nicht vorgelegen seien. Sei die Verfahrens hilfe aber von Anfang an rechtsirrig bewilligt worden, könne das nicht im Wege de s § 68 ZPO, sondern nur durch Bekämpfung des Bewilligungsbeschlusses aufgegriffen werden. Dem Verfahrenshelfer diese Möglichkeit zu nehmen, bedeute ein unerträgliches Rechtsschutzdefizit. Abges ehen davon sei es inkonsequent, dem Verfahrenshelfer ein Rekursrecht gegen die Abweisung von ihm gestellter Anträge nach § 68 Abs 1 und 2 ZPO einzuräumen, zumal der Wortlaut des § 72 Abs 2 ZPO auch diese Entscheidungen erfasse. Schließlich sei im vergleichbaren Fall des Verfahrenshilfeverteidigers dessen Beschwerdelegitimation sehr wohl anerkannt.

2.1. Im Schrifttum hat die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck bislang wenig Widerhall gefunden. Kolmasch referiert in Zak 2020/187 und 2021/107 die Kernaussage der Entscheidung, kommentiert sie aber nicht. Lediglich Schumacher (Glosse in AnwBl 2020/140) stimmt der Ansicht des 3. Senats des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu und meint, der Wortlaut des § 72 Abs 2 ZPO schließe die Rekurslegitimation des Verfahrenshelfers nicht aus, sondern bestätige sie vielmehr. Es überzeuge auch das Argument einer verbesserten Kontrolle bzw des Verhinderns von Missbrauch sowie der Hinweis auf das Rechtsschutzinteresse, weil angesichts der vielfältigen Verpflichtungen des Verfahrenshelfers und der daran anknüpfenden zivil- und disziplinarrrechtlichen Haftungsfolgen schon die Bewilligung der Verfahrenshilfe in dessen Rechtsposition unmittelbar eingreife. Im Sinne eines fairen Verfahrens sei es daher nur folgerichtig, (auch) dem Verfahrenshelfer ein Rekursrecht einzuräumen.

2.2. Demgegenüber hat die bisherige Rechtsprechung die Auffassung des 3. Senats des Oberlandesgerichtes Innsbruck einhellig abgelehnt.

2.2.1. Das Landesgeri cht Feldkirch führte zu 2 R 283/20p (RIS-Justiz RFE0100042) aus, dass die vom 3. Senat des Oberlandesgerichtes Innsbruck angenommene planwidrige Unvollständigkeit in Wahrheit nicht vorliege, weil in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (künftig: EB) zur ZVN-Novelle 2004 (BGBl I Nr. 128/2004) ausdrücklich auf den Verfahrenshelfer Bezug genommen, dieser also nicht übersehen worden sei. Im Gegenteil sei dort betont worden, dass diesem „ umgekehrt “ die Rechte gemäß § 68 ZPO zustünden, womit der Gesetzgeber zum Ausdruck bringe, dass er „im Gegensatz“ zu den in § 72 Abs 2 ZPO Genannten ausschließlich das Recht zur Antragstellung nach § 68 ZPO habe. Eine Rechtsmittelbefungnis des Verfahrenshelfers sei aber auch aus dem Rekursrecht des auf Seiten des Gegners beigetretenen Nebenintervenienten nicht abzuleiten, weil diesem schon nach § 19 ZPO dieselben Rechte wie der Hauptpartei zukämen. Ebenso wenig sei inkonsequent, wenn der Verfahrenshelfer ungeachtet § 72 Abs 2 ZPO gegen abschlägige Entscheidungen über von ihm gestellte Anträ ge nach § 68 ZPO einen Rekurs erheben könne, weil es mit M.Bydlinski (aaO , Rz 6 zu § 72 ZPO) vielmehr naheliegend sei, einem Antragsberechtigten auch ein Rekursrecht zuzugestehen. Es bedürfe auch keiner Verbesserung der Kontrolle, weil die vermögensbezogenen Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO vom Revisor und die verfahrensbezogenen Voraussetzungen vom Prozessgegner wahrgenommen werden könnten. Im Gegenteil wäre eine weitere Tätigkeit des Verfahrenshelfers (im Sinn einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Partei) im Fall eines erfolglosen Rekurses gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe wohl nicht mehr (möglich und) sinnvoll. Zwar sei richtig, dass der Verfahrenshelfer verpflichtet sei, für die die Verfahrenshilfe genießende Partei einzuschreiten, er dafür im Regelfall kein Honorar erlange und er dieser (trotzdem) hafte. Dabei handle es sich allerdings um bloße Reflexwirkungen und nicht um unmittelbare Beeinträchtigungen seiner Rechtssphäre. Letztlich ergebe sich das Beschwerderecht des Verfahrenshilfeverteidigers aus der Bestimmung des § 87 Abs 1 StPO, die aber kein vergleichbares Pendant in der ZPO habe.

2.2.2. Der 25. Senat das Oberlandesgerichtes Innsbruck verwies zu 25 Rs 11/21k (RIS-Justiz RI0100079) darauf, dass nach dem ursprünglichen Art. XXXIII EGZPO der Verfahrenshelfer zumindest im Ergebnis auch auf die Frage habe Einfluss nehmen können, ob die Verfahrenshilfe überhaupt hätte bewilligt werden dürfen. Mit dem Verfahrenshilfegesetz 1973 ([richtig:] BGBl Nr. 569/1973) seien die Rechte des Verfahrenshelfers, seine Enthebung wegen Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu verlangen, in § 68 ZPO neu geregelt worden, wobei der Gesetzgeber in den EB ausdrücklich darauf verwiesen habe, dass die alte Regelung deswegen nicht mehr benötigt werde. Im Rahmen der weiteren Änderung des § 72 Abs 2 ZPO durch die ZVN 2004 (mit der dem Revisor ein Rekursrecht zuerkannt wurde) sei in den EB auf den Verfahrenshelfer sehr wohl Bezug genommen aber bloß ausgeführt worden, diesem stünden die Anträge nach § 68 Abs 1 und 2 ZPO und bei deren Abweisung ein Rekurs dagegen zu. Anhand dieser historischen Entwicklung der §§ 68 und 72 ZPO könne nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe bloß übersehen, dem Verfahrenshelfer eine Rekurslegitimation gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe einzuräumen. Vielmehr sei das vormalige Rekursrecht nach Art. XXXIII EGZPO ausdrücklich abgeschafft worden, sodass das Vorliegen einer planwidrigen Lücke ausscheide und damit auch eine analoge Anwendung der das Rekursrecht des Nebenintervenienten und des Verfahrenshilfeverteidigers betreffenden Grundsätze nicht in Betracht komme. Auch wenn der 3. Senat des Oberlandesgerichtes Innsbruck zutreffende Argumente für seine Auffassung ins Treffen führe, rechtfertige eine durchaus wünschenswerte Regelung nicht die Annahme einer Gesetzeslücke, sodass jede ergänzende Rechtsfindung ausscheide.

3. Das Rekursgericht sieht sich aufgrund der Erwägungen zu 3 R 4/20t des Oberlandesgerichtes Innsbruck nicht veranlasst, von seiner bisherigen Judikatur abzugehen. Vielmehr erachtet es die Ausführungen des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu 25 Rs 11/21k, wonach aus § 72 Abs 2 ZPO kein Rekursrecht des Verfahrenshelfers abgeleitet werden kann und dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, als stichhältig:

4. Die Auslegung eines Gesetzes beginnt mit der Wortinterpretation, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen ist (stRsp; RIS-Justiz RS0008896 und RS0008895; jüngst 9 ObA 13/21h, 5 Ob 184/20z uva). Die Gesetzesauslegung darf damit aber nicht ih r Ende finden. Bleibt die Ausdrucksweise des Gesetzes nach der Wortinterpretation und einer logi schen Auslegung dennoch zweifelhaft, ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen und der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (st Rsp; RIS-Justiz RS0008788, RS0008806, RS0008800 und RS0008836; jüngst 4 Ob 178/20k, 9 ObA 71/20m, 5 Ob 137/20p uva). Ebenso ist vorzugehen, wenn der Wortlaut eines Gesetzes mehrere Auslegungen zulässt (stRsp; RIS-Justiz RS0008769; 9 ObA 72/16b ua). Dabei steckt der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze der Auslegung ab, die mit Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (stRsp; RIS-Justiz RS0031382 und RS0008796; jüngst 8 Ob 85/20p uva). Eine Auslegung durch Feststellung des Willens des historischen Gesetzgebers an Hand der Gesetzesmaterialien bedarf dabei zwar besonderer Vorsicht, weil diese nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen. Sie hat aber eine gewisse Vermutung der Richtigkeit für sich (stRsp; RIS-Justiz RS0008776 insb [T2, T4 und T6]; 9 ObA 9/19t, 9 Ob 76/18v uva).

4.1. Nun lässt der Wortlaut des § 72 Abs 2 ZPO zwar durchaus eine Auslegung dahin zu, dass dort nur die Rekurslegitimation „ auch “ des (nur wirtschaftlich tangierten) Prozessgegners und des (am Verfahren nicht beteiligten) Revisors geregelt, damit aber noch nichts über das (vermeintlich) schon nach allgemeinen Grundsätzen zu bejahende Rekursrecht der anderen Verfahrensbeteiligten ausgesagt wird. Dabei darf die Auslegung nac h dem oben Gesagten aber nicht stehen bleiben, weil § 72 Abs 2 ZPO (entsprechend der herrschenden Judikatur) auch in dem Sinn verstanden werden kann, dass die neben dem Verfahrenshilfewerber zum Rekurs Berechtigten dort abschließend genannt werden. Bezieht man daher im Sinn der dargestellten Auslegungsgrundsätze den Willen des Gesetzgebers ein, ist der Ansicht des 3. Senats des Oberlandesgerichtes Innsbruck nicht zu folgen:

5. Wie schon der Senat 25 des Oberlandesgerichtes Innsbruck ausgeführt hat, lautete Art. XXXIII EGZPO (RGBl 112/1895) wie folgt:

„Der für die arme Partei bestellte Advokat kann, wenn die ihm übertragene Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig oder aussichtslos erscheint, beim Prozessgericht erster Instanz um seine Enthebung von der Vertretung ansuchen. Das Prozessgericht entscheidet darüber nach Anhörung der armen Partei durch Beschluss. Die arme Partei kann einen Rekurs gegen diesen Beschluss auch bei Gerichtshöfen mündlich zu Protokoll anbringen.

Sofern in der fraglichen Rechtssache die Vertretung durch Advokaten durch das Gesetz geboten ist, erlischt mit rechtskräftiger Bewilligung der Enthebung auch das Armenrecht.“

Mit dem Verfahrenshilfegesetz 1973 (BGBl Nr. 569/1973) wurde diese Bestimmung aufgehoben, dem Verfahrenshelfer im Gegenzug aber das Recht eingeräumt, Anträge auf Entziehung oder Erlöschen der Verfahrenshilfe zu stellen (§ 68 Abs 1 und 2 ZPO). Ein Rekursrecht gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde allerdings nur dem Prozessgegner und nicht (auch) dem Verfahrenshelfer (ausdrücklich) eingeräumt. Diesem sollte anstatt des bisherigen Rechtes, nach Art. XXXIII EGZPO seine Enthebung zu beantragen, das Recht zukommen, Anträge nach § 68 Abs 1 und 2 ZPO zu stellen (EB 846 BlgNr. 13. GP [13]). Zu § 72 Abs 2 ZPO wies der Gesetzgeber sodann explizit darauf hin, dass dem Prozessgegner das Recht, die Entziehung nach § 68 Abs 2 ZPO zu beantragen und Rekurs zu erheben, „ nebeneinander zustehen “. Den Verfahrenshelfer erwähnte er in diesem Kontext dagegen nicht.

5.2. Obwohl im Zeitpunkt der ZVN-2004 die Judikatur schon längere Zeit davon ausgegangen war, dass der Verfahrenshelfer nicht zum Rekurs gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe legitimiert ist (REDOK 8078 und 10.959; EFSlg 76.043 und 46.640), hat der Gesetzgeber dies nicht zum Anlass genommen, eine etwaige Klarstellung vorzunehmen, sprich, auch den Verfahrenshelfer in den Kreis der in § 72 Abs 2 ZPO Genannten aufzunehmen. Im Gegenteil hat er nochmals betont, dass der Verfahrenshelfer „ umgekehrt “ das Recht habe, einen Antrag auf Erlöschen oder Entziehen der Verfahrenshilfe zu stellen und ihm in diesem Zusammenhang auch das Recht zur Erhebung eines Rekurses oder Erstattung einer Rekursbeantwortung zukomme (EB 613 BlgNr. 22.Gp [13]). Wäre es daher tatsächlich der (schon ursprüngliche) Wille des Gesetz gebers gewesen, dem Verfahrenshelfer ein Rekursrecht gegen den Bewilligungsbeschlus s einzuräumen, hätte er ein solches spätestens zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich in § 72 Abs 2 ZPO verankert.

5.3. Angesichts der dargestellten historischen Entwicklung und der - ungeachtet der schon damals bestehenden langjährigen Judikatur getätigten - Ausführungen in den EB zur ZVN-Novelle 2004 ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dem Verfahrenshilfeanwalt bewusst keinen Rekurs gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe ermöglichen wollte. Demgemäß kann § 72 Abs 2 ZPO auch nicht in dem Sinn interpretiert werden, dass darin nur ein ansonsten nicht bestehendes Rekursrecht des Prozessgegners und des Revisors geschaffen, eine Aussage über die Rekurslegitimation des Verfahrenshelfers aber nicht getroffen wird. Vielmehr ist die Bestimmung dahin auszulegen, dass dort jene Personen genannt werden, denen neben dem Verfahrenshilfewerber „ auch “ ein Rekurs zusteht, die Rekursberechtigten also erschöpfend aufgezählt werden. Da der Verfahrenshelfer nicht zu diesem Kreis zählt, steht ihm auch kein Rekursrecht zu.

Bleibt anzumerken, dass dies ein (auch selbständiges) Rekursrecht des auf Seiten des Prozessgegners beigetretenen Nebenintervenienten nicht ausschließt, weil dieser generell nur Einwendungen erheben kann, die das Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Gegner betreffen, nicht aber Einwendungen kraft eigenen Rechtes (stRsp; RIS-Justiz RS0035474; zuletzt 5 Ob 8/19s und 1 Ob 148/16w; Schneider in Fasching/Konecny , aaO, Rz 16 zu § 19 ZPO ua). Wenn der Nebenintervenient daher anstelle oder neben der Hauptpartei ein Rechtsmittel ergreifen kann (stRsp; RIS-Justiz RS0035494 [T1]; 7 Ob 211/18g und 5 Ob 31/16v ua), das aber nicht im Widerspruch zu den Prozesshandlungen der Hauptpartei stehen darf (stRsp; RIS-Justiz RS0035472; 10 Ob 32/17d ua; vgl insb RIS-Justiz RS0035520), handelt es sich dabei um ein „bloß“ abgeleitetes (hier:) Rekursrecht.

6.1. Auch wenn die Argumente des 3. Senats des Oberlandesgerichtes Innsbruck und ihm folgend von Schumacher (aaO) durchaus plausibel sind, haben die Gerichte grundsätzlich nur bestehende Gesetze anzuwenden. Es ist hingegen nicht ihre Aufgabe, im Weg einer all zu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher bewusst (oder auch unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern ist nicht Sache der Rechtsprechung, sondern der Gesetzgebung (stRsp; RIS-Justiz RS0009099 und RS0008880; jüngst 2 Ob 35/20s und 5 Ob 130/20h mwN uva).

6.2. Da das fehlende Rekursrecht des Verfahrenshelfers nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückgeht, sondern von ihm gewollt ist, scheidet auch die Annahme einer Gesetzeslücke aus (stRsp; RIS-Justiz RS0008757 sowie RS0008866 [T8 und T16]; jüngst 1 Ob 226/20x, 5 Ob 162/20i und 4 Ob 80/20y mwN uva). Damit mangelt es an der Grundvoraussetzung jeglicher Analogie (stRsp; RIS-Justiz RS0106092 insb [T2] und RS0008866 insb [T13]; jüngst 5 Ob 130/20h mwN; P.Bydlinski in KBB 6 , Rz 2 zu § 7 ABGB uva).

7. Zusammenfassend ist die Verfahrenshelferin daher nicht legitimiert, einen Rekurs gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu erheben. Ihr Rechtsmittel ist folglich unzulässig und daher zurückzuweisen. Der Frage, ob dieses überhaupt rechtzeitig erhoben wurde, muss somit nicht mehr nachgegangen werden.

8.1. Nach § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO findet in Verfahrenshilfesachen ein Kostenersatz nicht statt. Der begehrte Kostenzuspruch würde auch am fehlenden Rechtsmittelerfolg scheitern.

8.2. Nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist gegen sämtliche Entscheidungen betreffend die Verfahrenshilfe der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof jedenfalls unzulässig (stRsp; RIS-Justiz RS0036078 und RS0052781; jüngst 3 Ob 28/21w und 1 Ob 209/20x

mwN uva). Dies gilt auch für die Bekämpfung von Formalentscheidungen der zweiten Instanz, wenn also eine Entscheidung in der Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt wird (stRsp; RIS-Justiz RS0044213 und RS0012383; jüngst 1 Ob 63/19z und 8 Ob 10/19g; 1 Ob 138/18b [Zurückweisung]; Musger in Fasching/Konecny , aaO, Rz 75 zu § 528 ZPO; A.Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 , Rz 40 zu § 528 uva).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 5

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