JudikaturJustiz5C2336/04p

5C2336/04p – BG Melk Entscheidung

Entscheidung
01. Februar 2006

Kopf

Das Bezirksgericht Melk erkennt durch den Richter Mag. Michael Lokay in der Rechtssache der Klägerin N.N., diese vertreten durch Dr. F***** W*****r, Dr. H***** H*****, Mag. H***** N*****, wider den Beklagten N.N., dieser vertreten durch Dr. U***** K*****, wegen €

8.380,05 samt Anhang, nach öffentlicher und mündlicher Verhandlung zu Recht:

Spruch

1. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betrag von € 3.094,92 samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 15.09.2004 zu bezahlen und die mit € 858,55 bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Das Mehrbegehren, der Beklagte sei weiters schuldig, der Klägerin € 5.285,13 samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 15.09.2004 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten dessen mit € 1.063,12 bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten € 124,42 USt und € 441,00 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von € 8.382,13 samt 4 % Zinsen seit 15.09.2004 und brachte vor, dass ihr Hund, ein 5-jähriger Magyar Viszla Rüde, aufgrund der nicht fachgerechten Behandlung durch den Beklagten verstorben sei.

Da der Hund durch ein für ihn untypisches Verhalten aufgefallen sei (er habe seine Hinterbeine nachgezogen, sei behäbig und ruhig gewesen, habe nur schleppende Bewegungen gemacht) und einen vergrößerten Bauch gehabt, habe die Klägerin am 29.07.2004 erstmals die Ordination des Beklagten aufgesucht. Der Beklagte sei auf den vergrößerten Bauch des Hundes ebensowenig eingegangen wie auf die Mitteilung, dass der Hund nur wenig fresse, dafür aber viel Durst habe, und habe dem Hund, nachdem er eine Schmerzempfindlichkeit der Hoden sowie eine Hodenentzündung diagnostiziert habe, eine Injektion verabreicht. Den vergrößerten Bauch des Hundes habe der Beklagte auf zu viel Ernährung zurückgeführt. Bei der Nachkontrolle am 30.07.2004 habe der Beklagte eine Besserung der Hodenentzündung festgestellt, jedoch sonst keine weiteren Untersuchungen durchgeführt. Auch an diesem Tag habe der Beklagte den vergrößerten Bauch des Hundes nicht beachtet. Für die Behandlungen am 29.07.2004 und am 30.07.2004 habe die Klägerin € 85,13 an den Beklagten bezahlt.

Da sich der Gesundheitszustand des Hundes nicht gebessert habe, habe die Klägerin am 05.08.2004 erneut die Ordination des Beklagten aufgesucht. Nachdem die Klägerin dem Beklagten mitgeteilt habe, dass der Hund eine gelbe Flüssigkeit erbrochen habe, habe der Beklagte bei dem Hund eine Magen-Darm-Erkrankung diagnostiziert und ihm eine Injektion verabreicht. Sonstige Erkrankungen oder Auffälligkeiten habe der Beklagte nicht feststellen können. Am nächsten Tag, dem 06.08.2004, sei die Klägerin wieder in die Ordination des Beklagten gekommen, da sich der Gesundheitszustand des Hundes weiter verschlechtert habe. Allerdings seien auch diesmal keine therapeutischen Maßnahmen gesetzt worden, sondern die Klägerin durch den Beklagten beruhigt worden, dass es dem Hund schon bald besser gehen werde.

Aufgrund des sehr schlechten Gesundheitszustandes des Hundes habe die Klägerin am 09.08.2004 die Ordination der dipl. Tierärztin N.N. aufgesucht, welche nach einer klinischen Untersuchung und einer Bauchpunktation den Verdacht einer eitrigen oder jauchigen Peritonitis (Bauchfellentzündung) geäußert habe. Noch am selben Tag habe die Klägerin den Hund in die Tierklinik Hollabrunn gebracht, wo er zweimal operiert worden sei und wo ihm einmal ca. 3,5 l, am nächsten Tag 5 l Flüssigkeit aus dem Bauchraum entnommen worden seien. Da der Hund nach der ersten Operation gute Überlebenschancen gehabt habe, sei keine Euthanasie durchgeführt worden. Obwohl die Klägerin Blut- und Plasmaspenden von anderen Hunden organisiert habe und der Hund in der Tierklinik intensivmedizinisch betreut worden sei, sei der Hund am 14.08.2004 verstorben.

Mit Schriftsatz vom 24.02.2005 (ON 8) schränkte die Klägerin das Klagebegehren betreffend das Honorar für die dipl. Tierärtzin N.N. um den Betrag von € 2,08 ein und beantragte, den Beklagten für schuldig zu erkennen, der Klägerin den Betrag von € 8.380,05 samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 15.09.2004 zu bezahlen.

Für die Behandlung bei der dipl. Tierärtzin N.N. habe die Klägerin €

87,92, für die Behandlung in der Tierklinik Hollabrunn € 3.207,00 ausgelegt. Des weiteren seien Unkosten in Höhe von € 300,00 angefallen. Der verstorbene Hund sei mit € 700,00 zu bewerten. Da der Hund in der Familie der Klägerin eine sehr wichtige Position eingenommen habe und wie ein Familienmitglied behandelt worden sei und deshalb der Verlust des Hundes seelische Schmerzen bei der Familie der Klägerin verursacht habe, gebühre der Klägerin auch ein Schmerzengeld in Höhe von € 4.000,00.

Der Beklagte wandte dagegen ein, dass die Klägerin keine genauen Angaben habe machen können, warum die Verhaltensweise des Hundes nicht wie üblich gewesen sei. Der Hund habe normal gehen können und sei nicht behäbig oder bewegungsunlustig gewesen. Außerdem habe die Klägerin nicht erwähnt, dass der Hund nur wenig gefressen und viel getrunken habe. Auch ein Hinweis auf den vergrößerten Bauch sei nicht erfolgt. Insgesamt habe der Hund äußerlich keine Anzeichen einer Erkrankung gezeigt. Im Laufe der gesamten Untersuchungen, welche der Beklagte sorgfältig und ordnungsgemäß durchgeführt habe, habe der Beklagte keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Anzeichen einer schwereren Erkrankung, finden können. Für den Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die schließlich festgestellte Erkrankung des Hundes - nämlich eine Peritonitis - noch nicht diagnostizierbar gewesen. Aus den Angaben der Klägerin und den Untersuchungsergebnissen habe sich für den Beklagten kein Grund ergeben, auf ein entzündliches Geschehen zu schließen. Maßnahmen wie Blutuntersuchungen oder Röntgen würden erst vorgenommen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte einer schweren Erkrankung vorlägen. Da aber während der Behandlungsdauer keine dramatische Verschlechterung des Zustandes des Hundes eingetreten sei, wären solche Untersuchungen nicht durchzuführen gewesen.

Festgestellt wird folgender Sachverhalt:

Die Klägerin kam mit ihrem Hund, einem 5-jährigen Magyar Viszla - Rüden, am 29.07.2004 in die Ordination des Beklagten, da der Hund durch eine für ihn untypische Verhaltensweise auffiel. Er bewegte sich nur schleppend, zog sein Hintergestell nach und war behäbig und ruhig. Dies und die Tatsache, dass er nur wenig gefressen, dafür aber viel Durst hatte, teilte die Klägerin dem Beklagten mit. Die Klägerin wies auch auf den vergrößerten Bauch des Hundes hin. Nach einer klinischen Untersuchung, bei welcher der Beklagte eine geringgradige Schmerzempfindlichkeit sowie eine mäßige Vergrößerung der Hoden feststellte, stellte er die vorläufige Diagnose einer Hodenentzündung, verabreichte dem Hund ein entzündungshemmendes Präparat (Rimadyl) und bestellte die Klägerin mit dem Hund für den nächsten Tag wieder, um die Therapie zu kontrollieren. Ob die Körpertemperatur des Hundes am 29.07.2004 38,5 C oder 39,4 C betrug, kann nicht festgestellt werden.

Am nächsten Tag, dem 30.07.2004, suchte die Klägerin erneut die Ordination des Beklagten auf, wobei aus der Sicht des Beklagten eine Besserung der Hodenentzündung eingetreten war und er deshalb keine weitere Therapie durchführte. Der Beklagte schnekte dem vergrößerten Bauch des Hundes keine Beachtung und führte keine weitergehenden Untersuchungen durch.

Das Einleiten einer symptomatischen Therapie aufgrund einer vorläufigen Diagnose sowie das Überprüfen des Therapieerfolges im Rahmen einer Nachkontrolle entspricht der üblichen tierärztlichen Vorgangsweise. Die von der Klägerin geschilderten Symptome wie Bewegungs- und Fressunlust können verschiedene Ursachen haben und sind für das Krankheitsbild einer Peritonitis nicht krankheitstypisch.

Für die Behandlung am 29.07.2004 und am 30.07.2004 bezahlte die Klägerin einen Betrag von € 85,13 an den Beklagten. Da sich der Zustand des Hundes nicht besserte sondern verschlechterte, kam die Klägerin am 05.08.2004 und am 06.08.2004 wieder in die Ordination des Beklagten. Aus der Mitteilung der Klägerin am 05.08.2004, dass der Hund eine gelbe Flüssigkeit erbrochen habe, schloss der Beklagte auf eine Magen-Darm-Erkrankung und verabreichte dem Hund das Präparat Paspertin gegen die Übelkeit bzw. gegen das Erbrechen. Die innere Körpertemperatur betrug am 05.08.2004 39,0 C. Eine weitere Therapie führte der Beklagte nicht durch. Auch bei der am 06.08.2004 durchgeführten Nachkontrolle wurden keine weiteren therapeutischen Maßnahmen (wie z.B. Blutuntersuchung, Ultraschall, Röntgen) gesetzt und auch keine Messung der Körpertemperatur vorgenommen.

Die „normale" Körpertemperatur eines Hundes liegt zwischen 38,0° und 38,5°.

Wegen des immer schlechter werdenden Allgemeinzustandes des Hundes, der ansteigenden Fieberkurve, unklarer Symptomatik und wegen der Tatsache, dass es sich bereits um den dritten Besuch des Hundes in der Ordination des Beklagten handelte, wären am 05.08.2004 weiterführende Maßnahmen (wie z.B. Blutuntersuchungen, Röntgen, Ultraschall) angezeigt gewesen. Eine am 05.08.2004 durchgeführte Blutuntersuchung, deren Ergebnisse dem Beklagten am 06.08.2004 vorgelegen wären, hätte einen Hinweis auf einen entzündlichen Prozess liefern können, sodass eine entsprechende Diagnose und in Folge eine entsprechende Behandlung möglich gewesen wäre.

Auch wenn der Beklagte am 5.8.2004 weiterführende Untersuchungen durchgeführt hätte und beim Hund eine Peritonitis diagnostiziert worden wäre, wären der Klägerin jedenfalls Kosten in Höhe von mehreren hundert bis zweitausend Euro für die weiterführende Behandlung entstanden (Kosten für Medikamente, Folgevisiten, Betreuungsaufwand).

Ob dann, wenn am 6.8.2004 beim Hund ein entzündlicher Prozess diagnostiziert worden wäre, eine Heilung des Hundes möglich gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden, allerdings wären die Überlebens- bzw. Gesundungschancen des Hundes umso besser gewesen je früher die Diagnosestellung erfolgt wäre.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, ob beim Hund am 5. und/oder 6.8.2004 bereits eine Peritonitis bestand.

Da der Hund bereits in einem sehr schlechten Gesundheitszustand war, suchte die Klägerin mit dem Hund am 09.08.2004 die Ordination der dipl. Tierärztin N.N. auf. Wegen der Bauchform (birnenförmiges Abdomen) und des Tastbefundes (Auslösen von Ondulation) vermutete N.N. einen Flüssigkeitserguss im Bauch, weshalb sie eine Bauchpunktation durchführte, bei welcher 10 ml einer rötlich-grauen, trüben Flüssigkeit gewonnen wurden. Die innere Körpertemperatur des Hundes betrug zu diesem Zeitpunkt 40,6 C.

Für die Behandlung durch die dipl. Tierärtzin N.N. bezahlte die Klägerin € 87,92.

Aufgrund des von N.N. geäußerten Verdachts einer eitrigen oder jauchigen Peritonitis brachte die Klägerin den Hund noch am selben Tag in die Tierklinik Hollabrunn. Dort wurden ca. 3,5 l Flüssigkeit, am nächsten Tag 5 l Flüssigkeit aus dem Bauchraum des Hundes entfernt. Da der Hund nach der ersten Operation am 10.08.2004 gute Überlebenschancen (50:50) hatte, wurde eine Euthanasie von der Klägerin abgelehnt. Am 13.08.2004 wurde der Hund erneut operiert. Trotz der intensiven Behandlung in Form von klinischen Untersuchungen, Operationen, Infusionen und Medikamenten in der Tierklinik Hollabrunn, für welche die Klägerin € 3.207,00 bezahlte, und trotz der von der Klägerin organisierten Blut- und Plasmaübertragungen, für welche sie dreimal von N.N. nach Hollabrunn und wieder retour fuhr und einmal die Route N.N.-Wien, Wien-Hollabrunn, Hollabrunn-Wien, Wien-N.N. auf sich nahm, verstarb der Hund am 14.08.2004.

Die Behandlung in der Tierklinik Hollabrunn entsprach dem aktuellen Stand der Veterinärmedizin. Nur durch die intensivmedizinischen Maßnahmen, die nur in speziell dafür ausgerüsteten Tierspitälern durchgeführt werden können, konnten die Überlebenschancen des Hundes gewahrt und die Sterblichkeitsrate, die bei Hunden mit septischer Peritonitis bei bis zu 68 % liegt, um bis zu 30 % verbessert werden. Grund für die Peritonitis waren Keime, die von außen eingedrungen sind.

Auf welchem Wege die Keime eingedrungen sind, also der Auslöser der Peritonits, sowie der genaue Zeitpunkt des Beginns der Peritonitis können nicht festgestellt werden.

Der Wert des Hundes beträgt € 700,00.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten einen Vertrag über die Behandlung ihres Hundes, auf den die Bestimmungen des ärztlichen Behandlungsvertrages in analoger Weise anzuwenden sind. Ein ärztlicher Behandlungsvertrag ist ein im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis, auf Grund dessen der Arzt dem Patienten eine fachgerechte, dem objektiven Standard des besonderen Faches entsprechende Behandlung, aber keinen bestimmten Erfolg schuldet (Dittrich/Tades, ABGB36, E 25 zu § 1151 ABGB). Eine analoge Anwendung ist deshalb geboten, da sich hier nicht der Arzt und der Patient als Vertragspartner gegenüber stehen, sondern der Vertragspartner des Arztes die Besitzerin des Hundes und „Patient" der Hund ist. Der Vertragsinhalt bleibt jedoch gleich: die Vertragsparteien einigten sich darüber, dem Hund eine fachgerechte, dem objektiven Standard des besonderen Faches entsprechende Behandlung zugute kommen zu lassen.

Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass dem Arzt ein Kunstfehler (Behandlungsfehler) unterlaufen ist, trägt grundsätzlich der Patient. Ein exakter, Zweifel ausschließender, Kausalitätsbeweis ist jedoch bei ärztlichen Kunstfehlern schwierig zu erbringen. Aus diesem Grund sind die Anforderungen bezüglich des Kausalitätsbeweises reduziert (Harrer in Schwimann, VII, RZ 51 zu § 1300), allerdings muss der Patient als Kläger das Entstehen des Gesundheitsschadens durch das Verhalten des Arztes überwiegend wahrscheinlich machen (Dittrich - Tades, ABGB36, E 211 und 212 zu § 1299).

Gelingt dem Patienten dieser Beweis, so hat der Arzt nachzuweisen, dass sein Verhalten (Unterlassen, Fehlbehandlung) mit grösster Wahrscheinlichkeit für die eingetretenen Folgen unwesentlich geblieben ist (Harrer in Schwimann, VII; RZ 56 zu § 1300). Dementsprechend ist zu klären, ob dem Beklagten ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist.

Die Vorgehensweise am 29.07.2004 sowie am 30.07.2004 (Stellen der vorläufigen Diagnose - symptomatische Therapie - Kontrolle des Therapieerfolges) war lege artis und entsprach dem letzten Stand der Veterinärmedizin.

Der Beklagte konnte zum damaligen Zeitpunkt aus den von der Klägerin geschilderten Symptomen und aus den von ihm erstellten Befunden nicht auf das Vorliegen einer Peritonitis schließen, da die Symptome (schleppende Bewegungen, Nachziehen des Hinterteiles, Behäbigkeit, ruhiges Verhalten) verschiedene Ursachen haben konnten und auch für das Krankheitsbild einer Peritonitis nicht krankheitstypisch waren. Auch aus der geringgradigen Schmerzempfindlichkeit, der mäßigen Vergrößerung der Hoden und der inneren Körpertemperatur konnte noch nicht auf einen entzündlichen Prozess geschlossen werden. Hinsichtlich der Behandlung am 29.07.2004 und am 30.07.2004 liegt somit kein Verstoß gegen die tierärztliche Sorgfaltspflicht vor. Daher hat der Beklagte der Klägerin auch die von ihm für diese Behandlungen verlangten Kosten von € 85,13 nicht zu erstatten. Hinsichtlich der Vorgehensweise am 05. und 06.08.2004 ist Folgendes auszuführen:

Da sich der Allgemeinzustand des Hundes nicht besserte, die Fieberkurve ansteigend sowie weiterhin eine unklare Symptomatik (anhaltende Bewegungs- und Fressunlust, Behäbigkeit, vergrößerter Bauch, vermehrter Durst) gegeben war und der Hund am 05.08.2004 erneut - bereits zum dritten Mal - in die Ordination des Beklagten gebracht wurde, hätte der Beklagte zur Absicherung seiner Diagnose spätestens zu diesem Zeitpunkt weiterführende Untersuchungen (z.B. Blutuntersuchungen, Röntgen, Ultraschall) einleiten müssen, da die Ergebnisse dieser Untersuchungen zur Einengung der differentialdiagnostischen Möglichkeiten unverzichtbar sind und sie zumindest zu einer besseren Einschätzung der gesundheitlichen Situation des Hundes geführt hätten. Wäre am 05.08.2004 eine labormedizinische Blutuntersuchung durchgeführt worden, hätten die Ergebnisse, die dann dem Beklagten am 06.08.2004 vorgelegen wären, bereits einen konkreten Hinweis auf einen entzündlichen Prozess bzw. auf bereits eingetretene Organschäden geben können. Infolgedessen hätte eine Therapie mit Antibiotika begonnen werden können, wodurch die Keime im Bauchraum eingedämmt und der Ausbruch der Krankheit in seiner Intensität verringert werden hätte können. Die Heilungschancen des erst 5 Jahre alten Hundes wären wesentlich besser gewesen. Außerdem wären wahrscheinlich in weiterer Folge nicht so umfangreiche Therapiemaßnahmen notwendig gewesen (keine Peritoniallavage, keine chirurgischen Eingiffe).

Der Klägerin ist es daher gelungen nachzuweisen, dass die Nichtdurchführung von weiterführenden Untersuchungen wahrscheinlich den Gesundheitsschaden herbeigeführt hat.

Da ein Tierarzt als Sachverständiger iSd § 1299 ABGB anzusehen ist, muss ein strengerer, objektiver Verschuldensmaßstab angelegt werden. Sachverständige müssen die typischen Fähigkeiten ihres Berufsstandes haben, also den Leistungsstandard ihrer Berufsgruppe erfüllen. Da der Beklagte bei der dritten Visite trotz Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Hundes, unklarer Symptomatik und Ansteigen der Fieberkurve keine weiterführenden Untersuchungen angeboten bzw. eingeleitet hat und da sich eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Hundes als wahrscheinlich darstellte, ist ihm auch ein Verschulden vorzuwerfen.

Dem Beklagten hingegen ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass die Nichtdurchführung der weiteren Untersuchungen am eingetretenen Erfolg nichts geändert hat, weshalb er für den eingetretenen Schaden zu haften hat.

Hinsichtlich des eingetretenen Schadens bzw. der Schadenshöhe ist Folgendes auszuführen:

§ 1332a ABGB normiert, dass, wenn ein Tier verletzt wird, die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann gebühren, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte.

Um seinen Hund zu retten, hätte auch ein verständiger Tierhalter einen zweiten Tierarzt aufgesucht, um eine zweite Meinung über den Gesundheitszustand des Hundes, der sich nach vier Visiten bei einem Tierarzt noch immer nicht besserte, einzuholen, sowie das Tier in eine spezielle Tierklinik gebracht, um dem Hund die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.

Die Behandlung in der Tierklinik Hollabrunn war insofern sinnvoll und angemessen, da diese Behandlung dem aktuellen Stand der Veterinärmedizin entsprach und nur so die Überlebenschancen des Hundes gewahrt werden konnten. Da der Hund nach der ersten Operation gute Überlebenschancen, nämlich im Ausmaß von 50:50, hatte, war auch eine Euthanasie nicht geboten.

Gleiches gilt für den der Klägerin erwachsenen Aufwand für die Beschaffung der Blut- und Plasmaspenden. Dieser Rettungsaufwand ist auch bei Erfolglosigkeit zu ersetzen (vgl. Dittrich/Tades, ABGB36, E 152 zu § 1293 ABGB).

Allerdings hätte die Klägerin auch bei rechtzeitigem Erkennen der Peritonitis durch den Beklagten Kosten für die weitere Behandlung des Hundes, wie z.B. für Medikamente, Folgevisiten, Betreuungsaufwand, zu tragen gehabt. Diese Kosten sind allerdings nicht genau bezifferbar, da nicht mehr feststellbar ist, ob am 6.8.2004 bereits eine Peritonitis bestanden hat und - bejahendenfalls - wie weit diese schon fortgeschritten war.

Gemäss § 273 ZPO werden diese Kosten mit € 1.200,00 bewertet. Da somit der Beklagte für diese Kosten, welche die Klägerin auch bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten zu tragen gehabt hätte, nicht kausal war, können sie ihr nicht zugesprochen werden. Insgesamt erhält die Klägerin die Kosten für die Behandlung in der Tierklinik Hollabrunn in Höhe von € 3.207,00, die Aufwendungen für die Beschaffung des Blutes und des Plasmas in Anwendung des § 273 ZPO in Höhe von € 300,00, die Kosten für die Behandlung bei der Tierärztin N.N. in Höhe von € 87,92 sowie den Wert des Hundes in Höhe von € 700,00 abzüglich eines Betrages in Höhe von € 1.200,00, welchen die Klägerin auch bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten für weiterführende Behandlungen zu tragen gehabt hätte, zugesprochen, somit € 3.094,92.

Schmerzengeld für erlittene seelische Schmerzen ist nicht zuzusprechen. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 2 Ob 84/01v ( = ecolex 2001, 668 = JBl 2001, 660 = EFSlg 97.045) ausgesprochen, dass ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt. Maßgeblich für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld ist die intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise besteht. Um der Gefahr des Ausuferns von Anprüchen zu begegnen, bedarf es einer engen Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises. In diesem Fall handelt es sich aber um einen Hund, der zwar gemäß § 285a ABGB keine Sache ist, auf den aber die sachenrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind. Keinesfalls kann ein Hund unter den Begriff eines nahen Angehörigen subsumiert werden.

Da der Oberste Gerichtshof als wesentliche Voraussetzung eine nahe Angehörigeneigenschaft verlangt, eine solche aber nicht gegeben ist bzw. nicht gegeben sein kann und die Zulassung des Schmerzengeldanspruches für einen verstorbenen Hund eine nicht gewünschte und unzulässige Ausuferung der Ansprüche zur Folge hätte, kann Schmerzengeld für die erlittenen seelischen Schmerzen nicht zugesprochen werden.

Auch auf § 1331 ABGB kann der Schmerzengeldanspruch nicht gegründet werden, da der Schaden nicht mittels einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung oder aus Mutwillen und Schadenfreude verursacht worden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist mit 37 % ihres Anspruches durchgedrungen, so dass ihr 37 % ihrer Barauslagen, das sind € 858,55, zuzuerkennen waren. Bezüglich der Barauslagen ist darauf hinzuweisen, dass von den €

2000,00 an Kostenvorschuss für die Sachverständigengebühren nur ein Betrag von € 1709,70 benötigt und der Restbetrag von € 290,30 bereits an die Klägerin rücküberwiesen wurde.

Da die Klägerin nur mit 37 % durchgedrungen ist, hat sie dem Beklagten 26 % seiner Kosten und 63% seiner Barauslagen zu ersetzen. Bezirksgericht Melk

3390 Melk, Bahnhofplatz 4

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