JudikaturJustiz5Ob8/24y

5Ob8/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerinnen 1. K* und 2. I*, beide *, beide vertreten durch Dr. Markus Komarek, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die Antragsgegnerin U*, vertreten durch Dr. Erik R. Kroker, LL.M. ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. November 2023, GZ 2 R 133/23g 22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin ist Vermieterin und Alleineigentümerin einer Wohnung, die der Vater der Erstantragstellerin und dessen Ehefrau (die Zweitantragstellerin) am 1. April 1972 anmieteten. Die Eheleute wohnten seither gemeinsam mit ihrer Tochter, der Erstantragstellerin, in dieser Wohnung. Das Mietverhältnis unterliegt dem Vollanwendungsbereich des MRG. Am 11. Jänner 2022 verstarb der Ehemann der Zweitantragstellerin (Vater der Erstantragstellerin). Die Antragsgegnerin forderte die beiden Antragstellerinnen schriftlich auf, ab 1. Dezember 2022 einen erhöhten Mietzins zu zahlen.

[2] Die Antragstellerinnen beantragten die Feststellung, dass die von der Antragsgegnerin geforderte Anhebung des Mietzinses für das Mietobjekt unzulässig sei.

[3] Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

[4] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung.

[5] Die Erstantragstellerin als Ehefrau des verstorbenen Hauptmieters sei bereits selbst Mitmieterin gewesen und daher nicht mit der gemeinsamen Tochter in die Mietrechte eingetreten. Allerdings stehe dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen gemäß § 46 Abs 1 MRG der Fall gleich, in dem es neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrecht Angehörige gemäß § 14 Abs 2 MRG eintreten, noch einen Mitmieter gebe. Das Hinzutreten eines weiteren Mieters dürfe nicht zu einer Schlechterstellung des bisherigen Mieters führen und es müsse ausgeschlossen werden, dass für Altmieter und Eintretende verschieden hohe Mietzinse gelten.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Antragsgegnerin gelingt es nicht, in ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

[7] 1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vor, wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft oder ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (vgl RS0042656 [T48]; RS0042742 [T13]). Dies ist hier der Fall:

[8] 2.1 Die Bestimmung des § 46 MRG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen dem Vermieter einer Wohnung ein – näher geregeltes – Recht zur Anhebung des (vor dem 1. März 1994 vereinbarten) Hauptmietzinses beim Eintritt bestimmter berechtigter Personen. Beim Eintritt besonders privilegierter naher Angehöriger des bisherigen Hauptmieters soll der Mietzins unverändert bleiben. Wenn aber in den Mietvertrag nur Angehörige eintreten, die nicht zum engsten Familienkern (§ 46 Abs 1 MRG) zählen, oder wenn zwar ursprünglich Angehörige im Sinn des § 46 Abs 1 MRG gemeinsam mit anderen Angehörigen in den Mietvertrag eingetreten, später aber durch Verlassen der Wohnung oder durch Erreichen der Volljährigkeit weggefallen sind, so kann der Vermieter nach § 46 Abs 2 MRG eine Anhebung des Zinses verlangen (vgl 4 Ob 204/11w mwN).

[9] 2.2 In der Entscheidung 5 Ob 107/15v (= RS0130185) hat der Fachsenat bereits klargestellt, dass die Privilegierung des § 46 Abs 1 MRG nur beim ersten Eintritt vorgesehen ist: „Die Überbindung eines Hauptmietzinses auf Nachfolge Mieter stellt nach der Regierungsvorlage zum MRG ein außerordentliches Zugeständnis dar, das nur in Ausnahmefällen (...) aufgrund der diesbezüglich bestehenden besonderen Verhältnisse zugestanden werden kann (...). Die Privilegierung des § 46 Abs 1 MRG ist daher nur beim ersten Eintritt vorgesehen“.

[10] 2.3 In der vom Rekursgericht genannten Entscheidung 4 Ob 204/11w hatte der vierte Senat die Frage der Berechtigung des Vermieters zur Mietzinsanhebung als Vorfrage zu prüfen; er ging davon aus, dass dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen gemäß § 46 Abs 1 MRG der Fall gleichstehe, in dem es neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrechte Angehörige gemäß § 14 Abs 2 MRG eintreten, noch einen Mitmieter gibt. Grund dafür sei, dass eine Person, die bereits Mieter gewesen sei, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden solle. Zu dieser Begründung verwies der Senat auf T. Hausmann (in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 46 MRG, Rz 3). Auch nach Ansicht von A. Vonkilch (in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 4 § 46 MRG, Rz 4) ergibt sich der Ausschluss der Mietzinserhöhung beim Eintritt zB des volljährigen Kindes in den Mietvertrag nach dem Tod des Vaters neben seiner Mutter als Mitmieter aus der Überlegung, dass eine Person, die bereits Mieter war, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden dürfe. Daher stehe „jedweder überlebende Mitmieter, unabhängig davon, ob er selbst eintrittsberechtigt ist oder nicht, der Anhebung des Mietzinses entgegen“. Allerdings werde eine Mietzinsanhebung dann zulässig, wenn sämtliche privilegierten Personen die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder volljährig geworden sind (so bereits 5 Ob 107/15v; vgl RS0070651; ebenso A. Vonkilch in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 4 § 46 MRG, Rz 8 mwN). Auch nach Ansicht von Prader (in Böhm / Pletzer / Spruzina / Stabentheiner , GeKo Wohnrecht I § 46 Rz 2) besteht keine Anhebungsmöglichkeit im Fall eines Eintritts in ein Mitmietverhältnis.

[11] 3.1 Wenn die Antragsgegnerin meint, die vom Rekursgericht für seine Begründung zitierte Lehrmeinung entbehre „jedweder rechtswissenschaftlichen und/oder dogmatischen Begründung oder Herleitung“, so zeigt sie damit weder eine Fehlbeurteilung noch eine erhebliche Rechtsfrage auf. Inhaltlich setzt sich der außerordentliche Revisionsrekurs mit den Argumenten nicht auseinander, weshalb er insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603 [T9]). Außerdem liegt – wie bereits erwähnt – auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn der Streitfall mithilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann, auch wenn der Oberste Gerichtshof die konkrete Fallgestaltung noch nicht zu beurteilen hatte.

[12] 3.2 Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin ist der Entscheidungsbegründung auch keine „unzulässige Analogie“ zu § 46 MRG zu entnehmen, sondern die Argumentation des Rekursgerichts beruht auf der – auch in der dazu zitierten Lehrmeinung angeführten – Überlegung, dass das Hinzutreten eines weiteren Mieters durch Eintritt in die Mitmietrechte den bisherigen, verbleibenden Mieter nicht benachteiligen darf, und nicht unterschiedlich hohe Mietzinse für das einheitliche Mietverhältnis zur Folge haben dürfe.

[13] 3.3 Auch ein – lediglich pauschal behauptetes – „Abweichen/Abgehen des Rekursgerichts von der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung“ ist nicht erkennbar: Die angefochtene Entscheidung steht – wie bereits dargelegt – mit der zu § 46 MRG vorhandenen Rechtsprechung und Lehre im Einklang.

[14] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).